Urteil des VG Gelsenkirchen vom 21.06.2006
VG Gelsenkirchen: örtliche verhältnisse, durchgangsverkehr, nachtfahrverbot, initiative, höchstgeschwindigkeit, anteil, erlass, höchstpersönliche rechte, anwohner, körperliche unversehrtheit
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 14 K 1655/03
Datum:
21.06.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 1655/03
Schlagworte:
Straßenverkehrsrechtliches Einschreiten, Lärmschutz, Anspruch auf
Neubescheidung
Normen:
StVO § 45 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3, Abs. 9
Tenor:
Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 20. Juni
2006, soweit dieser straßenverkehrsrechtliche Anordnungen aus
Gründen des Lärmschutzes ablehnt, verpflichtet, den Antrag der
Klägerinnen zu 1., 2. und 4. auf Anordnung eines Nachtfahrverbots für
den LKW-Durchgangsverkehr sowie einer Geschwindigkeitsbegrenzung
auf 50 km/h auf der Bundesstraße 1 in Dortmund unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen wird die
Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu
3. zu ¼, dem Beklagten zu ¾ auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten
der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Die Kostenentscheidung
ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige
Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerinnen zu 1. und 2. sind Anwohnerinnen des Westfalendammes -
Bundesstraße 1 (B 1) - in Dortmund. Die Klägerinnen zu 3. und 4. wohnen auf dem
Kortumweg und der Droste-Hülshoff-Straße im unmittelbar an die B 1 angrenzenden
Stadtteil Dortmund-Gartenstadt.
2
In dem hier streitigen Bereich verläuft die B 1 südlich der Dortmunder Innenstadt in ost-
westlicher Richtung. Als Teilstück des - früher einheitlich so bezeichneten -
Ruhrschnellwegs geht sie im Osten des Dortmunder Stadtgebietes in Höhe der
Anschlussstelle Holzwickede unmittelbar in die Bundesautobahn 44 (A 44) Richtung
Kassel über, im Westen verläuft sie etwa ab der Ausfahrt Dortmund-Dorstfeld als
Bundesautobahn 40 (A 40) in Richtung Essen/Duisburg. Zwischen dem jeweiligen
Beginn der Autobahn und dem Straßenkreuz mit der Bundesstraße 236 (B 236 n) im
3
Osten sowie der Aus-/Zufahrt Wittekindstraße im Westen ist die Straße als
Kraftfahrtstraße gemäß Zeichen 331 nach § 42 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung
(StVO) ausgewiesen. In dem dazwischenliegenden zentralen Abschnitt, in dessen
Bereich die Klägerinnen wohnen, verläuft die Straße größtenteils sechsspurig und weist
zahlreiche Verknüpfungen mit innerörtlichen Straßen, aber auch der Bundesstraße 54
(B 54) auf.
Auf Grund des außerordentlich hohen Verkehrsaufkommens auf der B 1 von über
90.000 Kraftfahrzeugen pro Tag gab es bereits seit den 1980er Jahren Bestrebungen,
durch Verminderung insbesondere des durchgehenden Schwerlastverkehrs die aus
dieser Verkehrsbelastung resultierende Belastung der Anwohner durch Lärm und
Schadstoffe zu reduzieren. So beschloss - ausweislich eines Berichtes eines
Mitarbeiters des Amtes für Tiefbau und Straßenverkehr gegenüber der Bezirksvertretung
Innenstadt-Ost im Juni 2000 - der Rat der Stadt Dortmund Mitte der 80er Jahre, ein
Nachtfahrverbot für LKWs auf der B 1, das aber - so der Bericht - sowohl durch die
Bezirksregierung Arnsberg als auch durch das Landesverkehrsministerium abgelehnt
und demgemäß auch nicht umgesetzt worden sei.
4
Seit 1995 - soweit aus den Verwaltungsvorgängen des Beklagten ersichtlich - fordert die
„Lärm- und Abgas-Schutzgemeinschaft B 1-Initiative Dortmund e.V." (im Folgenden: B 1-
Initiative) die Einführung eines Nachtfahrverbotes für den LKW- Durchgangsverkehr. Zur
Begründung wies die B 1-Initiative mit Schreiben vom 13. Dezember 1995 an den Rat
der Stadt Dortmund darauf hin, dass nach einer von Anwohnerinnen und Anwohnern in
der Nacht vom 28. auf den 29. November 1995 durchgeführten Verkehrszählung
zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr fast 2000 Lastkraftwagen mit einem Gesamtgewicht
über 7,5 t die B 1 zwischen der B 54 im Westen und der B 236 im Osten befahren hätten,
davon 90% als Durchgangsverkehr. Auf- und Abfahrten seien in nennenswertem
Umfang, d. h. ca. 170 LKWs, nur an der Kreuzung „Märkische Straße" erfolgt, wobei es
sich vor allem um Transporte zum Großmarkt gehandelt habe. Die meisten LKWs, von
denen ca. 85% Sattelschlepper und Schwerlaster mit Anhänger gewesen seien, seien
auch schneller als die erlaubten 60 km/h gefahren. Die parallel durchgeführte
Lärmmessung habe ergeben, dass die Lärmbelastung der angrenzenden Wohngebiete
erheblich über den zulässigen Grenzwerten liege.
5
Der LKW-Durchgangsverkehr könne Dortmund auf den Autobahnen bzw. Schnell-
straßen A 1, A 2, A 45 und B 236 problemlos umfahren, ohne das nachgeordnete
innerstädtische Verkehrsnetz zu belasten. Die Umfahrungsstrecken seien in den
Nachtstunden nicht ausgelastet und - im Gegensatz zur B 1 - mit
Lärmschutzvorrichtungen versehen. Das Durchfahrtsverbot könne nach Auskunft der
Dortmunder Polizei jederzeit und ohne Schwierigkeiten überwacht werden. Verkehrs-
kontrollen zur Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung seien bereits jetzt dringend
erforderlich.
6
Daraufhin führte der Beklagte am 8. Mai 1996 in der Zeit von 0.00 Uhr bis 4.00 Uhr eine
Verkehrserhebung durch, bei der zum einen eine Befragung aller LKW- Fahrer auf der B
1 in Höhe Holzwickede bezüglich ihres Herkunfts- und Zielortes sowie der Fahrtroute
durch Dortmund erfolgte und zum anderen eine Querschnittszählung des
Gesamtverkehrs, differenziert nach Fahrzeugarten, auf dem Streckenabschnitt zwischen
Ruhrallee (B 54) und Märkischer Straße. Die Erhebungen wurden nur in der
verkehrsarmen Zeit von 0.00 Uhr bis 4.00 Uhr als vertretbar angesehen und auch
durchgeführt und sodann unter Berücksichtigung sogenannter „typischer
7
Tagesganglinien des Kraftfahrzeugverkehrs" gemäß einer Untersuchung des
Bundesverkehrsministeriums sowie der Verkehrserhebung der B 1-Initiative auf den
Beurteilungszeitraum von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr hochgerechnet. Danach befuhren im
Zeitraum von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr 7948 Kraftfahrzeuge die B 1 in Höhe Ruhrallee (B
54) mit einem LKW-Anteil von 20,5%, entsprechend 2226 Lastkraftwagen. Der Anteil
des Durchgangsverkehrs variierte nach den Feststellungen des Beklagten in Höhe
Ruhrallee je nach Fahrtrichtung und betrachtetem Erhebungszeitraum zwischen ca.
70% und 36%. Der mittlere Anteil des Durchgangsverkehrs an Lastkraftwagen habe in
Fahrtrichtung Westen 57,7%, in Fahrtrichtung Osten 47,5% betragen. Ab etwa 4.00 Uhr
sei auf Grund des Arbeitsbeginns auf Großmärkten mit einem erhöhten Quell-
/Zielverkehr zu rechnen, so dass die Anteile des Durchgangsverkehrs abnähmen. Dies
sei bei der Abschätzung der Auswirkungen eines LKW-Nacht-fahrverbotes
berücksichtigt worden. Es sei danach davon auszugehen, dass von den 2226 LKWs ca.
890 auf die A 45 verlagert werden könnten, wodurch sich der LKW-Anteil am
Gesamtverkehr auf der B 1 von 28,5% auf 19% verringere.
Bei seinen auf dieser Grundlage durchgeführten Lärmberechnungen für den
Streckenabschnitt zwischen Ruhrallee und Märkischer Straße als dem Abschnitt mit den
dichtesten Baufluchtabständen kam der Beklagte gemäß seinem Bericht an den
Ausschuss für Bau, Verkehr und Grünflächen des Rates der Stadt Dortmund vom 15.
August 1996 zu dem Ergebnis, dass bei Ausschluss des LKW-Durchgangs- verkehrs
Schallpegelminderungen je nach Verkehrsrichtung zwischen 1,5 und 2,1 dB (A) möglich
wären. Da aber erst eine Verringerung des Verkehrslärms von mindestens 3 dB (A)
wahrnehmbar sei, kämen straßenverkehrsrechtliche Maß- nahmen nach den
„Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor
Lärm" (Lärmschutz-Richtlinien - StV) auch erst dann in Betracht, wenn dieser Wert
erreicht oder überschritten sei.
8
Mit Schreiben vom 23. Juni 1997 wandte sich die B 1-Initiative erneut an den Beklagten,
wobei sie dessen Berechnungen bezüglich des Anteils des LKW- Durchgangsverkehrs
im Einzelnen in Zweifel zog. Statt dessen kam sie auf der Basis der von ihr zu Grunde
gelegten Zähl- und Messwerte zu dem Ergebnis, dass bei Einrichtung eines nächtlichen
Fahrverbotes für durchfahrende Lastkraftwagen eine Reduzierung der nächtlichen
Lärmimmissionen von derzeit 70,4 dB (A) auf 67,1 dB (A) bzw. bei zusätzlicher
Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h auf 66 dB (A), also
um 3,3 bzw. 4,4 dB (A) zu erzielen sei.
9
In einem von der B 1-Initiative in Auftrag gegebenen Gutachten der Firma „plan- Lokal"
vom Januar 1998 kam das Gutachterbüro nach Auswertung von Videoaufzeichnungen
hierfür installierter Infrarotkameras zu dem Ergebnis, dass von 2045 erfassten
Lastkraftwagen zwischen den Anschlussstellen Dortmund-Dorstfeld im Westen und
Holzwickede im Osten 1081 Fahrzeuge, mithin 52,9%, zum verlagerbaren
Durchgangsverkehr zu zählen seien.
10
In ihrem mit dem Gutachten an den Beklagten übersandten Anschreiben vom 17.
Februar 1998 verwies die B 1-Initiative darauf, dass die Verlagerung von 52,9% des
nächtlichen LKW-Verkehrs auf die um Dortmund herumführenden Autobahnen eine
Lärmminderung von mehr als 3 dB (A) erbringe. Bei zusätzlicher Verringerung der
zulässigen Höchstgeschwindigkeit lasse sich sogar eine Lärmminderung um mehr als 5
dB (A) erzielen.
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Im Zusammenhang mit einer im Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen erfolgten
„Kleinen Anfrage" betreffend Nachtfahrverbote für LKWs in Nordrhein- Westfalen wandte
sich die B 1-Initiative mit Schreiben vom 29. Juli 1998 an das Ministerium für Wirtschaft,
Mittelstand, Technik und Verkehr des Landes Nordrhein- Westfalen mit dem Hinweis auf
die Möglichkeit der Umleitung des LKW-Verkehrs über die Autobahnen A 1 und A 45.
Diese sei keineswegs zu weiträumig, da der Umweg lediglich acht Kilometer bei einem
zeitlichen Mehraufwand von drei Minuten betrage. Eine innerstädtische Umgehung,
insbesondere über den Straßenzug Malinckrodtstraße/ Borsigstraße/Brackeler Straße
würde auf Grund der dortigen Verkehrsverhältnisse (teilweise einspurige Strecke, eng,
12 Ampelanlagen) dagegen mindestens 15 bis 20 Minuten länger dauern, so dass die
Benutzung dieser Strecken durch LKW-Fahrer auszuschließen sei. Nach dem von ihr in
Auftrag gegebenen Gutachten sei ein Anteil von 52,9% des LKW-Verkehrs verlagerbar,
was eine deutliche Lärmreduzierung von mehr als 3 dB (A) erbringe.
12
In seinem Antwortschreiben vom 25. August 1998 verwies das Ministerium darauf, dass
die B 1/ A 40 die wichtigste Ost-West-Verbindung im Ruhrgebiet sei mit einem auch
nachts erheblichen Verkehrsaufkommen. Die Anzahl der durch den den Grenzwert
überschreitenden Lärm belästigten Anwohner sei vergleichsweise gering, da die
unmittelbar an die B 1 angrenzenden Gebäude überwiegend nicht mehr zum Wohnen
genutzt würden. Ob durch die angestrebten Maßnahmen eine spürbare Verringerung
des Lärms zu erzielen sei, sei dagegen zumindest zweifelhaft. Unter diesen Umständen
halte man aktive Lärmsanierungsmaßnahmen wie die Lärmschutzwand zwischen Josef-
Scherer-Straße und B 54 sowie das Angebot passiver Lärmschutzmaßnahmen, von
denen die Eigentümer der betroffenen Wohnhäuser offenbar nur beschränkt Gebrauch
gemacht hätten, für die bessere Lösung. Obgleich die Entscheidungen der Stadt
Dortmund und der Bezirksregierung Arnsberg danach durchaus sachgerecht seien,
habe man beide aber gleichwohl um nochmalige Prüfung der Zweckmäßigkeit eines
Nachtfahrverbots in Verbindung mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung gebeten.
13
Nachfolgend teilte der Beklagte der B 1-Initiative mit Schreiben vom 9. Januar 1999 mit,
dass dem Antrag auf Erlass verkehrsbeschränkender Maßnahmen nicht
nachgekommen werde, da nach den getroffenen Feststellungen weder durch die
Sperrung für den nächtlichen LKW-Durchgangsverkehr noch durch die
Geschwindigkeitsreduzierung auf 50 km/h eine Schallpegelminderung von mindestens
3 dB (A) zu erreichen sei.
14
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26. Juni 2000 beantragten die Klägerinnen zu 1., 2.
und 4. zusammen mit weiteren Personen, unter anderem der Frau K. L. , beim Beklagten
unter Bezugnahme auf die Angaben der B 1-Initiative sowie ein Votum der
Bezirksvertretung Ost, die sich nach den vorliegenden Verwaltungsvorgängen ebenfalls
mehrfach für eine Sperrung des nächtlichen LKW- Durchgangsverkehrs ausgesprochen
hatte, die Ausschilderung „Nachtfahrverbot für LKW" auf der B 1. Nach § 45 Abs. 1 Satz
2 Nr. 3 StVO könne bzw. - unter bestimmten Voraussetzungen - müsse der Beklagte als
zuständige Straßenverkehrsbehörde die Benutzung bestimmter Straßen oder
Straßenstrecken zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen
beschränken. Eine solche Beschränkung sei - unter Berücksichtigung ihrer besonderen
Verkehrsfunktion - auch bei Bundes- straßen zulässig. Die dem Beklagten vorliegenden
Untersuchungen belegten, dass im Bereich der B 1 zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr
Lärmbelastungswerte erreicht würden, die bei weitem nicht mehr als zumutbar
angesehen werden könnten. Dabei seien die Grenzwerte der 16.
Bundesimmissionsschutzverordnung (16. BImSchV), bei deren Erreichen das
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Planfeststellungsrecht zwingend Schutzauflagen vorsehe, einzubeziehen, da
Schutzauflagen und Zumutbarkeit insoweit kompatibel seien.
Die Grenzwerte für Kern- und Mischgebiete lägen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 der 16.
BImSchV bei 54 dB (A), selbst in Gewerbegebieten nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 nur bei 59 dB
(A). Demgegenüber lägen die an der B 1 gemessenen Werte je nach Geschwindigkeit
bei 70,4 bzw. 71,3 dB (A) und damit wesentlich höher. Diese Werte überschritten selbst
diejenigen der Lärmschutz-Richtlinien - StV, die bei Kern- und Mischgebieten für den
Zeitrahmen von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr einen Wert von 65 dB (A) vorgäben.
16
Das Nachfahrverbot für Lastkraftwagen stelle auch eine geeignete und erforderliche
Maßnahme dar. Eine Verlagerung des umlegbaren LKW-Anteils von 52,9% führe zu
einer Verringerung des Lärmpegels um mehr als 3 dB (A), wobei eine weitere
Reduzierung über eine Geschwindigkeitsbegrenzung zu erzielen sei.
17
Es bestünden Umgehungsmöglichkeiten über die A 1/A 45 mit einer Mehrlänge von acht
Kilometern und einer Mehrdauer von ca. drei Minuten, sodass auch von einer Akzeptanz
dieser Strecke durch die Verkehrsteilnehmer auszugehen sei. Bei Vergleichsfällen in
Hessen seien teilweise Umwege von 50 km in Kauf genommen worden. Es sei auch
nicht mit einer Verkehrsverdrängung zu Lasten der Anwohner anderer - innerörtlicher -
Straßen zu rechnen, da eine innerörtliche Umfahrung einen zeitlichen Mehraufwand von
mindestens 20 Minuten erfordere, so dass sich der LKW-Verkehr hierüber nicht
abwickeln werde.
18
Bereits jetzt bestünden Umgehungshinweise an den Autobahnkreuzen Dortmund-West
und Dortmund-Unna, aus deren Vorhandensein geschlossen werden müsse, dass die
Umgehung grundsätzlich nicht als zu weitläufig betrachtet werde.
19
Am 30. Juni 2001 fand auf Betreiben der Bezirksvertretung Innenstadt-Ost ein
sogenannter „Runder Tisch" statt, an dem neben Vertretern des Beklagten, der
Bezirksvertretung sowie der B 1-Initiative auch solche der Beigeladenen, des
Polizeipräsidiums Dortmund sowie der Autobahnpolizei teilnahmen. In dem
Ergebnisprotokoll ist neben den bereits dargestellten Positionen festgehalten, die
Beigeladene begründe ihre Ablehnung des Nachtfahrverbots mit dem Nichterreichen
einer Lärmreduzierung um mindestens 3 dB (A) sowie einem geringen Befolgungsgrad
des Nachtfahr-verbots durch die LKW-Fahrer auf Grund eines zu geringen Bußgeldes.
Daneben verweise sie auf ihre eigene Zuständigkeit zur Anbringung der
Umleitungsschilder, wenn diese bereits an der Autobahn aufgestellt würden.
20
Das Polizeipräsidium Dortmund bezweifelte auf Grund der für die Kontrollen benötigten
Zeit (mindestens ca. fünf Minuten je LKW) eine wirkungsvolle Kontrollierbarkeit des
Nachtfahrverbots. Außerdem werde bei einer Geschwindigkeitsreduzierung von jetzt 60
km/h auf 50 km/h mit nur geringer Akzeptanz gerechnet. Als Ergebnis des „Runden
Tisches" wurde die Prüfung der für die Lärmberechnung zu Grunde liegenden
Datenbasis sowie eine erneute Lärmberechnung durch die Verwaltung vereinbart.
21
Demgemäß wurde in der Folgezeit eine schalltechnische Untersuchung für die
Streckenabschnitte Rheinlanddamm (B 54 bis Märkische Straße) sowie Westfalendamm
(Märkische Straße bis B 236 n) durch das Amt für Tiefbau und Straßenverkehr des
Beklagten durchgeführt. In seinem Gutachten vom April 2002 kam der Beklagte im
Wesentlichen zu folgenden Ergebnissen:
22
Das Untersuchungsgebiet grenzt an vorhandene Bebauungspläne an und kann
überwiegend als allgemeines Wohngebiet (WA) eingestuft werden, wobei die ersten
Gebäudereihen im Zuge der B 1 größtenteils als Mischgebiet ausgewiesen sind.
23
Die durchschnittliche Tagesverkehrsmenge beträgt 93.500 Kfz/24 h bei einem LKW-
Anteil von tags/nachts 17 bzw. 22%.
24
Hieraus ergibt sich bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h ein
Lärmimmissionspegel von 77,0/70,5 dB(A) tags/nachts.
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Bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h reduzieren sich die
Lärmimmissionen um 2 dB (A) auf 75/68,5 dB (A) tags/nachts.
26
Bei Einrichtung eines LKW-Nachtfahrverbots sinkt die Verkehrsmenge auf ca. 92.250
Kfz/ 24 h mit einem LKW-Anteil nachts von 12%.
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Bei LKW-Nachtfahrverbot und Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von
70 auf 50 km/h verringern sich die Lärmimmissionen um insgesamt 4,1 dB (A) auf 66,4
dB (A).
28
Durch die genannten Maßnahmen würde an insgesamt 31 Wohnhäusern an beiden
Streckenabschnitten der Immissionspegel unter den Richtwert von 60 dB (A) der
Lärmschutz-Richtlinien-StV gesenkt.
29
Parallel zu der Behandlung der vorbezeichneten Lärmproblematik ließ der Beklagte in
dem Zeitraum von Dezember 1999 bis Dezember 2000 an verschiedenen Standorten im
Stadtgebiet, u. a. auch an der B 1, durch den Rheinisch-Westfälischen TÜV (RWTÜV
Anlagentechnik GmbH) Immissionsmessungen verkehrsbedingter Schadstoffe
durchführen, nachdem das Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft
des Landes Nordrhein-Westfalen mit Erlass vom 12. März 1997 die Kreise und
kreisfreien Städte aufgefordert hatte, nach Inkrafttreten der 23. Verordnung zum
Bundesimmissionsschutzgesetz (Verordnung über die Festlegung von
Konzentrationswerten - 23. BImSchV) die Vorgaben des § 40 Abs. 2
Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) umzusetzen. Wegen der Ergebnisse der
durchgeführten Messungen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorgelegten
Verwaltungsvorgänge.
30
In einer verwaltungsinternen Vorlage vom 4. April 2002 schlug das Stadtplanungsamt
die Anordnung eines LKW-Nachtfahrverbotes und einer Geschwindigkeitsbegrenzung
auf 50 km/h auf der B 1 vor. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die bisherigen
Erhebungen ergeben hätten, dass die Absenkung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h nicht und die Anordnung eines nächtlichen LKW-
Durchfahrverbotes nur geringfügig zu einer Reduzierung der Abgasimmissionen führen
werde.
31
Hinsichtlich der Lärmbelastung sei allerdings festzustellen, dass durch ein
Durchfahrverbot für LKWs in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr in Kombination mit der
Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h eine
Schallpegelreduzierung zu erzielen sei, die mehr als 3 dB (A) betrage. Der Richtwert
von 60 dB (A) werde jedoch nur bei 25 Häusern und damit einer relativ geringen
32
Bewohnerzahl erreicht. Nach den derzeit gültigen Lärmschutzrichtlinien vom 13. Januar
1982 seien verkehrsregelnde Maßnahmen jedoch auch dann gerechtfertigt, wenn durch
sie eine Schallpegelreduzierung von mindestens 3 dB (A) erzielt werden könne, ohne
den Richtwert von 60 dB (A) zu erreichen.
Beide Maßnahmen, LKW-Nachtfahrverbot und Geschwindigkeitsreduktionen, seien mit
erheblichen Durchsetzungsproblemen behaftet. Die Polizeibehörde in Dortmund habe
zwar zugesagt, im Falle der Anordnung entsprechender Verbote „im Rahmen ihrer
Möglichkeiten" Kontrollen durchzuführen, bei der Umsetzung ergäben sich aber
grundsätzliche Probleme:
33
LKW-Kontrollen könnten nur sporadisch durchgeführt werden und seien auch dann nur
eingeschränkt wirksam, da für LKW-Fahrer leicht Vorwände zu finden seien,
Anliegerverkehr zu begründen. Beispiele in Hessen hätten allerdings gezeigt, dass der
Befolgungsgrad von Durchfahrverboten dennoch hoch sein könne.
34
Bei der Charakteristik der B 1 und der in den Nachtstunden unbehinderten Fahrsituation
sei eine Reduktion des Geschwindigkeitsniveaus durch vereinzelte
Geschwindigkeitskontrollen überhaupt nicht zu erzielen. Wirkungsvoll sei allein das
Aufstellen stationärer Messstellen („Starenkästen"). Pro Richtung müssten vier bis fünf
Anlagen eingerichtet werden. Nach Auffassung des Hessischen Ministeriums des
Innern und Sport könne vor dem Hintergrund eines Urteils des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 31. März 1999 bei der Frage, ob eine
Geschwindigkeitsbegrenzung aus Lärmschutzgründen angeordnet werde, keine Rolle
spielen, „ob die zur Durchsetzung einer Beschränkung gfls. erforderliche Überwachung
gewährleistet ist".
35
Trotz dieser Einschränkungen werde empfohlen, die Maßnahmen durchzuführen, da
dies die einzige Möglichkeit sei, überhaupt Verbesserungen zu erzielen. Zudem sei
nach außen nicht vermittelbar, dass großräumig orientierte LKW-Verkehre (die in
Zukunft noch deutlich zunehmen würden) die Ortslage belasteten, obwohl über die A
45/A 1 eine leistungsfähige und nur geringfügig umwegige Streckenführung zur
Verfügung stehe. Berücksichtigt werden müsse auch, dass bei der Ermittlung von
Lärmbelastungen immer Mittelungspegel zur Anwendung kämen. Bei der subjektiven
Bewertung spiele - gerade nachts - das Lärmereignis „einzeln fahrender LKW" die
entscheidende Rolle. Eine Halbierung dieser „Ereignisse" führe für die Betroffenen zu
einer erheblichen Verbesserung der Wohnsituation.
36
Mit Schreiben vom 26. Juli 2002 wandte sich die Prozessbevollmächtigte der
Klägerinnen erneut an den Beklagten und beantragte unter Bezugnahme auf ihr
Schreiben vom 26. Juni 2000 die umgehende Erteilung eines sachadäquaten
Bescheides über die von ihr beantragten verkehrsbeschränkenden Maßnahmen. Dabei
verwies sie darauf, dass eine Rücksprache mit dem Verkehrsministerium ergeben habe,
dass die Prämisse der Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens für die
Untertunnelung im Jahre 2002 und darüber hinaus von diesem nicht geteilt werde. Die
sicherlich wünschenswerte Untertunnelung der B 1 sei insoweit keine Problemlösung.
37
Sodann teilte der Beklagte mit Schreiben vom 8. Oktober 2002 mit, dass beim aktuellen
Planungsstand zur B 1-Untertunnelung keine Entscheidung über ein LKW-
Nachtfahrverbot getroffen und insofern ein Bescheid in der von der
Prozessbevollmächtigten erwarteten Form nicht erteilt werden könne.
38
Daraufhin haben die Klägerinnen mit auf den 24. Oktober 2002 bzw. 28. März 2003
datiertem Schriftsatz, bei Gericht eingegangen am 3. April 2003, die vorliegende Klage
erhoben. Zur Begründung machen sie geltend, die Überschreitung der maßgeblichen
Immissionsgrenzwerte sei vorliegend unstreitig. Anzumerken sei insoweit, dass bereits
bei einer Lärmbelastung von 50 bis 55 dB (A) die kritische Schwelle für
Kreislauferkrankungen erreicht sei. Dabei verstärke sich das Gefahrenpotential noch
durch den Effekt der am Tag bestehenden extrem hohen Belastungswerte, bei denen
ein Ausgleich durch eine Regenerierung in der Nacht dringend erforderlich, bisher aber
nicht sichergestellt sei. Nachdem der dringende Handlungsbedarf durch die eigenen
Untersuchungen des Beklagten und die Bewertungen seiner Fachämter bestätigt
worden sei, weigere sich der Fachdezernent, den gestellten Antrag zu bescheiden.
39
Es stehe fest, dass alle gutachterlichen und verwaltungsinternen Stellungnahmen die
Unzumutbarkeit der Wohnverhältnisse in Bezug auf Lärm und Abgase bestätigt hätten.
Jedenfalls bestehe Konsens, dass eine Abhilfe derzeit nur über die beantragten
verkehrslenkenden Maßnahmen zu erreichen sei. Ferner sei unstreitig, dass EU-
Normen das grundsätzlich bestehende Ermessen ebenso binden würden wie der
Befund der Fachämter über die Unerträglichkeit des Ist-Zustandes. Gerade die
angedachte Tunnellösung, für die nach Pressemeldungen im Jahre 2006 „der erste
Rammschlag" bei einer weiteren Bauzeit von vier Jahren erwartet werde, belege die
Tatsache des kontinuierlichen Verstoßes gegen den Gesundheitsschutz. Hierzu sei
weiter anzumerken, dass ein Planungsverfahren derzeit nicht einmal eingeleitet sei.
Erfahrungsgemäß seien aber Planverfahren dieser Größenordnung bis zur Baureife
auch nicht in drei Jahren abzuwickeln, wobei sich an diese Planungen auch rechtliche
Auseinandersetzungen anknüpfen könnten. Erst der weit in der Zukunft liegende
Zeitpunkt der Fertigstellung des Projektes bringe für die Klägerinnen eine Entlastung.
Damit stehe aber fest, dass ein Nichtstun in der Zwischenzeit der erkannten
Gefahrenlage nicht entspreche. Die möglicherweise das Verhalten des Beklagten
steuernde Befürchtung, es könnte bei einem Nachtfahrverbot die Tunnellösung obsolet
werden, sei nicht gerechtfertigt, weil der Tunnel auch am Tag bestehende
Verkehrsprobleme zu lösen geeignet sei und deshalb auch die Standortqualität der
bereits an der Trasse angesiedelten Unternehmen erhöhe und hierdurch die Ansiedlung
weiterer hochwertiger Unternehmensniederlassungen fördere. Ein Widerspruch bzw.
eine Konkurrenz zwischen Nachtfahrverbot für LKWs und Tunnel sei somit nicht zu
erkennen. Die Klägerinnen verweisen - nochmals - darauf, dass anstelle der
Durchfahrung des Dortmunder Stadtgebietes über die B 1 sowohl eine Südumfahrung
als auch eine Nordumfahrung über die vorhandenen Autobahnen (A 1/A 45 im Süden, A
1, A 2, A 45 im Norden) gegeben seien, die mit einer Mehrlänge von 9,3 bzw. 22,4 km
und einer durchschnittlichen Verlängerung der Fahrzeit um eine bzw. neun Minuten als
akzeptable Umgehungsstrecken zur Verfügung stünden. Angesichts ihrer - der
Klägerinnen - extrem hohen Immissions- belastungen bestehe für den Beklagten auch
unter Berücksichtigung des Um- standes, dass normativ vorgegebene Grenzwerte bei
Durchführung der beantragten Maßnahmen nicht unterschritten würden, eine
Ermessensreduktion auf null im Sinne ihres Antrages.
40
Daneben verweist die Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen sowohl schriftsätzlich
als auch - ausdrücklich - im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf, dass nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht nur Lärm und Abgase als
Entscheidungsfaktoren zu bestätigen seien, sondern darüber hinaus anerkannt sei, dass
der reine Fahrvorgang bei einem LKW zu Erschütterungen und damit Setz-rissen bei
41
einem Häuserbestand führe, was als Wertminderung in die Prüfungsparameter
einzustellen sei.
Die Klägerinnen haben zunächst - sinngemäß - beantragt,
42
den Beklagten zur Anordnung eines Nachtfahrverbotes für den LKW-
Durchgangsverkehr sowie eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h auf der B 1 in
Dortmund zu verpflichten,
43
hilfsweise, den Beklagten zur Bescheidung des dahingehend gestellten Antrages der
Klägerinnen zu verpflichten.
44
Der Beklagte hat beantragt,
45
die Klage abzuweisen.
46
Er hat geltend gemacht, die vorliegende Klage sei unbegründet. Die Klägerinnen hätten
weder auf der Grundlage von § 40 Abs. 2 BImSchG i. V. m. der 23. BImSchV noch von §
45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO einen Anspruch auf Erlass des begehrten
Verwaltungsaktes.
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Ein Anspruch der Klägerinnen auf ein Einschreiten zur Reduzierung der
Abgasimmissionen sei nicht gegeben. Wegen der Ausführungen im Einzelnen wird
verwiesen insbesondere auf Blatt 35 bis 39 der Gerichtsakte.
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Seine Ablehnung, über verkehrsregelnde Maßnahmen im Hinblick auf die
Lärmbelastung zu entscheiden, sei auch ermessensfehlerfrei erfolgt. Eine
Ermessensreduzierung auf null liege nicht vor, da die Richtwerte der „Vorläufigen
Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor
Lärm" (Lärmschutz-Richtlinien - StV) vom 6. November 1981 bei der Klägerin zu 3.
überhaupt nicht, bei der Klägerin zu 4. lediglich im Dachgeschoss und bei den
unmittelbar an der B 1 wohnenden Klägerinnen zu 1. und 2. nicht in einem
unzumutbaren Maße überschritten würden.
49
Der Beklagte verweist diesbezüglich auf die schalltechnischen Berechnungen des
Planungsbüros für Lärmschutz Altenberge vom 24. Juni 2003 nach denen für das
Gebäude Droste-Hülshoff-Straße ein Beurteilungspegel von maximal 60,8 dB (A), für
das Gebäude Kortumweg von maximal 56,4 dB (A) und für das Gebäude
Westfalendamm von 70,9 dB (A) festgestellt wurde.
50
Weder ein Nachtfahrverbot für LKWs noch die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50
km/h seien für sich genommen geeignet, eine Verringerung der Belastung um
mindestens 3 dB (A) zu erzielen. Die Erzielung zumindest dieser Verbesserung sei
jedoch erforderlich, um sie für das menschliche Gehör überhaupt wahrnehmbar zu
machen. Bei einem isolierten Nachtfahrverbot wäre in etwa die Halbierung des
derzeitigen Fahrzeugaufkommens erforderlich, um die hörbare Reduzierung von 3 dB
(A) zu erreichen. Allein die Kombination beider Maßnahmen könne im Einzelfall zu
einer geringen Verbesserung führen. Dies hätten die durchgeführten lärmtechnischen
Untersuchungen ergeben. Nach Ziffer 4.1 der Lärmschutz- Richtlinien-StV solle durch
einen Maßnahmenkatalog der Mittelungspegel unter den für das jeweilige Gebiet
einschlägigen Richtwert abgesenkt, mindestens jedoch eine Schallpegelminderung von
51
3 dB (A) bewirkt werden. Diese Vorgabe sei nach dem Ergebnis der von ihm
veranlassten Berechnungen bei den Klägerinnen praktisch nicht erfüllt worden. Sowohl
für die Klägerin zu 3. als auch für die Klägerin zu 4. seien die Richtwerte eines
allgemeinen Wohngebietes maßgebend. Diese lägen nach den Lärmschutz-Richtlinien-
StV bei tagsüber 70 dB (A) und nachts 60 dB (A). Hinsichtlich der Klägerinnen zu 1. und
2. seien die Werte eines Kern- bzw. Mischgebietes von 75 dB (A) tags bzw. 65 dB (A)
nachts anzusetzen. Einzig im Falle der Klägerin zu 3. könne durch ein Nachtfahrverbot
für LKWs in Kombination mit der Geschwindigkeitsreduzierung auf 50 km/h sowohl eine
Schallpegelminderung um 3,2 dB (A) als auch eine Unterschreitung des Richtwertes
von 60 dB (A) auf dann 55,9 dB (A) erzielt werden. In den anderen Fällen sei zwar
nachts eine Minderung um 3,2 dB (A) erreichbar, der jeweilige Richtwert würde jedoch
weiterhin überschritten. Außerdem würde mit den möglichen 3,2 dB (A) die
Wahrnehmungsgrenze von 3 dB (A) nur minimal übertroffen, so dass zwar objektiv eine
Minderung des Pegels eintreten könne, diese allerdings für das Gehör keine
wesentliche Verbessung darstelle.
Diesem Bild bei den Klägerinnen entsprächen auch die Berechnungsergebnisse im
Übrigen. Denn bei der Untersuchung sei deutlich geworden, dass von 42
Wohngegebäuden innerhalb des Abschnittes B 54 bis Märkische Straße, die innerhalb
des 60 dB (A)-Bereiches lägen, nach der Maßnahme lediglich sechs Häuser den
Richtwert unterschreiten bzw. einhalten würden, während im Abschnitt Märkische
Straße bis B 236 n nur 25 von 88 Wohngebäuden unter die 60 dB (A)- Marke fallen
würden. Eine Reduzierung des Schallpegels könne dabei um durchschnittlich ca. 4 dB
(A), also nur wenig oberhalb des vorgegebenen Wertes von 3 dB (A) erfolgen. Selbst
diese geringfügigen Rückgänge würden aber wiederum eine vollständige Beachtung
der verkehrsbeschränkenden Maßnahmen voraussetzen, die eher zweifelhaft erscheine.
Das bedeute, dass selbst bei Durchführung der geforderten straßenverkehrsrechtlichen
Maßnahmen die Beeinträchtigung der angrenzenden Wohnbebauung durch
Verkehrslärm weiter vorliegen werde. Diesen im Ergebnis unbefriedigenden Resultaten
stehe ein nicht unerheblicher Aufwand gegenüber, der zum Grad der potenziellen
Verbesserungen und der Anzahl der Begünstigten in keinem angemessenen Verhältnis
stehe.
52
Er, der Beklagte, verkenne nicht, dass die Klägerinnen einer gewissen
Immissionsbelastung ausgesetzt seien, die die Wohnqualität beeinträchtigen könne. Auf
der anderen Seite seien aber die Klägerinnen Anliegerinnen einer Bundesfernstraße.
Der Verkehrslärm, der von ihnen hingenommen werden müsse, sei wegen ihrer der
Widmung entsprechenden Verkehrsbedeutung der B 1 größer als bei anderen
Personengruppen. Die B 1 sei eine wichtige Verkehrsader und die Bündelung des
Durchgangsverkehrs auf ihr planerisch gewollt. Sie habe für die örtliche und überörtliche
Erschließung Dortmunds herausragende Bedeutung. Auf Dortmunder Stadtgebiet sei
sie die einzige durchgehende Ost-West-Verbindung.
53
Im Übrigen gehe mit der teilweisen Überschreitung von Mittelungspegeln über 60 dB (A)
nicht automatisch eine Gesundheitsbeeinträchtigung einher, da die Anwohner durch
geeignete passive Schallschutzmaßnahmen einen schlafgünstigen Innenraumpegel
von 35 dB (A) erreichen könnten.
54
Ergänzend hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2004 ausgeführt, hinsichtlich
des Routenkonzeptes habe die Stadt Dortmund im Rahmen des „Masterplans Mobilität"
ein erstes LKW-Routennetz erstellt. Ziel dieses Routennetzes sei es, den
55
Schwerverkehr möglichst lange auf geeigneten Straßen zu den wichtigen Gewerbe-,
Handels- und Logistik-Standorten zu führen und die Nutzung des innerörtlichen
Straßennetzes auf das Unvermeidbare zu beschränken, um die LKW- bedingten
Belastungen zu reduzieren. Dieses Routennetz bilde die Grundlage für die Erstellung
eines LKW-Stadtplanes und ein Schwerverkehrslenkungskonzept, das die Wegweisung
zu den Standorten auf geeigneten Routen bündeln solle.
Bei seinen Ermessenserwägungen habe er sich an den von den Lärmschutz-
Richtlinien-StV sowie den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Kriterien
orientiert. Danach komme es bei der Entscheidung, ob straßenverkehrsrechtliche
Maßnahmen ergriffen werden, natürlich nicht nur auf die Höhe des Lärmpegels an.
Vielmehr seien alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Dazu gehörten der
Grad der Beeinträchtigung und die Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebietes, die hier
angesichts der Lärmvorbelastung eher als gering einzustufen sei. Dazu gehörten auch
die Funktion der Straße, auf der bei der B 1 als Hauptverkehrsachse eine Bündelung
erfolgen solle, sowie auch die Leichtigkeit der Realisierung von Maßnahmen. Er, der
Beklagte, könne ein Nachtfahrverbot für LKWs nicht ohne Weiteres anordnen, denn
dazu sei die Ausschilderung von Umleitungsstrecken erforderlich, die auf den
Bundesautobahnen vorzunehmen sei. Hierfür sei jedoch die Bezirksregierung
zuständig. Weiter zu berücksichtigen sei die Einschränkung der Freizügigkeit des
Verkehrs. Einflüsse auf die Verkehrssicherheit dürften hier nicht bestehen, dafür aber
ein höherer Energieverbrauch der Kraftfahrzeuge bedingt durch die längere Fahrstrecke.
Schließlich sei zu bedenken die Wirksamkeit der eventuellen Maßnahme, die zwar
geeignet erscheine, den Lärmpegel um 3,2 dB (A) nachts zu vermindern, nicht aber, den
Mittelungspegel unter den Richtwert zu senken. Unter Einbeziehung all dieser
Gesichtspunkte sei er ermessensfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass die
Nachteile die Vorteile überwiegen würden und verkehrsrechtliche Maßnahmen daher
nicht zu ergreifen seien.
56
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Beklagte sodann den Bebauungsplan
„In O 219 - Rheinlanddamm/Westfalendamm - Teilbereich Ost: Märkische Straße bis B
236 n (zugleich teilweise Änderungen der Bebauungspläne 173, 183 und 198)"
vorgelegt, der im Dezember 2005 bekannt gemacht worden und noch nicht
bestandskräftig sei. Von diesem Plan werde - soweit im vorliegenden Klage-verfahren
von Belang - nur das Grundstück der Klägerin zu 1. erfasst, das als zu einem
Sondergebiet gemäß § 11 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) gehörend
ausgewiesen sei. Eine Änderung der maßgeblichen Immissionsgrenzwerte sei mit
dieser Festsetzung nicht verbunden.
57
Daneben hat der Beklagte, nachdem er im Zuge des Klageverfahrens auf Nachfrage der
Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen noch ausdrücklich erklärt hatte, eine
Bescheidung ihres Antrages sei nicht beabsichtigt, im Termin zur mündlichen
Verhandlung einen auf den Vortag (20. Juni 2006) datierten Ablehnungsbescheid
vorgelegt, mit dem er den Antrag auf Anordnung eines Nachtfahrverbots für LKW auf der
B 1 in Dortmund zurückweist.
58
Zur Begründung führt er nunmehr aus, die 23. BImSchV sei am 13. Juli 2004
aufgehoben und durch die 22. BImSchV ersetzt worden. Damit seien die bisherigen
Prüfwerte der 23. BImSchV durch (neue) Grenzwerte abgelöst worden. Auf Grund
dessen habe die Schadstoffbelastung erneut ermittelt werden müssen. Die aktuellen,
Ende Mai 2006 fertiggestellten, Untersuchungen hätten ergeben, dass entlang der B 1
59
keine Grenzwertüberschreitungen hinsichtlich des Feinstaubes zu erwarten seien.
Hinsichtlich der Ablehnung von Maßnahmen zum Schutz vor Lärm wiederholt der
Beklagte im wesentlichen seine Darlegungen aus der Klageerwiderung. Ergänzend
verweist er darauf, dass bei einer anderen Entscheidung als der von ihm aus-
gesprochenen Ablehnung der Beginn der Umleitungsstrecke an den Autobahnkreuzen
Dortmund-Unna bzw. Dortmund-West einzurichten wäre und sich damit außerhalb
seines Zuständigkeitsbereichs befände. Darüber hinaus bedürfe schon die Anordnung
eines Durchfahrverbots auf der B 1 gemäß Ziffer 4.2 der „VwV- St-ImSch" der
Zustimmung der zuständigen obersten Landesverkehrsbehörde oder der von ihr
bestimmten Stelle. Das Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und
Verkehr habe aber bereits mit Schreiben vom 27. Januar 1999 entsprechende
Maßnahmen abgelehnt.
60
Daraufhin haben die Klägerinnen im Termin zur mündlichen Verhandlung angekündigt,
gegen den nunmehr erlassenen Bescheid - lediglich - insoweit Widerspruch einzulegen,
als dieser mit dem Fehlen eines Anspruchs zum Schutz vor Abgas-
/Schadstoffimmissionen begründet worden sei. Hinsichtlich der Lärmproblematik werde
auf die Einlegung eines Widerspruchs ausdrücklich verzichtet.
61
Die Klägerinnen beantragen unter Klarstellung, dass sich diese Anträge nur auf den
Anordnungsanspruch aus Gründen des Lärmschutzes beziehen sollen, in letzter
Fassung,
62
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 20. Juni 2006 zu
verpflichten, ein Nachtfahrverbot für den LKW-Durchgangsverkehr sowie eine
Geschwindig-keitsbegrenzung auf 50 km/h auf der B 1 in Dortmund anzuordnen,
hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungs-bescheides vom 20. Juni
2006 zu verpflichten, die Kläger-innen unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts neu zu bescheiden.
63
Der Beklagte beantragt,
64
die Klage abzuweisen.
65
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
66
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich der vorgelegten Verwaltungsvorgänge
(Beiakten Hefte 1 bis 4).
67
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
68
Die von den Klägerinnen zu 1., 2. und 4. zunächst in Form einer Untätigkeitsklage nach
§ 75 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erhobene Verpflichtungsklage gemäß §
113 Abs. 5 VwGO ist zulässig.
69
Gemäß § 75 Satz 1 VwGO ist eine auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtete
Verpflichtungsklage auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens nach § 68 VwGO
zulässig, wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne
zureichenden Grund innerhalb angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden
70
ist. Dabei kann die Klage regelmäßig nicht vor Ablauf von drei Monaten seit Stellung
des Antrages erhoben werden (§ 75 Satz 2 VwGO).
Diese Voraussetzungen waren bei Klageerhebung durch die genannten Klägerinnen
erfüllt, denn der Beklagte hat über ihren bereits im Juni 2000 gestellten und im Juli 2002
wiederholten Antrag auf Vornahme verkehrsbeschränkender Maßnahmen bis zum
Zeitpunkt der Klageerhebung ohne ersichtlichen Grund nicht entschieden. Er hat es -
überdies - im Klageverfahren ohne Begründung ausdrücklich abgelehnt, den Antrag der
Klägerinnen zu bescheiden.
71
Die Klage ist durch den Erlass des der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen
gegenüber im Termin zur mündlichen Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW)
bekanntgegebenen Bescheides vom 20. Juni 2006 auch nicht unzulässig geworden.
Ergeht nach - zulässiger - Untätigkeitsklageerhebung der vom Kläger beantragte
Verwaltungsakt mit für den Kläger negativem Inhalt, so kann dieser seine Klage als -
normale -Verpflichtungsklage aufrechterhalten und fortführen.
72
Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), Kommentar, 13. Aufl., 2003,
Rdnr. 21 zu § 75
73
Allerdings kann der Kläger, auch wenn die Durchführung eines Vorverfahrens
angesichts der Zulässigkeit der Klage vor Erlass des Verwaltungsakts nicht erforderlich
ist, dennoch zulässigerweise Widerspruch einlegen. Das Gericht darf ihm die
Möglichkeit der Inanspruchnahme eines zusätzlichen Rechtsmittels nicht durch eine
vorzeitige Entscheidung wieder nehmen.
74
Kopp/Schenke, a. a. O., Rdnr. 25 zu § 75
75
Vorliegend haben die Klägerinnen, nachdem der Beklagte den Erlass
verkehrsbeschränkender Anordnungen zum Zwecke des Immissionsschutzes (Abgase/
Schadstoffe) erstmals und abweichend von seinen vorherigen Einlassungen im
Klageverfahren unter Verweis auf das Ergebnis seiner Untersuchungen auf der
Grundlage der neugefassten 22. Verordnung zur Durchführung des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der
Luft - 22. BImSchV) abgelehnt hat, die Einlegung eines Widerspruchs, beschränkt auf
den geltend gemachten Anspruch zum Schutz vor Abgas-/Schadstoff-immissionen
angekündigt, dagegen auf die Einlegung eines Widerspruchs bezüglich des geltend
gemachten Anspruchs auf Lärmschutzmaßnahmen ausdrücklich verzichtet, so dass das
Klageverfahren insoweit fortzuführen ist.
76
Kopp/Schenke, a. a. O., Rdnr. 21 zu § 75
77
Die Klage der Klägerin zu 3. ist allerdings unzulässig, weil sie vor Klageerhebung
überhaupt noch keinen Antrag an den Beklagten gestellt hatte.
78
Kopp/Schenke, a. a. O., Rdnr. 7 zu § 75
79
In der Antragsschrift vom 26. Juni 2000 ist die Klägerin zu 3. nicht als Antragstellerin
aufgeführt, ebenso wenig in der Antragswiederholung vom 26. Juli 2002. Sie kann sich
insoweit auch nicht darauf berufen, sie sei als Erbin Gesamtrechtsnachfolgerin der
80
sowohl im Erstantrag vom Juni 2000 als auch in der Antragswiederholung vom Juli 2002
als Antragstellerin aufgeführten bereits im Dezember 2000 verstorbenen Frau K. L. und
als solche in das anhängige Verwaltungsverfahren eingetreten. Eine ausdrückliche
Regelung für Fälle, in denen während der Anhängigkeit eines Verwaltungsverfahrens
eine Rechtsnachfolge eintritt, enthält das VwVfG NRW nicht, so dass sich die
verfahrensrechtlichen Konsequenzen einer Rechtsnachfolge nach den diesbezüglichen
Regelungen für die materielle Rechtsposition und dem jeweiligen Fachrecht richten.
Nach dem insoweit zu beachtenden Grundsatz der Akzessorietät ist die Möglichkeit
eines Eintritts in das Verfahren abhängig von der Nachfolgefähigkeit einer
Rechtsposition. Danach ist eine Rechtsnachfolge in höchstpersönliche Rechte nicht
möglich.
Zu vorstehendem Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG -,
Kommentar, 8. Auflage, 2003, Rdnr. 58 zu § 13
81
Zwar kann sich die Klägerin zu 3. darauf berufen, dass sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin
durch die vorliegend streitige Unterlassung von Lärmschutzmaßnahmen nicht nur in
höchstpersönlichen Rechten (Leben, Gesundheit) sondern möglicherweise auch in
solchen dinglicher Art (Eigentum) betroffen ist. Nach Auffassung der Kammer findet aber
jedenfalls in - wie vorliegend - antragsabhängigen Verfahren kein automatischer
Verfahrenseintritt des Rechtsnachfolgers statt, sondern dieser muss das Verfahren
aufnehmen, d. h., er muss erklären, dass er das Verfahren fortführen will.
82
- vgl. Kopp/Ramsauer, a. a. O., Rdnr. 63 -
83
Nachdem die Klägerin zu 3. bis zum für die Frage der Zulässigkeit der Klage
maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung eine solche Erklärung nicht abgegeben
hat, ist mangels vorherigen Eintritts in das Verwaltungsverfahren die von ihr erhobene
Untätigkeitsklage unzulässig.
84
Ihre Klage ist auch nicht durch den Erlass des Bescheides des Beklagten vom 20. Juni
2006 zulässig geworden, da dieser lediglich an die Prozessbevollmächtigte der
Klägerinnen unter Bezugnahme auf den Antrag vom 26. Juni 2000 gerichtet ist, die
Klägerin zu 3. somit auch nicht Adressatin der ablehnenden Entscheidung ist.
85
Die danach zulässige Klage der Klägerinnen zu 1., 2. und 4. (im folgenden, soweit nicht
einzeln bezeichnet: die Klägerinnen) ist in dem tenorierten Umfang begründet, im
übrigen ist sie unbegründet.
86
Nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 StVO können die nach Maßgabe des § 44 Abs. 1
StVO zuständigen Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder
Straßenstrecken zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen
beschränken oder verbieten oder den Verkehr umleiten. § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO,
eingefügt durch die Verordnung vom 7. August 1997 (BGBl. I, Seite 2028), verlangt
zudem für Beschränkungen des fließenden Verkehrs, dass die Anordnung von
Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen auf Grund besonderer Umstände
zwingend geboten ist. Nach Satz 2 dieser Bestimmung ist eine Gefahrenlage
erforderlich, die auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und das
allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigt.
87
§ 45 Abs. 1 StVO ist grundsätzlich auf den Schutz der Allgemeinheit gerichtet. In der
88
Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass der Einzelne einen auf ermessensfehlerfreie
Entscheidung der Behörde gerichteten Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten
hat, wenn eine Verletzung seiner geschützten individuellen Interessen in Betracht
kommt. Die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i. S. d. § 45 Abs. 1
StVO umfassen nicht nur die Grundrechte wie körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2
Grundgesetz - GG -) und Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG). Dazu gehört auch der Schutz vor
Einwirkungen des Straßenverkehrs, die das nach allgemeiner Anschauung zumutbare
Maß übersteigen, insbesondere soweit § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO Anordnungen zum
Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen vorsieht.
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom
01. Juni 2005 - 8 A 2350/04 - NWVBl. 2006, 145 ff. unter Hinweis auf
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE
74, 234; OVG NRW, Urteile vom 12. Januar 1996 - 25 A 2475/93 -, NJW 1996, 3024,
vom 2. Dezember 1997 - 25 A 4997/96 -, NWVBl. 1998, 266, und vom 21. Januar 2003 -
8 A 4230/01 -, VRS 105, 233.
89
Soweit die Bestimmung gegen derartige grundrechtsgefährdende oder billigerweise
nicht mehr zuzumutende Verkehrseinwirkungen schützen will, kann ein öffentlich-
rechtlicher Individualanspruch auch eines einzelnen Straßenanliegers gegeben sein.
90
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.September 2002 - 3 C 9 / 02 -, NJW 2003, 601 ff.; Urteil vom
4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234 (236); Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
(Bay. VGH), Urteil vom 18. Februar 2002 - 11 B 00.1769 -, VRS 103 (2002), Nr. 12, S. 34
(40 f.).
91
Die vorstehenden Grundsätze zum Anspruch eines Anwohners auf
straßenverkehrsbehördliches Einschreiten bzw. auf eine ermessensfehlerfreie
Entscheidung darüber haben durch die Einfügung des § 45 Abs. 9 StVO keine
Veränderung erfahren. Der Individualanspruch des Straßenanliegers bei billigerweise
nicht mehr zumutbaren Verkehrseinwirkungen setzt zugleich besondere örtliche
Verhältnisse, die das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung übersteigen, i.
S. d. § 45 Abs. 9 StVO voraus.
92
Vgl. zu § 45 Abs. 9 StVO: OVG NRW, Urteil vom 21. Januar 2003 - 8 A 4230/01 - , VRS
105, 233 ff. unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 5. April 2001 - 3 C 23.00 -, NJW 2001,
3139; OVG Bremen, Urteil vom 10. November 1998 - 1 BA 20/97 -, VRS 98 (2000), Nr.
21, S. 53; Hentschel, Die StVO-Novelle vom 7.8.1997, in: NJW 1998, 344 (347 f.).
93
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 i. v. m. Abs.
9 StVO für ein Einschreiten des Beklagten zum Schutz der Klägerinnen als
Anwohnerinnen (Nachbarn) der B 1 vor Straßenverkehrslärm liegen vor.
94
Ein Einschreiten zum Schutz vor Verkehrslärm setzt nicht voraus, dass ein bestimmter
Schallpegel überschritten wird. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Lärm
Beeinträchtigungen mit sich bringt, die jenseits dessen liegen, was unter
Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich
hingenommen und damit zugemutet werden muss. Die Grenze des billigerweise
zumutbaren Verkehrslärms ist nicht durch gesetzlich bestimmte Grenzwerte festgelegt.
Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Immissionsgrenzwerte der
Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV -, die gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 41
95
BImSchG unmittelbar nur beim Bau und bei wesentlichen Änderungen von Straßen und
Schienenwegen Anwendung findet, insoweit als Orientierungshilfe herangezogen
werden können. Denn sie bringen allgemein die Wertung des Normgebers zum
Ausdruck, von welcher Schwelle an eine nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigung
der jeweiligen Gebietsfunktion anzunehmen ist.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2005, a. a. O., unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil
vom 22. Dezember 1993 - 11 C 45.92 -, NJW 1994, 2037; VG Berlin, Urteil vom 19. Juni
1995 - 11 A 568/93 -, NVwZ-RR 1996, 257; Bay. VGH, Urteile vom 13. Mai 1997 - 8 B
96.3508 -, BayVBl. 1999, 118, und vom 18. Februar 2002 - 11 B 00.1769 -, BayVBl.
2003, 80; OVG NRW, Urteil vom 21. Januar 2003 - 8 A 4230/01 -, VRS 105, 233.
96
Allerdings folgt für den Einzelnen aus § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO auch dann
grundsätzlich „nur" ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, wenn die in §
2 Abs. 1 der 16. BImSchV genannten Grenzwerte überschritten werden, also die
Lärmbeeinträchtigungen so intensiv sind, dass sie im Rahmen einer Planfeststellung
Schutzauflagen auslösen würden. Denn bei straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen ist
eine Gesamtbilanz vorzunehmen. Zu prüfen ist, ob die Verhältnisse nur um den Preis
gebessert werden können, dass an anderer Stelle neue Unzuträglichkeiten auftreten. Im
Ergebnis würde sich die Gesamtsituation verschlechtern, wenn etwa die Sicherheit und
Leichtigkeit des Straßenverkehrs in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt oder
wegen Änderungen von Verkehrsströmen noch gravierendere Lärmbeeinträchtigungen
von Anliegern anderer Straßen drohen würden. Die Straßenverkehrsbehörde darf von
Maßnahmen umso eher absehen, je geringer der Grad der Lärmbeeinträchtigung ist,
dem entgegengewirkt werden soll. Umgekehrt müssen bei erheblichen
Lärmbeeinträchtigungen entgegenstehende Verkehrsbedürfnisse und
Anliegerinteressen von einigem Gewicht sein, wenn mit Rücksicht auf diese
verkehrsberuhigende oder verkehrslenkende Maßnahmen unterbleiben sollen. Bei
Lärmpegeln, die die in den Lärmschutz-Richtlinien-StV aufgeführten Richtwerte in
Mischgebieten von 75 dB (A) tags/65 dB (A) nachts, in allgemeinen Wohngebieten von
70 dB (A) tags/60 dB (A) nachts - überschreiten, kann sich das Ermessen der Behörden
zur Pflicht zum Einschreiten verdichten; eine Ermessensreduzierung auf null ist aber
auch dann nicht zwangsläufig gegeben.
97
Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234; Bay. VGH, Urteil
vom 18. Februar 2002 - 11 B 00.1769 -, BayVBl. 2003, 80; OVG NRW, Urteile vom 2.
Dezember 1997 - 25 A 4997/96 -, NWVBl. 1998, 266; 21. Januar 2003 - 8 A 4230/01 -, a.
a. O. und 1. Juni 2005, a. a. O.
98
Gemessen an diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch der
Klägerinnen auf eine - erneute - ermessensfehlerfreie Entscheidung des Beklagten über
die Anordnung verkehrsregelnder Maßnahmen zur Reduzierung der Lärmbelastung an
der B 1 vor.
99
Die Klägerinnen zu 1. und 2. bewohnen ein Haus unmittelbar an der Südseite der B 1,
während sich das Wohnhaus der Klägerin zu 4. in einer in die B 1 einmündenden
Seitenstraße befindet. Der Bereich unmittelbar an der B 1, in dem sich das Wohnhaus
der Klägerinnen zu 1. und 2. befindet, ist gemäß dem vom Beklagten nunmehr
vorgelegten Bebauungsplan „In O 219 - Rheinlanddamm/Westfalendamm - Teilbereich
Ost: Märkische Straße bis B 236 n" als Sondergebiet gemäß § 11 der
Baunutzungsverordnung (BauNVO) ausgewiesen. Das Sondergebiet dient gemäß § 1
100
Abs. 1 der textlichen Festsetzungen zum Bebauungsplan überwiegend der Unter-
bringung von Büro- und Verwaltungsgebäuden, wobei daneben größtenteils auch
Beherbergungsgebiete, Schank- und Speisewirtschaften sowie Anlagen für kirch-liche,
kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke zulässig sind. Wohnen und
Einzelhandel sind dagegen nicht zulässig.
Ob diese bauplanungsrechtliche Ausweisung angesichts der Notwendigkeit einer
wesentlichen Unterscheidung von den anderen Baugebieten (§§ 2 bis 10 BauNVO)
101
- vgl. dazu etwa König/Roeser/Stock, Baunutzungsverordnung - BauNVO -, Komm., 2.
Aufl., 2003, Rdnr. 4 zu § 11 -
102
rechtmäßig ist, bedarf vorliegend keiner Bewertung, weil mit dieser Festsetzung keine
Änderung der zugrundezulegenden Maßstäbe für die Beurteilung der Zumutbarkeit von
Verkehrslärm verbunden ist. Weder in der 16. BImSchV noch in den Lärmschutz-
Richtlinien-StV haben Sondergebiete eine eigenständige Berücksichtigung gefunden,
so dass als maßgebend nur der tatsächliche gegenwärtige Gebietscharakter
herangezogen werden kann. Auszugehen ist danach bezüglich des Wohnhauses der
Klägerinnen zu 1. und 2. vom Vorliegen eines Mischgebietes während das Wohnhaus
der Klägerin zu 4. einem allgemeinen Wohngebiet zuzuordnen ist. Diese auch vom
Beklagten bislang zugrundegelegte Zuordnung ist seitens der Klägerinnen nicht
substantiiert in Zweifel gezogen worden und entspricht im Übrigen auch der
gerichtlichen Ortskenntnis.
103
Die in § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV für Mischgebiete festgelegten Immissionsgrenzwerte
betragen 64 dB (A) tags und 54 dB (A) nachts, die Werte für allgemeine Wohngebiete 59
dB (A) tags und 49 dB (A) nachts. Die vom Gutachterbüro Altenberge im Auftrag des
Beklagten für die Wohnung der Klägerinnen zu 1. und 2. errechneten Immissionswerte
von 77,4 dB (A) tags und 70,9 dB (A) nachts überschreiten diese Grenzwerte erheblich.
Ebenso liegen die für das Haus der Klägerin zu 4. errechneten Werte von 67,3 dB (A)
tags bzw. 60,8 dB (A) nachts oberhalb der Grenze. Diese vom Gutachterbüro auf der
Basis der RLS 90 ermittelten Immissionswerte begegnen keinen durchgreifenden
Zweifeln. Insbesondere ist davon auszugehen, dass der Gutachter seiner
schalltechnischen Untersuchung zutreffende Verkehrsbelastungszahlen zu Grunde
gelegt hat (DTV 93500 Kfz/24 km/h, LKW-Anteil tags/17%, nachts 22%).
104
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Ablehnung der von den Klägerinnen
beantragten verkehrsbeschränkenden Maßnahmen durch den Beklagten in der Form
des nunmehr vorliegenden Bescheides vom 20. Juni 2006 als ermessensfehlerhaft.
105
Das Gericht kann eine Ermessensentscheidung nur darauf überprüfen, ob die Behörde
die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens eingehalten und ob sie von ihrem Ermessen
in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§
114 VwGO).
106
Für die Überprüfung einer Ermessensentscheidung über die Anordnung
verkehrsrechtlicher Lärmschutzmaßnahmen gelten die folgenden Grundsätze
107
vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2005, a. a. O.:
108
Bei der Entscheidung über die Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen hat die
109
zuständige Behörde im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens sowohl die Belange
des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer zu würdigen als auch die Interessen
der Anlieger anderer Straßen in Rechnung zu stellen, ihrerseits von übermäßigem Lärm
verschont zu bleiben, der als Folge verkehrsberuhigender oder verkehrslenkender
Maßnahmen eintreten kann. Bei erheblichen Lärmbeeinträchtigungen müssen die der
Anordnung verkehrsberuhigender oder verkehrslenkender Maßnahmen
entgegenstehenden Verkehrsbedürfnisse und Anliegerinteressen allerdings schon von
einigem Gewicht sein, wenn mit Rücksicht auf diese Belange ein Handeln der Behörde
unterbleibt.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234, und Beschluss
vom 18. Oktober 1999 - 3 B 105.99 -, NZV 2000, 386; OVG NRW, Urteil vom 2.
Dezember 1997 - 25 A 4997/96 -, NWVBl. 1998, 266.
110
Bei der Prüfung, ob und gfls. welche verkehrsregelnden Anordnungen im Einzelfall
geboten sind, ist auf die gebietsbezogene Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit
sowie auf das Vorhandensein bzw. das Fehlen einer Lärmvorbelastung abzustellen.
Maßgeblich sind auch andere Besonderheiten des Einzelfalles. Von Bedeutung für die
Bewertung der Zumutbarkeit des Lärms ist dabei insbesondere, ob der ihn auslösende
Verkehr die betroffenen Straßen funktionsgerecht oder funktionswidrig in Anspruch
nimmt.
111
Vgl. BVerwG, Urteile vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234, und vom 15.
Februar 2000 - 3 C 14.99 -, NJW 2000, 2121; Hess. VGH, Urteil vom 7. März 1989 - 2
UE 319/84 -, NJW 1989, 2767; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. Mai 1997 - 5 S 1842/95 -
, NVwZ-RR 1998, 682; OVG NRW, Urteile vom 2. Dezember 1997 - 25 A 4997/96 -,
NWVBl. 1998, 266, und vom 21. Januar 2003 - 8 A 4230/ 01 -, VRS 105, 233.
112
Dabei ist auch zu beachten, dass Verkehrslärm, der von den Anliegern einer
Bundesfernstraße (einschließlich Ortsdurchfahrt) oder auch einer Landesstraße bzw.
einer Kreisstraße wegen ihrer der Widmung entsprechenden Verkehrsbedeutung
ertragen werden muss, den Anliegern einer Ortserschließungsstraße nicht ohne
Weiteres in gleicher Weise zumutbar ist.
113
Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234; OVG NRW, Urteil
vom 2. Dezember 1997 - 25 A 4997/96 -, NWVBl. 1998, 266.
114
Zudem kann auch im Rahmen der Entscheidung über Lärmsanierung durch
verkehrsregelnde Maßnahmen der Gesichtspunkt berücksichtigt werden, inwieweit der
verkehrsbedingten Immissionsbelastung durch passive Lärmschutzmaßnahmen,
insbesondere Lärmschutzfenster begegnet wird. Denn in der Rechtsprechung ist geklärt,
dass bei tatsächlich fehlender Möglichkeit, aktive Schallschutzmaßnahmen zu ergreifen,
Anwohner auf passive Schallschutzmaßnahmen verwiesen werden dürfen mit der
Folge, dass ihnen zugemutet wird, etwa zur Erhaltung der Nachtruhe die Fenster
geschlossen zu halten und sie nicht davor geschützt sind, bei gelegentlichem Öffnen der
Fenster erheblichem Verkehrslärm ausgesetzt zu sein.
115
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1996 - 11 A 86.95 -, NVwZ 1996, 901.
116
Dieser von der Rechtsprechung für die Lärmvorsorge entwickelte Grundsatz muss erst
recht für die Lärmsanierung durch verkehrsrechtliche Maßnahmen gelten.
117
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 1997 - 25 A 4997/96 -, NWVBl. 1998, 266.
118
Darüber hinaus hat die Straßenverkehrsbehörde zu prüfen, ob und welche
Verkehrsregelungen, die den Verkehr zum Zwecke der Verkehrssicherheit oder -
ordnung lenken oder beschränken sollen, zu dem angestrebten Zweck geeignet und
erforderlich sind.
119
Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. April 1980 - 7 C 19.78 -, NJW 1981, 184, und vom 27.
Januar 1993 - 11 C 35.92 -, NJW 1993, 1729, Beschluss vom 23. März 1990 - 3 B 25.90
-, juris: OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 1997 - 25 A 4997/96 -, NWVBl. 1998, 266.
120
Dabei ist nicht zuletzt darauf abzustellen, welche Lärmminderung auf Grund der
jeweiligen Verkehrsregelung zu erwarten ist. Die Lärmschutz-Richtlinien-StV fordern
insoweit im Regelfall eine Pegelminderung von mindestens 3 dB (A) (Nr. 4.1). Allerdings
ist zumindest bei besonders hoher Lärmbelastung zu berücksichtigen, dass nach
akustischen Erkenntnissen auch eine Pegelminderung von weniger als 3 dB (A) hörbar
ist,
121
vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Februar 1992 - 4 NB 11. 91 -, NJW 1992, 2844; Bohny
u. a., Lärmschutz in der Praxis, 1986, 1.5.1,
122
und in Betracht zu ziehen, dass schon das Unterbleiben einzelner Spitzenpegel für das
akustische Empfinden der Betroffenen eine spürbare Erleichterung bedeuten kann, auch
ohne dass eine Reduzierung des insoweit nur beschränkt aussagekräftigen
Mittelungspegels um 2 oder 3 dB (A) erreicht wird.
123
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12. Januar 1996 - 25 A 2475/ 93 -, NJW 1996, 3024, vom
17. Februar 1997 - 25 A 546/ 95 -, und vom 21. Januar 2003 - 8 A 4230/01 -, VRS 105,
233.
124
Ausgehend von diesen Maßstäben erweist sich die Ablehnung jeglicher
verkehrsbeschränkender Maßnahmen durch den Beklagten unter Berücksichtigung
auch seiner bereits im Klageverfahren dargestellten und in der Begründung seines
Bescheides vom 20. Juni 2006 wiederholten Erwägungen als ermessensfehlerhaft.
125
Bei seiner Ablehnung ist der Beklagte von einer zutreffend ermittelten Lärmbelastung
der Klägerinnen durch den Straßenverkehr ausgegangen. Die in seinem Auftrag
gutachterlich festgestellten Werte überschreiten nicht nur die Immissionsgrenzwerte der
16. BImSchV, sie erreichen darüber hinaus im Falle der Klägerin zu 4. mit 59,1 bis 60,8
dB (A), je nach Geschoss, auch die erheblich höheren Grenzwerte der Lärmschutz-
Richtlinien-StV (Ziff. 2.2: 60dB (A) nachts in allgemeinen Wohngebieten). Im Falle der
Klägerinnen zu 1. und 2. wird der für Mischgebiete geltenden Grenzwert von 65 dB (A)
nachts mit 70,9 dB (A) sogar deutlich überschritten.
126
Damit ist nach den eigenen Feststellungen des Beklagten im Falle der Klägerinnen eine
erhebliche Lärmbelastung gegeben, die seine Verpflichtung zum Einschreiten
zumindest nahelegt
127
Demgegenüber verweist der Beklagte darauf, dass weder das Nachtfahrverbot für LKW-
Durchgangsverkehr noch die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h für sich
128
genommen geeignet seien, eine Verringerung der Lärmbelastung um mindestens 3 dB
(A) zu erzielen. Höchstens die Kombination beider Maßnahmen könne im Einzelfall zu
einer geringen Verbesserung führen, wobei die Vorgabe der Lärm-schutz-Richtlinien-
StV, wonach durch die zu treffenden Maßnahmen der Mittelungs-pegel unter den für das
jeweilige Gebiet einschlägigen Richtwert, mindestens aber um 3 dB (A) abgesenkt
werden soll, bei den Klägerinnen praktisch nicht erfüllt werden könne. Zwar sei nach
den von ihm veranlassten Berechnungen von einer grundsätzlich möglichen Minderung
des Mittelungspegels um 3,2 dB (A) aus-zugehen, doch werde hierdurch der
Gebietsgrenzwert lediglich im Falle der Klägerin zu 4. unterschritten, während der im
Falle der Klägerinnen zu 1. und 2. maßgebliche Richtwert von 65 dB (A) mit zu
erzielenden 67,6 dB (A) immer noch nicht erreicht sei. Die Erreichung dieser Werte
setze im Übrigen eine vollständige Befolgung voraus, was angesichts der schwierigen
Kontrollmöglichkeiten kaum durchsetzbar sei.
Im Übrigen handele es sich bei der B 1 um eine wichtige Verkehrsader und die einzig
durchgehende Ost-West-Verbindung auf Dortmunder Stadtgebiet. Die Bündelung des
Durchgangsverkehrs sei planerisch gewollt und Bestandteil seines „Masterplans
Mobilität".
129
Die Umsetzung der geforderten Maßnahmen erfordere einen erheblichen Aufwand,
durch den nach seinen Untersuchungen lediglich für etwa 31 von insgesamt 130
Wohngebäuden innerhalb des Abschnittes zwischen der B 54 und der B 236 n eine
Lärmreduzierung um ca. 4 dB (A) und damit unter den Richtwert von 60 dB (A) zu
erzielen sei. Demgegenüber sei eine durchgreifende Verbesserung der Lärm- und
Abgassituation allein durch die Herstellung des geplanten B 1-Tunnels auf Dauer zu
erreichen. Schließlich sei seine Zuständigkeit für die beantragten Maßnahmen nicht
gegeben, da für eine in deren Umsetzung gebotene weitläufige Umleitung des LKW-
Verkehrs über die Autobahnen A 1, A 2 und A 45 nicht er, sondern die Beigeladene
zuständig sei.
130
Diese Erwägungen sind ermessensfehlerhaft.
131
Hierzu ist zunächst festzustellen, dass weder die Verkehrsfunktion der B 1 als
Bundesstraße selbst noch der Umstand, dass die beklagte Lärmbelästigung durch die
funktionsgerechte Nutzung der Straße ausgelöst wird, die Anordnung
verkehrsrechtlicher Maßnahmen von vornherein ausschließt. Insofern ist jedenfalls dem
Grunde nach
132
vgl. dazu Hessischer Verwaltungsgerichtshof (Hess.VGH), Beschluss vom 16. Januar
2006 - 2 TG 2606/05 -, UPR 2006, 241 unter Verweis auf Steiner, Zulässigkeit und
Grenzen der verkehrsrechtlichen Anordnung von Nachtfahrverboten zu Lasten des
Lastkraftwagenverkehrs auf Bundesstraßen, DAR 1994, 341 ff.
133
die Überlagerungs- und Verdrängungsfähigkeit straßenverkehrsrechtlicher Anord-
nungen zu Lasten der Widmung und des widmungsmäßigen Verkehrs auch auf
Bundesstraßen anerkannt, wobei die Bestimmung ihrer Grenze im Einzelfall rechtlich
problematisch sein kann. Insofern hat die im Einzelfall berufene Landesstraßen-
verkehrsbehörde bei dieser Konstellation im Einzelnen zu prüfen, welche Maß-nahmen
geeignet sind, die Lärmbelastung für die Anwohner spürbar zu verringern, ohne die
Verkehrssicherheit zu gefährden, ohne Anwohner anderer Straßen über Gebühr zu
belasten und ohne die Möglichkeit einer funktionsgerechten Nutzung der Straße
134
ernsthaft in Zweifel zu ziehen, wobei sie auf die für die jeweilige Fernstraße getroffene
Nutzungsentscheidung des Bundes die gebotene Rücksicht nehmen muss in der
Weise, dass die vom Bund vorgegebene Konzeption des Fernstraßenverkehrs durch
das konkrete Verbot nicht in Frage gestellt wird.
Hess. VGH, a. a. O.
135
Die für die Anordnung der Verkehrsbeschränkung sprechenden Gründe müssen danach
ein solches Gewicht haben, dass demjenigen des Leitschutzgutes der
(verkehrsbezogenen) öffentlichen Sicherheit (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StVO) entspricht.
136
Steiner, a. a. O., S. 343
137
Eine derartige Vergleichbarkeit kann im Hinblick auf eine durch Lärm verursachte
relevante Gesundheitsgefährdung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gegeben sein.
138
- Hess. VGH, a. a. O. -
139
Den danach gegebenen Abwägungserfordernissen wird die vorliegende Entscheidung
des Beklagten vom 20. Juni 2006 nicht gerecht.
140
Bereits der in seiner Stellungnahme im gerichtlichen Verfahren zum Ausdruck
kommenden Bewertung, bei der erzielbaren Lärmreduzierung von 3,2 dB (A) handele es
sich lediglich um eine geringfügige Verbesserung der Lärmsituation der Kläger- innen,
kann nicht gefolgt werden.
141
Abweichend von früher vertretener Auffassung geht die aktuelle verwaltungsgerichtliche
Rechtsprechung
142
vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2005, a. a. O., unter Verweis auf Bohny, a. a. O., 1.5.1
vgl. dazu auch Ortscheid / Wende, „Können Lärmminderungsmaßnahmen mit geringer
akustischer Wirkung wahrgenommen werden?" Umweltbundesamt, Berlin 2004
143
zutreffend nunmehr davon aus, dass nach den Erkenntnissen der Akustik auch
Lärmpegelunterschiede von weniger als 3 dB (A) wahrgenommen werden können.
Dieser regelmäßig herangezogene Differenzwert des Mittelungspegels stellt insoweit
keine Schwelle dar, unterhalb derer Lärmveränderungen völlig unerheblich sind. In
diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf zu verweisen, dass nach den im
Bereich der Bewertung von Straßenverkehrslärm üblicherweise heranzuziehenden
Berechnungsgrundlagen (RLS 90) die Erhöhung bzw. Verminderung des
Mittelungspegels um 3 dB (A) eine Verdoppelung bzw. Halbierung des
Verkehrsaufkommens verlangt. Insofern indiziert eine Lärmreduzierung von 3 dB (A)
grundsätzlich eine erhebliche Veränderung der Verkehrsverhältnisse. Hinzu kommt
vorliegend, dass nach den vom Beklagten veranlassten Berechnungen die erzielbare
Lärmreduzierung gerade nicht auf einer Halbierung des Verkehrsaufkommens beruht,
sondern - bei gleichzeitiger Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60
auf 50 km/h - auf einer Herausnahme eines Anteils des LKW-Verkehrs in der
Größenordnung von - nur - etwa 1000 bis 1200 (die Angaben zur Anzahl der betroffenen
Fahrzeuge variieren innerhalb etwa dieses Rahmens) Fahrzeugen. Hieraus wird
deutlich, dass der zahlenmäßig relativ geringe Anteil dieser Fahrzeuge auf Grund der
von ihnen verursachten Pegelspitzen überproportional in die Berechnung des
144
Mittelungspegels einfließt. Die daraus zu folgernde besondere „Lästigkeit" solcher
Verkehrsereignisse gerade während der Nachtzeit ist vom Beklagten nicht
berücksichtigt worden.
Auch seine Ausführungen zu möglichen Alternativstrecken und der daraus von ihm
gezogene Schluss seiner Unzuständigkeit für die begehrte Regelung lassen eine
ermessensgerechte Bewältigung der Problematik nicht erkennen.
145
Zwar verweist der Beklagte zu Recht darauf, dass es sich bei der B 1 im Stadtgebiet
Dortmund um die direkte Verbindung zwischen den Autobahnen A 40 im Westen und A
44 im Osten Dortmunds handelt und eine Umleitung des LKW- Verkehrs demgemäß
sinnvoll an den im dortigen Streckenverlauf befindlichen Autobahnkreuzen Dortmund-
West (A 40/A 45) bzw. Dortmund-Unna (A 44/A 1) vorzunehmen sei, wofür gemäß § 6
Abs. 2 der „Verordnung über die Bestimmung der zuständigen Behörden nach der
Straßenverkehrs-Ordnung" des Landes Nordrhein- Westfalen vom 9. Januar 1973
derzeitiger Fassung nicht er, sondern die Beigeladene zuständig sei (§ 6 Abs. 2: Für
Anordnungen nach § 45 StVO zur Anbringung und Entfernung von Verkehrs-zeichen
und -einrichtungen auf Autobahnen sind ausschließlich die Regierungs-präsidenten
zuständig). Hierbei verkennt der Beklagte aber, dass es sich bei den von den
Klägerinnen beantragten Maßnahmen (LKW-Sperrung, Geschwindigkeitsreduzierung)
um solche handelt, die im Zuge der Ortsdurchfahrt der B 1 durch das Dortmunder
Stadtgebiet getroffen werden können und demgemäß in seine Zu-ständigkeit als
örtlicher Straßenverkehrsbehörde (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 StVO) fallen. Maßgeblich ist
insoweit, dass die beantragte Straßensperrung für den Durchgangsverkehr - für die
Geschwindigkeitsreduzierung gelten diese Erwägungen ohnehin nicht - nicht etwa nur
auf den bezeichneten Autobahnen erfolgen kann, sondern auch - kleinräumiger - in
seinem eigenen Zuständigkeitsbereich. Der Beklagte hat indes weder mögliche
Alternativrouten im innerstädtischen Bereich (vgl. etwa den angesprochenen
Streckenzug Mallinckrodtstraße/Borsigstraße/ Brackeler Straße sowie auch z. B. an die
Nutzung der B 54 bzw. B 236 anknüpfende Streckenführungen) hinsichtlich deren
Belastbarkeit und Auswirkungen auf dortige Anwohner geprüft noch die Frage der
Wahrscheinlichkeit bzw. Akzeptanz ihrer Nutzung.
146
Hinsichtlich der Akzeptanz innerstädtischer Umleitungsstrecken fällt vorliegend
allerdings ins Gewicht, dass mit den beschriebenen Autobahnstrecken A 1/A 2/ A 45
nördlich bzw. A 1/A 45 südlich zwei dem Grunde nach geeignete und leistungsfähige
Möglichkeiten zur Umfahrung des Dortmunder Innenstadtgebiets zur Verfügung stehen,
die nur geringfügig länger (ca. 22 bzw. 9 Kilometer) sind und nur einen geringen
zeitlichen Mehraufwand erfordern (9 bzw. 3 Minuten). Anhaltspunkte etwa dafür, dass
die genannten Strecken - namentlich zur Nachtzeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr -
überlastet oder aus sonstigen Gründen zur Aufnahme des LKW- Zusatzverkehrs nicht
geeignet sein könnten, sind vom Beklagten weder erörtert worden noch sonst
ersichtlich. Dies gilt insbesondere nach Abwicklung der Baustelle auf der A 1 im Jahre
2004.
147
Soweit sich der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf berufen hat, für eine bereits
an den Autobahnkreuzen Dortmund-Unna bzw. Dortmund-West ansetzende Umleitung
sei nicht er, sondern die Beigeladene zuständig (vgl. den bereits zitierten § 6 Abs. 2 der
VO vom 09. Januar 1973), verkennt er, dass von der Beigeladenen nicht
notwendigerweise selbst eine Straßensperrung zu veranlassen wäre, sondern diese
sich auf einen an den Autobahnkreuzen vorzunehmenden Hinweis auf die nächtliche
148
Straßensperrung in Dortmund in Form einer dementsprechenden Ausschilderung
beschränken könnte. Insoweit wird der Beklagte in seine Er- wägungen auch ein
möglicherweise gebotenes Einwirken auf die Beigeladene im Hinblick auf deren
Mitwirkung bei der Umsetzung gegebenenfalls erforderlich werdender Maßnahmen
einzustellen haben. Zwar hat die Beigeladene im Termin zur mündlichen Verhandlung
auf die besondere Bedeutung der B 1 als ost-westlicher Verkehrsachse im Ruhrgebiet
sowie auch im überregionalen Raum verwiesen und sich deshalb gegen die
beantragten verkehrsbeschränkenden Maßnahmen ausgesprochen. Vor dem
aufgezeigten Hintergrund, dass für die von den Kläger- innen beantragte nächtliche
Sperrung der B 1 für den LKW-Durchgangsverkehr vorliegend nicht sie, sondern der
Beklagte zuständig ist, die Beigeladene allerdings in Wahrnehmung ihrer
Verkehrsregelungs- und -beschilderungszuständigkeit auf Autobahnen (vgl. § 6 Abs. 2
der VO vom 9. Januar 1973 ) auf einen flüssigen und störungsfreien Verkehrsablauf auf
diesen hinzuwirken hat, ist jedenfalls nach derzeitigem Stand kein Grund dafür
ersichtlich, warum sie sich der Anbringung einer geeigneten Hinweisbeschilderung im
Dienste einer - soweit derzeit einschätzbar - sachgerechten Problemlösung verweigern
sollte.
Vor diesem Hintergrund bedarf auch das Argument des Beklagten, die Bündelung des
Schwerlastverkehrs auf der B 1 sei planerisch gewollt und Bestandteil seines
„Masterplans Mobilität" einer - nochmaligen - Prüfung hinsichtlich seiner Plausibilität.
Zuzugeben ist dem Beklagten insoweit, dass eine Verdrängung des nächtlichen
Schwerlastdurchgangsverkehrs auf andere innerörtliche Strecken- verbindungen unter
Umständen dort zu Unzuträglichkeiten führen kann, die eine bloße Problemverlagerung
bedeuten könnte. Demgegenüber ist allerdings darauf zu verweisen, dass das vom
Beklagten angesprochene Konzept ausgerichtet ist auf die Lenkung des
Schwerlastverkehrs, der im innerstädtlichen Bereich von Dortmund Ziel oder Quelle hat,
während der bloße Durchgangsverkehr einen hiervon abtrennbaren Bestandteil
darstellt. Insofern hat sich der Beklagte neben möglichen inner- städtischen auch mit
sich im vorliegenden Fall - nach derzeitiger Einschätzung - aufdrängenden
weiträumigen Umfahrungsmöglichkeiten ermessensbetätigend auseinanderzusetzen.
149
In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass der Verweis des Beklagten auf eine
notwendige, allerdings bereits im Jahre 1999 verweigerte Zustimmung des Ministeriums
für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes Nordrhein-
Westfalen gemäß Ziff. 4.2 der „VwV-St-ImSch" im Hinblick auf ein aktuell - noch -
bestehendes Zustimmungserfordernis unzutreffend sein dürfte. Zum einen handelt es
sich bei der vom Beklagten in Bezug genommenen Verwaltungsvorschrift um die
„Allgemeine Verwaltungsvorschrift über straßenverkehrsrechtliche Maß- nahmen bei
Überschreiten von Konzentrationswerten nach der 23. BImSchV (VwV- StV-ImSch) vom
16. Dezember 1996" des Bundesministeriums für Verkehr, die - ausdrücklich - mit der
23. BImSchV in Kraft getreten und demgemäß mit deren vom Beklagten zutreffend
angeführtem Außerkrafttreten obsolet geworden sein dürfte. Zum anderen ist - daneben -
zu verweisen auf den Runderlass des Ministeriums für Verkehr, Energie und
Landesplanung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 31. Juli 2003 - III B 3 -78-46/2 -
„Zuständigkeit und Zustimmungs-pflicht für die Anordnung und Entfernung von
Verkehrszeichen und Verkehrs-einrichtungen".Nach dessen Ziff. 1 ist die Zustimmung
des Ministeriums erforderlich für die Anordnung zur Anbringung und Entfernung im
Einzelnen aufgeführter Verkehrszeichen und -einrichtungen auf Autobahnen (z. B.
Zeichen 330 - Autobahn- und 334 - Ende der Autobahn -) und Kraftfahrstraßen (Zeichen
331, 336). Derartige Anordnungen stehen vorliegend nicht in Streit. Vielmehr ist in Ziff. 5
150
des Erlasses abschließend verfügt, dass alle weiteren in der - bundesrechtlichen -
Verwaltungs-vorschrift zu § 45 - Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen - in
Zusammen-hang mit der Anordnung zur Anbringung und Entfernung von
Verkehrszeichen genannten Zustimmungsvorbehalte - zu diesen Verkehrszeichen
gehören gemäß Ziff. III 1 b) und e) - zitiert nach Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38.
Auflage, 2005, zu § 45 StVO - die hier in Betracht kommende Anbringung der Zeichen
253 (Verkehrsverbot für LKWs) und 274 (zulässige Höchstgeschwindigkeit, wenn
weniger als 60 km/h) auf Bundesstraßen - entfallen.
Soweit der Beklagte die Effektivität eines nächtlichen Fahrverbotes für den LKW-
Durchgangsverkehr sowie der Temporeduzierung wegen fehlender Durchsetzbarkeit
der von ihm in Betracht zu ziehenden Regelungen gegenüber den Verkehrsteil-
nehmern in Zweifel zieht, verkennt er die dafür geltenden rechtlichen Rahmen-
bedingungen.
151
Zunächst ist davon auszugehen, dass die nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 des
Polizeiorganisationsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (POG NRW) für die
Überwachung des Straßenverkehrs zuständige Kreispolizeibehörde eine verkehrs-
rechtliche Anordnung des Beklagten zum Schutz vor Verkehrslärm im Rahmen ihrer
Kapazitäten ebenso überwachen wird wie andere straßenverkehrsrechtliche
Anordnungen. Der insoweit von der Polizeibehörde bereits angesprochene zeitliche
Aufwand bei der Überprüfung der Lastkraftwagen dürfte dabei gegenüberzustellen sein
dem Effekt, dass viele der LKW-Fahrer, die die B 1 regelmäßig als Berufskraftfahrer
nutzen, bei Abwägung eines zeitlichen Umfahrungsaufwandes von wenigen Minuten mit
dem Risiko einer Verkehrskontrolle und dem hieraus folgenden Zeitverlust
(einschließlich der Verhängung eines Bußgeldes) nach einer kurzen
Eingewöhnungszeit die „sichere" und problemlose Umgehungsvariante wählen werden.
152
Darüber hinaus muss sich der Beklagte darauf verweisen lassen, dass die Über-
wachung der Einhaltung zulässiger Höchstgeschwindigkeiten an Gefahrenstellen nach
§ 48 Abs. 3 Satz 2 des Ordnungsbehördengesetzes des Landes Nordrhein- Westfalen
(OBG NRW) zugleich in seine eigene Zuständigkeit fällt. Eine Gefahren- stelle im Sinne
dieser Vorschrift ist auch anzunehmen, wenn Straßenanlieger unzumutbaren
Lärmbelastungen durch Geschwindigkeitsüberschreitungen ausgesetzt sind.
153
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2005, a. a. O.
154
Welche Maßnahmen insoweit als geeignet bzw. notwendig in Betracht kommen (z. B.
Aufstellung stationärer Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen, Einrichtung einer sog.
„Grünen Welle" mit begleitender Hinweisbeschilderung), hat der Beklagte bislang nicht
ermessensbetätigend geprüft. Der schlichte Verweis auf die mangelnde
Durchsetzbarkeit einer Regelung erfüllt die Anforderungen einer sachgerechten
Ermessenbestätigung danach nicht.
155
Die daneben grundsätzlich in die Erwägungen zur Durchführung von
verkehrsbeschränkenden Maßnahmen aufzunehmende Frage der Zumutbarkeit
passiver Lärmschutzmaßnahmen ist vom Beklagten in Bezug auf die Klägerinnen
ebenfalls nicht konkret geprüft worden und deshalb auch nicht als ermessenssteuernd
heran-ziehbar. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf zu verweisen, dass vor
dem Hintergrund des von den Klägerinnen zu beanspruchenden
Individualrechtsschutzes
156
vgl. hierzu die bereits zitierte Entscheidung des OVG NRW vom 1. Juni 2005, die allein
wegen der Betroffenheit der Klägerin des dortigen Verfahrens sowie einer weiteren, im
selben Haus wohnenden Klägerin eines Parallelverfahrens ( 8 A 2351/04 ) eine
Verpflichtung zur Neubescheidung ausgesprochen hat -
157
allein der Hinweis des Beklagten darauf, dass passive Lärmschutzmaßnahmen nur von
einem Teil der Betroffenen in Anspruch genommen worden sind, keine sachgerechte
Ermessensbetätigung darstellt.
158
Nach alledem stellt schließlich allein der Verweis auf die von ihm favorisierte
„Tunnellösung" als dauerhafte Beseitigung der vorliegenden Lärm- (und Abgas-)
Problematik keine im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens sachgerechte
Ermessensbetätigung zur Bewältigung der derzeitigen Lärmproblematik dar. Dies bedarf
angesichts des Umstandes, dass eine Umsetzung, geschweige denn eine Fertigstellung
dieses Projekts derzeit in keiner Weise prognostizierbar ist - der für das Jahr 2006
angekündigte „erste Rammschlag" ist weder erfolgt noch überhaupt absehbar -, keiner
weiteren Ausführungen.
159
Soweit sich die Klägerinnen zur Begründung ihres Anspruchs auf die vom LKW-
Verkehr ausgehenden Erschütterungen und die sich daraus ergebende Problematik von
Setzungsrissen an in ihrem Eigentum stehenden Baulichkeiten berufen, sind sie
allerdings darauf zu verweisen, dass in Anbetracht des erheblich höheren
Verkehrsaufkommens (einschließlich LKW-Verkehr) zur Tagzeit, d. h., zwischen 6.00
Uhr und 22.00 Uhr, die vorliegend insoweit allein streitgegenständliche Einrichtung
eines Nachtfahrverbotes für Lastkraftwagen zur Vermeidung derartiger Schäden
ungeeignet sein und schon deshalb nicht in Betracht kommen dürfte.
160
Er weist sich somit die Ablehnung des beantragten Verwaltungsaktes wegen der
vorstehend aufgewiesenen defizitären Ermessensbestätigung als rechtswidrig und sind
die Klägerinnen zu 1., 2. und 4. dadurch in ihren Rechten verletzt, spricht das Gericht die
Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung
vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Andern- falls
hat es als - nicht hilfsantraglich zu verfolgendes - „Minus" dieses Ausspruchs die
Verpflichtung auszusprechen, die Klägerinnen unter Beachtung der Rechtsauf- fassung
des Gerichts - neu - zu bescheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Steht der
Verwaltungsakt, dessen Erlass das Ziel der Klage ist,- wie hier - im Ermessen der
Behörde, so ist Spruchreife nur ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn ange- sichts
der konkreten Umstände des Falles nur eine einzige bestimmte Entscheidung in
Betracht kommt (sog. „Ermessensreduktion auf Null"). Das Gericht ist jedoch weder
verpflichtet noch berechtigt, in derartigen Fällen durch Beweisaufnahme und Erörterung
des Falles mit den Beteiligten die Spruchreife herbei zu führen.
161
- Kopp/Schenke, a. a. O., Rdnr. 207 zu § 113 -
162
Zwar spricht nach den obigen Festsstellungen die vom Beklagten bereits selbst
ermittelte hohe Lärmbelastung der Klägerinnen für ein Gebotensein verkehrs-
beschränkender Maßnahmen zur Nachtzeit. In Anbetracht der aufgezeigten Mängel
sowohl hinsichtlich der Erfassung bzw. Offenlegung des in die Ermessens- bestätigung
einzustellenden bzw. bislang eingestellten Abwägungsmaterials als auch dessen
ermessensgerechter Bewertung hat sich folglich die gerichtliche Ent- scheidung zur
163
Vermeidung eines unzulässigen Eingriffs in die Kompetenz der Verwaltung auf die
tenorierte Verpflichtung zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsaufassung des
Gerichts zu beschränken und ist die Klage der Klägerinnen zu 1.,2. und 4. im Übrigen
abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3, 155 Abs. 1 Satz 1und Abs.
4, 162 Abs. 3 VwGO. Danach hat die Klägerin zu 3. als mit ihrer - bereits unzulässigen -
Klage Unterlegene ein Viertel der Verfahrenskosten zu tragen. Die übrigen
Verfahrenskosten sind allein dem Beklagten aufzuerlegen. Zwar sind die Klägerinnen
zu 1., 2. und 4. insoweit teilweise unterlegen, als ihnen nur ein Anspruch auf
ermessensfehlerfreie ( Neu- )Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauf- fassung des
Gerichts, nicht aber der geltend gemachte Verpflichtungsanspruch zuzuerkennen war.
Ihrer Kostenpflicht steht indes entgegen, dass sich der Beklagte die bislang fehlende
Spruchreife für eine abschließende gerichtliche Entscheidung als durch sein
Verschulden bedingt zurechnen lassen muss (§ 155 Abs. 4 VwGO).
164
vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., Rdnr. 21 zu § 155.
165
Die Beigeladene hat ihre außergerichtlichen Kosten aus Billigkeitsgründen selbst zu
tragen, weil sie keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko
ausgesetzt hat.
166
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in
Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
167
168