Urteil des VG Gelsenkirchen vom 16.05.2002
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 13 K 2013/99
Datum:
16.05.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 2013/99
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Geschäftshaus bebauten Grundstücks
Gemarkung F. , Flur 52, Flurstück 110 (Markt, L.---markt 2/M. T. 7 - 9).
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Das Grundstück grenzt an die Straßen L.---markt und M. T. , die Teil der im Jahre 1993
erneut hergestellten Fußgängerzone M. T. mit Anbindungen ist. Für den nachmaligen
Ausbau dieser Fußgängerzone wurde die Klägerin bereits zu einem Straßenbaubeitrag
herangezogen, der entrichtet und nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.
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Mit der westlichen Front grenzt das Grundstück an die T. Markt. Diese ist Teil der
Fußgängerzone G.-----markt , Markt, Q. und L1. T. von Q. bis G.----- markt nebst Teilen
der M. T. und der T. L2.-------platz .
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Ein Teil dieser Fußgängerzone war bereits in den Jahren 1971/1972 erstmals als
Fußgängerzone ausgebaut worden. Dieser Bereich hatte damals einen Plattenbelag
erhalten, der in einem Mörtelbett auf einer Betontragschicht und einer Frostschutzschicht
verlegt worden war. Ende 1992 war der Plattenbelag an einigen Stellen vor allem
infolge des Anlieferverkehrs schadhaft geworden und durch Schwarzmaterial ersetzt
worden.
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Bei den Bauarbeiten, die Ende 1992 begannen und mit der Abnahme am 26. September
1995 abgeschlossen wurden, ließ der Beklagte den Plattenbelag mit Mörtelbett und
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Betontragschicht entfernen und durch einen neuen Plattenbelag in Sandbettung auf neu
eingebrachtem Unterbau ersetzen.
Ein anderer Bereich der jetzigen Fußgängerzone (insbesondere Teilflächen der Straßen
N. und L2.-------platz ) bestand vor dem Ausbau aus abgenutzten Straßen mit Gehwegen
aus Platten in Sandbettung und asphaltierten Fahrbahnen. Sie wurden mit gleichem
Ausbau in die Fußgängerzone einbezogen. Durch Teileinziehung vom 24. August 1989
war der Verkehr in diesen Straßen bereits auf die Benutzung durch Fußgänger
beschränkt worden.
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Zugleich wurde auch die Beleuchtung im Bereich der gesamten Fußgängerzone
ausgewechselt. 16 Leuchten mit einem Lichtstrom von insgesamt 51.500 Lumen wurden
durch 39 Leuchten mit einem Lichtstrom von insgesamt 140.040 Lumen ersetzt. Es
entstand auch eine Treppenanlage mit einem Podest.
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Bei Fertigstellung galt die Satzung vom 8. Mai 1992 über die Erhebung von Beiträgen
nach § 8 KAG NRW für straßenbauliche Maßnahmen im Gebiet der Stadt F. (Amtsblatt
der Stadt F. Nr. 20 vom 15. Mai 1992, S. 185), die am 16. Mai 1992 in Kraft getreten und
durch die Satzung vom 16. Juli 1993 (Amtsblatt der Stadt F. Nr. 30 vom 23. Juli 1993, S.
189) rückwirkend zum 16. Mai 1992 geändert worden war. Diese Satzung wird im
Folgenden Straßenbaubeitragssatzung genannt.
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Nach § 2 Abs. 5 der Straßenbaubeitragssatzung wird für Fußgängerzonen die
Feststellung von wirtschaftlichen Vorteilen, der Umfang des beitragsfähigen Aufwandes
sowie der Anteil der Stadt und der Beitragspflichtigen am Aufwand durch Einzelsatzung
bestimmt.
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Durch Einzelsatzung vom 12. Oktober 1995, die rückwirkend zum 16. Mai 1995 in Kraft
trat, wurde festgelegt, dass zum Ersatz des Aufwandes für die nachmalige Herstellung
der genannten und auf einem Lageplan abgegrenzten Fußgängerzone Beiträge
erhoben werden sollten, als Entgelt für den Vorteil durch die Möglichkeit der
Inanspruchnahme. In § 2 dieser Einzelsatzung wurde zum Umfang des beitragsfähigen
Aufwandes bestimmt, dass von der bezeichneten Anlage in einer Größe von ca. 7.600
qm nur 4.900 qm beitragsfähig sein sollten. Nach § 3 sollte der Anliegeranteil 60 %
betragen.
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Der Beklagte ermittelte die gesamten Kosten der Maßnahme und verteilte sie
entsprechend der Straßenbaubeitragssatzung vom 8. Mai 1992 nach dem Maßstab der
Grundstücksfläche und Geschossfläche mit Kerngebietszuschlägen auf die Eigentümer
der erschlossenen Grundstücke. Fremdkapitalkosten wurden dabei nicht angesetzt.
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Landeszuschüsse wurden entsprechend dem Antrag der Stadt nur für den Stadtanteil
gewährt.
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Durch Bescheid vom 28. August 1998 zog der Beklagte die Klägerin zu einem
Straßenbaubeitrag in Höhe von 18.516,70 DM heran.
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Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Bescheid vom 23.
März 1999 zurück.
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Am 15. April 1999 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung
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macht sie im Wesentlichen geltend: Bei dem Ausbau der bestehenden Fußgängerzone,
deren Nutzungszeit nach 20 Jahren noch nicht abgelaufen gewesen sei, handele es
sich um die Beseitigung eines aufgestauten Reparaturbedarfs und damit um nicht
beitragsfähige Instandsetzungsarbeiten. Ein wirtschaftlicher Vorteil sei ihr durch die
Ausbaumaßnahme auch nicht entstanden. Zudem sei ihr wegen einer
Mehrfacherschließung ein Billigkeitserlass zu gewähren.
Die Klägerin beantragt,
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den Heranziehungsbescheid vom 28. August 1998 und den Widerspruchsbescheid vom
23. März 1999 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen. Er hält den angefochtenen Heranziehungsbescheid für
rechtmäßig.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der
Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten Heft 1 - 5) Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist als Anfechtungsklage im Sinne von § 42 Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO) zulässig, aber unbegründet.
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Der angefochtene Heranziehungsbescheid in der Fassung des
Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten
(§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage ist § 8 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-
Westfalen (KAG NRW) in Verbindung mit den Bestimmungen der bei Fertigstellung der
Anlage am 26. September 1995 geltenden Straßenbaubeitragssatzung vom 8. Mai
1992.
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Gemäß § 1 der Straßenbaubeitragssatzung in Übereinstimmung mit § 8 Abs. 2 KAG
NRW werden Beiträge zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung, Erweiterung und
Verbesserung von Anlagen im Bereich von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen als
Gegenleistung dafür erhoben, dass den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke
durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anlage wirtschaftliche Vorteile geboten
werden.
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Die gesamte Fußgängerzone G.-----markt , N. , Q. und L1. T. von Q. bis G.-----markt
nebst Teilen der M1.--------straße und der T. L2.-------platz ist nach dem maßgeblichen
Gesamteindruck eine Anlage im Sinne von § 1 der Straßenbaubeitragssatzung und
daher vom Beklagten zu Recht einheitlich abgerechnet worden.
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vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Urteil vom
26. Juli 1991 - 2 A 2213/88 -
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Dementsprechend stellt auch die Einzelsatzung vom 12. Oktober 1995 den gesamten
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Bereich als eine einheitliche Fußgängerzone dar und kennzeichnet damit das
Bauprogramm des Beklagten.
Zu der einheitlichen Anlage gehört zunächst der Teil, der bereits 1971/1972 als
Fußgängerzone erstmals ausgebaut worden ist. Insoweit erfüllt der jetzt abgerechnete
Ausbau das Tatbestandsmerkmal der nachmaligen Herstellung in der Form der
Erneuerung. Eine solche Maßnahme ist beitragsfähig, wenn eine Anlage nach ihrer
Abnutzung entsprechend dem ersten Ausbauzustand in gleichwertiger Befestigungsart
neu erstellt wird. Voraussetzung ist, dass die Erneuerung nach Ablauf der Nutzungszeit
durchgeführt wird, die bei bestimmungsgemäßer Nutzung und ordnungsgemäßer
Unterhaltung und Instandsetzung erfahrungsgemäß zu erwarten ist. Dies ist unter
Berücksichtigung der Qualität des früheren Ausbauzustandes zu ermitteln. Wenn die
Erneuerungsbedürftigkeit feststeht, kann die Stadt nach pflichtgemäßem Ermessen
entscheiden, ob sie eine Erneuerung vornimmt oder zunächst weitere Instandsetzungs-
oder Unterhaltungsmaßnahmen ausführt.
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vgl. Dietzel-Hinsen-Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des
Kommunalabgabengesetzes Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl., Rdnr. 39 unter Hinweis auf
OVG NRW, Beschluss vom 25. September 1991 - 2 A 1926/91 -
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Danach war der Teilbereich der bereits 1971/1972 erstellten Fußgängerzone bei Beginn
des Ausbaus im Jahre 1992 abgenutzt und erneuerungsbedürftig. Ein Großteil der
Platten war im Laufe der Zeit durch Witterungseinflüsse und den Anlieferverkehr
zerbrochen und zunächst durch neue Platten und später durch Schwarzmaterial ersetzt
worden. Die Entscheidung des Beklagten, den Plattenbelag auf starrem Oberbau nicht
weiter durch kostspielige Reparaturen instand zu setzen, sondern durch eine
gleichwertige Befestigung aus Pflaster und Platten auf neuem Unterbau zu ersetzen, ist
nicht zu beanstanden.
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Zur Überzeugung der Kammer war unter Berücksichtigung der Qualität des
ursprünglichen Ausbaus die übliche Nutzungszeit nach 20 Jahren abgelaufen, so dass
nicht von einer nicht beitragspflichtigen vorzeitigen Erneuerung ausgegangen werden
kann.
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vgl. Dietzel-Hinsen-Kallerhoff a. a. O. Rdnrn. 80, 152
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Für einen Plattenbelag ist eine Nutzungszeit von 20 Jahren nicht ungewöhnlich.
Maßgeblich ist, dass bei der Qualität des ursprünglichen Ausbaus nach 20 Jahren ein
Zustand erreicht war, der weitere Reparaturen als unwirtschaftlich erscheinen ließ und
einen Neuausbau nahelegte. Der gewählte starre Oberbau brachte es mit sich, dass vor
allem durch die Belastungen beim Anlieferverkehr Platten zerbrachen. In einer
Fußgängerzone gehört auch der Anlieferverkehr zur bestimmungsgemäßen Nutzung.
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Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung zur Beurteilung von
Pflaster- oder Plattenbelägen als Gegenstand von Instandsetzungsmaßnahmen
berufen. Die Neuerstellung einer Pflaster- oder Plattendecke mitsamt der Erneuerung
der Bettung ist danach zwar eine nicht beitragsfähige Instandsetzung.
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Oktober 1999 - 15 A 3305/96 - Neue Zeitschrift für
Verwaltungsrecht (NVwZ-RR) 2000, 460
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Der im vorliegenden Fall fragliche Ausbau beschränkte sich aber gerade nicht auf einen
Austausch des Plattenbelages und der Bettung, sondern die darunter liegende starre
Schicht aus Beton wurde durch eine neue Tragschicht ersetzt.
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Die Kammer hat dies bereits in einem vergleichbaren Verfahren festgestellt, das zur Zeit
beim OVG NRW anhängig ist.
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vgl. Urteil der Kammer vom 14. Dezember 2000 - 13 K 2315/97 -; OVG NRW - 15 A
583/01 -
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Hinsichtlich der in die Fußgängerzone einbezogenen Straßenteile, die vor 1992 als
Fahrstraßen mit plattierten Gehwegen und einer asphaltierten Fahrbahn ausgebaut
waren, ist der Tatbestand der nachmaligen Herstellung in anderer Form gegeben.
Unstreitig war auch für diese Straßenteile die Nutzungszeit abgelaufen. Wie die bei den
Akten befindlichen Bilder erkennen lassen, waren sie auch abgenutzt. Durch
Teileinziehung sind diese Flächen auf den Fußgängerverkehr beschränkt worden.
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Hinsichtlich der Beleuchtungsanlage ist bereits der Beitragstatbestand der
Verbesserung gegeben. Der von den Leuchten ausgehende Lichtstrom hat sich von
insgesamt 51.500 Lumen auf eine Wert von insgesamt 140.040 Lumen erhöht. Dies
spricht für eine deutliche Verbesserung der Ausleuchtung.
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Die Erneuerung und die nachmalige Herstellung sowie die Verbesserung bieten der
Klägerin auch einen wirtschaftlichen Vorteil. Ihr Grundstück ist besser erreichbar als
vorher, weil vor allem der Fußgängerverkehr auf absehbare Zeit nicht mehr durch sich
häufende Reparaturarbeiten gestört wird. Dadurch hat die Fußgängerzone gegenüber
dem Altzustand an Attraktivität gewonnen, auch wenn sich das in Folge einer Änderung
der Einkaufsgewohnheiten nicht in einer Steigerung der Umsatzzahlen bei den
anliegenden Geschäften niederschlagen mag.
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Gemäß § 3 Abs. 5 der Straßenbaubeitragssatzung ist der Vorteil der Anlieger durch die
Einzelsatzung vom 12. Oktober 1995 mit der erforderlichen Bestimmtheit für die gesamte
Anlage der Fußgängerzone bestimmt worden. Der Umfang des beitragsfähigen
Aufwandes ist auf eine Teilfläche von 4.900 qm beschränkt worden. Es war nicht
geboten, diese Teilfläche genau zu bestimmen. Nach dem Inhalt dieser Vorschrift wurde
der Umfang des beitragsfähigen Aufwandes zugunsten der Anlieger beschränkt. Der
Umfang der vorher und in dem beigefügten Plan festgelegten Anlage sollte dadurch
ersichtlich nicht eingeschränkt werden. Eine weitere Reduzierung des Umfangs erfolgte
dann in § 3 der Einzelsatzung. Von dem restlichen Aufwand sollten die Anlieger 60 %
tragen.
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Den umlagefähigen Aufwand hat der Beklagte zutreffend ermittelt. Fremdkapitalkosten
sind darin nicht enthalten.
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Die gewährten Zuschüsse sind entsprechend den geänderten
Zuwendungsbedingungen gemäß § 8 Abs. 4 S. 4 2. Halbsatz KAG NRW
ordnungsgemäß nur auf den Stadtanteil angerechnet worden.
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Nicht zu beanstanden ist auch die Verteilung des Aufwandes nach dem in der
Beitragssatzung vom 8. Mai 1992 vorgesehenen Maßstab nach der Grundstücksfläche
und Geschossfläche mit Artzuschlägen, die zur Ermittlung des festgesetzten Beitrages
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geführt hat.
Ein Billigkeitserlass wegen einer Mehrfacherschließung kommt für die Klägerin nicht in
Betracht. Das Grundstück der Klägerin grenzt zwar an drei Straßen, die insgesamt aber
nur zwei Fußgängerzonen sind. Zudem ist davon auszugehen, dass bei einem
Geschäftshaus die mehrfache Erschließung durch Fußgängerzonen auch einen
mehrfachen Vorteil vermittelt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO iVm den §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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