Urteil des VG Gelsenkirchen vom 16.03.2001
VG Gelsenkirchen: fernsehempfang, wohnung, bedürfnis, kabelnetz, erlass, rundfunk, vollstreckung, anschluss, öffentlich, fernsehen
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 19 K 4656/00
Datum:
16.03.2001
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
19. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 K 4656/00
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens,
für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der
Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in
gleicher Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d:
1
Der Kläger bezog vom Beklagten laufend ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach
den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Im Juni 2000 legte der Kläger
dem Beklagten ein Schreiben seiner Vermieterin vom 09. Juni 2000 vor. Darin heißt es,
der Kläger verfüge seit April 2000 über einen Kabelanschluss; die Gebühren für das
Kabelfernsehen würden - erstmals mit der Miete für Juli 2000 - auf die Mieter umgelegt;
auf den Kläger würden monatlich 16,00 DM entfallen. Im Juni 2000 erhob die
Vermieterin des Klägers außerdem Räumungsklage gegen den Kläger beim
Amtsgericht C. . Wegen der Einzelheiten wird auf die Blätter 25 und 32 bis 47 der
Beiakte verwiesen.
2
Mit Bescheid vom 19. Juni 2000 lehnte der Beklagte die Übernahme der auf den Kläger
umgelegten Kabelanschlussgebühren in Höhe eines monatlichen Teilbetrages von
12,20 DM ab. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, die Gebühren für die
Inanspruchnahme des Kabelangebots gehörten nicht zum notwendigen Lebensunterhalt
nach dem BSHG; berücksichtigungsfähig sei lediglich ein Bedarf in Höhe der Kosten für
die Bereitstellung einer Gemeinschaftsantenne. Diese Kosten seinen mit monatlich 3,80
DM anzusetzen. Nachdem der Kläger unter dem 12. Juli 2000 gegen diesen Bescheid
Widerspruch eingelegt hatte, wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass er den
Kabelanschluss mit einer Sperrdose versehen könne. Auf diese Weise könne er der
Gebührenpflicht ausweichen, ohne die Möglichkeit des Empfangs der öffentlich-
rechtlichen Fernsehprogramme zu verlieren.
3
Mit Bescheid vom 25. Juli 2000 stellte der Beklagte die Sozialhilfeleistung an den
Kläger ab August 2000 vorläufig ein. Den dagegen unter dem 03. August 2000
eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 28.
4
August 2000 als unbegründet zurück. Gegen die Versagung der Sozialhilfeleistungen
für August 2000 ging der Kläger nicht weiter vor. Auf die Gerichtsakten der Verfahren 19
K 4586/00 und 19 L 1926/00 nebst beigezogener Verwaltungsvorgänge wird wegen der
Einzelheiten verwiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2000 wies der Beklagte den Widerspruch
des Klägers gegen die Versagung der Übernahme der vollen Kabelanschlussgebühren
als unbegründet zurück. Zur Begründung vertiefte er die Gründe seines
Ablehnungsbescheids. Mit der am 03. September 2000 erhobenen Klage verfolgt der
Kläger sein Sozialhilfebegehren weiter. Er macht im wesentlichen geltend, er habe auf
die vom Vermieter kalkulierten Wohnungskosten keinen Einfluss.
5
Er beantragt, 1. den Beklagten zu verurteilen, die ab 01. Juli 2000 geforderte Miete in
Höhe von 516,00 DM zu berücksichtigen,
6
2. festzustellen, dass die Kürzung der Miete rechtswidrig gewesen ist.
7
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
8
Er bezieht sich auf die Begründungen seines Bescheides und
Widerspruchsbescheides. Im Laufe des Klageverfahrens nahm der Beklagte mit der
Vermieterin des Klägers wegen der Kabenanschlussgebühren Kontakt auf. Die
Vermieterin teilte dem Beklagten unter dem 20. Februar 2001 mit, die Umlage in Höhe
von 16,00 DM für das Kabelfernsehen sei fester Bestandteil der Nebenkosten und
werde von allen Mietparteien zu gleichen Teilen bezahlt; eine Gebührenbefreiung für
den Kläger sei nicht möglich; die Vermieterin sei auch nicht bereit, den Betrag selbst zu
übernehmen, zumal sie Räumungsklage gegen den Kläger erhoben habe.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte einschließlich der Gerichtsakten der Verfahren 19 K 4685/00 und 19 L
1926/00 je nebst beigezogenen Verwaltungsvorgängen, ergänzend Bezug genommen.
10
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
11
Die Klage hat keinen Erfolg. Der Klageantrag zu 1., der als statthaftes
Verpflichtungsbegehren (§ 42 Abs. 1, 2. Alternative der Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO -) aufzufassen ist, ist bereits unzulässig, soweit der Kläger Leistungen für den
Zeitraum nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2000 begehrt. Bei
einem Rechtsstreit um die Gewährung von Sozialhilfe kann ein Hilfeanspruch
grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand der
verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemacht werden, in dem der Träger der Sozialhilfe
den Hilfefall geregelt hat. Dieses ist regelmäßig der Zeitraum bis zur letzten
Verwaltungsentscheidung, also bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides, und
beruht darauf, dass es ich bei der Bewilligung von Sozialhilfe - insbesondere bei
laufender Hilfe zum Lebensunterhalt, wie sie im Streitfall begehrt wird - um
zeitabschnittsweise Hilfegewährung handelt, deren Voraussetzungen vom Träger der
Sozialhilfe stets neu zu prüfen sind.
12
Ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), z. B. Urteil vom 8.
Juni 1995 - 5 C 30.93 - , FEVS 46, 95, 96.
13
Die hinsichtlich der begehrten Sozialhilfeleistungen für die Monate Juli und August 2000
zulässige Klage zu 1. ist unbegründet, da der Beklagte die begehrte Hilfeleistung zu
Recht abgelehnt hat und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt wird ( §
113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf
Gewährung einer Hilfe für die Kabelanschlussgebühren für den streitgegenständlichen
Zeitraum nach den hier allein in Rede stehenden Bestimmungen des
Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zur Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 11 f. BSGH
nicht zu. Für die im Monat August 2000 auf den Kläger umgelegten
Kabelnutzungsgebühren ergibt sich dies bereites aus dem vom Kläger in dem Verfahren
19 K 4685/00 selbst geltend gemachten und durch den Bescheid des Beklagten vom 25.
Juli festgestellten Mangel eines durch Einkommen des Klägers nicht gedeckten
sozialhilferechtlichen Bedarfs.
14
Unabhängig davon ist der geltend gemachte Anspruch aus den nachfolgenden Gründen
zu verneinen: Die Kosten für den Kabelanschluss gehören nicht zum notwendigen
Unterhalt i. S. d. § 12 BSHG. Der Anschluss an das Kabelnetz für den Rundfunk- und
Fernsehempfang steht jedenfalls dann, wenn am Wohnsitz des Hilfesuchenden normale
Bedingungen für den Empfang mittels Antenne bestehen, keine notwendige
Empfangseinrichtung dar, für deren Nutzung Leistungen zum Lebensunterhalt zu
gewähren sind.
15
Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 26. November 1997 - 4 L 7031/96 -.
16
Nach § 12 Abs. 1 BSHG gehören zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen
Lebens in vertretbarem Umfang Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am
kulturellen Leben. Entsprechend gehören auch nach den konkret- individuellen
Interessen des Hilfeempfängers Fernsehgeräte und die deren Betrieb benötigten Geräte
zum notwendigen Lebensunterhalt.
17
Vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 18. Dezember 1997 - 5 C 7.95 -,
FEVS 48, 337.
18
Diesem Bedarf hat der Beklagte durch Berücksichtigung eines pauschalen Betrages für
den Betrieb von Rundfunk- und Fernsehempfangsanlagen in Höhe von 3,80 DM
monatlich ausreichend Rechnung getragen. Ein weitergehender Anspruch des Klägers
auf Übernahme der Kosten für die Bereitstellung des Kabelanschlusses in seiner
Wohnung folgt aus den oben dargelegten Grundsätzen nicht. Ein Anschluss an das
Kabelnetz geht regelmäßig über den vertretbaren Umfang der Beziehung zur Umwelt
und Teilnahme am kulturellen Leben hinaus; dies gilt jedenfalls, wenn am Wohnsitz des
Hilfesuchenden normale Bedingungen für den Fernsehempfang mittels Antenne -
gegebenenfalls auch einer Zimmerantenne - bestehen. Denn dem mit dem Fernsehen
verbundenen, von § 12 Abs. 1 Satz 2 BSHG erfassten Bedürfnis nach Information,
Bildung und Unterhaltung wird regelmäßig durch den Empfang der öffentlich-rechtlichen
Programme ausreichend Rechnung getragen. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass
mittels einer Zimmerantenne eine solche Grundversorgung des Klägers in
ausreichender Qualität nicht zu erreichen ist, liegen dem Gericht nicht vor. Der
Behauptung des Klägers in seinem Schriftsatz vom 13. März 2001, mit einer
Zimmerantenne sei für ihn kein qualitativ guter Empfang möglich, stehen nämlich bereits
seine Angaben in der Klageschrift entgegeben. Darin erklärt der Kläger, er kenne die
Ursache für den schlechten Fernsehempfang in seiner Wohnung nicht, und nennt selbst
den Empfang über eine Zimmerantenne als Möglichkeit, die Versorgung mit Fernsehen
19
für ihn sicherzustellen. Im Übrigen bestreitet der Kläger in seinem Schriftsatz vom 13.
März 2001 die Empfangsmöglichkeit über eine Zimmerantenne auch nur für das
Wohnzimmer als seinem Fernsehstandort. Es erscheint für den allein lebenden Kläger
jedoch zumutbar, den Fernseher notfalls in einem anderen Raum aufzustellen.
Ein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kabelanschlussgebühren ergibt sich
aber auch dann nicht, wenn man das Vorhalten des Kabelsanschlusses als notwendige
Empfangseinrichtung ansehen würde. Die Anschlusskosten gehören zur Bedarfsgruppe
der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens i. S. d. §12 Abs. 1 Satz 2 BSHG, die
regelmäßig aus dem Regelsatz zu befriedigen sind. Der relativ geringe Bedarf kann
durch Umschichtung von wegfallenden Aufwendungen für andere Bedürfnisse, z. B.
Eintritt für Kino oder Sportveranstaltungen, erwirtschaftet werden. Sie gehören nicht zu
den Kosten der Unterkunft.
20
Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Februar 1998 - 4 L 4259/96 -, Urteil vom 26.
November 1997 - 4 L 7081/96 -, FEVS 48, 264.
21
Eine abweichende Bemessung der laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt für den
Kläger, etwa nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG, kommt hier nicht in Betracht,
weil der Kläger im Kern selbst die Notwendigkeit des Anschlusses an das Kabelnetz zur
ausreichenden Befriedigung seines persönlichen Informations-, Bildungs- und
Unterhaltungsbedürfnisses hervorhebt, wie seinem Schriftsatz vom 13. März 2001 zu
entnehmen ist. Ihm ist deshalb auch zuzumuten, die regelsatzmäßigen Leistungen
entsprechend umzuschichten. Darauf, ob die Vermieterin des Klägers gegebenenfalls
bereit wäre, den Kabelanschluss in der Wohnung des Klägers verplomben zu lassen,
kann es bei dieser Sachlage nicht ankommen. In diesem Zusammenhang ist darauf
hinzuweisen, dass die Vermieterin in ihrem an den Beklagten gerichteten Schreiben
vom 20. Februar 2001 einer Befreiung des Klägers von der Umlage der laufenden
Gebühren für das Kabelfernsehen nur insoweit entgegengetreten ist, als dadurch die
übrigen Mieter oder sie - die Vermieterin selbst - mit Mehrkosten belastet würden. Für
den Fall der Anbringung einer Sperr- bzw. Filterdose an dem Wohnungsanschluss des
Klägers würde sich aber die von der Vermieterin zu entrichtende und auf die
Mietparteien umzulegende Gebühr um den bislang von dem Kläger mit der Miete
geforderten Betrag von 16,- DM vermindern. Insoweit wird auf die oben angeführte
Rechtsprechung des OVG Lüneburg Bezug genommen. Der Kläger hat aber von sich
aus nichts unternommen, um die Kosten für die Kabelanschlussgebühren abzuwenden,
obwohl er vom Beklagten im Verwaltungsverfahren auf die Möglichkeit einer Sperrung
seines Wohnungsanschlusses hingewiesen worden war. Auch dies spricht dafür, dass
der Kläger die Nutzung des Kabelnetzes als persönliches Bedürfnis angesehen hat und
dementsprechend bereit war, die Kosten durch Umschichtung aus Mitteln seines
Regelsatzes zu tragen
22
Der auf Feststellung gerichtete Klageantrag zu 2. ist nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO
unzulässig, da der Kläger seine Rechte insoweit durch Verpflichtungsklage verfolgen
kann. Von dieser Möglichkeit macht der Kläger mit dem Klageantrag zu 1. vorliegend
auch tatsächlich Gebrauch; das Rechtsverhältnis, auf dass sich der Feststellungsantrag
zu 2. bezieht, ist lediglich Vorfrage dafür, der Beklagte zur Leistung von Sozialhilfe für
den geltend gemachten Bedarf verpflichtet ist. Mithin ist ein selbständiges Bedürfnis für
die begehrte Feststellung nicht gegeben.
23
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
24
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m.
§708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
25
26