Urteil des VG Gelsenkirchen vom 04.03.2008

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 L 734/07
Datum:
04.03.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 L 734/07
Schlagworte:
Gewerbeuntersagung, Zwangsgeld, Androhung, Wiedergestattung,
einstweilige Anordnung
Tenor:
Die Anträge werden auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
Der Streitwert wird auf 8.250,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e:
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Die sinngemäß gestellten Anträge,
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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die
Zwangsgeldandrohung des Antragsgegners vom 27. Juni 2007 anzuordnen,
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dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, die
selbständige Gewerbeausübung des Antragstellers bis zur rechtskräftigen Entscheidung
über die Klage 7 K 4068/07 vorläufig zu dulden,
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haben keinen Erfolg.
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1) Die gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - im Rahmen des
Antrags zu 1. gebotene Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil
Überwiegendes dafür spricht, dass die Androhung des Zwangsgeldes zu Recht erfolgt
ist und sich der hiergegen gerichtete Widerspruch voraussichtlich als aussichtslos
erweisen wird.
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Die formellen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Gemäß § 55 Abs. 1 des
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein- Westfalen - VwVG NRW -
kann ein auf Handlung oder Unterlassung gerichteter Verwaltungsakt mit Zwangsmitteln
durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein gegen ihn eingelegtes
Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Die Gewerbeuntersagungsverfügung
vom 12. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung B.
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vom 17. November 2003, um deren Durchsetzung es hier geht, ist unanfechtbar, weil die
Klage des Antragstellers gegen diese Ordnungsverfügung rechtskräftig abgewiesen
worden ist (Urteil vom 2. Mai 2005 - 7 K 6845/03 -).
Nach Aktenlage spricht auch alles dafür, dass die Androhung des Zwangsgeldes
materiell zu Recht (§ 64 Satz 1 VwVG NRW) erfolgt ist. Denn der Antragsteller hat sein
Gewerbe auch nach Unanfechtbarkeit der Gewerbeuntersagungsverfügung weiter
ausgeübt, ohne dass der Antragsgegner verpflichtet gewesen wäre dies zu dulden. Er
hat zwar zunächst darauf verzichtet, die Gewerbeuntersagung mit Zwangsmitteln
durchzusetzen. Damit hat er dem Antragsteller trotz der Rechtskraft des o.a. Urteils
praktisch eine weitere Chance eingeräumt, seinen Gewerbebetrieb zu sanieren. Daraus
ergibt sich aber keine rechtliche Verpflichtung, die Gewerbeausübung des
Antragstellers auf unabsehbare Zeit weiter zu dulden. Es war vielmehr sachgerecht, den
Antragsteller nach Ablauf der Jahresfrist des § 35 Abs. 6 GewO auf den nach dieser
Vorschrift möglichen Antrag auf Wiedergestattung der selbständigen Gewerbeausübung
zu verweisen und - nach Ablehnung dieses Antrages - auf die Einstellung des
Gewerbes hinzuwirken. Dies war auch in der Sache richtig; denn wie sich aus den
nachfolgenden Ausführungen zu dem einstweiligen Anordnungsantrag ergibt, bestehen
für die Wiedergestattung der selbständigen Gewerbeausübung zur Zeit keine
überwiegenden Aussichten auf Erfolg.
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Das angedrohte Zwangsgeld ist auch nicht unverhältnismäßig. Gesichtspunkte hierfür
sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere belastet es den Antragsteller
geringer als der ansonsten nur noch in Betracht kommende unmittelbare Zwang.
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2) Der Antrag zu 2. ist ebenfalls zulässig, aber nicht begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz
2 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese
Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt
oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung
(Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind
glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 der
Zivilprozessordnung).
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Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Verfahren nach § 123 VwGO
grundsätzlich nicht dazu führen darf, dass - wenn auch nur beschränkte Zeit und unter
dem Vorbehalt des Ausgangs des Klageverfahrens - die Entscheidung in der
Hauptsache vorweggenommen wird. Für eine wegen der Garantie effektiven
Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes - GG - ausnahmsweise
denkbare Durchbrechung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache ist allenfalls
dann Raum, wenn der Antragsteller nach Lage des Falles wirksamen Rechtsschutz im
Klageverfahren nicht erlangen kann und ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung
in schwerer und unzumutbarer Weise beeinträchtigt würde. Eine schwere und
unzumutbare Beeinträchtigung kann allerdings nur dann gegeben sein, wenn
hinsichtlich des geltend gemachten Anordnungsanspruchs ganz überwiegende
Erfolgsaussichten bestehen.
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Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Auflage, § 123 Rdnr. 13 ff - mit weiteren
Nachweisen.
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Im vorliegenden Fall ist nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht überwiegend
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wahrscheinlich, dass der Antragsteller Anspruch auf die Wiedergestattung der
selbständigen Ausübung seines Gewerbes hat. Dies ist vielmehr unwahrscheinlich. Die
Ermittlungen des Antragsgegners haben ergeben, dass der Antragsteller seine
öffentlich-rechtlichen Schulden nicht nachhaltig abgebaut hat. Nach dem Stand von
Anfang dieses Jahres belaufen sich allein die Rückstände beim Finanzamt nach
Angaben des Antragsgegners auf über 5.000,00 Euro und nach den eigenen Angaben
des Antragstellers auf knapp 3.000,00 Euro. Wegen der Einzelheiten wird auf
Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 13. Dezember 2006, den
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung B. vom November 2007 und die
Klageerwiderung des Antragsgegners vom 16. Januar 2008 im Verfahren 7 K 4068/07
Bezug genommen (Bl. 5 ff und 25 f dieser Gerichtsakte). Erschwerend fällt ins Gewicht,
dass die Steuerschuld für das dritte Quartal 2007 wiederum mangels Abgabe der
Voranmeldung geschätzt werden musste und dass der Antragsteller noch am 28. Juli
2005, also zu einer Zeit, als der Antragsgegner trotz der Rechtskraft der
Gewerbeuntersagungsverfügung die weitere Gewerbeausübung des Antragstellers
duldete, die eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgegeben
hat. Demgegenüber verweist der Antragsteller ausschließlich auf bestehende oder in
Aussicht gestellte Aufträge. Solche Aufträge hatte er aber auch während der ganzen
Zeit, in der der Antragsgegner dieses Gewerbeuntersagungsverfahren betreibt. Erreicht
worden ist dabei im Hinblick auf eine Konsolidierung oder Sanierung seines Betriebes
nichts. Nach wie vor ist daher davon auszugehen, dass er wirtschaftlich nicht in der
Lage oder nicht willens ist, seinen öffentlich- rechtlichen Zahlungs- und
Erklärungspflichten nachzukommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 des
Gerichtskostengesetzes. Auszugehen ist für den Antrag zu. 1. von dem halben Wert des
angedrohten Zwangsgeldes. Der sich danach ergebende Betrag von 1.500,00 Euro ist
wegen des nur vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung zu halbieren. Für
den Antrag zu 2. ist von dem üblichen Wert bei Streitigkeiten um die Untersagung bzw.
Zulassung eines bestimmten Gewerbes auszugehen. Das sind 15.000,00 Euro, von
denen im einstweiligen Anordnungsverfahren ebenfalls nur die Hälfte in Ansatz zu
bringen ist.
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