Urteil des VG Gelsenkirchen vom 18.04.2007
VG Gelsenkirchen: diabetes mellitus, blutalkoholkonzentration, psychologische begutachtung, besondere gefahr, wiedererteilung, schwiegertochter, bak, behörde, widerspruchsverfahren, vollstreckung
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 K 2757/06
Datum:
18.04.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 2757/06
Schlagworte:
Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, hohe BAK, Diabetes mellitus
Normen:
FeV §§ 46, 11, 13
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte zuvor in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden
Betrages Sicherheit leistet.
Tatbestand:
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Die 1940 geborene Klägerin begehrt die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis der Klasse
B.
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Wegen einer Trunkenheitsfahrt am 17. April 2005, bei dem die Klägerin einen
Verkehrsunfall mit Sachschaden verursachte, wurde ihr die Fahrerlaubnis durch
Strafbefehl vom 16. Juni 2005, rechtskräftig seit dem 17. August 2005, entzogen und
eine Sperre für die Wiedererteilung von 10 Monaten festgesetzt. Die
Blutalkoholkonzentration (BAK) betrug zum Zeitpunkt der Blutabnahme um 16.41 Uhr
1,46 ‰.
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Unter dem 10. März 2006 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Wiedererteilung
der Fahrerlaubnis. Bei ihrer persönlichen Vorsprache auf Einladung des Beklagten am
20. April 2006 gab die Klägerin an, dass sie in der Nacht vor dem Vorfallstag bis etwa 2
Uhr bei einer Feier getrunken habe, allerdings nicht sehr viel. Ferner legte die Klägerin
ein ärztliches Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin und Sportmedizin Dr. med.
vom 18. April 2006 vor, ausweislich dessen sie an Diabetes leide.
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Unter dem 24. April 2006 forderte der Beklagte die Klägerin zur Vorlage eines
medizinisch-psychologischen Gutachtens auf. Wenn es zutreffe, dass die Klägerin am
Tage nach dem Alkoholkonsum einen Restblutalkoholgehalt von 1,46 ‰ gehabt habe,
müsse bei Trinkende eine Blutalkoholkonzentration von ca. 2,71 ‰ vorgelegen haben.
Daraus gründeten sich erhebliche Bedenken gegen ihre Kraftfahreignung. Hinzu
komme, dass sie an insulinpflichtigem Diabetes mellitus leide.
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Hierzu äußerte sich die Klägerin wie folgt:
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Sie habe am Vorabend des betreffenden Tages lediglich in geringer Menge Alkohol zu
sich genommen. Sie habe jedoch am Tattag, dem 17. April, ihren Sohn und ihre
Schwiegertochter besucht und dort einige Gläser Sekt zu sich genommen. Hierdurch
allein sei die BAK von 1,46 ‰ zu erklären. Sie sei reine Geselligkeitstrinkerin. Im
weiteren Verlauf legte sie eidesstattliche Versicherungen ihrer Schwiegertochter und
ihres Sohnes vor, worin es sinngemäß heißt, dass die Mutter bzw. Schwiegermutter sich
am 16. April 2006 bis etwa 2 Uhr nachts auf der Geburtstagsfeier der Schwiegertochter
aufgehalten und dabei einige Gläser Sekt getrunken habe. Sie sei mit einem Taxi nach
Hause gebracht worden. Sie sei keinesfalls betrunken gewesen. Am nächsten Morgen
hätten sie dann in der Zeit von etwa 9.30 Uhr bis gegen 14.30 Uhr ein Resteessen
veranstaltet, bei dem die Klägerin wiederum einige Gläser Sekt getrunken habe. Die
Klägerin sei dann gegen 14.30 Uhr nach Hause gefahren. Ferner bestätigte der
Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dass diese bereits im Strafverfahren ihm
gegenüber gleich am ersten Tag beteuert habe, dass sie vormittags bei der
Schwiegertochter und dem Sohn etwas getrunken habe. Die gemessene
Blutalkoholkonzentration sei also keinesfalls auf Restalkohol zurückzuführen. Sie sei
von der entsprechenden Sachbearbeiterin des Beklagten unter Druck gesetzt worden.
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Nachdem die Klägerin innerhalb der ihr gesetzten Frist keine Einverständniserklärung
zur Teilnahme an der geforderten Untersuchung vorgelegt hatte, lehnte der Beklagte mit
Bescheid vom 13. Juni 2006 den Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ab. Die
Klägerin habe selbst das Trinkende mit 2 Uhr nachts angegeben und ihr Ehemann habe
dies seinerzeit bestätigt. Sie habe auch den unfallaufnehmenden Polizisten gegenüber
keine Hinweise auf eine Alkoholaufnahme am Tattag gegeben. Es komme hinzu, dass
die Klägerin insulinpflichtige Diabetikerin sei und die Kombination von Alkohol und
Diabetes mellitus eine besondere Gefahr darstelle.
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Hiergegen erhob die Klägerin am 5. Juli 2006 Widerspruch, der durch Bescheid der
Bezirksregierung N. vom 25. August 2006 (berichtigte Fassung, übermittelt mit
Anschreiben vom 26. September 2006) zurückgewiesen wurde. Ergänzend führt die
Bezirksregierung N. in ihrem Bescheid an, dass auch die Annahme, am Vortag des
Vorfalls habe ein nicht unerheblicher Alkoholkonsum bis etwa 2 Uhr nachts
stattgefunden und am Morgen des nächsten Tages sei dieser fortgesetzt worden, wobei
dann am Nachmittag eine BAK von 1,46 ‰ bestanden habe, den Verdacht auf eine
Alkoholproblematik rechtfertige. Die Klägerin habe sich somit zu Unrecht geweigert, das
von ihr angeforderte medizinisch-psychologische Gutachten vorzulegen.
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Am 12. September 2006 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie stützt sich zur Begründung
auf ihre Angaben im Widerspruchsverfahren und weist ergänzend darauf hin, sie habe
lediglich versehentlich bei der Behörde nicht angegeben, dass sie am Tattag selbst
Alkohol konsumiert habe. Sie sei bei der Vorsprache beim Beklagten sehr nervös
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gewesen, so dass im Wesentlichen ihr Ehemann gesprochen habe. Da die gemessene
Blutalkoholkonzentration unter 1,6 ‰ gelegen habe, sei die Anordnung zur Vorlage
einer MPU nicht gerechtfertigt. Im Übrigen sei ihre Stoffwechsellage gut; ihr betreuender
Arzt habe wiederholt bescheinigt, dass der Diabetes gut eingestellt sei.
Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 13. Juni 2006 und
des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung N. vom 25. August 2006 in der
berichtigten, der Klägerin mit Anschreiben vom 26. Septem-ber 2006 bekannt
gegebenen Fassung, aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er führt ergänzend aus, dass sich die relativ hohe Blutalkoholkonzentration zum
Vorfallszeitpunkt nicht mit der bei der Erkrankung der Klägerin erforderlichen
zuverlässigen Lebensweise vereinbare. Dabei sei es unerheblich, ob die
Blutalkoholkonzentration auf Restalkoholgehalt beruhe oder nicht. Es müsse auch durch
eine medizinisch- psychologische Begutachtung geklärt werden, welche der zwei von
der Klägerin abgegebenen Versionen zum Vorfall die Richtige sei.
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Zu den weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten
einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der
Bezirksregierung N. .
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Am 9. März 2007 hat ein Erörterungstermin vor der Berichterstatterin der Kammer
stattgefunden. Wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift vom gleichen Tag
verwiesen.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage, über die im Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung
entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -), ist
zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Wiedererteilung der
Fahrerlaubnis, weil sie derzeit zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Die
angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren
Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).
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Zur Begründung verweist die Kammer zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen
auf die Gründe des angefochtenen Bescheides in der Fassung, die er durch den
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung N. erhalten hat und macht sich diese zu
eigen (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO). Im Hinblick auf das Klagevorbringen wird ergänzend
darauf hingewiesen, dass die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens
gemäß § 13 Nr. 2 a der Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV - auch dann zu erbringen ist,
wenn sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Das ist hier
der Fall, weshalb es unerheblich ist, dass bei der Klägerin zum Vorfallszeitpunkt keine
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Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr gemessen worden ist.
Geht man von dem Vortrag der Klägerin im Widerspruchs- und Klageverfahren aus,
dass die Blutalkoholkonzentration von 1,46 ‰ um 16.40 Uhr ausschließlich auf den in
den Vormittagsstunden von etwa 9.30 Uhr bis 14 Uhr genossenen Alkoholkonsum
zurückzuführen ist, so deutet auch dies auf eine überdurchschnittliche Alkoholtoleranz
und in Richtung Missbrauch tendierendes Konsumverhalten hin, weil die Klägerin in
diesem Fall - trotz unstreitigem Alkoholkonsum am Vorabend - schon in den frühen
Morgenstunden des nächsten Tages wiederum Alkohol in beträchtlichen Mengen
konsumiert haben muss. Hinzu kommt, dass die Klägerin sich offenbar trotz relativ hoher
Alkoholisierung fahrtüchtig gefühlt hat, wie die Rückfahrt mit dem eigenen Kraftfahrzeug
belegt.
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Die Weigerung der Klägerin, das hiernach zu Recht angeforderte Gutachten vorzulegen,
rechtfertigt den Schluss, dass sie zum Führen von Kraftfahrzeugen derzeit ungeeignet
ist (vgl. § 11 Abs. 8 FeV). Darauf hat sowohl die Ordnungsverfügung des Beklagten als
auch der Widerspruchsbescheid zutreffend abgestellt. Auf die diesbezüglichen
Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen ebenfalls verwiesen (§ 117
Abs. 5 VwGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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