Urteil des VG Gelsenkirchen vom 29.04.2009
VG Gelsenkirchen: grobe fahrlässigkeit, fahrzeug, anvertraute sache, benzin, fürsorgepflicht, eigenschaden, bezahlung, mitbestimmung, dienstpflicht, treibstoff
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 1 K 294/07
Datum:
29.04.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 294/07
Schlagworte:
Falschbetankung, Dienstkfz, Polizeibeamter, grobe Fahrlässigkeit,
gesamtschuldnerische Haftung, Fürsorgepflicht
Normen:
LBG § 84 Abs 1 Satz 1 a.F.; BGB § 421 Satz 1
Tenor:
Der Leistungsbescheid des Polizeipräsidiums C. vom 2. Oktober 2006 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung B. vom
22. Dezember 2006 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger steht als Polizeibeamter beim Polizeipräsidium C. im Dienst des beklagten
Landes.
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Am 21. April 2006 betankte er den Funkstreifenwagen NRW 00.00.00, einen PKW Opel
Vectra. Dabei benutzte er, wie sich aus seiner Stellungnahme vom selben Tag ergibt,
beim Tankvorgang anstelle des Diesel-Zapfhahns versehentlich den Super- Benzin-
Zapfhahn. Er betankte das Fahrzeug mit ca. 42 Litern Super-Benzin. Einen
entsprechenden Wortlaut hat seine offizielle Schadensmeldung vom 24. April 2006.
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Im Vermerk vom 25. April 2006 hielt das Polizeipräsidium C. u.a. folgendes fest: „Das v.
g. Fahrzeug ist vom Standort der PI West durch die ZPG-Niederlassung C.
eingeschleppt worden. Soweit hier bekannt ist, wurde das Fahrzeug nach der
Betankung noch etwa 4 km im Straßenverkehr geführt. Die genaue Fahrtstrecke ist noch
nicht bekannt. Nach Rücksprache mit dem Leiter der ZPG-Werkstatt ..., dem technischen
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Leiter der C1. Automobil GmbH ... sowie dem Leasinggeber... ist aus technischer Sicht
der Austausch der Kraftstoffleitungen, der Einspritzdüsen und -pumpen sowie des Tanks
(Kosten rd. 7.000,00 EUR) angeraten, da überhaupt nicht ausgeschlossen werden
könne, dass es durch die schlechteren Schmiereigenschaften des Ottokraftstoffes
bereits zu Verreibungen und damit zur Bildung vom Spänen gekommen ist, die sich in
der Kraftstoffanlage verteilt haben. Sollten die Späne nicht durch Reinigen der
Kraftstoffanlage komplett entfernt werden können - eine Garantie hierfür wird niemand
übernehmen -, besteht in der Folgezeit das Risiko eines Motorschadens, der dann durch
die Sachmängelhaftung des Herstellers nicht mehr abgedeckt wäre. ... ich schlage vor,
das Risiko eines Folgeschadens durch die Erneuerung der Kraftstoffanlage zu
vermeiden."
Durch Rechnung vom 16. Mai 2006 stellte die C1. Automobil GmbH dem
Polizeipräsidium C. einen Betrag von 4.368,04 EUR in Rechnung.
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Im Vermerk vom 26. Juni 2006 hielt das Polizeipräsidium C. u. a. Folgendes fest: „ Der
Beamte betankte das Fahrzeug mit Super bleifrei statt mit Diesel und fuhr noch etwa 4
km bis zur PHWa der PI West (siehe Schadensmeldung des Beamten vom 24.04.21006,
Blatt 3f der Akte)."
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Mit Schreiben vom 27. Juli 2006 gab das Polizeipräsidium C. dem Kläger Gelegenheit,
zu seiner beabsichtigten Inanspruchnahme für den eingetretenen Eigenschaden in
Höhe von insgesamt 4.409,75 EUR Stellung zu nehmen. Zur Begründung wurde u. a.
ausgeführt, die von dem Kläger durchgeführte Fehlbetankung mit Super-Benzin statt mit
Dieseltreibstoff und die anschließende Fahrt zurück zu seiner Dienststelle habe einen
Austausch des Fahrzeugmotors erforderlich gemacht; hinzu kämen die Treibstoffkosten
für die Fehlbetankung. Ferner wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass er gemäß §
72 Abs. 4 Nr. 11 LPVG die Mitbestimmung des Personalrats beantragen könne.
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Mit am 23. August 2006 beim Polizeipräsidium C. eingegangenen Schreiben beantragte
der Kläger die Mitbestimmung des Personalrats und machte zum Schadensfall weitere
Ausführungen. Er macht u. a. geltend: Die Falschbetankung sei wegen der sog. „Macht
der Gewohnheit" zustande gekommen. Der Umstand, dass er vor dem Schadensfall
über einen längeren Zeitraum krank gewesen sei und auch davor eher selten den
Wagen betankt habe, sondern meist die Bezahlung an der Kasse vorgenommen habe,
könnten ein Indiz für sein Fehlverhalten sein. Hinzukomme, dass er privat seit über 8
Jahren einen PKW fahre, der mit Super bleifrei betankt werde. Am Tag vor dem
Schadensfall habe er diesen auch betankt. Nach 8 Jahren Super-Bleifrei-Tankens stelle
der Griff zum Super-Bleifrei-Zapfhahn schon einen Reflex da. Deshalb habe er im
Augenblick des Betankens des Streifenwagens nicht darüber nachgedacht. Im weiteren
Verlauf hätten sein Streifenkollege und er dann noch auf dem Tankstellengelände einen
Einsatz erhalten, zu dem sie dann gefahren seien. Erst im Nachhinein, auf dem Weg zur
Wache, als der Streifenwagen langsam zu ruckeln begonnen habe, habe sein
Streifenkollege scherzhaft die Bemerkung gemacht, ob sie den richtigen Treibstoff im
Tank hätten. Erst dort habe er seinen Fehler bemerkt. Nach Blick auf die
Tankstellenquittung seien ihre Befürchtungen bestätigt worden.
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Nachdem der Personalrat es Polizeipräsidiums C. einer Inanspruchnahme des Klägers
am 20. September 2006 zugestimmt hatte, erließ das Polizeipräsidium C. am 2. Oktober
2006 gegenüber dem Kläger einen Leistungsbescheid. Zur Begründung wurde u.a.
ausgeführt: Durch die Fehlbetankung des Dienstkraftfahrzeugs NRW 00.00.00 sei die
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Kraftstoffanlage erheblich verunreinigt worden, so dass ein Austausch des gesamten
Fahrzeugmotors erforderlich gewesen sei. Hinzu kämen die Treibstoffkosten für die
Fehlbetankung. Durch den Vorfall sei dem Land NRW ein Eigenschaden in Höhe von
4.409,75 EUR entstanden. Gemäß § 84 LBG werde der Kläger für diesen Schaden in
Rückgriff genommen. Er habe sich grob fahrlässig verhalten. Er habe die ihm allgemein
obliegende Dienstpflicht, das Eigentum des Dienstherrn pfleglich und sorgfältig zu
behandeln und vor Beschädigungen zu schützen, verletzt und grundlegende
Sorgfaltspflichten bei der Betankung von Kraftfahrzeugen nicht beachtet. Es gehöre zu
den grundlegenden Sorgfaltspflichten jedes Fahrzeugführers, sich vor der Betankung
des Fahrzeuges angesichts der unterschiedlichen an einer Tankstelle erhältlichen
Kraftstoffe zu versichern, dass der gewählte Kraftstoff für das Fahrzeug passend sei. Die
von dem Kläger vorgebrachten Rechtfertigungsgründe in seinem Schreiben vom 23.
August 2006 für sein Fehlverhalten entkräfteten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit
nicht, zumal eine Ausnahmesituation, wie z. B. Eile durch einen Einsatz, erst nach dem
Tankvorgang entstanden sei. Das Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfaltspflicht
werde daher als grob fahrlässig gewertet.
Gegen den Bescheid legte der Kläger am 9. Oktober 2006 Widerspruch ein, den das
Polizeipräsidium C. mit Vorlagebericht vom 26. Oktober 2006 an die Bezirksregierung B.
weiterleitete.
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Durch Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2006 wies die Bezirksregierung B.
den Widerspruch als unbegründet zurück. Es wurde u.a. ausgeführt: Das Verhalten des
Klägers sei als grob fahrlässig zu bewerten. Grobe Fahrlässigkeit setze - in Abgrenzung
zur einfachen Fahrlässigkeit - nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv, d.h. von der
Person des Schädigers aus gesehen, ein schlechthin unentschuldbares Fehlverhalten
voraus, welches das gewöhnliche Maß erheblich übersteige. Dabei sei vor allem an ein
Verhalten zu denken, bei dem der Betreffende leichtfertig und rücksichtslos handele und
sich über naheliegende Warnungen oder Bedenken hinwegsetze. Dabei könne die
Schwere des Vorwurfs auch gerade darin begründet liegen, dass sich der Handelnde in
Folge Unaufmerksamkeit der leicht zu erkennenden Gefährlichkeit seines Tuns
überhaupt nicht bewusst geworden sei. Nach einschlägiger Rechtsprechung handele
bei der Benutzung eines Dienstfahrzeugs ein Beamter in der Regel grob fahrlässig,
wenn er sich nicht vergewissere, welcher Kraftstoff zu tanken sei. Ein minderschwerer
Verschuldvorwurf sei nur in eng begrenzten Ausnahmefällen gerechtfertigt, etwa bei
einer durch einen polizeilichen Einsatz bedingten unverschuldeten Eilbedürftigkeit. Eine
solche habe nicht vorgelegen, da der Umstand, dass er zu einem Einsatz gerufen
worden sei, erst nach der Betankung des Fahrzeugs aufgetreten sei.
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Der Kläger hat rechtzeitig Klage erhoben. Zur Begründung trägt er über sein bisheriges
Vorbringen hinaus u.a. vor: Zwar sei durch die Falschbetankung ein Fehlverhalten von
ihm gegeben, dabei handele es sich aber nicht um eine derart schwere Verfehlung, die
den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertigen würde. Auch einem zuverlässigen
und gewissenhaften Beamten müsse schon mal ein Fehler unterlaufen dürfen, ohne das
er befürchten müsse, sogleich von seinem Dienstherrn persönlich haftbar gemacht zu
werden. Auch liege der geltend gemachte Schaden in der in Rechnung gestellte Höhe
nicht vor. Zunächst werde bestritten, dass dem Beklagten überhaupt ein Schaden
entstanden sei, da er nicht Eigentümer des Dienstfahrzeugs sei. Auch hätten die in der
Reparaturrechnung aufgeführten Arbeiten nicht durchgeführt werden müssen;
stattdessen hätte es ausgereicht, den Tank leer zu pumpen.
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Der Kläger beantragt,
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den Leistungsbescheid des Polizeipräsidiums C. vom 2. Oktober 2006 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung B. vom 22. Dezember 2006
aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung trägt der über den Inhalt der angefochtenen Bescheide hinaus vor:
Durch das grob fahrlässige Verhalten des Klägers sei dem Polizeipräsidium C. ein
Schaden entstanden, auch wenn es sich bei dem beschädigten Opel Vectra um ein
Leasingfahrzeug handele. Eigentümerin des Fahrzeugs sei die Adam Opel AG. Nach
Punkt 7.0.0 des Rahmenvertrages für das Finanzleasing der Polizei des Landes NRW
erfolge die Schadensabwicklung für die geleasten Fahrzeuge durch die jeweilige
Polizeibehörde. Somit sei das Polizeipräsidium C. berechtigt, den Schaden geltend zu
machen. Der Schaden sei auch in der im Leistungsbescheid dargestellten Höhe
entstanden. Es hätte nicht ausgereicht, den Tank leer zu pumpen, da der Kläger
unstreitig bereits etwa 4 km mit dem falschen Kraftstoff gefahren und damit eine
weitergehende Verunreinigung bereits verursacht worden sei. Auch weise die
Rechnung der Firma C1. vom 16. Mai 2006 alle Arbeitsschritte und Materialien sowie
deren Kosten auf.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagte (2 Hefte) Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die als Anfechtungsklage zulässige Klage ist begründet. Der Leistungsbescheid des
Polizeipräsidiums C. vom 2. Oktober 2006 und der Widerspruchsbescheid der
Bezirksregierung B. vom 22. Dezember 2006 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger
in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Allerdings ist der Beklagte dem Grunde nach berechtigt, den Kläger zum
Schadensersatz wegen der von ihm durchgeführten Falschbetankung des
Dienstkraftfahrzeugs Opel Vectra mit dem Kennzeichen NRW 00.00.00 heranzuziehen.
Die alleinige Heranziehung des Klägers zum Ersatz des entstandenen Schadens ist
jedoch ermessensfehlerhaft.
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Anspruchsgrundlage für die Inanspruchnahme des Klägers bildet § 84 Abs. 1 Satz 1
LBG in der bis zum 31. März 2009 gültigen Fassung. Danach hat ein Beamter, der
vorsätzlich oder grobfahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt, dem Dienstherrn,
dessen Aufgabe er wahrgenommen hat, den daraus entstehenden Schaden zu
ersetzen. Diese Voraussetzungen sind zunächst erfüllt.
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Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger die ihm hinsichtlich des
Dienstkraftfahrzeugs obliegende Dienstpflicht, die ihm von seinem Dienstherrn
anvertraute Sache pfleglich und sorgfältig zu behandeln, durch die Falschbetankung
des von ihm mitbenutzen Streifenwagens mit Super-Benzin anstelle von Dieselkraftstoff
verletzt hat. Insoweit bestreitet der Kläger lediglich das Vorliegen der ihm seitens des
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Beklagten zur Last gelegten groben Fahrlässigkeit.
Grob fahrlässig handelt nach allgemeinen Grundätzen, wer die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt. Ein solcher Fall ist anzunehmen, wenn
der Handelnde nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem - und zwar nicht
nachträglich, sondern schon im Augenblick der Sorgfaltspflichtverletzung - hätte
einleuchten müssen, wenn er nur die einfachsten und nahe liegensten Überlegungen
angestellt hätte. Dabei gilt nach ständiger Rechtssprechung für den Begriff der groben
Fahrlässigkeit nicht ein ausschließlich objektiver, nur auf die Verhaltensanforderungen
des Verkehrs abgestellter Maßstab. Vielmehr sind auch Umstände zu berücksichtigen,
die die personale Seite der Verantwortlichkeit betreffen.
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Vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 8. Juli 1992 - IV ZR 223/91 -, BGHZ 119, 147
ff. m.w.N.
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Es muss sich demgemäß sowohl nach den objektiven Fallumständen als auch von den
individuellen Merkmalen der Person des Schädigers her gesehen um ein schlechthin
unentschuldbares Fehlverhalten handeln, welches das gewöhnliche Maß erheblich
übersteigt.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom
24. Mai 2006 - 1 A 5105/04 - in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der
Länder, ES/B II 2 Nr. 43 m.w.N.; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26.
Februar 2004 - 3 A 11982/03. OVG -, DÖD 2005, 43 f.
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Das Gericht bewertet das Verhalten des Klägers, den Streifenwagen mit Super bleifrei
statt mit Dieselkraftstoff zu betanken, ebenso wie der Beklagte als grob fahrlässige
Pflichtverletzung des Klägers. Bei der Benutzung eines Dienstkraftfahrzeugs, zu dessen
Benutzung auch das Betanken gehört, handelt ein Beamter angesichts der zur
Verfügung stehenden verschiedenen Kraftstoffarten in der Regel grob fahrlässig, wenn
er sich nicht vergewissert, welchen Kraftstoff das zu betankende Fahrzeug benötigt.
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Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Februar 2004, aaO
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Eine solche Vergewisserung des Klägers ist unterblieben. Im Rahmen seiner Anhörung
hat er selbst angegeben, er habe im Augenblick des Betankens nicht über die zu
wählende Kraftstoffart nachgedacht. Er spricht in dieser Einlassung von der sog. „Macht
der Gewohnheit", so dass er reflexartig zu dem Super-Benzin-Zapfhahn gegriffen habe.
Soweit der Kläger dies darauf zurückführt, er fahre privat seit über 8 Jahren einen Pkw,
der mit Super-Benzin zu betanken sei und dies sei auch noch am Tag vor dem
Schadensereignis geschehen, kann ihn dies nicht von dem Vorwurf der groben
Fahrlässigkeit entlasten. Grundsätzlich ist eine offenkundig auf der Hand liegende
Selbstverständlichkeit, sich vor dem Betanken eines fremden Kraftfahrzeugs zu
vergewissern, welches der geeignete Kraftstoff für dieses Fahrzeug ist.
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Vgl. VG Osnabrück, Urteil vom 30. März 2006 - 3 A 100/04 -, juris.
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Berücksichtigt man zudem den weiteren Einwand des Klägers, er sei vor dem hier
durchgeführten Tankvorgang längere Zeit krank gewesen, hätte er sich des Umstands,
dass er nun erstmals wieder den Dienstkraftwagen betankt, besonders bewusst sein
und über die für diesen zu verwendende Kraftstoffart nachdenken müssen. Insoweit
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kommt erschwerend hinzu, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben
hat, bei den für die Streifenfahrten zur Verfügung stehenden Dienstwagen habe es sich
durchgängig um das Modell „Opel Vectra" gehandelt, jedoch seien unter diesen
Fahrzeugen sowohl Fahrzeuge gewesen, die mit Super-Benzin als auch mit
Dieselkraftstoff zu betanken gewesen seien. Da somit nicht anhand des Modells des
benutzten Dienstwagens feststand, welche Kraftstoffart verwendet werden musste, war
bei der Betankung dieser Fahrzeuge eine besondere Sorgfalt an den Tag zu legen. Der
Beamte, der für das Tanken zuständig war, musste sich daher jedes Mal aufs Neue
vergewissern, welche Kraftstoffart für dieses Fahrzeug die richtige war.
Daher ist es unerheblich, ob auf dem Tankdeckel des beschädigten Streifenwagens
schon zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ein Aufkleber mit dem Hinweis auf
den zu verwendenden Dieselkraftstoff angebracht war.
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Ein minder schwerer Schuldvorwurf ist auch nicht im Hinblick auf die Einlassung des
Klägers, er und sein Streifenkollege seien noch auf dem Tankstellengelände zu einem
polizeilichen Einsatz gerufen worden, anzuerkennen, da dieser Einsatz erst nach
Abschluss des Tankvorgangs erfolgte.
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Siehe dazu OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Februar 2004, aaO
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Die grob fahrlässige Pflichtverletzung des Klägers ist auch kausal für den dem
Beklagten entstandenen Schaden von 4.409,75 EUR. Ohne die Falschbetankung durch
den Kläger wäre die durchgeführte Reparatur nicht erforderlich gewesen. Zwar ist das
Land NRW nicht Eigentümerin des von dem Beamten geschädigten Dienstfahrzeuges,
sondern lediglich Leasingnehmer. Dennoch ist ihm ein Schaden entstanden, da es nach
Nr. 9.0.0 des Rahmenvertrages für das Finanzleasing zwischen dem Land NRW und
der Adam Opel AG das Land NRW insbesondere uneingeschränkt und
verschuldensunabhängig u.a. für alle Beschädigungen am Fahrzeug haftet.
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Fürsorgepflichtwidrig hat der Beklagte den Kläger jedoch allein in vollem Umfang zum
Ersatz des geltend gemachten Schadens herangezogen, weil er zu Unrecht bei seinen
Ermittlungen zu dem Schadenshergang und auch in dem angefochtenen
Leistungsbescheid vom 2. Oktober 2006 unterstellt hat, der Kläger sei an diesem Tag
auch der Fahrer des falsch betankten Funkstreifenwagens gewesen. Er habe das
Fahrzeug nicht nur falsch betankt, sondern anschließend noch etwa 4 Kilometer bis zur
Polizeihauptwache der PI West gefahren. So lautet jedenfalls der Vermerk vom 26. Juni
2006. Bei dieser Bewertung bezieht sich das Polizeipräsidium C. ausdrücklich auf die
Schadensmeldung des Klägers vom 24. April 2006. In dieser fehlt jedoch eine Aussage
dazu, ob er als Beifahrer oder Fahrer des Dienstwagens den Funkstreifenwagen
versehentlich falsch betankt hat. Seine Angabe in seiner Schadensmeldung vom 24.
April 2006 bezieht sich lediglich auf die Angabe der Falschbetankung. Dahingehend
lautet auch seine sofort nach dem Schadensfall abgegebene Stellungnahme vom 21.
April 2006. Beide Stellungnahme beinhalten somit keinen Hinweis darauf, dass der
Kläger auch Fahrer des Streifenwagens war. Dieser Fragestellung ist das
Polizeipräsidium C. auch nicht weiter nachgegangen. Sie wäre unter
Fürsorgegesichtspunkten jedoch angezeigt gewesen, da es nach den Angaben des
Klägers in der mündlichen Verhandlung unter den Streifenwagenbesatzungen üblich ist,
die beim Betanken des Dienstkraftwagens anfallenden Aufgaben untereinander
aufzuteilen. Die Wahrnehmung der einzelnen Tätigkeiten geschehe aber rein willkürlich.
Dies ist von den Vertretern des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht in
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Abrede gestellt worden. Eine entsprechende Kenntnis des Beklagten ist daher zu
unterstellen.
Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung war er an diesem Tag
nur Beifahrer in dem Streifenwagen und hat selbst lediglich den Wagen betankt. Die
Bezahlung an der Kasse nahm hingegen der Fahrer des Streifenwagens vor. Dieser
setzte auch anschließend die Fahrt mit dem falsch betankten Fahrzeug fort. Somit hat
der Fahrer des Dienstkraftwagens den geltend gemachten Schaden mit verursacht.
Auch sein Verhalten dürfte als grob fahrlässig zu bewerten sein. Ihm ist beim Bezahlen
des von dem Kläger getankten Treibstoffs dessen Fehler nicht aufgefallen. Entweder
aus dem Mehrpreis zu dem ansonsten für Dieselkraftstoff zu zahlenden Betrag oder bei
Überprüfung der Tankquittung, die den getankten Kraftstoff ausweist, hätte er die Wahl
des falschen Kraftstoffs erkennen können. Der Blick auf diese Quittung erfolgte nach
den Angaben des Klägers im Rahmen seiner Anhörung erst, als der Streifenwagen
anfing zu ruckeln. Demzufolge hat sich der Streifenkollege des Klägers beim Bezahlen
ebenfalls keine Gedanken gemacht, welcher Treibstoff von seinem Kollegen getankt
worden ist. Er hat sich auf dessen ordnungsgemäße Betankung verlassen und ist
anschließend mit dem falsch betankten Fahrzeug einige Kilometer bis zur Wache
zurückgefahren. Erst diese Fahrt machte es erforderlich, nicht nur den Tank des
Fahrzeugs leer zu pumpen, sondern die Kraftstoffanlage zu erneuern, wie sich dem
Vermerk des Polizeipräsidiums C. vom 25. April 2006 entnehmen lässt.
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Für den Fall, dass ein weiterer Beamter neben dem Kläger als Gesamtschuldner haftet,
kann zwar nach § 421 Satz 1 BGB grundsätzlich der Gläubiger die Leistung nach
seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Dieses
Belieben ist jedoch im öffentlichen Recht beschränkt. Eine Behörde hat vielmehr nach
pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, welchen von mehreren ihr
gesamtschuldnerisch Haftenden sie in welchem Umfang zum Schadensersatz
heranziehen will. Das gilt erst recht, wenn einem Dienstherrn mehrere Beamte nach §
84 Abs. 1 LBG a. F. als Gesamtschuldner auf Ersatz eines Schadens haften. Das nach §
421 Satz 1 BGB dem Dienstherrn an sich eingeräumte Belieben, wird durch dessen
Fürsorgepflicht gegenüber dem Beamten eingeschränkt. Haben mehrere Beamte einen
Schaden schuldhaft verursacht, muss der Dienstherr nach Art und Maß des
Verursachungsbeitrags und des Verschuldens prüfen, welchen Beamten er auf welchen
Anteil des Schadens in Anspruch nehmen will. Es widerspräche seiner Fürsorgepflicht,
unabhängig von solchen Überlegungen einen Beamten auf den ganzen Schaden in
Anspruch zu nehmen und ihn im Übrigen auf die gesamtschuldnerischen
Ausgleichsansprüche zu verweisen.
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So OVG NRW, Urteil vom 12. Februar 1990 - 12 A 1511/87 - in Schütz/Maiwald, a.a.O.,
ES/B II 2 Nr. 23 und Urteil vom 14. November 1991 - 12 A 1255/88 -, DÖD 1993, 93 ff.
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Ein dahingehendes Auswahlermessen hat das Polizeipräsidium C. bislang nicht
betätigt, da es von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist. Der Leistungsbescheid
vom 2. Oktober 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung B.
vom 22. Dezember 2006 kann daher auch nicht teilweise aufrecht erhalten werden. Die
angefochtenen Bescheide sind daher insgesamt aufzuheben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten beruht auf § 167
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VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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