Urteil des VG Gelsenkirchen vom 07.11.2008

VG Gelsenkirchen: leitende tätigkeit, gewerbe, anfechtungsklage, gerichtsakte, einzelrichter, anfang, ausdehnung, ermessensfehler, offenkundig, vertagung

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 K 1886/08
Datum:
07.11.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 1886/08
Schlagworte:
Gewerbeuntersagung
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte zuvor in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden
Betrages Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d :
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Seit Januar 2006 ist der Kläger mit dem Gewerbe „Gemüseanbau und Verkauf sowie
Handel mit Kräutern und Binderei-Bedarfartikeln" in T. gemeldet.
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Mit Schreiben vom 29. Oktober 2007 regte das Finanzamt M. eine Gewerbeuntersagung
an, weil Steuerrückstände von über 12.000 EUR aufgelaufen seien und der Kläger
wirtschaftlich leistungsunfähig sei; er habe im März 2006 eine Eidesstattliche
Versicherung (EV) abgegeben. Auch würden die Erklärungspflichten nicht eingehalten,
so dass Schätzungen erfolgt seien.
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Daraufhin ermittelte der Beklagte u.a., dass zu Lasten des Klägers weitere Rückstände
bei der Gartenbau-Berufsgenossenschaft (BG) von ca. 3.300 EUR bestanden. Auch war
er im Jahr 2006 wegen Betruges und wegen Urkundenfälschung verurteilt worden.
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Nach Anhörung des Klägers sagte dieser zunächst zu, die notwendigen Erklärungen
abgeben und Zahlungen leisten zu wollen. Außerdem übersandte er mit Schreiben vom
12. Februar 2008 eine Aufstellung von Verbindlichkeiten mit den Angaben, wann er
diese begleichen wolle.
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Nachdem der Beklagte Ende Februar 2006 erfuhr, dass Steuererklärungen nicht
vorgelegt worden seien und die Rückstände auf knapp 18.000 EUR angestiegen waren,
untersagte er mit der hier angefochtenen Verfügung vom 26. Februar 2008 dem Kläger
die angemeldete und jede andere gewerbliche selbständige oder leitende Tätigkeit
gemäß § 35 Absatz 1 Sätze 1 und 2 der Gewerbeordnung - GewO -. Zu diesem
Zeitpunkt ergaben sich Rückstände beim Finanzamt von ca. 17.700 EUR und bei der
BG von (bis zum 1. August 2008 gestundeten) ca. 3.300 EUR. Hinsichtlich der weiteren
Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Ordnungsverfügung Bl. 86 ff. der
Beiakte Heft 1 Bezug genommen.
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Daraufhin hat der Kläger am 27. März 2008 die vorliegende Klage erhoben.
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Zur Begründung der Klage trägt er im Wesentlichen vor, dass Steuererklärungen folgen
würden und die geringen Rückstände beim Finanzamt gezahlt würden. Er habe sonst
keine Existenzmöglichkeiten.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 26. Februar 2008 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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und bezieht sich zur Begründung auf den streitigen Bescheid
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Das Gericht hat informatorisch den aktuellen Rückstand beim Finanzamt erfragt; er lag
Mitte Juni 2008 bei über 27.000 EUR und Anfang November bei über 40.000 EUR. Bei
der BG war die Stundungsvereinbarung nicht eingehalten worden; der Rückstand belief
sich auf ca. 3.700 EUR.
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Das Verfahren ist durch Beschluss vom 26. Juni 2008 auf den Einzelrichter übertragen
worden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten
Bezug genommen (Beiakte Heft 1).
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Entscheidungsgründe:
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Vorab ist anzumerken, dass über die Klage trotz Ausbleibens des Klägers in der
(zweiten) mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte, da er zu diesem Termin
ordnungsgemäß geladen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung bei Abwesenheit
hingewiesen worden war.
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Die zulässige Anfechtungsklage (§ 42 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) ist
nicht begründet, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger deshalb
nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise
zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des
Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum
Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Nach Satz 2
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dieser Vorschrift kann die Untersagung u.a. auch auf einzelne andere oder auf alle
Gewerbe sowie auf Vertretungsfälle erstreckt werden.
Alle diese Voraussetzungen waren in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage
maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) Verwaltungsentscheidung
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- vgl. hierzu: Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Beschluss vom 23. November 1990
- 1 B 155.90 -, Gewerbearchiv - GewA - 1991, 110 -
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Ende Februar 2008 erfüllt. Insoweit folgt das Gericht im Grundsatz der Begründung des
angefochtenen Bescheides und kann daher von einer weiteren Darstellung der
Entscheidungsgründe absehen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Auch hinsichtlich der auf § 35
Abs. 1 Satz 2 GewO gestützten Ausdehnung der Gewerbeuntersagung auf alle anderen
Gewerbe und die Tätigkeit als Vertretungsberechtigte eines Gewerbetreibenden oder
als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragten Person sind Rechts- oder
Ermessensfehler weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Selbst im Verlauf des Klageverfahrens - auch nicht nach der Vertagung der ersten
mündlichen Verhandlung im Juli 2008 - ist weder ein Sanierungskonzept erstellt noch
eingehalten worden, so dass auch - wie in solchen Verfahren ansonsten durchaus
üblich - eine veränderte Verhaltens- und Zahlungsmoral nicht zu einer vergleichsweisen
Regelung führen konnte. Vielmehr sind die Rückstände offenkundig erheblich weiter
angestiegen und sind weiterhin Erklärungen nicht abgegeben worden.
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Nach alledem muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger wirtschaftlich
leistungsunfähig ist. Dabei ist es rechtlich belanglos, welche Ursachen zu der
wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit geführt haben. Im Interesse eines
ordnungsgemäßen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet
werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht
auf die Ursachen seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb
umgehend aufgibt.
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Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. November
1997 - 4 A 156/97 -, Seite 7 des amtlichen Umdrucks unter Hinweis auf das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Februar 1982 - 1 C 146.80 -, GewA 1982, 294.
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Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen;
die Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr.
11, 711 der Zivilprozessordnung.
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