Urteil des VG Gelsenkirchen vom 24.06.2009

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 L 567/09
Datum:
24.06.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 L 567/09
Schlagworte:
Fahrerlaubnis, Entziehung
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe:
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Der sinngemäß gestellte Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 2384/09 gegen die Ordnungsverfügung des
Antragsgegners vom 30. April 2009 wiederherzustellen,
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ist gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig, aber
unbegründet. Die Vollzugsanordnung ist hinreichend begründet worden. Sie hebt die
besondere Gefahr bei weiterer Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr hervor,
sollte dieser erneut unter Alkoholeinfluss ein Kraftfahrzeug führen. Damit ist dem
Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO genügt.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehungsverfügung ist
auch in der Sache gerechtfertigt. Die im Rahmen des vorläufigen
Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des
Antragstellers aus, weil die Ordnungsverfügung bei summarischer Prüfung mit großer
Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zur
Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen in der angegriffenen
Verfügung des Antragsgegners, denen sie im Grundsatz folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).
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Gemäß § 46 Abs. 3 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum
Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV -) finden im
Fahrerlaubnisentziehungsverfahren die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung,
wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer
Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist.
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Die §§ 11 bis 14 FeV regeln für das Verfahren um die Erteilung oder Wiedererteilung
der Fahrerlaubnis im Wesentlichen die zur Klärung von Eignungszweifeln zu treffenden
Maßnahmen. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-
psychologischen Gutachtens unter anderem zwingend anzuordnen, wenn wiederholt
Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden (§ 13
Satz 1 Nr. 2 lit. b FeV). Diese Voraussetzung ist erfüllt, da der Antragsteller am 30.
September 2007 und am 20. September 2008 ein Fahrzeug mit einer
Blutalkoholkonzentration von 1,13 ‰ bzw. einer Atemalkoholkonzentration von 0,44
mg/l geführt hat.
Die Ergebnisse des danach zu Recht eingeholten medizinisch- psychologischen
Gutachtens der amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung E. der TÜV
NORD Mobilität GmbH & Co. KG vom 11. April 2009 räumen die Zweifel an der
Kraftfahreignung des Antragstellers nicht aus. Die darin getroffenen Feststellungen
lassen erwarten, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter
Alkoholeinfluss führen wird. Im Gutachten wird überzeugend dargelegt, dass und warum
die von dem Antragsteller im verkehrspsychologischen Gespräch gemachten Angaben
keine diagnostische Einordnung der früheren Trinkgewohnheiten ermöglichen. Die
wörtliche Wiedergabe der insoweit relevanten Ausführungen zeigt, dass die Angaben
des Antragstellers von deutlichen Widersprüchen geprägt waren und dass die
eingeräumten Trinkmengen nicht zu den nachgewiesenen Alkoholwerten und der
Wiederholung der Auffälligkeiten passten. Ohne realistische und nachvollziehbare
Angaben zu den Trinkgewohnheiten, die die der Begutachtung zugrunde liegenden
Trunkenheitsfahrten verursacht haben, ist die für die Kraftfahreignung erforderliche
Prognose, es werde künftig zu keinen weiteren Trunkenheitsfahrten kommen, nicht zu
treffen; vielmehr ist das Gegenteil zu erwarten, wie unter Punkt „V. Beantwortung der
Fragestellung" entgegen der Einschätzung der Antragsschrift eindeutig formuliert ist.
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Ist der Antragsteller danach zur Zeit mit großer Wahrscheinlichkeit ungeeignet zum
Führen von Kraftfahrzeugen, so erscheint die von ihm ausgehende Gefahr für die
Allgemeinheit zu groß, als dass sie bis zur Entscheidung der Hauptsache hingenommen
werden könnte. Vielmehr besteht ein das Suspensivinteresse des Antragstellers
überwiegendes öffentliches Interesse daran, ihn durch eine sofort wirksame Maßnahme
vorläufig von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen. Die
geltend gemachten persönlichen, wirtschaftlichen, beruflichen und familiären Gründe für
die Beibehaltung der Fahrerlaubnis sind angesichts der erheblichen Gefahren für Leib
und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer nicht ausschlaggebend.
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Ebenso ist die Tatsache, dass der Antragsteller offenbar seit September 2008 ohne
festgestellten Verstoß am Straßenverkehr teilnimmt, angesichts der hohen Dunkelziffer
bei Verkehrsdelikten rechtlich ohne Bedeutung. Es bleibt dem Antragsteller
unbenommen, durch Vorlage einer medizinisch-psychologischen Begutachtung im
Wiedererteilungsverfahren nachzuweisen, dass Eignungsmängel nicht mehr vorliegen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und
entspricht der neuen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen bei Streitigkeiten um eine Fahrerlaubnis in einem vorläufigen
Rechtsschutzverfahren, vgl. Beschluss vom 4. Mai 2009 - 16 E 550/09 -.
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