Urteil des VG Gelsenkirchen vom 25.03.2009

VG Gelsenkirchen: aufschiebende wirkung, vollstreckung, behörde, vollziehung, aussetzung, hauptsache, vorrang, kontrolle, verwaltungsgerichtsbarkeit, erfüllung

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 13 L 1107/08
Datum:
25.03.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 L 1107/08
Schlagworte:
Straßenbaubeitrag, Rechtsschutzbedürfnis, öffentliche Abgaben,
Aussetzungszinsen
Normen:
§ 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 8 KAG NRW
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Verfahrensbeteiligten den
Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt
haben.
Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu 13 % und der
Antragsgegner zu 87 %.
Der Streitwert wird auf 2.372,29 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Das Verfahren ist entsprechend § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
einzustellen, soweit die Verfahrensbeteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache
hinsichtlich der vorläufigen Regelung der Vollziehung des Heranziehungsbescheides
des Antragsgegners vom 18. November 2005 in der Fassung seines
Widerspruchsbescheides vom 8. August 2008 übereinstimmend für erledigt erklärt
haben.
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Im Übrigen hat der weiterhin gestellte Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 4629/08 gegen den Aussetzungszinsen
festsetzenden Bescheid des Antragsgegners vom 28. August 2008 anzuordnen,
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keinen Erfolg.
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Der Antrag ist bereits unzulässig.
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Zwar besteht ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers; da Aussetzungszinsen
öffentliche Abgaben im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind,
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vgl. Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Beschluss vom 1. Juni 1992 - 2
S 2999/90 -; Hessischer VGH, Beschluss vom 15. Februar 1994 - 5 TH 1921/92;
Schleswig -Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 7. Juli 2003 - 9 B 45/03 -
; jeweils zitiert nach JURIS,
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entfaltet die insoweit erhobene Klage gegen den Zinsbescheid keine aufschiebende
Wirkung.
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Der bei Gericht gestellte Antrag ist jedoch wegen Fehlens eines vorherigen Antrags auf
Aussetzung der Vollziehung beim Antragsgegner unzulässig. Gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1
VwGO ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in den Fällen des § 80
Abs. 2 Nr. 1 VwGO, das heißt bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben nur
zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder
zum Teil abgelehnt hat. Dabei handelt es sich um eine nicht nachholbare
Zulässigkeitsvoraussetzung, die im Zeitpunkt des Antragseingangs bei Gericht gegeben
sein muss.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW),
Beschlüsse vom 16. Februar 1993 - 14 B 4556/92 -, vom 19. Januar 1995 - 16 B 181/95
- und vom 3. März 1995 - 9 B 564/95 - sowie vom 18. April 1996 - 15 B 3499/95 -,
Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl) 1997, S. 23; vgl. auch
Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2007, § 80 Rdnr. 185.
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Der Aussetzungsantrag bei der Behörde kann nicht im Verlaufe des weiteren Verfahrens
nachgeholt werden.
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VGH München, Beschluss vom 26. November 1991 - 6 Cs 91.3277 -, Neue Zeitschrift für
Verwaltungsrecht (NVwZ) 1992, S. 990.
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Dass ein solcher Aussetzungsantrag vor Klageerweiterung beim Antragsgegner gestellt
worden ist, ist für die Kammer nicht ersichtlich und vom Antragsteller trotz gerichtlichen
Hinweises in dem einen Vergleichsvorschlag beinhaltenden Beschluss vom 2. Februar
2009 auch nicht behauptet worden.
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Der Antragsteller war auch nicht von einer vorherigen behördlichen Entscheidung über
einen Aussetzungsantrag gemäß § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO befreit, weil der
Ausnahmetatbestand der drohenden Vollstreckung zum Zeitpunkt der Antragstellung bei
Gericht gegeben gewesen wäre. Der Antragsteller hat weder dargelegt noch bestehen
Anhaltspunkte dafür, dass gegenüber ihm zu diesem Zeitpunkt bereits die Vollstreckung
drohte.
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Für die Erfüllung dieses Tatbestandes ist nicht ausreichend, dass die im Zinsbescheid
enthaltene Forderung bereits fällig ist. Vielmehr muss die Vollstreckung aus dem
Bescheid schon begonnen haben, der Beginn der Vollstreckung für einen unmittelbar
bevorstehenden Termin angekündigt worden sein oder es müssen konkrete
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Vorbereitungen der Behörde für eine alsbaldige Vollstreckung vorliegen.
Vgl. OVG Saarlouis, Beschluss vom 22. Juni 1992 - 1 W 29/92 -, NVwZ 1993, 490 (491);
vgl. auch: Kopp, a.a.O., § 80 Rdnr. 186.
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Diese strengen Anforderungen sollen verhindern, das Antragserfordernis des § 80 Abs.
6 Satz 1 VwGO leer laufen zu lassen. Mit dieser Vorschrift wird nämlich das Ziel verfolgt,
den Vorrang der verwaltungsinternen Kontrolle zu stärken und die Verwaltungsgerichte
zu entlasten.
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S. dazu OVG Saarlouis, a.a.O., 490; OVG NRW, Beschluss vom 19. Januar 1995, - 16 B
181/95 - und Beschluss vom 29. Dezember 1994 - 15 B 2084/94 -.
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Durch das dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vorgeschaltete behördliche Verfahren
soll die Behörde in die Lage versetzt werden, alle im Aussetzungsverfahren
vorgetragenen Gesichtspunkte zu würdigen. Die damit grundsätzlich gegebene
Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung besteht auch noch im Zeitpunkt einer
Mahnung, durch die dem Beitragsschuldner regelmäßig eine Zahlungsfrist eingeräumt
wird.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 3 Nr. 2 des
Gerichtskostengesetzes. Das wirtschaftliche Interesse an der Anordnung der
aufschiebenden Wirkung ist nach der Rechtsprechung (s. Streitwertkatalog für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit, Nr. 1.5 - abgedruckt bei Kopp/Schenke, a.a.O., § 164 Rdnr.
14 -) mit einem Viertel des strittigen Betrages i.H.v. insgesamt 9.489,15 EUR (= 8.218,15
EUR noch zu zahlender Straßenausbaubeitrag und 1.271,00 EUR Aussetzungszinsen)
angemessen festgesetzt.
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