Urteil des VG Gelsenkirchen vom 04.08.2006

VG Gelsenkirchen: wirtschaftliche leistungsfähigkeit, gebot der erforderlichkeit, berufliche tätigkeit, die post, arzneimittel, beitragsbemessung, gesamtumsatz, missverhältnis, anknüpfung

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 19 K 2180/05
Datum:
04.08.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
19. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 K 2180/05
Schlagworte:
Beitrag, Apothekerkammer, Umsatz, Kappungsgrenze
Normen:
Beitragsordnung
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger ist Apotheker und betreibt eine Apotheke in . Er wendet sich gegen den
Beitragsbescheid für das erste Quartal des Jahres 2005.
2
Die Beitragsordnung der Beklagten sah bis einschließlich des Jahres 2003 gestaffelte
Beitragsgruppen vor, die bei einem Nettojahresumsatz von 2,5 Millionen Euro endeten.
Nach dieser Beitragsordnung entrichtete der Kläger einen Kammerbeitrag für das Jahr
2003 in Höhe von insgesamt 3.416,00 EUR. Zum Jahr 2004 wurde die Beitragsordnung
der Beklagten dahingehend geändert, dass keine Staffelung der Beitragssätze mehr
erfolgt, sondern der Kammerbeitrag grundsätzlich als fester Prozentsatz vom
Jahresnettoumsatz des Apothekers errechnet wird. Die Kappungsgrenze wurde auf 10
Millionen Euro und der maßgebende Prozentsatz für das Jahr 2004 auf 0,13 und für das
Jahr 2005 auf 0,11 festgesetzt.
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Mit Sonderrundschreiben von Dezember 2003 wies die Beklagte ihre Mitglieder auf die
geänderte Beitragsordnung hin. Die Änderung sei notwendig geworden, weil ab 1.
Januar 2004 die Möglichkeit bestehe, neben einer Hauptapotheke bis zu drei
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Filialapotheken zu betreiben. Filialapotheken würden allerdings in der bisherigen
Beitragsordnung nicht erfasst. Hierauf meldeten sich die Prozessbevollmächtigten des
Klägers mit Schreiben vom 15. Januar 2004 für den Kläger und teilten mit, dass die
neue Beitragsordnung der Beklagten rechtswidrig, insbesondere verfassungswidrig sei.
Es komme bei einem Kammerangehörigen, der keine Filialapotheke betreibe, zu einer
Steigerung des Kammerbeitrags um 174,5 %. Es liege deshalb ein Verstoß gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor. Dem Problem der Filialapotheken habe man
dadurch Rechnung tragen können, dass die Kappungsgrenze von 2,5 Millionen Euro mit
der Anzahl der Filialapotheken zu multiplizieren sei. Daraufhin teilte die Beklagte den
Prozessbevollmächtigten mit, dass der Inhalt der Stellungnahme im Vorstand eingehend
erörtert worden sei. Dieser habe festgestellt, dass die Änderung der Beitragsordnung
vom 19. November 2003 ordnungsgemäß erfolgt sei.
Mit Beitragsbescheiden vom 19. April 2004 (1. Quartal), 14. Juli 2004 (2. Quartal) und
14. Oktober 2004 (3. Quartal) zog die Beklagte den Kläger jeweils zu Beiträgen in Höhe
von 1.538,61 EUR heran. Sie sind Gegenstand des Klageverfahrens Az. 19 K 790/05.
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Mit Beitragsbescheid vom 15. April 2005 (1. Quartal 2005) zog die Beklagte den Kläger
zu einem Beitrag in Höhe von 1.396,86 Euro heran. Der Beitragsbescheid wurde dem
Kläger übersandt.
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Hiergegen legten die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29. April 2005
Widerspruch ein. Zur Begründung trugen sie vor, dass der Beitragsbescheid unwirksam
sei, da er dem Kläger nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden sei. Obwohl sich
die Prozessbevollmächtigten bereits im Januar 2004 für den Kläger gemeldet hätten, sei
der Bescheide an den Kläger selbst gesandt worden. Eine Ermessensausübung im
Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 2 VwVfG sei nicht erkennbar. Die Rechtswidrigkeit des
Beitragsbescheids 2005 ergebe sich daraus, dass eine Ermächtigung für die Erhebung
der Beiträge nicht gegeben sei. Die Beitragsordnung der Beklagten, die sie als
Ermächtigungsgrundlage heranzieht, sei verfassungswidrig und damit nichtig, da sie
gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und somit gegen höherrangiges Recht
verstoße. Das eingesetzte Mittel der Erhöhung der Kappungsgrenze sei nicht
erforderlich gewesen, um den Haushalt ab dem Jahr 2004 zu sichern. Um die
befürchteten Mindereinnahmen zu verhindern, habe es keiner generellen Anhebung der
Kappungsgrenze bedurft. Zur Sicherung des Haushalts wäre es vielmehr ausreichend
gewesen, wenn die ursprüngliche Kappungsgrenze bei Apothekern mit Filialapotheken
je nach Anzahl der Filialen erhöht worden wäre. Des Weiteren verstoße die geänderte
Beitragsordnung gegen das Äquivalenzprinzip. Der Steigerung der Kammerbeitrages
um 174,5 % stehe keine intensivierte oder erweiterte Gegenleistung der Beklagten
gegenüber.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des
Klägers zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Beitragsbescheide
dem Kläger ordnungsgemäß zugegangen seien. Die Beitragsordnung der Kammer sei
rechtmäßig. Es stehe fest, dass selbständige Apotheker nach einem Umsatzschlüssel
veranlagt werden dürften. Auf Kappungsgrenzen komme es nicht an. Soweit die
Beklagte Kappungsgrenzen einführe, stehe ihr ein weitgehender Gestaltungsfreiraum
zu, der nur auf die Einhaltung äußerster Grenzen rechtlich kontrollierbar sei. Diese
Grenzen seien hier nicht überschritten.
8
Der Kläger hat am 7. Juli 2005 die vorliegende Klage erhoben. Die Beitragsordnung der
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Beklagten sei nichtig. Nach dem Äquivalenzprinzip dürfe die Höhe eines Beitrages nicht
im Missverhältnis zu dem Vorteil stehen, den er abgelten solle und einzelne Mitglieder
dürften im Verhältnis zu anderen nicht übermäßig hoch belastet werden. Das
Dienstleistungsangebot und die Dienstleistungsintensität der Beklagten hänge nicht von
der Höhe des Umsatzes des jeweiligen Kammermitglieds ab. Die Beklagte biete dem
Kläger kein höheres Maß an Dienstleistung als einem Kammermitglied mit geringerem
Umsatz. Es sei nicht festzustellen, dass umsatzstarke Mitglieder einen höheren Vorteil
oder einen höheren Nutzen aus der Arbeit der Beklagten zögen. Das
Bundesverwaltungsgericht wende das Äquivalenzprinzip insoweit nicht oder nur
unzureichend an. Im Übrigen liege ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip auch
deshalb vor, weil in die Bemessung des Beitrags auch Umsätze aus dem Verkauf von
nichtapothekenpflichtigen Produkten einbezogen würden. Zudem spiegele der Umsatz
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht wider, da die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit vom Gewinn abhänge. Der Apothekenzuschlag bei
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sei kein prozentualer Zuschlag, sondern
bemesse sich nach einem Fixzuschlag in Höhe von 8,10 Euro zuzüglich 3 % des
festgelegten Einkaufspreises abzüglich 2,00 Euro Rabatt. Daraus folge, dass der Anteil
am Verkaufspreis bei einem niedrigpreisigen Arzneimittel verhältnismäßig höher sei als
bei einem höherpreisigen Arzneimittel. Letztlich sei von dem Kläger auch deshalb keine
Gefährdung des Beitragsaufkommens ausgegangen, da er keine Filiale betreibe. Die
Erfassung der Filialapotheken sei aber gerade Beweggrund für die Änderung gewesen.
Die Beklagte habe bei der Änderung der Beitragsordnung andere, offensichtlich
bestehende Gestaltungsvarianten unberücksichtigt gelassen. Deshalb verstoße die
geänderte Beitragsordnung gegen das Gebot der Erforderlichkeit.
Der Kläger beantragt,
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den Beitragsbescheid für das erste Quartal 2005 vom 15. April 2005 in der Form des
Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2005 aufzuheben.
11
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
13
Zur Begründung trägt sie vor, die Beitragssatzung verstoße weder gegen das
Äquivalenzprinzip noch gegen den Gleichheitssatz. Der Umstand, dass der Kläger mehr
zahlen müsse, als umsatzschwächere Mitglieder sei ein sachgerechtes
Differenzierungskriterium. Es werde vermutet, dass höhere Umsätze auf eine höhere
Bedeutung der Interessenwahrnehmung durch die Beklagte verwiesen. Es sei legitim,
innerhalb der Beklagten einen Ausgleich zwischen wirtschaftlich unterschiedlich
situierten Gruppen herbeizuführen. Erforderlich sei eine Gesamtbetrachtungsweise.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte, der Gerichtsakte 19 K 780/05 sowie der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
15
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
16
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 15.
April 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1
Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
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Der Bescheid ist dem Kläger gegenüber wirksam bekannt gegeben worden. Der durch
die Post übermittelte Bescheid gilt gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) mit dem 18. April
2005 als bekannt gegeben. Die fehlende Übersendung an den Bevollmächtigten des
Klägers hat auf die Wirksamkeit des Bescheides keinen Einfluss. Nach § 41 Abs. 1 Satz
1 VwVfG NRW ist ein Verwaltungsakt grundsätzlich dem bekannt zu geben, für den er
bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, so kann
die Bekanntgabe ihm gegenüber erfolgen (Satz 2). Diese Bestimmung stellt es in das
Ermessen der Behörde, ob sie im Falle der Bestellung eines Bevollmächtigten den
Verwaltungsakt dem Adressaten oder dem Bevollmächtigten gegenüber bekannt gibt.
Die Bekanntgabe an den Betroffenen lässt den Verwaltungsakt in jeden Falle wirksam
werden. Die Ergänzung, dass der Verwaltungsakt auch einem Bevollmächtigten
bekannt gegeben werden kann, stellt lediglich eine Erweiterung der der Behörde
eröffneten Möglichkeiten dar.
18
BVerwG, Urteil v. 30. Oktober 1997 - 3 C 35/96 -, BVerwGE 105, 288 ff.
19
Die Heranziehung des Klägers zu dem Kammerbeitrag für das Jahr 2005 und die
entsprechende Festsetzung des Quartalsbeitrags beruht auf §§ 6 Abs. 5 Satz 1, 23 Abs.
1 des Heilberufsgesetzes (HeilBerG) in Verbindung mit den für das Jahr 2005 geltenden
Vorschriften der Beitragsordnung (BeitrO) der Beklagten.
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Der Kläger ist als Apotheker gemäß § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Nr. 2 HeilBerG Mitglied der
Beklagten.
21
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BeitrO wird der Kammerbeitrag in vierteljährlichen
Teilbeträgen erhoben. Der jährliche Beitrag errechnet sich nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BeitrO
grundsätzlich als bestimmter Vomhundertsatz vom Apothekenumsatz (ohne
Mehrwertsteuer), wobei ein den Betrag von 10 Millionen Euro übersteigender jährlicher
Umsatz nach § 2 Abs. 1 Satz 4 BeitrO nicht berücksichtigt wird. Der Apothekenumsatz
ergibt sich aus der Summe der (Vorvorjahres)Umsätze der im Bereich der Beklagten
betriebenen Haupt- und Filialapotheken, § 2 Abs. 1 Satz 5 BeitrO.
22
Die Rechtmäßigkeit dieser Vorschriften ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Die Änderung der Beitragsordnung vom 19. November 2003 ist vom Ministerium für
Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen als dem
zuständigen Fachministerium genehmigt (§§ 23 Abs. 2, 28 Abs. 1 HeilBerG) und
ordnungsgemäß im Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen bekannt gemacht
worden (§ 23 Abs. 3 HeilBerG).
23
Materiellrechtliche Bedenken bestehen ebenfalls nicht. Die Mitgliedsbeiträge
berufsständischer Kammern sind Beiträge im Rechtssinne, d.h. Gegenleistungen für
Vorteile, die das Mitglied aus der Kammerzugehörigkeit oder einer besonderen Tätigkeit
der Kammer zieht oder ziehen kann. Die Beitragsbemessung muss sich in den Grenzen
bewegen, die sich für solche Abgaben aus dem gegenüber der Satzung vorrangigen
Recht ergeben, insbesondere ist das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz zu
beachten.
24
Vgl. BVerwG, Urteil v. 26. Juni 1990 - 1 C 45.87 -, GewArch 1990, 398; Urteil v. 3.
September 1991 - 1 C 24/88, NVwZ-RR 1992, 175; Beschluss v. 25. Juli 1989 - 1 B
25
109/89 -, GewArch 1989, 328 f.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 26. Juni 1998 -
2 S 1605/97 -.
Bei dem Äquivalenzprinzip handelt es sich um die beitragsrechtliche Ausprägung des
verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Es fordert, dass zwischen
der Höhe des Beitrags und dem Nutzen des Mitglieds ein Zusammenhang besteht. Die
Höhe des Beitrages darf nicht in einem Missverhältnis zu dem Vorteil stehen, den er
abgelten soll, und einzelne Mitglieder dürfen nicht im Verhältnis zu anderen übermäßig
hoch belastet werden.
26
BVerwG, Urteil v. 26. Juni 1990, - 1 C 45.87 -, GewArch 1990, 398; Urteil v. 3.
September 1991 - 1 C 24/88, NVwZ-RR 1992, 175.
27
Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, niemanden im Vergleich zu anderen
Normadressaten anders zu behandeln, ohne dass zwischen ihnen Unterschiede von
solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung
rechtfertigen.
28
BVerwG, Urteil v. 26. Juni 1990, - 1 C 45.87 -, GewArch 1990, 398.
29
Für die Erhebung vorteilsbezogener Mitgliedsbeiträge durch eine öffentlich-rechtliche
Körperschaft bedeutet dies, dass wesentlichen Verschiedenheiten der Mitglieder
Rechnung getragen werden muss. Aus dem Gleichheitssatz ergibt sich insbesondere,
dass die Beiträge im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich
vorteilsgerecht bemessen werden müssen.
30
BVerwG, Beschluss v. 3. Mai 1995 - 1 B 222/93 -, GewArch 1995, 425 ff.; VGH Baden-
Württemberg, Beschluss v. 26. Juni 1998 - 2 S 1605/97 -.
31
Bei berufsständischen Kammern ist allerdings zu berücksichtigen, dass der für die
Beitragsbemessung maßgebende Nutzen der Kammertätigkeit nicht in einem
unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil bestehen muss, der sich bei dem einzelnen
Mitglied messbar niederschlägt. Der beitragsrechtliche Begriff des Vorteils kann
vielmehr auch dann erfüllt sein, wenn der Nutzen der von der Kammer finanzierten
Tätigkeit nicht messbar ist, sondern weitgehend nur vermutet werden kann,
insbesondere keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen darstellt.
32
BVerwG, Urteil v. 3. September 1991 - 1 C 24/88 -, NVwZ-RR 1992, 175; Urteil v. 25.
November 1971 - 1 C 48.65 -, BVerwGE 39, 100.
33
Mit Rücksicht auf die Satzungsautonomie der Beklagten als berufständischer
Körperschaft und die sich daraus ergebende Gestaltungsfreiheit beschränkt sich die
gerichtliche Überprüfung der vom Kläger beanstandeten Neustrukturierung der
Beitragsordnung auf die Einhaltung äußerster Grenzen. Maßstab ist nicht das Kriterium
der in jeder Hinsicht zweckmäßigsten, vernünftigsten oder gerechtesten Lösung. Der
Satzungsgeber ist daher nicht gehalten, jedweden Besonderheiten, wie sie bei
einzelnen Gruppen von Kammermitgliedern bestehen, Rechnung zu tragen; vielmehr
kann er in sachlich vertretbarem Rahmen aus Praktikabilitätserwägungen, insbesondere
im Interesse einer möglichst einfach zu handhabenden Beitragsordnung bei der
Beitragsbemessung Typisierungen und Pauschalierungen vornehmen und von einer
Differenzierung nach bestimmten Berufsgruppen absehen.
34
VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 26. Juni 1998 - 2 S 1605/97 -.
35
Diesen rechtlichen Vorgaben wird die Beitragsordnung der Beklagten in der in Rede
stehenden Fassung gerecht. § 2 Abs. 1 BeitrO gewährleistet eine vorteilsgerechte
Beitragserhebung. Die Festlegung eines bestimmten, von der Kammerversammlung zu
bestimmenden Vomhundertsatzes vom (Netto)Gesamtumsatz des/der
Apothekenbetriebe(s) als Bemessungsgrundlage für den jährlichen Kammerbeitrag
steht mit den vorgenannten Grundsätzen in Einklang und ist von der der Beklagten im
Rahmen ihrer Selbstverwaltungsautonomie eingeräumten Gestaltungsfreiheit gedeckt.
36
So auch: VG Düsseldorf, Urteil v. 7. April 2006 - 26 K 6092/04 -.
37
Die Anknüpfung an Umsätze führt nicht zu einem dem Äquivalenzprinzip
widersprechenden Missverhältnis zwischen Beitrag und Vorteil. Die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit ist ein sachgerechtes Differenzierungsmerkmal der
Beitragsbemessung, da mit der Höhe der Einkünfte regelmäßig auch der materielle und
immaterielle Nutzen aus der Existenz und dem Wirken der Kammer zunimmt. Bei
höheren Einkünften/Umsätzen darf auch die Bedeutung der Interessenwahrung durch
die Kammer entsprechend hoch bewertet werden. Eine angemessene Anknüpfung an
die Höhe der Umsätze führt somit bei der zulässigen typisierenden Betrachtung zu einer
ausreichenden Entsprechung zwischen Beitragshöhe und Vorteil. Dies entspricht der -
auch vom Kläger zitierten - ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
38
Vgl. BVerwG, Urteil v. 13. März 1962 - I C 155.59 -, DVBl. 1962, 532; Urteil v. 25.
November 1971 - 1 C 48.65 -; BVerwGE 39, 100; Urteil v. 26. Juni 1990 - 1 C 45/87 -
GewArch 1990, 398 ff.; Urteil v. 3. September 1991 - 1 C 24/88 -, NVwZ-RR 1992, 175;
Beschluss v. 25. Juli 1989 - 1 B 109/89 -, GewArch 1989, 328; VGH Baden-
Württemberg, Beschluss v. 26. Juni 1998 - 2 S 1605/97.
39
Die Kammer sieht keinen Anlass, hiervon abzuweichen.
40
Entgegen der Ansicht des Klägers spiegelt der Umsatz die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit einer öffentlichen Apotheke ausreichend wider. Eine Orientierung am
Gewinn war nicht geboten. Der Apothekenzuschlag bemisst sich bei
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gemäß § 3 Abs. 1 der
Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) nach einem Fixzuschlag in Höhe von 8,10
Euro zzgl. 3 % des festgelegten Einkaufspreises abzüglich 2,00 Euro Rabatt. Daraus
folgt zwar, dass der bei der Apotheke verbleibende Anteil am Verkaufspreis bei einem
niedrigpreisigen Arzneimittel verhältnismäßig höher ist als bei einem höherpreisigen
Arzneimittel. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dem für die Beurteilung der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit öffentlicher Apotheken insgesamt maßgebliche
Bedeutung zukommt. Die unterschiedlichen Gewinnspannen treffen grundsätzlich alle
öffentlichen Apotheken gleichermaßen, zumal gemäß § 10 des Apothekengesetzes eine
Beschränkung auf bestimmte Arzneimittel nicht möglich ist. Dass deshalb der Vorteil der
Kammertätigkeit in Ausmaß und Relation nicht mehr dem Gesamtumsatz entspricht, ist
nicht erkennbar. Vielmehr bleibt der Gewinn - wie immer er ermittelt wird - maßgeblich
auch vom Umsatz abhängig.
41
Soweit der Kläger im Hinblick auf die Anknüpfung am Umsatz einen Verstoß gegen den
Gleichheitssatz rügt, gilt Folgendes: Sowohl bei dem Gewinn als auch bei dem Umsatz
42
einer Apotheke handelt es sich um Bemessungsgrundlagen, die grundsätzlich durch
verschiedene Faktoren beeinflussbar sind. Deshalb ist der umsatz- oder
gewinnorientierten Beitragsstaffelung eine Ungleichbehandlung immanent, die nicht von
vornherein gleichheitswidrig ist.
Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 26. Juni 1998 - 2 S 1605/97 - ; Bayerischer
Verwaltungsgerichtshof, Urteil v. 30. März 1992 - 21 B 91.01256 -.
43
Vereinzelte, auf tatsächlichen Gegebenheiten (insbesondere der Lage) beruhende
Besonderheiten hinsichtlich der häufig verkauften Arzneimittel sind in ihrer Bedeutung
nicht hinreichend beachtlich. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass durch
diese individuellen Abweichungen eine ins Gewicht fallende Gruppe von
Beitragspflichtigen im Verhältnis zu anderen einer übermäßig hohen Belastung
ausgesetzt ist, die geeignet wäre, die von der Beklagten im Rahmen ihrer
Gestaltungsfreiheit vorgenommene Typisierung in Frage zu stellen. Mag auch im
Einzelfall eine „gerechtere" Lösung für die Frage der Beitragsbemessung vorstellbar
sein, so hat die Beklagte die äußersten Grenzen des ihr eröffneten
Gestaltungsspielraums durch die mit der Anknüpfung an den Umsatz erfassten
Regelfälle nicht überschritten. Dies gilt insbesondere, weil die Beklagte - wie ausgeführt
- nicht gehalten ist, allen Besonderheiten ihrer Mitglieder beitragsmäßig Rechnung zu
tragen.
44
Die Einbeziehung des „Randsortiments" in den beitragspflichtigen Umsatz stellt
ebenfalls keinen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitssatz dar.
Zwar ist hinsichtlich der Kammermitgliedschaft und der sich daraus ergebenden
Pflichten vorrangig auf die berufliche Tätigkeit abzustellen, welche dem Berufsbild
entspricht.
45
VG Osnabrück, Urteil v. 28. Juni 2004 - 6 A 107/02 -.
46
Da das Randsortiment, das üblicherweise alle Apotheken vorhalten, in der Regel aber
nur einen vergleichsweise geringen Umsatzanteil ausmacht, kommt dem für die
Äquivalenz von Beitragshöhe und Partizipation an der Aufgabenerfüllung der Kammer
grundsätzlich keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Die Arzneimittelversorgung und -
beratung steht nach wie vor im Mittelpunkt. Aus diesem Grunde hat die Einbeziehung
auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots keine Auswirkungen, die
eine Gruppe von Beitragspflichtigen übermäßig hoch belastet.
47
Vgl. VG Osnabrück, Urteil v. 28. Juni 2004 - 6 A 107/02 -.
48
Im Hinblick auf den hohen Verwaltungsaufwand, den eine Differenzierung nach den
unterschiedlichen Umsatzarten verursachen würden, ist es vielmehr sachgerecht, dass
die Beklagte von einer solchen Differenzierung abgesehen und den Kammerbeitrag
nach dem Gesamtumsatz des Apothekenbetriebes bemessen hat. Sie hat sich damit
noch innerhalb des ihr zustehenden Gestaltungsfreiraums gehalten, der es ihr erlaubt,
aus Vereinfachungsgründen auch Pauschalierungen vorzunehmen.
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Auch die Anhebung der Kappungsgrenze, bis zu der der Apothekenumsatz in die
Beitragsberechnung einbezogen wird (10 Mio. Euro), verstößt nicht gegen das
Äquivalenzprinzip. Es ist grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht geboten, dass eine
Beitragsordnung eine Kappungsgrenze oder ähnliche Vorkehrungen vorsieht.
50
BVerwG, Urteil v. 26. Juni 1990 - 1 C 45/87 -, GewArch 1990, 398.
51
Die Anhebung der Obergrenze ist sachlich gerechtfertigt. Sie trägt dem Umstand
Rechnung, dass sich die mögliche Umsatzspanne des einzelnen Kammermitglieds
durch die infolge einer Änderung des Apothekengesetzes seit dem 1. Januar 2004
bestehende Möglichkeit, bis zu vier Apotheken zu betreiben, erweitert hat. Um bei einer
Vorteilsbemessung nach dem Umsatz die bei bis zu vier Apotheken erzielbaren
Nettoumsätze abzudecken, war eine Anhebung der Obergrenze zur Aufrechterhaltung
der Beitragsgerechtigkeit unumgänglich. Während die Beitragsordnung alter Fassung
für alle Apothekeninhaber mit einem Jahresumsatz von über 2,5 Millionen Euro -
ungeachtet der Höhe des übersteigenden Betrages - vorsah, wird nunmehr bis zu einem
jährlichen Gesamtumsatz von 10 Millionen Euro differenziert und erst dann ein
einheitlicher Höchstbetrag erhoben. Diese Änderung erfasst nicht nur die
voraussichtlich einen gesteigerten Gesamtumsatz erzielenden Inhaber von Haupt- und
Filialapotheken, sondern auch die Inhaber rentabler Einzelapotheken, deren Umsatz
(regelmäßig) die alte Obergrenze überstieg. Insofern ist durch die Änderung der
Beitragsordnung eine größere Beitragsgerechtigkeit unter den Kammermitgliedern
hergestellt worden.
52
VG Düsseldorf, Urteil v. 7. April 2006 - 26 K 6092/04 -.
53
Es ist nichts dafür dargetan oder erkennbar, dass die von der Beklagten festgesetzte
Obergrenze von 10 Millionen Euro die durch den Gleichheitssatz oder das
Äquivalenzprinzip bestimmten äußersten Grenzen der Gestaltungsfreiheit des
Satzungsgebers überschreitet. Dass von einem bestimmten Umsatz unter der
festgelegten Obergrenze an die Kammertätigkeit ausnahmsweise zu keinem weiteren
oder doch zu keinem weiter linear steigenden Vorteil in dem dargelegten Sinne für die
Mitglieder führt, hat der Kläger nicht aufgezeigt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass mit
der Anhebung der Obergrenze zugleich eine Reduzierung des Beitragssatzes
insgesamt und damit in der Gesamtbetrachtung eine Entlastung der Kammermitglieder
einher ging.
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Die Beklagte war auch nicht gehalten, eine Obergrenze pro Filiale festzusetzen. Eine
Vorteilsbemessung nach dem Umsatz ist - wie ausgeführt - nicht zu beanstanden. Eine
Addition - niedrigerer - Obergrenzen bei Filialinhabern würde der so bestimmten
Vorteilsgerechtigkeit nicht mehr ausreichend Rechnung tragen. Es käme vielmehr
umgekehrt zu einer ungerechtfertigten Mehrbelastung der Filialinhaber, der im
Verhältnis zu umsatzstarken Einzelapotheken kein größerer Vorteil gegenüber stünde.
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Der Vortrag des Klägers, dass sein Beitrag um 174,5 % gestiegen sei, ohne dass die
Beklagte ihre Leistungen verändert habe, ergibt noch keine Verletzung des
Äquivalenzprinzips. Die Erhöhung folgt aus der Neustrukturierung der Beitragsordnung
der Beklagten und lässt für sich nicht auf ein Missverhältnis zwischen der Beitragshöhe
und dem Wert der Mitgliedschaft schließen.
56
BVerwG, Beschluss v. 25. Juli 1989 - 1 B 109/89 -, GewArch 1989, 328.
57
Sie trägt vielmehr im Hinblick auf rentable (Einzel-)Apotheken zu einer höheren
Beitragsgerechtigkeit bei.
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Nach alledem ermöglicht die für das Jahr 2005 gültige Beitragsordnung der Beklagten
eine vorteilsgerechte Beitragserhebung. Die Festsetzung des Quartalsbeitrags ist den
wirksamen Bestimmungen der Beitragsordnung entsprechend erfolgt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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