Urteil des VG Gelsenkirchen vom 06.03.2009

VG Gelsenkirchen: widerruf, versicherung, ermessensfehler, behörde, verhinderung, ermessensausübung, sozialhilfe, zivilprozessordnung, vollstreckbarkeit, sanierung

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 K 2471/07
Datum:
06.03.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 2471/07
Schlagworte:
Reisegewerbekarte, Widerruf
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte zuvor in Höhe von 110 % der jeweils beizutreibenden Betrages
Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der 51 Jahre alte Kläger ist seit 1988 im Besitz einer Reisegewerbekarte für das
„Feilbieten von Süßwaren, abgepackten Lebensmitteln, gasgefüllten Luftballons sowie
Pfeil- und Ballwerfen und Betreiben einer Kinderschaukel im Schaustellergewerbe".
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Mit Schreiben vom 9. August 2005 regte die Berufsgenossenschaft O. und H. bei der
Beklagten an, dem Kläger die Reisegewerbekarte zu widerrufen, da er
Sozialversicherungsbeiträge und Nebenkosten aus den Jahren 1998 bis 2004 in Höhe
von ca. 1.500,00 EUR schulde. Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass der Kläger
am 8. Dezember 2003 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte und auch dem
Finanzamt C. -Süd Steuern und Säumniszuschläge von ca. 6.700,00 EUR schuldete.
Erklärungen würden immer erst nach erfolgten Schätzungen abgegeben und
Vollstreckungsversuche seien erfolglos geblieben.
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Daraufhin hörte die Beklagte den Kläger zum beabsichtigten Widerruf der
Reisegewerbekarte mit Schreiben vom 13. September 2005 an. Weil sich die
Rückstände trotz entsprechender Ankündigungen des Klägers nicht verringerten und
beim Finanzamt auf über 4.500,00 EUR anstiegen, widerrief die Beklagte mit
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Ordnungsverfügung vom 13. Februar 2006 die dem Kläger erteilte Reisegewerbekarte.
Außerdem forderte sie ihn auf, die Reisegewerbekarte zurückzugeben.
Gegen diese Verfügung legte der Kläger rechtzeitig Widerspruch mit der Begründung
ein, er werde versuchen, die finanziellen Dinge in Ordnung zu bringen.
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Weitere Ermittlungen ergaben, dass die Steuerrückstände im November 2006 auf ca.
6.000,00 EUR angestiegen waren und im Juli 2007 immer noch mehr als 5.000,00 EUR
betrugen. Bei der Berufsgenossenschaft standen noch ca. 2.000,00 EUR offen.
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Daraufhin wies die Bezirksregierung B. den Widerspruch des Klägers mit
Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2007 zurück.
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Am 27. August 2007 hat der Kläger - rechtzeitig - Klage erhoben und erneut
angekündigt, sich um die Ordnung seiner Angelegenheiten zu bemühen.
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Der Kläger beantragt,
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die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 13. Februar 2006 und den
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung B. vom 23. Juli 2007 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie weist darauf hin, dass der Kläger am 11. Januar 2007 erneut die eidesstattliche
Versicherung abgegeben habe. Seine Zusagen habe er nicht eingehalten.
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In der mündlichen Verhandlung am 15. Februar 2008 haben sich die Parteien damit
einverstanden erklärt, dass nach einem Beobachtungszeitraum ohne weitere mündliche
Verhandlung entschieden werden kann.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung
B. Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Gericht entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
ohne mündliche Verhandlung, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt
haben.
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Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Die streitige Widerrufsverfügung der
Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung B. ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz
1 VwGO).
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Gemäß § 57 Abs. 1 der Gewerbeordnung - GewO - ist die Reisegewerbekarte zu
versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für die
beabsichtigte Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Gemäß § 49 Abs. 1
und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-
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Westfalen kann eine rechtmäßig erteilte Reisegewerbekarte widerrufen werden, wenn
die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, die
Reisegewerbekarte zu versagen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse
gefährdet würde. Diese Voraussetzungen waren in dem für die Beurteilung der Sach-
und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung im Juli
2007 erfüllt. Das Gericht folgt insoweit der Begründung der angefochtenen Bescheide
und kann daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen (§
117 Abs. 5 VwGO). Auch die erforderliche Ermessensausübung ist darin begründet
worden und lässt Ermessensfehler nicht erkennen.
Die Verhinderung der reisegewerblichen Tätigkeit des Klägers verstößt auch nicht
gegen das Übermaßverbot. Denn sogar die Untersagung jeglicher selbständigen
gewerblichen Tätigkeit eines unzuverlässigen Gewerbetreibenden ist nicht
unverhältnismäßig, wenn die Voraussetzungen für die Gewerbeuntersagung vorliegen,
und zwar selbst dann nicht, wenn der Gewerbetreibende dadurch auf Sozialhilfe
angewiesen sein sollte.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. März 1991 - 1 B 10.91 -,
Gewerbearchiv 1991, 226.
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Nur zusätzlich wird angemerkt, dass dem Kläger auch während des Klageverfahrens die
Sanierung seines Betriebs nicht gelungen ist. Selbst die in der mündlichen Verhandlung
am 15. Februar 2008 eingeräumte Möglichkeit, seine Schulden zu tilgen, hat er nicht
genutzt. Nach eigenen Angaben, die das Gericht nicht überprüft hat, bestehen noch
Rückstände von fast 4.500,00 EUR. Unter diesen Umständen kommt auch eine- in
solchen Verfahren sonst durchaus übliche - vergleichsweise Regelung nicht mehr in
Betracht
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeit der
Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 der
Zivilprozessordnung.
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