Urteil des VG Gelsenkirchen vom 22.04.2009

VG Gelsenkirchen: bebauungsplan, grundstück, stadt, forstwirtschaft, gemeinde, landwirtschaft, erholungsgebiet, gerichtsakte, garage, auflage

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 10 K 1839/06
Datum:
22.04.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 1839/06
Schlagworte:
Inzidentkontrolle, keine "ungefragte Fehlersuche", "Negativplanung",
Zielsetzungen eines B-Plans, Fläche für die Forstwirtschaft,
planerisches Ermessen, Erholungsgebiet, Funktionslosigkeit eines B-
Plans, Art der baulichen Nutzung, Befreiung, Außenbereich,
Gemeindegebiet, Ortsteil, organische Siedlungsstruktur,
Flächennutzungsplan, Aussagekraft des Flächennutzungsplans,
Planungswille der Gemeinde
Leitsätze:
Kein Anspruch auf Erteilung eines planungsrechtlichen Vorbescheides
für ein mit Bäumen bewachsenes Grundstück im Geltungsbereich eines
Bebauungsplans des Siedlungsverbandes Ruhrgebiet
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten über die Erteilung eines planungsrechtlichen Vorbescheides.
2
Die Klägerin ist Eigentümerin der unbebauten Grundstücke Gemarkung T. , Flur 0,
Flurstücke 12 und 13 in E. . Die Flurstücke liegen östlich der Straße W. Weg, nördlich
der X. Straße (B 00) und grenzen südlich an die Straße Am P. . Die Flurstücke 12 und
13 haben zur Straße Am P. eine Breite von ca. 30 m und an der nordöstlichen
Nachbargrenze eine Tiefe von ca. 73 m. Die Flurstücke 12 und 13 sind mit Laubbäumen
bewachsen. Nordöstlich der Flurstücke befinden sich zwei mit Wohnhäusern bebaute
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Grundstücke (Am P. 84 und 86), südwestlich des Vorhabengrundstücks erstrecken sich
bis zum W. Weg fünf mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke (Am P. 82 und niedrigere
Hausnummern). Die westlich des W. Wegs und südlich der Straße Am P. gelegenen
bebauten Grundstücke gehören nicht mehr zum Stadtbereich E. sondern zum
Stadtbereich I. . Im Flächennutzungsplan der Stadt E. , Bekanntmachung der
Genehmigung durch die Bezirksregierung B. am 31. Dezember 2004, sind die
Flurstücke 12 und 13 als Flächen für die Landwirtschaft und die Forstwirtschaft, hier
Wald, ausgewiesen. Das Vorhabengrundstück der Klägerin liegt im Geltungsbereich
des Bebauungsplans „S. I1. „ des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk -
Verbandsgrünfläche E. Nr. 19 tlw -. Der Beklagte geht von der Rechtsverbindlichkeit des
Bebauungsplans seit dem 2. Mai 1969 aus. Der Bebauungsplan setzt im wesentlichen
Flächen für die Landwirtschaft und Flächen für die Forstwirtschaft fest. Die
streitbefangene Fläche Flur 0, Flurstücke 12 und 13 ist im Bebauungsplan als Fläche für
die Forstwirtschaft ausgewiesen. Zur Begründung des Bebauungsplans erklärte der
Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, dass zur Sicherung und Freihaltung eines
Geländes im Bereich der I2. nördlich der Ruhr als Erholungsgebiet Bebauungspläne
durch den Siedlungsverband aufgestellt werden. Hierdurch sollten die noch unbebauten
Grundstücke von einer Bebauung und zweckentfremdenden Nutzung freigehalten
werden. Die Stadt E. war am Bebauungsplanverfahren beteiligt. Eine
Rechtsvorgängerin der Klägerin, die X1. X. AG, hatte als damalige Eigentümerin der
Flurstücke 12 und 13 im Bebauungsplanverfahren Bedenken und Anregungen geltend
gemacht. Bei dem Grundstück handele es sich um eine echte Baulücke, es werde
beantragt, das Grundstück als Baugebiet auszuweisen. Den geltend gemachten
Bedenken und Anregungen wurde nicht gefolgt. U. a. hatte die Stadt E. eine ablehnende
Stellungnahme hierzu abgegeben.
Mit Urteil vom 25. Januar 1973 -X A 199/70- gab das Oberverwaltungsgericht für das
Land Nordrhein-Westfalen einer Klage einer Klägerin im Plangebiet auf Erteilung einer
Bebauungsgenehmigung für ihr an der X. Straße gelegenes Grundstück statt. Der
Bebauungsplan „S1. I1. „ des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk stehe dem
Vorhaben nicht entgegen. Er sei nämlich jedenfalls insoweit nichtig, als er das bereits
bei seiner Aufstellung bestehende Baugebiet an der Nordseite der X. Straße als Fläche
für die Landwirtschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG) ausweise. Diese Festsetzung sei nicht
durch § 2 Abs. 1 BBauG gedeckt, wonach Bauleitpläne -nur- aufzustellen seien, sobald
und soweit es erforderlich sei. Sie erfolge nicht im Interesse einer Förderung der
Landwirtschaft, sondern in der Absicht des Planungsträgers, durch das damit
verbundene weitgehende Bauverbot eindeutig außerhalb der Landwirtschaft liegende
Ziele zu erreichen.
4
Mit Beschluss vom 27. Juni 1973 -IV B 75.73- wies das Bundesverwaltungsgericht die
erhobenen Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des
Oberverwaltungsgerichts zurück. Die ergangenen gerichtlichen Entscheidungen führten
zur 1. Änderung des Bebauungsplans „S1. I1. „ im Jahre 1975, mit der ein Teilgebiet im
nordöstlichen Planbereich zwischen Autobahnauffahrt und X. Straße aus dem
Planbereich entlassen wurde.
5
Unter dem 23. März 2005 stellte die unmittelbare Rechtsvorgängerin der Klägerin, die
Viterra AG, beim Beklagten einen Antrag auf Erlass eines planungsrechtlichen
Bauvorbescheides zur Errichtung eines freistehenden zweigeschossigen
Einfamilienhauses mit Satteldach mit einer Dachneigung von 10° bis 25° sowie einer
Garage auf den Flurstücken 12 und 13. Der projektierte Baukörper ist auf einer Baulinie
6
mit den Baukörpern auf den Grundstücken Am P. 82 und 84 angeordnet.
Unter dem 12. Mai 2005 gab die Untere Landschaftsbehörde eine ablehnende
Stellungnahme zu dem Vorhaben ab (vgl. Bl. 18 der Beiakte Heft 2). Der Landesbetrieb
Wald und Holz Nordrhein-Westfalen, Fortsamt T1. , gab unter dem 25. Mai 2005 eine
negative Stellungnahme ab (vgl. Bl. 20 der Beiakte Heft 2).
7
Mit Bescheid vom 12. Juli 2005 lehnte der Beklagte die Erteilung des Bauvorbescheides
ab und erklärte die Errichtung eines zweigeschossigen Wohnhauses und einer Garage
auf dem Grundstück Am P. für planungsrechtlich unzulässig. Das Antragsgrundstück
liege weder im räumlichen Geltungsbereich eines rechtsverbindlichen
Bebauungsplanes im Sinne des § 30 BauGB noch innerhalb eines im Zusammenhang
bebauten Ortsteiles, sondern sei dem Außenbereich zuzurechnen. Im
Flächennutzungsplan sei das Grundstück als „Wald" dargestellt. Das Vorhaben sei nach
§ 35 BauGB zu beurteilen. Bei dem geplanten Vorhaben handele es sich nicht um ein
privilegiertes Vorhaben sondern um ein sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB.
Durch das Vorhaben sei eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinne des § 35
Abs. 3 BauGB gegeben, da es den Darstellungen des Flächennutzungsplanes
widerspreche und die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung
zu befürchten sei. Nach den Stellungnahmen des Umweltamtes und des Forstamtes T1.
handele sich bei den genannten Flurstücken um Wald im Sinne des
Bundeswaldgesetzes bzw. des Landesforstgesetzes, das Vorhaben sei gemäß § 4 Abs.
5 Landschaftsgesetz unzulässig. Eine notwendige Waldumwandlungsge-nehmigung sei
nicht in Aussicht gestellt worden.
8
Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch ließ die Rechtsvorgängerin der
Klägerin wie folgt begründen: Gegenstand der Bauvoranfrage sei nicht die
forstrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens. Die ggf. notwendige
Waldumwandlungsgenehmigung werde in einem gesonderten Verfahren begehrt. In
planungsrechtlicher Hinsicht sei die Beurteilung, dass es sich bei dem Grundstück um
Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB handele, zutreffend. Es sei jedoch nicht davon
auszugehen, dass durch das Vorhaben eine Splittersiedlung verfestigt oder erweitert
werde. Hier sei die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen zu berücksichtigen. Das zur Bebauung anstehende Grundstück sei
im Bereich des Siedlungssplitters auf beiden Seiten von vergleichbarer Bebauung
umgeben, es handele sich im fraglichen Bereich um das letzte nicht bebaute
Grundstück, so dass eine Vorbildwirkung für weitere Grundstücke ausscheide. Der
Darstellung des Flächennutzungsplans, in der das Grundstück als Wald dargestellt
werde, komme keine eigenständige Funktion zu.
9
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2005 (gemeint 2006) wies die Bezirksregierung
B. den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde den
Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 23. Mai 2006
zugestellt.
10
Die Klägerin hat am 22. Juni 2006 Klage erhoben.
11
Die planungsrechtliche Beurteilung habe der Beklagte zutreffenderweise nach § 35 Abs.
2 BauGB vorgenommen. Bei dem zur Bebauung anstehenden Grundstück handele es
sich um eine Baulücke im Außenbereich im Sinne der Rechtsprechung u.a. des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein- Westfalen. Es handele sich um das
12
einzige südlich der Straße Am P. liegende Grundstück, welches noch unbebaut sei.
Öffentliche Belange würden durch die Lückenfüllung nicht beeinträchtigt. Eine
Waldumwandlungsgenehmigung werde ggf. gesondert beantragt.
Nachdem der Beklagte im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2007 auf
die Existenz des Bebauungsplans „S1. I1. „ hingewiesen hatte, führt die Klägerin
weiterhin folgendes aus: Der Bebauungsplan „S1. I1. „ sei unwirksam. Das
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen habe in seinem Urteil vom
25. Januar 1973 (Az. X A 199/70), bestätigt durch den Beschluss des
Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 1973 (Az. IV B 75.73), betreffend ein im
Geltungsbereich des Bebauungsplans liegendes Grundstück, für welches der
Bebauungsplan eine Fläche für die Landwirtschaft festsetzte, mangels Erforderlichkeit
der Planung bzw. mangels einer durch Förderinteressen gedeckte Rechtfertigung der
Festsetzungen als Flächen für die Landwirtschaft die insoweit bestehende
Unwirksamkeit des Bebauungsplans „S1. I1. „ festgestellt. Die getroffenen gerichtlichen
Entscheidungen seien für die Festsetzungen im Bebauungsplan zu übertragen, soweit
hierin „Flächen für die Forstwirtschaft" dargestellt seien. In der Begründung zum
Bebauungsplan fänden sich keine Hinweise darauf, dass der Siedlungsverband
Ruhkohlenbezirk die land- und forstwirtschaftliche Nutzung habe fördern wollen.
Mangels eines feststellbaren positiven Planungswillens des Verbandes liege eine
unzulässige Negativplanung vor.
13
Auf der Grundlage des damit anzuwendenden § 35 BauGB sei das Vorhaben zulässig.
Die Darstellung im Flächennutzungsplan als Fläche für Wald stehe dem Vorhaben nicht
entgegen. Hier sei die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu beachten.
Es fehle eine qualifizierte Standortzuweisung für waldspezifische Nutzungen. Die
Darstellung im Flächennutzungsplan stelle allenfalls den Bestand auf dem Grundstück
dar, enthalte aber keine konkreten Planungen für die Grundstücksfläche im Hinblick auf
die Nutzung als Waldfläche. Das Grundstück sei nicht in den Bereich des
ausgewiesenen Landschaftsschutzgebietes, welches sich in der Nähe befinde,
einbezogen worden. Der Flächennutzungsplan weise auch auf den bebauten
Nachbargrundstücken Waldfläche aus. Diese Darstellung könne schon aus rein
tatsächlichen Gründen nicht verwirklicht werden. Aus dem Erläuterungsbericht zum
Flächennutzungsplan ließen sich konkrete Entwicklungsziele der Gemeinde für das
klägerische Grundstück nicht entnehmen. Durch das Vorhaben werde eine Baulücke
innerhalb eines Siedlungssplitters gefüllt, wobei das Grundstück eine
Ausnahmestellung habe und deshalb keine Vorbildwirkung für weitere Bauvorhaben
mehr entfalten könne.
14
Das Vorhaben beeinträchtige auch nicht Belange des Naturschutzes und der
Landschaftspflege. Das klägerische Grundstück sei nicht in das angrenzende
Landschaftsschutzgebiet einbezogen worden. Dies wäre jedoch naheliegend gewesen,
wenn die Fläche landschaftlich und ökologisch besonders schützenswert wäre. Eine
ohne Unterschutzstellung losgelöste besonders schützenswerte Funktion des
Grundstücks für die Belange des Landschaftsschutzes und des Naturschutzes sei nicht
erkennbar. Aus der zu den Gerichtsakten gereichten forstlichen Bestandsbeschreibung
der T2. Forst GmbH vom 11. März 2008 (vgl. Bl. 70 der Gerichtsakte) ergebe sich, dass
die Fläche aus forstwirtschaftlicher Sicht als geringwertig und aus ökologischer Hinsicht
als nicht besonders wertvoll anzusehen sei.
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Die Klägerin beantragt,
16
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 12. Juli 2005 und des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung B. vom 17. Mai 2006 zu verpflichten, ihr
einen positiven planungsrechtlichen Vorbescheid für die Errichtung eines
zweigeschossigen Einfamilienhauses mit Satteldach sowie einer Garage für die
Grundstücke Gemarkung T. , Flur 0, Flurstücke 12 und 13 unter Ausschluss der
Erschließungsfrage zu erteilen.
17
Der Beklagte beantragt,
18
die Klage abzuweisen.
19
Der Beklagte verweist auf die Festsetzungen des Bebauungsplans „S1. I1. „. Der
Bebauungsplan sei wirksam, soweit er für das klägerische Grundstück die Festsetzung
„Fläche für die Forstwirtschaft" enthalte. Diese Festsetzung sei durch die damalige
Begründung zum Bebauungsplan gedeckt. Insbesondere der Verweis auf die Förderung
eines Geländes im Bereich der I2. nördlich der S2. als Erholungsgebiet belege, dass
dort eine Nutzung als Waldfläche gesichert werden sollte, die unstreitig der Erholung
dienen dürfte. Diese Nutzung sei auch seit Erlass des Bebauungsplans im Jahre 1969
durchgängig realisiert worden und habe zuletzt ihren Niederschlag im aktuellen
Flächennutzungsplan gefunden, der das fragliche Gebiet als „Wald" festsetze. Der
Beklagte habe damit seit mindestens vier Jahrzehnten deutlich gemacht, dass außer der
dort Bestandsschutz genießenden vereinzelten Bebauung keine weitere Bebauung
zugelassen werden solle. Dementsprechend seien weitere Vorhaben dort zu keiner Zeit
genehmigt worden.
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Am 18. Dezember 2007 hat die Berichterstatterin mit den Beteiligten eine
Ortsbesichtigung durchgeführt. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll, Bl. 51 f.
der Gerichtsakte verwiesen.
21
Auf entsprechende Anfragen des Gerichts haben sowohl der Landesbetrieb Wald und
Holz Nordrhein-Westfalen, Regionalforstamt Ruhrgebiet, unter dem 16. Dezember 2008
als auch das Umweltamt des Beklagten unter dem 19. März 2009 fachliche
Stellungnahmen zu den streitgegenständlichen Flurstücken abgegeben (Bl. 92 ff und
114 f der Gerichtsakte). Die Beteiligten haben hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme
erhalten.
22
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge einschließlich des
Flächennutzungsplans der Stadt E. mit Erläuterungsbericht und die
Aufstellungsvorgänge zum Bebauungsplan „S1. I1. „ Bezug genommen.
23
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
24
Die gemäß § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- zulässige
Verpflichtungsklage ist nicht begründet.
25
Die von der Klägerin angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die
Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat gegen
den Beklagten keinen Anspruch auf Erteilung des planungsrechtlichen Vorbescheides
zur Errichtung eines zweigeschossigen Einfamilienhauses mit Garage auf den
26
Grundstücken Gemarkung T. , Flur 0, Flurstücke 12 und 13.
Dem Bauvorhaben der Klägerin stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (§ 71
Abs. 1 und 2, 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW).
27
Das Vorhabengrundstück der Klägerin liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans
„S1. I1. „ des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk - Verbandsgrünfläche E. Nr. 19 tlw.
-, in dem die Fläche als Fläche für die Forstwirtschaft ausgewiesen ist.
28
Die Kammer geht von der Wirksamkeit der Festsetzung im Bebauungsplan für das
Grundstück der Klägerin aus. Die im Bebauungsplan für das Vorhabengrundstück
getroffene Festsetzung als Fläche für Forstwirtschaft steht der Erteilung eines
Vorbescheides für die Errichtung eines Einfamilienhauses entgegen.
29
Grundsätzlich gilt ein nach Maßgabe des Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960
(BGBl. I S. 341) -BBauG 1960- erlassener Bebauungsplan fort,
30
vgl. § 233 Abs. 3 BauGB und Rieger in Schrödter, Baugesetzbuch, 7. Auflage 2006, §
233 Rdnr. Rdnr. 14 und 15.
31
Es liegt kein begründeter Anlass vor, an der formellen und materiellen
Rechtswirksamkeit der getroffenen Festsetzung im Bebauungsplan „S1. I1. „ für das
streitbefangene Grundstück zu zweifeln.
32
Insoweit trifft das Gericht im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung nach § 86 VwGO bei
der Inzidentkontrolle eines Bebauungsplanes keine Verpflichtung, von sich aus
gleichsam „ungefragt" in eine Suche nach Fehlern in der Vorgeschichte und
Entstehungsgeschichte eines Bebauungsplanes einzutreten,
33
vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. April 1997 -4 B 206/96-, ZfBR 1997, S. 203 ff und
Beschluss vom 6. März 1996 -4 B 184/95-, Juris-Dokument.
34
Soweit von der Klägerseite geltend gemacht wird, der Bebauungsplan „S1. I1. „ sei
insgesamt unwirksam, weil die in den ergangenen gerichtlichen Entscheidungen
dargelegten rechtlichen Gesichtspunkte auch für die Festsetzung von Flächen für die
Forstwirtschaft Gültigkeit hätten und demnach auch diesbezüglich von einer
unzulässigen Negativplanung auszugehen sei, kann dem nicht gefolgt werden.
35
Die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein- Westfalen
vom 25. Januar 1973 -X A 199/70- und des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni
1973 -IV B 75.73- gehen maßgeblich auf die früher vertretene Rechtsauffassung des
Bundesverwaltungsgerichts zur Erforderlichkeit von Festsetzungen im Bebauungsplan
und zur sog. „Negativplanung" zurück,
36
vgl. grundlegend Urteil vom 14. Juli 1972 -IV C 8.70-, BVerGE 40, S. 258 ff.
37
Die dargelegte Rechtsauffassung entspricht schon seit langem nicht mehr der
obergerichtlichen Rechtsprechung.
38
Festsetzungen in einem Bebauungsplan sind als „Negativplanung" nicht schon dann
wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 BauGB (früher §§ 2 Abs. 1, 9 Abs. 1 BBauG) nichtig,
39
wenn ihr Hauptzweck in der Verhinderung bestimmter relevanter Nutzungen besteht.
Sie sind als „Negativplanung" nur dann unzulässig, wenn sie nicht dem planerischen
Willen der Gemeinde entsprechen, sondern nur vorgeschoben sind, um eine andere
Nutzung zu verhindern,
vgl. BVerwG, grundlegend Beschluss vom 18. Dezember 1990 -4 NB 8/90-, BauR 1991,
S. 165 ff, Beschluss vom 27. Januar 1999 -4 B 129/98-, BauR 1999, S. 611 ff und
Beschluss vom 25. November 2003 -4 BN 60/03-, ZfBR 2004, S. 279 ff; OVG NRW,
Urteil vom 12. Februar 2004 -7 a D 134/02.NE-, BauR 2004, S. 972 ff; VGH Bayern,
Urteil vom 28. April 2004 -26 N 02.1939-, Juris- Dokument.
40
Dieser obergerichtlichen Rechtsprechung schließt sich die Kammer an.
41
Der Plangeber darf mit den gesetzlich zur Verfügung gestellten Mitteln grundsätzlich
auch städtebauliche Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der
vorhandenen Situation zielen. Solche mehr auf das Bewahren ausgerichteten
Zielsetzungen können es rechtfertigen, anderweitige - ggf. konkret angestrebte-
Nutzungen für die Zukunft rechtlich gesichert auszuschließen,
42
vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1990 -4 NB 8/90- a.a.O.; Kuschnerus, Der
sachgerechte Bebauungsplan, 2. Auflage, Rdnr. 173 ff.
43
Der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk hat mit seiner damaligen Planung nach der
hierfür gegebenen Begründung das Ziel verfolgt, das Gelände im Bereich der I2.
nördlich der S2. als Erholungsgebiet zu sichern und freizuhalten. Die noch unbebauten
Grundstücke sollten von einer Bebauung und zweckentfremdenden Nutzung
freigehalten werden. Er hat damit, jedenfalls soweit hier die Fläche als Fläche für die
Forstwirtschaft ausgewiesen worden ist, unter Angabe eines beachtlichen
städtebaulichen Belangs, nämlich eine Fläche im Planbereich als Naherholungsgebiet
zu sichern, sogar eine positive planerische Aussage über die zukünftige Funktion der
betreffenden Grundstücke im Planbereich getroffen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten
die noch unbebauten Grundstücke von einer Bebauung freigehalten und damit die
vorgefundene Nutzung der Grundstücke erhalten bleiben. Die Kammer hat keinerlei
Anhaltspunkte dafür, dass der Siedlungsverband die von ihm gegebene Begründung
nur vorgeschoben hat, um eine andere Nutzung zu verhindern. Derartiges ist von der
Klägerseite auch nicht vorgetragen worden.
44
Es sind auch sonst keine Gesichtspunkte ersichtlich, die gegen eine Erforderlichkeit der
Planung nach §§ 2 Abs. 1, 9 Abs. 1 BBauGB 1960 sprechen. Insoweit ist dem
Plangeber ein weites planerisches Ermessen eingeräumt. Ein Bebauungsplan ist
„erforderlich", wenn er nach der planerischen Konzeption der Gemeinde (hier des
Siedlungsverbandes als Planungsverband, § 4 BBauGB 1960) erforderlich ist. Die
Gemeinde soll insoweit bewusst Städtebaupolitik betreiben,
45
vgl. BVerG, Urteil vom 7. Mai 1971 -IV C 76.68-, DVBl. 1971, S. 759 ff, Urteil vom 19.
September 2002 -4 CN 1.02-, BauR 2003, S. 209 ff und Urteil vom 17. September 2003 -
4 C 14/01-, NVwZ 2004, S. 220 ff; Kuschnerus, a.a.O. Rdnr. 172 ff.
46
Für die Rechtfertigung von Bebauungsplänen gilt demnach ein Maßstab, der der
eigenverantwortlichen Auswahl der Gemeinde aus den zulässigen Planungszielen
Rechnung trägt und praktisch nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen
47
Missgriffen verletzt ist,
vgl. Kuschnerus, a.a.O., Rdnr. 176; Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 7. Auflage
2004, S. 17.
48
Der Siedlungsverband hatte hier aus dem Katalog der zulässigen Festsetzungen nach §
9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG 1960 Flächen für die Landwirtschaft und für die Forstwirtschaft
festgesetzt. Aus seiner Sicht sprachen hinreichend gewichtige städtebauliche
Allgemeinbelange für die Planung eines bestimmten räumlichen Bereichs als (Nah-)
Erholungsgebiet.
49
Die getroffenen Festsetzungen von Flächen für die Forstwirtschaft waren auch geeignet,
das städtebauliche Ziel, ein Erholungsgebiet im Bereich der I2. nördlich der S2. zu
schaffen, zu erreichen. Handelt es sich bei den forstwirtschaftlichen Flächen um Wald,
kommt ihnen anerkanntermaßen Schutz- und Erholungsfunktion zu (vgl. schon § 8 des
Forstgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Juli 1969, GVBl 1969, S. 588
). Die Festsetzung als Fläche für die Forstwirtschaft hat zur Folge, dass nur noch die mit
der Festsetzung zu vereinbarenden Nutzungen zulässig sind, d.h. alle
forstwirtschaftsfremden Vorhaben ausgeschlossen sind.
50
Die Mängel, die dem Bebauungsplan „S1. I1. „ nach den ergangenen gerichtlichen
Entscheidungen aus dem Jahr 1973 anhafteten, haben auch nicht zur
Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans und damit auch nicht zur Unwirksamkeit
der hier betroffenen Festsetzungen geführt.
51
Mängel, die einem Bebauungsplan anhaften, führen dann nicht zur
Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen
für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken können und
wenn die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen
Willen im Zweifel auch einen Bebauungsplan dieses eingeschränkten Inhalts
beschlossen hätte,
52
vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 1997 -4 NB 30/96-, NVwZ 1997, S. 896 ff.
53
Davon ist hier auszugehen. Von den gerichtlichen Entscheidungen war ein
abgegrenzter Bereich im Plangebiet betroffen, der zwischen Autobahnauffahrt und X.
Straße liegt und für den der Bebauungsplan eine Fläche für die Landwirtschaft auswies.
Auch ohne Einbeziehung dieser Fläche konnte und wollte der Siedlungsverband sein
planerisches Konzept, ein zusammenhängendes Erholungsgebiet im Bereich der I2. zu
schaffen, umsetzen, wie auch der Umstand zeigt, dass er nach Ergehen der
gerichtlichen Entscheidungen im Wege einer 1. Änderung des Bebauungsplans den
fraglichen Bereich aus dem Plangebiet entlassen hat unter Beibehaltung der
Festsetzungen im übrigen.
54
Der Bebauungsplan „S1. I1. „ ist auch nicht funktionslos geworden.
55
Wegen Funktionslosigkeit kann ein Bebauungsplan unwirksam sein, wenn ein
erkennbarer Widerspruch zwischen den tatsächlichen Verhältnissen im Plangebiet und
der Festsetzung besteht und derart gravierend ist, dass ein Vertrauen in die Fortgeltung
nicht mehr schutzwürdig ist,
56
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. April 2007 -10 A 3915/05-, BauR 2007, S. 1198 ff.
57
Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Der Beklagte hat darauf hingewiesen,
dass die durch den Bebauungsplan vorgegebene Nutzung seit dem Jahr 1969
durchgängig realisiert worden sei und zuletzt im aktuellen Flächennutzungsplan
Niederschlag gefunden habe, der das fragliche Gebiet als Wald festsetze. Seitens des
Beklagten sei seit mindestens vier Jahrzehnten deutlich gemacht worden, dass außer
der dort Bestandsschutz genießenden vereinzelten Bebauung keine weitere Bebauung
zugelassen werden solle. Dementsprechend seien weitere Vorhaben dort zu keiner Zeit
genehmigt worden.
58
Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Ausführungen in Frage zu
stellen sind. Die Klägerseite hat substantiiert nichts Gegenteiliges vorgetragen.
59
Bei dem Bebauungsplan „S1. I1. „ handelt es sich mangels qualifizierter Festsetzungen
um einen einfachen Bebauungsplan i. S. d. § 30 Abs. 3 BauGB. Enthält der
Bebauungsplan Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 18 BauGB (früher § 9 Abs. 1 Nr. 10
BBauG) liegt hinsichtlich der Art der Nutzung eine abschließende Regelung vor, so
dass andere als mit der Festsetzung verbundene Nutzungen unzulässig sind. Die Art
der baulichen Nutzung kann nämlich nicht nur durch die Festsetzung von Baugebieten
im Sinne der Baunutzungsverordnung, sondern auch durch Festsetzungen aufgrund
einzelner Bestimmungen des § 9 Abs. 1 BauGB bestimmt werden. Enthält ein
Bebauungsplan eine derartige Festsetzung, kommt eine anderweitige Nutzung
gemessen am Maßstab des § 35 Abs. 2 BauGB nicht in Betracht,
60
vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1989 -4 B 140/88-, BauR 1989, 703 ff; Ernst-
Zinkahn-Bielenberg, Baugesetz-buch, Stand: 1. Oktober 2008, § 9 Rdnr. 149.
61
Da der Bebauungsplan „S1. I1. „ für das streitgegenständliche Grundstück eine Fläche
für die Forstwirtschaft ausweist, ist das Bauvorhaben der Klägerin nicht zulässig.
62
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den
Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB. Die Voraussetzungen für
die Erteilung einer Befreiung liegen schon deshalb nicht vor, weil hier Grundzüge der
Planung berührt werden. Ob Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der
jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem
planerischen Grundkonzept zuwiderläuft,
63
vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. März 1999 -4 B 5/99-, ZfBR 1999, S. 283 f.
64
Dies ist hier der Fall, da es dem Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk gerade darauf
ankam, jegliche weitere Bebauung im Planungsgebiet zu Gunsten der Schaffung eines
Erholungsgebietes zu verhindern. Würde der Klägerin eine Befreiung erteilt, könnte ein
entsprechender Anspruch auch von anderen Grundstückseigentümern im
Planungsgebiet geltend gemacht werden. Dass dies naheliegend ist, ergibt sich schon
daraus, dass seinerzeit im Bebauungsplanverfahren nicht nur von einer
Rechtsvorgängerin der Klägerin sondern auch von einem anderen
Grundstückseigentümer Bedenken und Anregungen geltend gemacht worden sind,
denen im Ergebnis nicht gefolgt wurde. Letztlich würde daher hier eine Missachtung der
planerischen Zielsetzung auf eine Beeinträchtigung der Grundzüge der Planung
hinauslaufen.
65
Selbst wenn aber von der Unwirksamkeit des Bebauungsplans „S1. I1. „ ausgegangen
würde, erweist sich das Vorhaben der Klägerin gleichermaßen als planungsrechtlich
unzulässig.
66
Das Vorhabengrundstück liegt im Außenbereich (§ 35 BauGB), da es nicht innerhalb
eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. BauGB gelegen ist.
67
Die Ansiedlung südlich der Straße Am P. und östlich des W. Wegs ist kein Ortsteil im
Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB.
68
Ortsteil ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der
vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen
Siedlungsstruktur ist. Für die Beurteilung der Frage, ob eine zusammenhängende
Bebauung ein Ortsteil ist, ist nur auf die Bebauung im jeweiligen Gemeindegebiet
abzustellen. Der Begriff des Ortsteils hat insoweit auch eine rechtliche Komponente, als
sich darin die Beziehung zur Planungshoheit der Gemeinde ausdrückt, die sich auf ihr
eigenes Gemeindegebiet beschränkt.
69
vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. September 2000 -4 B 49/00-, BauR 2001, S. 79 f und
Urteil vom 3. Dezember 1998 -4 C 7/98-, BauR 1999, S. 232 f; OVG NRW, Urteil vom 25.
April 2005 -10 A 2861/04-, Juris- Dokument.
70
Demnach ist aufgrund des Verlaufs der Stadtgrenze E1. die Bebauung südlich der
Straße Am P. und westlich des W. Wegs nicht in die Betrachtung einzubeziehen, da
dieser Bereich der Stadt I. zugehört.
71
Die Anforderung einer organischen Siedlungsstruktur schließt nur das ein, was in
Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung dem inneren Grund für die
Rechtsfolge des § 34 BauGB entspricht, nämlich die nach der Siedlungsstruktur
angemessene Fortentwicklung innerhalb des gegebenen Bereichs. Insbesondere eine
bandartige oder einzeilige Bebauung entlang nur einer Straßenseite kann die Annahme
einer organischen Siedlungsstruktur ausschließen. Eine solche Bebauung kann
regelmäßig nicht als weiterentwicklungsfähige organische Siedlungsstruktur eingestuft
werden,
72
vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Februar 2008 -10 A 1998/06- , NVwZ-RR 2008, S. 682 ff
und Urteil vom 28. Februar 2007 -10 A 2273/05-.
73
Hieran gemessen handelt es sich bei der Ansiedlung südlich der Straße Am P. und
östlich des W. Wegs nicht um einen Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB. Eine
organische Siedlungsstruktur dürfte schon aufgrund der geringen Zahl der vorhandenen
Bauten ausscheiden (bislang 7 X. mit Nebengebäuden), jedenfalls steht ihr die
bandartige einseitige Bebauung entlang der Straße Am P. entgegen. Diese
Einschätzung ändert sich auch nicht, wenn ein Teil der vorhandenen Baulichkeiten
nördlich der Straße Am P. und westlich des W. Wegs in die Betrachtung einzubeziehen
wären, sofern nicht schon aufgrund des Verlaufs der Stadtgrenze und der zwischen den
Siedlungselementen liegenden Straßenkreuzung mit einer Versorgungseinrichtung
(Wasserbehälter) im nord-westlichen Bereich von voneinander getrennten Bereichen
auszugehen ist. Auch bei einer Einbeziehung weiterer einzelner Baulichkeiten kann von
einer weiterentwicklungsfähigen organischen Siedlungsstruktur offensichtlich nicht
74
ausgegangen werden. Schließlich können weiter südlich an der B 54 gelegene
Baulichkeiten hier keine Berücksichtigung finden.
Es ist damit davon auszugehen, dass das Vorhaben der Klägerin planungsrechtlich im
Außenbereich nach § 35 BauGB verwirklicht werden soll; diese Bewertung hält die
Klägerin selbst auch für zutreffend.
75
Bei dem von der Klägerin beabsichtigten Bauvorhaben zu Wohnzwecken handelt es
sich nicht um ein im Außenbereich privilegiertes Vorhaben (§ 35 Abs. 1 BauGB),
sondern um ein sonstiges Vorhaben, das gemäß § 35 Abs. 2 BauGB im Einzelfall
zugelassen werden kann, wenn seine Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange
nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
76
Hier stehen dem Vorhaben der Klägerin öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB
entgegen. Dabei entspricht es dem Grundsatz, dass jeder einzelne der in § 35 Abs. 3
Satz 1 BauGB bezeichneten Belange unabhängig davon, ob er durch andere noch
verstärkt wird, für sich geeignet ist, eine Zulassung des Vorhabens zu verhindern.
77
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. November 1999 -4 B 85.99-, ZfBR 2000, S. 426 f.
78
Das Bauvorhaben widerspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplans der Stadt
E. (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB).
79
Der aktuell geltende Flächennutzungsplan der Stadt E. , gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2
BauGB wirksam geworden mit der Bekanntgabe der Genehmigung durch die
Bezirksregierung B. am 31. Dezember 2004, weist u. a. den östlich des W. Wegs
gelegenen Teil der Straße Am P. und die südlich angrenzenden Grundstücke bis zur X.
Straße, somit auch das Vorhabengrundstück der Klägerin als Fläche für die
Forstwirtschaft, hier als Wald gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 9 Buchst. b) BauGB aus. Der
Flächennutzungsplan enthält damit eine der Zulässigkeit des Vorhabens
entgegenstehende Aussage.
80
Im Flächennutzungsplan ist für das ganze Gemeindegebiet die sich aus der
beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den
voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darzustellen, (§ 5 Abs.
1 Satz 1 BauGB). Die Gemeinde bringt durch den Flächennutzungsplan in einem
gesetzlich geregelten Verfahren ihren planerischen Willen zum Ausdruck, wobei die
Gemeinde sich im Außenbereich grundsätzlich darauf beschränken darf, die
städtebauliche Entwicklung planerisch durch den Flächennutzungsplan zu steuern,
81
vgl. Roeser im Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Auflage 2002, § 35 Rdnr. 61.
82
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt sich gegenüber einem
im Außenbereich nicht privilegierten Vorhaben die Darstellung einer Fläche für die
Landwirtschaft im Flächennutzungsplan regelmäßig durch,
83
vgl. Urteil vom 14. Januar 1993 -4 C 33/90-, BauR 1993, 435 ff.
84
Für die Darstellung einer Fläche als Wald kann nichts anderes gelten.
85
Allerdings sind Flächennutzungspläne nicht uneingeschränkt geeignet, einer ihrer
86
Darstellung widersprechenden Nutzung im Außenbereich die Zulässigkeit zu nehmen.
Insoweit sind Darstellungen im Flächennutzungsplan nicht rechtssatzartig anzuwenden.
Vielmehr ist die konkrete Aussagekraft des Flächennutzungsplans nach den
Verhältnissen des Einzelfalles zu ermitteln,
vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1991 -4 B 10/91-, BauR 1991, S. 179 ff und Urteil
vom 18. Februar 1983 -4 C 19/81-, BVerwGE 67, S. 33 ff.
87
So kann die tatsächliche Entwicklung dazu führen, dass sich das Gewicht der Aussagen
des Flächennutzungsplans bis hin zum Verlust der Aussagekraft abschwächt. Dadurch
kann ein Flächennutzungsplan die ihm vom Gesetz zugewiesene Bedeutung als
Konkretisierung öffentlicher Belange und einer geordneten städtebaulichen Entwicklung
verlieren. Flächennutzungspläne dienen insoweit nur zur „Unterstützung und
einleuchtenden Fortschreibung bestimmter tatsächlicher Gegebenheiten". Demzufolge
kann der Flächennutzungsplan dort nicht mehr maßgeblich sein, wo seine
Darstellungen den besonderen örtlichen Verhältnissen nicht mehr gerecht werden,
diese also etwa durch die zwischenzeitliche Entwicklung überholt sind,
88
vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. April 1997 -4 B 11/97-, BauR 1997, S. 616 f.
89
Für das Vorhabengrundstück der Klägerin ist festzustellen, dass die Darstellung im
Flächennutzungsplan mit der gegenwärtigen tatsächlichen Situation übereinstimmt. Die
in Rede stehenden Flurstücke sind mit Laubbäumen bewachsen; das Forstamt T1. hatte
die fragliche Fläche als Wald nach § 2 Bundeswald- bzw. § 1 Landesforstgesetz
eingestuft. Die Darstellung im Flächennutzungsplan hat demnach im Hinblick auf die
tatsächlichen Gegebenheiten nach wie vor volle Aussagekraft. Nur ergänzend sei in
diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Kammer keine Anhaltspunkte
dafür vorliegen, dass in den letzten Jahren und Jahrzehnten die tatsächliche Nutzung
der in Rede stehenden Flurstücke eine andere war als in früheren
Flächennutzungsplänen der Stadt E. dargestellt. Ausweislich der Aufstellungsvorgänge
zum Bebauungsplan „S1. I1. „ war die fragliche Fläche bereits damals im
Flächennutzungsplan als Fläche für die Forstwirtschaft ausgewiesen. Ausweislich des
Erläuterungsberichts zum Flächennutzungsplan 2004 enthielt auch der
vorangegangene Flächennutzungsplan aus dem Jahr 1985 die Festsetzung als Fläche
für die Forstwirtschaft.
90
Da die Darstellungen in einem Flächennutzungsplan anders als Festsetzungen in
einem Bebauungsplan aufgrund des Umstandes, dass die Darstellungen im
Flächennutzungsplan die beabsichtigte städtebauliche Entwicklung in den Grundzügen
darstellen, ein grobmaschiges Raster aufweisen, kann ihre Aussagekraft auch aus
diesem Grunde eingeschränkt sein. Stellt der Flächennutzungsplan etwa in einem
Bereich eine Fläche als „Fläche für die Landwirtschaft" im Flächennutzungsplan
unabhängig davon dar, ob sie bebaut oder unbebaut ist, kann dies im Einzelfall auch
dahin gewertet werden, dass die Gemeinde nicht strikt jegliche Bebauung,
insbesondere nicht die Schließung eindeutig vorgeprägter Baulücken verhindern will.
91
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1982 -4 C 31/78-, BRS 39 Nr. 82; OVG NRW, Urteil
vom 28. Februar 2008 -10 A 1998/06-, NVwZ-RR 2008, S. 682 ff und Urteil vom 18.
Dezember 2003 -10 A 1574/01-, Juris-Dokument.
92
Hier verhält es sich so, dass der Flächennutzungsplan der Stadt E. die gesamte Fläche
93
östlich des W. Wegs als Fläche für Wald ausweist. Dies gilt auch für den östlich
liegenden Bereich der Straße Am P. und alle hieran südlich angrenzenden Grundstücke
und zwar auch für die Flächen, die bebaut sind.
Die Kammer hält die Aussagekraft des Flächennutzungsplans hierdurch jedoch nicht für
geschmälert. Die Darstellung auch des Vorhabengrundstücks der Klägerin als Fläche
für Wald beschreibt nicht lediglich die tatsächlichen Gegebenheiten und bringt auch
nicht nur zum Ausdruck, dass die Gemeinde selbst eine andere städtebauliche
Entwicklung nicht beabsichtigt. Der feststellbare Planungswille der Stadt E. geht
vielmehr dahin, u. a. auch konkret das Vorhabengrundstück als Waldfläche zu erhalten
und von Bebauung freizuhalten.
94
Auch wenn unterstellt wird, dass der Bebauungsplan „S1. I1. „ hinsichtlich der für das
Vorhabengrundstück erfolgten Festsetzung unwirksam ist, hat die Stadt E. doch im
Aufstellungsverfahren im Rahmen ihrer Beteiligung ihre Vorstellungen über die
geordnete städtebauliche Entwicklung eindeutig formuliert und kundgetan. Bereits im
Anhörungstermin am 31. Mai 1967 war seitens der Stadt E. erklärt worden, dass der
Bebauungsplan dem Wunsche der Stadt entspreche und mit der Verwaltung
abgesprochen sei. Mit Schreiben vom 10. Oktober 1968 gab die Stadt E. gegenüber
dem Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk eine ablehnende Stellungnahme zu den von
der Rechtsvorgängerin der Klägerin vorgebrachten Anregungen und Bedenken ab.
Einer Festsetzung als Baugebiet könne nicht zugestimmt werden, da keine Kanalisation
vorhanden sei und das Grundstück im Waldgebiet liege. Ob eine Bebauung nach § 35
Abs. 2 BBauG zugelassen werden könne, könne im Planfestsetzungsverfahren nicht
entschieden werden. Im Rahmen des Erörterungstermins am 15. November 1968 im
Planungsamt der Stadt E. äußerte sich die Stadt E. zu den vorgebrachten Bedenken
und Anregungen u.a. dahingehend, dass die Schließung der Baulücke die Vermehrung
einer Splittersiedlung darstelle und aus der Sicht einer geordneten städtebaulichen
Entwicklung nicht zugelassen werde könne.
95
Die früher eindeutig auch konkret hinsichtlich des Vorhabengrundstücks zum Ausdruck
gebrachten städtebaulichen Vorstellungen der Stadt E. sind auch zu berücksichtigen
soweit es um die Auslegung der Festsetzungen im aktuellen Flächennutzungsplan geht.
Da der Flächennutzungsplan keine Rechtsnorm ist und insoweit keine rechtlichen
Bindungen gegenüber Dritten begründen kann, kommt es für die Frage eines
entgegenstehenden Belangs i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB maßgeblich auf den inhaltlichen
Aussagewert des Plans und auf die in dem Plan zum Ausdruck gebrachten
planerischen Absichten und Zielsetzungen der Gemeinde an,
96
vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. August 1979 -X A 133/79-, BRS 35 Nr. 71; Roeser im
Berliner Kommentar zum BauGB, a.a.O., § 35 Rdnr. 64; Söfker in Ernst-Zinkahn-
Bielenberg, Kommentar zum BauGB, a.a.O., Rdnr. 79.
97
Die hier im früheren Bebauungsplanverfahren zum Ausdruck gebrachten
städtebaulichen Vorstellungen haben ihre Bedeutung nicht verloren, da die Stadt E. an
den geäußerten planerischen Vorstellungen unverändert bis heute festhält und dies
durch die Darstellung im Flächennutzungsplan zum Ausdruck bringt. Der Beklagte hat
darauf hingewiesen, dass seit mindestens vier Jahrzehnten deutlich gemacht worden
sei, dass in dem maßgeblichen Bereich außer den Bestandsschutz genießenden
vorhandenen Gebäuden keine weitere Bebauung zugelassen werden soll.
Dementsprechend seien weitere Vorhaben zu keiner Zeit genehmigt worden.
98
An dem so zum Ausdruck gebrachten Planungswillen, an dem die Stadt E. ohne
Änderung festhält, kann nicht vorbeigegangen werden. Es kann ihr insbesondere nicht
der Wille unterstellt werden, sie habe mit der Darstellung im Flächennutzungsplan nicht
jegliche Bebauung, insbesondere das Schließen einer Baulücke, verhindern wollen.
Genau Gegenteiliges ist nämlich wie oben dargelegt für das Vorhabengrundstück der
Fall.
99
Da das Vorhaben der Klägerin damit den Darstellungen des Flächennutzungsplans
widerspricht, ist es planungsrechtlich unzulässig.
100
Es kommt daher auch nicht darauf an, ob durch das Bauvorhaben -wie die Klägerseite
meint- eine ausnahmsweise zulässige Auffüllung einer Baulücke innerhalb einer
vorhandenen Splittersiedlung erfolgt, der maßgeblich die Regelung des § 35 Abs. 3 Nr.
7 BauGB nicht entgegen gehalten werden kann,
101
vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2004 -4 B 74/04-, BauR 2005, S. 702 f
und Urteil vom 27. August 1998 -4 C 13/97-, DVBl. 1999, S. 235 f; OVG NRW, Urteil vom
28. Februar 2008 -10 A 1998/06- mit weiteren Hinweisen, NVwZ-RR 2008, S. 682 ff.
102
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
103
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