Urteil des VG Gelsenkirchen vom 12.11.2008

VG Gelsenkirchen: beihilfe, kosten für unterkunft und verpflegung, fürsorgepflicht, vorbehalt des gesetzes, anrechenbares einkommen, versorgung, finanzen, anteil, besoldung, zusatzversicherung

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 3 K 3818/06
Datum:
12.11.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 3818/06
Schlagworte:
Verletzung der Fürsorepflicht, Härtefallregelung, Begrenzung der
Beihilfe bei dauerndem Heimaufenthalt und Pflegebedürftigkeit
Normen:
§ 9 Abs. 7 BhV
Tenor:
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren
eingestellt.
Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des
Bundesamtes für Finanzen vom 22. Juli 2004 und unter Aufhebung des
Widerspruchsbescheides vom 11. November 2004 verpflichtet, über die
Beihilfeanträge der Klägerin vom 30. April 2004 und 9. Mai 2004 unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte zu 2/3 und die Klägerin
zu 1/3.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils
beizutreibende Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige
Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Tatbestand:
1
Die am 5. K. 1917 geborene Klägerin ist Witwe - ihr verstorbener Ehemann war
Zollhauptsekretär, A 8 - und nach den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes
für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV
-) zu 70% beihilfeberechtigt. Sie verfügt nach Angaben ihres Prozessbevollmächtigten
2
über eine Witwenrente i.H.v. 1.113,43 Euro sowie eine eigene Altersrente von 295,76
Euro, zusammen 1.409,19 EUR (Stand April 2004). Zum 30. März 2004 wurde sie in das
C. - Altenheim T. . B. in F. aufgenommen. Unter dem 30. April 2004 beantragte der von
der Klägerin bevollmächtigte Schwiegersohn X. I. beim Bundesamtes für Finanzen die
Gewährung einer Beihilfe für die vollstationäre Pflege in der Zeit vom 30. März bis 30.
April 2004. Beigefügt waren die entsprechenden Rechnungen der Gesellschaft für T1.
E. F. mbH (H. ) vom 15. April 2004 über die Heimpflegekosten in der Zeit vom 30. bis
31.03.2004 über 182,48 Euro bzw. für die Zeit vom 1. bis 30.04.2004 über insgesamt
2.737,20 Euro sowie die Leistungsabrechnung der D. Krankenversicherung a.G vom 16.
bzw. 28. April 2004 über die Gewährung anteiliger Pflegekosten in Höhe von 41,06 Euro
bzw. 383,70 Euro. Die Leistungen der privaten Krankenversicherung beruhten auf einer
Einstufung der Klägerin aufgrund der ärztlichen Untersuchung durch den Medizinischen
Dienst in Pflegestufe II ab 30. März 2004, wonach für die pflegebedingten
Aufwendungen, die Aufwendungen der medizinischen Behandlungspflege und die
Aufwendungen der sozialen Betreuung ein Betrag in Höhe von 383,70 Euro pro
Kalendermonat, höchstens jedoch 75 Prozent des monatlichen Heimentgeltes
(Pflegesatz, Unterkunft und Verpflegung, Investitionskosten) übernommen würden.
Mit Bescheid vom 17. Mai 2005 gewährte das Bundesamt für Finanzen der Klägerin
eine Beihilfe von insgesamt 1.012,39 Euro (für März 2004: 95,80 Euro, für April 2004:
916,59 Euro). Bezüglich der Höhe der Pflegekosten der Pflegestufe II (117,82 Euro bzw.
1.767,30 Euro) erfolgte eine Begrenzung der Beihilfefähigkeit auf den monatlichen
Pauschbetrag in Höhe von 1.279,00 Euro. Als Eigenanteil für Unterkunft und
Verpflegung (969,40 EUR) wurden gemäß § 9 Abs. 7 Nr. 3 BhV 948,61 Euro
angerechnet, wobei als Einkommen Versorgungsbezüge i.H.v. 1.127,90 EUR und
Rente i.H.v. 227,25 EUR zugrundegelegt wurden. Hieraus ergab sich eine Beihilfe von
21,29 EUR.
3
Bezüglich des Antrages der Klägerin vom 9. Mai 2004 auf Gewährung einer Beihilfe zu
den Kosten der vollstationären Unterbringung im Monat Mai 2004 über 2.828,44 EUR, in
dem ausweislich der Rechnung vom 3. Mai 2004 Heimpflegekosten in Höhe von
1.826,21 Euro geltend gemacht wurden, erfolgte mit Bescheid vom 27. Mai 2004 die
Begrenzung der Pflegekosten in gleicher Höhe. Zu den Aufwendungen für Unterkunft
und Verpflegung sowie den Investitionskosten wurde eine Beihilfe i. H. v. 53,62 EUR
gezahlt.
4
Mit Schreiben vom 4. Juni 2004 erhob die Klägerin gegen die Beihilfebescheide vom
17. Mai 2004 (für April 2004) und vom 27. Mai 2004 (für Mai 2004) Widerspruch.
5
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Pflegekosten des Heimes im April 2004
1.767,30 Euro und für Mai 1.826,21 Euro betragen hätten, seitens der Beihilfestelle
jedoch als beihilfefähig lediglich der Höchstbetrag für Pflegeaufwendungen in Höhe von
1.279,00 Euro berücksichtigt worden sei. Dies sei unzutreffend, vielmehr seien die
vollen Pflegekosten beihilfefähig, dies ergäbe eine Beihilfe in Höhe von 1.237,11 EUR
für April 2004 und 1.278,35 Euro für Mai 2004. Die Begrenzung der Pflegeleistungen
verstoße gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Auch sei nicht nachvollziehbar, wie
der Eigenanteil an den Unterkunfts- und Verpflegungskosten berechnet worden sei.
6
Nachdem der Klägerin wegen zu geringen Einkommens vom Sozialamt der Stadt F.
Leistungen gewährt wurden, erfolgte seitens der H. eine Neuberechnung der
Heimkosten, nämlich unter Berücksichtigung des nunmehr gezahlten Pflegewohngeldes
7
(Investitionskostenzuschuss) des Taschengeldes sowie eines zur Verfügung gestellten
Grundbarbetrages. Die Heimpflegekosten für die Monate April und Mai 2004 beliefen
sich nunmehr auf 2.866,24 EUR bzw. 2.959,23 EUR.
Mit Schreiben vom 17. Juli 2004 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin dies der
Beihilfestelle mit und übersandte die überarbeiteten Rechnungen für die Monate März
bis Juni 2004.
8
Gleichzeitig wurde ein Beihilfeantrag zu den Heimpflegekosten für den Monat Juli 2004
i. H. v. 2.961,64 EUR gestellt.
9
Daraufhin erfolgte mit Bescheid vom 22. Juli 2004 eine Neuberechnung der bereits
beschiedenen Monate März bis Mai 2004, wobei wegen der Gewährung von
Pflegewohngeld - 185,73 EUR - eine Überzahlung von 21,29 EUR bzw. 53,62 EUR
errechnet wurde. Die Bescheide vom 17. Mai und 27. Mai 2004 wurden geändert. Für
den Monat Juli 2004 wurde eine Beihilfe i. H. v. 895,30 EUR gewährt.
10
Nachdem die Beihilfestelle mit Schreiben vom 25. Juni 2004 die Berechnung des
Eigenanteils an den nicht pflegebedingten Heimkosten erläutert hatte, ergänzte und
vertiefte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unter dem vom 25. Juli 2004 das
bisherige Vorbringen zur Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 7 BhV bei der Begrenzung
der Pflegeaufwendungen auf einen Höchstbetrag und machte bezüglich der
Berücksichtigung eines Eigenanteils an den Unterkunfts- und Verpflegungskosten
ebenfalls eine Verfassungswidrigkeit geltend. Des Weiteren erhob er „vorsorglich und
fristwahrend" auch Widerspruch gegen alle weiteren bereits erlassenen
Beihilfefestsetzungen, soweit sie Aufwendungen der stationären Heimpflege betrafen.
11
Mit einem am 6. Oktober 2004 beim Verwaltungsgericht Düsseldorf eingegangenen
Schriftsatz vom 3. Oktober 2004 hat der Bevollmächtigte der Klägerin Klage auf
Gewährung weiterer Beihilfe zu den Kosten der Heimpflege der Klägerin erhoben mit
dem Antrag,
12
den Beklagten unter Aufhebung seiner Beihilfebescheide vom 17.05.2004 und vom
27.05.2004 zu verurteilen, der Klägerin Beihilfe nach Maßgabe der Rechtsauffassung
des erkennenden Gerichts zu gewähren.
13
Mit Bescheid vom 11. November 2004 wies das Bundesamt für Finanzen den
Widerspruch der Klägerin gegen die Beihilfebescheide vom 17. und 27. Mai 2004 in der
Fassung des Bescheides vom 22. Juli 2004 zurück. Auf den Inhalt des Bescheides wird
Bezug genommen.
14
Mit Schreiben vom 13. Dezember 2004 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin daraufhin
mit, dass die vorliegende Klage den Widerspruchsbescheid einbeziehen solle und er
die Klage weiter aufrechterhalte.
15
Mit Beschluss vom 19. Dezember 2006 ist der Rechtsstreit an das örtlich zuständige
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen verwiesen worden.
16
Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens hat der Bevollmächtigte der Klägerin unter
dem 20. Juli 2008 Unterlagen zur finanziellen Lage der Klägerin im Jahr 2004
eingereicht. Danach waren von der Klägerin neben dem Krankenkassenbeitrag i.H.v.
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234,64 EUR monatlich Eigenbehalte, die im Zusammenhang mit Heilbehandlungen
auftraten, durchschnittlich 45 EUR im Monat aufzubringen, für den sonstigen, nicht vom
Heim gedeckten Bedarf wurden monatlich etwa 140 EUR benötigt.
Mit gleichem Schriftsatz ist die Klage auf die Gewährung einer höheren Beihilfe zu den
Heimpflegekosten für den Monat Juli 2004 erweitert worden.
18
Zur Begründung der Klage wird unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen
Vorbringens ergänzend ausgeführt, dass die vom Beklagten zitierte Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 21. K. 1982 - 2 C 46.81 -, wonach es die
Fürsorgepflicht nicht gebiete, eine Untergrenze für die Beihilfe so festzulegen, dass der
Beamte nicht auf die Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz angewiesen sei
und der ergänzende Charakter der Beihilfe die Inanspruchnahme eines anderen
sozialen Sicherungssystems nicht ausschließe, in der späteren Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr
aufrechterhalten werde. Mit diesen neueren Entscheidungen habe sich der Beklagte
nicht auseinandergesetzt.
19
Nachdem die Beklagte erklärt hatte, sie werde entsprechend dem Ausgang des
Klageverfahrens über die Monate ab Juni 2004 bzgl. der Heimkosten neu entscheiden,
hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Klageerweiterung vom 20. Juli 2008 mit
Schriftsatz vom 20. Oktober 2008 zurückgenommen.
20
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
21
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für
Finanzen vom 22. Juli 2004 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 11.
November 2004 zu verpflichten, über die Beihilfeanträge der Klägerin vom 30. April
2004 und 9. Mai 2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer neu zu
entscheiden.
22
Die Beklagte beantragt,
23
die Klage abzuweisen.
24
Sie hält die Berechnung der Beihilfe in den angefochtenen Bescheiden für rechtmäßig.
25
Die Berichterstatterin hat am 30. Mai 2008 einen Erörterungstermin durchgeführt. Auf
den Inhalt des Protokolls wird verwiesen.
26
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen
Verhandlung verzichtet.
27
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
Gerichtsakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
28
Entscheidungsgründe
29
Die Kammer kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierauf
verzichtet haben, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO -.
30
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat (Beihilfe für den Monat Juli 2004)
wird das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO eingestellt.
31
Im Übrigen hat die Klage Erfolg.
32
Unabhängig davon, ob im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits die Voraussetzungen für
eine Untätigkeitsklage zu bejahen gewesen wären, ist die Zulässigkeit nach Ergehen
des Widerspruchsbescheides durch die Fortführung der Klage als Verpflichtungsklage,
gerichtet auf Neubescheidung, gegeben.
33
Die Klägerin hat Anspruch auf Neubescheidung ihrer Beihilfeanträge vom 30. April 2004
und 9. Mai 2004, soweit in den Bescheiden vom 17. Mai 2004 und 27. Mai 2004 in der
Fassung vom 22. Juli 2004 eine über den Betrag von 895,30 EUR hinausgehende
Beihilfe für Aufwendungen anlässlich des Heimaufenthaltes in den Monaten April und
Mai 2004 abgelehnt worden ist. Insoweit sind die angefochtenen Bescheide
rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
34
Die Klägerin kann ihren Anspruch allerdings nicht unmittelbar auf die im (maßgeblichen)
Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen gültig gewesenen Beihilfevorschriften -
BhV - (hier: in der Fassung der zum 1. K. 2004 in Kraft getretenen 27. Allgemeinen
Verwaltungsvorschrift, GMBl 2204 S. 227) stützen.
35
Nach § 9 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 BhV sind die pflegebedingten Aufwendungen bei
stationärer Pflege bezüglich der Pflegestufe 2 auf einen Betrag i. H. v. von 1.279 EUR
begrenzt. Zu den Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung einschließlich der
Investitionskosten wird eine Beihilfe dann gewährt, wenn diese Kosten einen
Eigenanteil i. H. v. 70 % des Einkommens übersteigen (§ 9 Abs. 7 Satz 5 BhV). Der
überschießende Anteil wird zu 100 % übernommen.
36
Die der Klägerin ausgezahlte Beihilfe für die Monate April und Mai 2004 beruht auf der
zutreffenden Anwendung dieser Vorschriften.
37
Die Beklagte durfte diese Beihilfevorschriften auch zu Grunde legen.
38
Zwar sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die
Beihilfevorschriften des Bundes wegen Verstoßes gegen den Vorbehalt des Gesetzes
nichtig. Gleichwohl sind sie für eine Übergangszeit - zumindest bis zum Ablauf der
gegenwärtigen Legistraturperiode des Bundestages - zugrunde zu legen.
39
Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Juni 2004, BVerwG - 2 C 50.02 -, BVerwGE 121, 103, vom
28. Mai 2008, BVerwG - 2 C 24.07 und vom 26. Juni 2008 - 2 C 2/07 - juris -.
40
Auch wenn sich somit auf der Grundlage der Regelung in § 9 Abs. 7 BhV eine höhere
Beihilfe nicht ergibt, hat die Klägerin gleichwohl Anspruch auf eine weitere
Unterstützung aus Fürsorgegesichtspunkten.
41
Dass in Einzelfällen eine starre Anwendung der für die pflegebedingten Aufwendungen
bei der stationären Pflege vorgesehenen Begrenzungen eine gravierende Verletzung
des Wesenskerns der Fürsorge beinhalten kann, hat das Oberverwaltungsgericht für
das Land Nordrhein-Westfalen - OVG NRW - in seinem die Beteiligten bekannten Urteil
vom 26. November 2007 - 1 A 35/06 - (juris) dargelegt und hierzu im Einzelnen
42
ausgeführt:
„Zwar enthalten Beihilfevorschriften des Dienstherrn eines Beamten im Grundsatz eine
abschließende Konkretisierung dessen, was der Dienstherr für diesen Rechtsbereich
aufgrund seiner Fürsorgepflicht an - den diesbezüglichen Anteil in der Besoldung
ergänzenden - Leistungen u.a. in Krankheitsfällen für geboten und angemessen ansieht.
Auch verlangt die Fürsorgepflicht keine "lückenlose" Erstattung sämtlicher
krankheitsbedingten Aufwendungen des Beamten und seiner berücksichtigungsfähigen
Angehörigen. Schließlich können die im Beihilfebereich regelmäßig gebotenen
Typisierungen quasi zwangsläufig zu Härten, Unebenheiten und Friktionen in einzelnen
von der jeweiligen Regelung betroffenen Fällen führen; diese sind aus Gründen der
Gleichbehandlung grundsätzlich hinzunehmen. Unbeschadet dessen kann es jedoch in
besonderen Fällen ausnahmsweise geboten sein, einen "Beihilfeanspruch" unmittelbar
auf der Grundlage der Fürsorgepflicht zu gewähren, wenn nämlich diese ansonsten in
ihrem Wesenskern verletzt würde.
43
Vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, z.B. Urteile vom 10. Juni 1999 - 2 C 29.98 -,
ZBR 2000, 46 = DÖD 2000, 39 (Juris Rn. 21, 22), und vom 31. K. 2002 - 2 C 1.01 -, ZBR
2002, 401 = DÖD 2002, 172 (Juris Rn. 17); ferner etwa Senatsurteil vom 24. Mai 2006 -
1 A 3706/04 -, Juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 23. September 2003 - 5 LC
134/03 -, a.a.O.
44
Einen solchen Fall hält der Senat hier für gegeben. Dabei verkennt er nicht, dass schon
aus Gründen grundsätzlich gebotener Gleichbehandlung aller einem bestimmten
Dienstherrn zugehörigen Beihilfeberechtigten die Abweichung von im Rahmen der
Beihilfevorschriften typisierend vorgenommenen Leistungsausschlüssen oder -
begrenzungen zugunsten einzelner Beihilfeberechtigter unter unmittelbarer Anknüpfung
an den Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht höchstens in solchen (eher seltenen) Fällen in
Betracht kommen kann, in denen sich - atypischerweise - die Verweigerung weiterer
Beihilfeleistungen schlechterdings als grob fürsorgepflichtwidrig darstellen würde.
45
Bezogen auf das gegenwärtige System von Beihilfeleistungen kann sich dabei eine
Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht insbesondere auch daraus ergeben,
dass Leistungsbegrenzungen oder -kürzungen im Beihilfebereich dazu führen, dass der
betroffene Beamte insgesamt nicht mehr seinem Amt entsprechend ausreichend
alimentiert, er vielmehr durch die krankheits- bzw. pflegebedingten Aufwendungen in
seiner Lebensführung so eingeschränkt wird, dass diese nicht mehr
alimentationsgerecht ist.
46
Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 16. November 2007 - 6 A 2171/05 - .
47
Fürsorge und Alimentation stehen insoweit nämlich nicht isoliert nebeneinander,
sondern sind nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen miteinander verknüpft
und aufeinander bezogen:
48
Nach gesicherter Erkenntnis findet die Gewährung von Beihilfen ihre Grundlage nicht
unmittelbar in der Alimentationspflicht, sondern in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn.
Diese in ihrem Kern ebenfalls verfassungsgeschützte und zudem einfachgesetzlich für
die Bundesbeamten in § 79 BBG normierte Pflicht verpflichtet den Dienstherrn u.a. dazu,
Vorkehrungen zu treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei
Eintritt besonderer finanzieller Belastungen wie etwa durch Krankheits-, Pflege-,
49
Geburts- oder Todesfälle nicht
Ständ. Rechtsprechung, vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR
1053/98 -, BVerfGE 106, 225, 232 und 240 (= Juris Rn. 29); Beschluss vom 13.
November 1990 - 2 BvF 3/88 -, BVerfGE 83, 89, 99 ff.; BVerwG, z.B. Urteile vom 25. Juni
1987 - 2 C 57.85 -, BVerwGE 77, 331, vom 12. Juni 1985 - 6 C 24.84 -, BVerwGE 71,
342, 352, und schon vom 7. Oktober 1965 - VIII C 63.63 -, BVerwGE 22, 160, 164.
50
Diese Verpflichtung erfüllen die Dienstherren in Bund und Ländern nach der geltenden
Rechtslage durch ein "Mischsystem", das in erster Linie den Beamten (und Richtern)
aufgibt, selbst Vorsorge für Krankheits-, Pflege-, Geburts- oder Todesfälle zu treffen,
wobei es ihnen grundsätzlich überlassen bleibt, wie sie die - im Beihilferecht
vorausgesetzte - Eigenvorsorge bewerkstelligen. Der Besoldungsgesetzgeber stellt dem
Beamten insoweit lediglich im Rahmen der gewährten Alimentation einen
Durchschnittssatz zur Verfügung, mit dem er den von der Beihilfe nicht abgedeckten Teil
der im Krankheitsfalle zu erwartenden Aufwendungen begleichen kann (und soll). Die
Beihilfe ergänzt somit nach der ihr derzeit und zugleich in dem hier maßgeblichen
Zeitpunkt des Entstehens der streitgegenständlichen Aufwendungen zugrunde
liegenden Konzeption - welche Besoldungs- wie Fürsorgegeber bis zu einem
Systemwechsel zu beachten haben - die Alimentation; insofern sind beide Leistungen
wechselseitig aufeinander bezogen. Die Beihilfe ist eine Hilfeleistung, die zu der
zumutbaren Eigenvorsorge des Beamten in angemessenem Umfang hinzutritt, um ihm
seine wirtschaftliche Lage in einer der Fürsorgepflicht entsprechenden Weise durch
Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zu erleichtern (einfach-rechtlicher Grundsatz der
Nachrangigkeit der Beihilfe). Innerhalb des dargestellten Mischsystems genügt der
Dienstherr den Anforderungen der Fürsorgepflicht, wenn er sicherstellt, dass der
Beamte in den genannten Fällen nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt,
die er auch über eine zumutbare Eigenvorsorge nicht abdecken kann.
51
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990, a.a.O. S. 101 m.w.N.; BVerwG, Urteil
vom 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 -, BVerwGE 118, 277, 279 ff.
52
In diesem Zusammenhang ist allerdings festzustellen, dass es in der Praxis große
Schwierigkeiten macht und nach den bislang hierzu entwickelten Prinzipien schon im
Ansatz schwerlich gelingen kann, eine allgemeingültige Grenze für gemessen an der
Gesamtalimentation des Beamten noch zulässige materielle Einschränkungen von
Beihilfeleistungen festzulegen. So ist die Höhe des Alimentationsteils für die
Eigenvorsorge im Krankheitsfall zwar anerkanntermaßen keine beliebig variable Größe,
sie ist aber gleichwohl betragsmäßig in der bisherigen Rechtsprechung - auch des
Bundesverfassungsgerichts - vollständig unbestimmt geblieben. Von Verfassungs
wegen gedeckt sein müssen lediglich (mindestens) die Kosten einer solchen
Krankenversicherung, die zur Abwendung krankheitsbedingter Belastungen erforderlich
ist, die von den Leistungen aufgrund der Fürsorgepflicht nicht ausgeglichen werden.
53
Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002, a.a.O. S. 233, 238; Beschluss vom
13. November 1990, a.a.O. S. 98 m.w.N.
54
Wie hoch dieser Anteil zu veranschlagen ist und ob gar darüber hinausgehende
Bezügeanteile - und wenn, in welchem Umfang - zur Finanzierung von Krankheit, Pflege
etc. in die Alimentation eingerechnet sind, bleibt mangels gesetzgeberischer
Präzisierung ungewiss. Denn die Bezüge der Beamten enthalten keinen exakt
55
bestimmbaren Satz oder proportionalen Anteil, mit dem die Eigenvorsorge betrieben
werden kann und soll.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 -, BVerwGE 118, 277, 281; ferner die
(rechtskräftigen) Urteile des erkennenden Senats vom 12. November 2003 - 1 A 4753/00
- (Juris) und - 1 A 4755/00 -, ZBR 2005, 272.
56
Demgemäß ist nach der bislang vorherrschenden Auffassung die verfassungsrechtliche
Grenze der dem Beamten zumutbaren finanziellen Belastung im Hinblick auf die
Eigenvorsorge erst erreicht, wenn in einer Gesamtschau der amtsangemessene
Lebensunterhalt nicht mehr gewährleistet ist. Diese Grenze ist ihrerseits aber -
unbeschadet der angeführten Schwierigkeiten ihrer exakten Bestimmung - von
Verfassungs wegen strikt zu beachten. Die sich als hergebrachter Grundsatz des
Berufsbeamtentums aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebende Verpflichtung des Dienstherrn zur
Alimentation ist nämlich nicht auf gewöhnliche Lebenssituationen beschränkt, sondern
erstreckt sich auch auf Lebenslagen, die einen erhöhten Bedarf begründen. Der Beamte
hat daher einen verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruch darauf, auch Krankheit,
Pflegebedürftigkeit, Geburts- und Todesfälle sowie andere vergleichbare
Belastungssituationen finanziell bewältigen zu können, ohne dass sein
amtsangemessener Lebensunterhalt beeinträchtigt wird. Eine Auszehrung der
Alimentation durch Aufwendungen in Krankheits-, Pflegefällen etc. unter den als
amtsangemessen bewerteten Standard lässt demgemäß das Alimentationsprinzip nicht
zu; insoweit gilt im Prinzip nichts anderes als beispielsweise für eine Auszehrung der
Alimentation durch familiäre Unterhaltslasten.
57
Vgl. etwa jüngst BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR 1715/03 u.a. -
(zur Kostendämpfungspauschale Niedersachsen), m.w.N.
58
Die Verpflichtung des Dienstherrn zur amtsangemessenen Alimentation beschränkt sich
des Weiteren nicht nur auf den Beamten selbst. Anerkanntermaßen hat der Dienstherr
vielmehr dafür Sorge zu tragen, dass jeder Beamte auch seine Unterhaltspflichten
gegenüber seiner Familie erfüllen kann. Zur Beamtenfamilie werden dabei Ehegatten
und die Gemeinschaft eines Beamten mit seinen Kindern gezählt.
59
Vgl. BVerfG, z.B. Kammerbeschluss vom 8. November 2007 - 2 BvR 2334/06 -, m.w.N.
60
Ob in einer bestimmten Rechtssituation die Grenze der amtsangemessenen (Mindest-
)Alimentation der Beamtenfamilie im Ergebnis erreicht oder unterschritten wird, ist -
soweit möglich - aus den Rückwirkungen zu erschließen, die von den jeweils
streitgegenständlichen Kürzungen im Bereich der fürsorgebedingten Hilfeleistungen auf
die Alimentation ausgehen. Unter diesem Gesichtspunkt sind in der Vergangenheit etwa
solche Kürzungen unbeanstandet geblieben, die sich als im Wesentlichen
alimentationsneutral erwiesen oder Leistungen betrafen, die zur Gewährleistung einer
medizinisch zweckmäßigen und ausreichenden Versorgung im Krankheitsfall nicht
notwendig waren.
61
Vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 a.a.O. S. 233 (Wahlleistungen in
der Krankenhausversorgung); Beschluss vom 13. November 1990, a.a.O. S. 102 ff. (100
%-Grenze für die Erstattung); BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 2 C 10.04 -, NVwZ
2006, 217 (Zuzahlungen zu Wahlleistungen).
62
In anders gelagerten Fällen sind Einschnitte gebilligt worden, wenn sie als "geringfügig"
qualifiziert werden konnten. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit in seiner
Entscheidung zur niedersächsischen Kostendämpfungspauschale (Urteil vom 3. Juli
2003, a.a.O. S. 281) - im Kern übereinstimmend mit Erwägungen des Senats zur
nordrhein-westfälischen Kostendämpfungspauschale I (Urteile vom 12. November 2003)
- eine Einkommensminderung von "weniger als einem Prozent der Jahresbezüge" für
den Regelfall gebilligt.
63
Vgl. näher Urteil des Senats vom 10. September 2007 - 1 A 4955/05 -, amtlicher
Umdruck S. 11 m.w.N.
64
Die Frage nach dem Umfang der Beeinflussung der individuellen Besoldungssituation
durch einzelne Kürzungen im Bereich der ergänzenden Fürsorge des Dienstherrn
anhand des Maßstabs der Amtsangemessenheit der Alimentation ist - für sich gesehen -
als Kriterium für rechtliche Grenzziehungen aber nur dann brauchbar, wenn die
Rahmenbedingungen der Alimentation und Beihilfebemessung erkennen lassen, dass
insgesamt keine allzu erheblichen Einschnitte bewirkt werden. Ansonsten muss sich der
Fürsorgegeber, wenn er Beihilfeleistungen abschaffen oder kürzen möchte, vor einer
solchen Maßnahme zunächst einmal hinreichend über deren Auswirkungen - u.a. auf
die Gewährleistung der Gesamtalimentation - vergewissern, d.h. er muss sich
ausreichende tatsächliche Entscheidungsgrundlagen für seinen Gestaltungsauftrag
verschaffen, bevor er die ihm in der Sache weitgehend zugestandene
"Gestaltungsfreiheit" überhaupt sachgerecht wahrnehmen kann.
65
Vgl. dazu näher Senatsurteile vom 15. Oktober 2007 - 1 A 2896/06 - und vom 12.
November 2007 - 1 A 995/06 -, jeweils m.w.N.
66
In diesem Zusammenhang sind Leistungskürzungen und - einschränkungen, auch was
die Prüfung und Darlegung ihrer sachlichen Rechtfertigung betrifft, umso kritischer zu
würdigen, je mehr dasjenige, was den Beihilfeberechtigten (inzwischen) in seiner
Gesamtheit abverlangt wird, in die Nähe eines Eingriffs in die amtsangemessene
Alimentation rückt. Zu einer Gefährdung der Alimentation in dem letztgenannten Sinne
kann es insbesondere dann kommen, wenn die Beamten vor dem Hintergrund
einerseits einer zunehmend regressiven Entwicklung ihrer Bezüge und andererseits
einer progressiven Entwicklung bei Leistungskürzungen etwa im Beihilfebereich mehr
und mehr von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt werden.
67
Auch wenn der Umfang des den Beihilfeberechtigten des Bundes an Belastungen
Abverlangten individuell sehr stark variiert, verallgemeinerungsfähige Quantifizierungen
deshalb schwer fallen und sich für das hier maßgebliche Jahr 2001 die bis dahin
vorgenommenen Kürzungen im Beihilfebereich wie auch die Entwicklung im Bereich
der Beamtenbesoldung und -versorgung noch nicht gleichermaßen zugespitzt hatten
wie für die späteren Jahre, die etwa Gegenstand der Urteile des erkennenden Senats
zur nordrhein- westfälischen Kostendämpfungspauschale II gewesen sind,
68
vgl. Urteile vom 10. September 2007 - 1 A 4955/05 u.a. -,
69
ist mit Blick auf die anhand des vorliegenden Falles exemplarisch deutlich werdende
Größenordnung der finanziellen Belastung schon nicht zweifelsfrei, ob die hier im Blick
stehende Regelung über die Begrenzung der beihilfefähigen Aufwendungen bei
stationärer Dauerpflege (generell) hinreichend gewährleistet, dass die
70
Gesamtalimentation davon betroffener Beamtenfamilien im Ergebnis gesichert bleibt.
Auch ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass vor dem Erlass der Neufassung
des § 9 Abs. 7 Satz 1 BhV eine (substanziierte) Prüfung in Richtung auf die
Wechselwirkung mit der Alimentation stattgefunden hat. Im Rahmen der
Berufungserwiderung hat die Beklagte lediglich darauf hingewiesen, die Neuregelung
sei mit Blick auf die gestiegenen Kosten im Pflegebereich und die angespannte
finanzielle Lage des Bundes "unausweichlich" gewesen. Offenbar sollte, um die
beabsichtigten Einsparungen zu erreichen, der Beihilfe möglichst inhaltsgleich das
Konzept der gesetzlichen Pflegeversicherung übergestülpt, sollten die
Fürsorgeleistungen des Dienstherrn also an die gesetzlichen Leistungen der
Pflegekassen angeglichen werden.
Es lässt sich dabei nicht feststellen, dass die "Deckelung" der beihilfefähigen
Pflegeaufwendungen in Gestalt von Pauschbeträgen, wie sie § 9 Abs. 7 Satz 1 BhV
über den Verweis auf die "pflegebedingten Aufwendungen" im Sinne des SGB XI
nunmehr vorsieht, weitgehend einkommensneutral bleibt und sich deswegen nicht auf
die weiter bestehende Gesamtalimentation beachtlich auswirkt. Im Gegenteil ist hier zu
bedenken, dass der in den Beihilfevorschriften des Bundes (Fassung 1996) gewählte
rechtliche Ansatz dazu führt, dass der Beihilfeberechtigte etwaige, in der Praxis nicht
selten vorkommende überschießende Kosten der stationären Pflege - neben dem ihm
ohnehin abverlangten, finanziell nicht unerheblichen Eigenanteil für die Unterkunft und
Verpflegung in der Pflegeeinrichtung (§ 9 Abs. 7 Sätze 3 bis 6 BhV) - für sich oder einen
berücksichtigungsfähigen Ehegatten/Angehörigen vollständig aus eigenen Mitteln
aufbringen muss, wenn er nicht über eine die entstehende Kostenlücke auffangende
oder verkleinernde (Pflege-)Zusatzversicherung verfügt. Eine solche
Zusatzversicherung mag hier - anders als in den Fällen einer
Kostendämpfungspauschale oder Praxisgebühr - jedenfalls mit Blick auf in der Zukunft
neu auftretende Pflegefälle nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Wie der
vorliegende Fall zeigt, ist aber bezogen auf die "Altfälle" bereits vorhandener stationärer
Pflegebedürftigkeit eine die bestehende Krankheit einbeziehende Anpassung des
Versicherungsschutzes praktisch ausgeschlossen gewesen, was der Vortrag der
Beklagten letztlich bestätigt. Auch die eingeräumte Übergangsfrist bietet insoweit
letztlich nicht in allen dieser "Altfälle" einen wirksamen Schutz. Denn dauert nach dem
Ablauf dieser Frist die stationäre Pflege noch an, wird der Beamte - bezogen auf einen
pflegebedürftigen Angehörigen im Rahmen der zivilrechtlichen Unterhaltspflicht - von
der enorm gestiegenen Eigenbeteiligung an der Kostenlast nunmehr voll getroffen, ohne
in der Regel zuvor eine reale Abwendungsbefugnis gehabt zu haben. Angesichts
dessen liegt es auf der Hand, dass in derartigen Fällen hier und da besondere Härten
auftreten können, die der Fürsorgegeber bei der Umgestaltung des Beihilferechts
offenbar nicht ausreichend bedacht hat."
71
Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 26. Juni 2008 - 2 C 2/07 -
(zum Ausschluss der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel)ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer
Ausgleichsregelung in Härtefällen, fußend auf der verfassungsrechtlich verbürgten
Fürsorgepflicht des Dienstherrn, hingewiesen.
72
Ein solcher Härtefall ist vorliegend angesichts der bei der Klägerin verbleibenden
Kosten für ihren Heimaufenthalt gegeben.
73
Den dargelegten Belastungen durch pflegebedingte Aufwendungen in den
74
streitgegenständlichen Monaten April und Mai 2004 i. H. v. 2.737,20 EUR bzw. 2.828,44
EUR waren monatlich noch 234,64 EUR für den Krankenkassenbeitrag sowie in etwa
45 EUR an Eigenbeteiligungen für Krankheitskosten (insgesamt 3.016,84 EUR bzw.
3.108,08 EUR) hinzuzurechnen. Dem standen anrechenbare Einnahmen aus Rente und
Pension i. H. v. 1.355,15 EUR, ein Pflegewohngeld i. H. v. 185,73 EUR sowie 1.279
EUR an Beihilfe und Pflegekasse für die Pflegestufe 2, insgesamt 2.819,88 EUR
gegenüber. Bereits hieraus ergab sich ein monatliches Minus i. H. v. etwa 200 EUR im
April 2004, ohne dass weiterer notwendiger Bedarf für die allgemeine Lebenshaltung
berücksichtigt worden wäre. Für den Monat Mai bestand aufgrund der höheren
Heimkosten bereits ein Defizit von nahezu 300 EUR.
Angesichts dieses Zahlenwerks liegt es auf der Hand, dass der Klägerin kein
hinreichender, geschweige denn ein angemessener Nettobetrag aus den
Versorgungsbezügen verblieb, um damit ein Minimum an Lebenskomfort zu bestreiten.
Dies musste den beihilferechtlichen Fürsorgegeber veranlassen, jedenfalls in diesem
Einzelfall ergänzend einzuspringen, um hierdurch der ansonsten offensichtlich
eintretenden Beeinträchtigung der amtsangemessenen Versorgung entgegenzuwirken.
75
Die Klägerin konnte - und kann - auch nicht darauf verwiesen werden, ihren
Lebensunterhalt durch ergänzende Sozialhilfe sicherzustellen.
76
Hierzu hat das OVG in seinem Urteil vom 26. November 2007 - 1 A 35/06 - ausgeführt:
77
„Schließlich kann der Beamte in dem vorliegenden Zusammenhang durch seinen
Dienstherrn auch nicht - gewissermaßen als "Ersatzalimentation" - auf die
Inanspruchnahme von Sozialhilfe (hier in der Gestalt von Hilfe zur Pflege) verwiesen
werden. Derartige Ansprüche auf allgemeine Sozialleistungen der staatlichen
Gemeinschaft sind nämlich mit den hier im Blick stehenden Ansprüchen des Beamten
gegen den Alimentations- bzw. Fürsorgegeber, welche aus einem verfassungsrechtlich
anerkannten (Art. 33 Abs. 5 GG) besonderen Dienst- und Treueverhältnis erwachsen,
qualitativ nicht gleichwertig. Bereits deswegen sind sie von vornherein nicht geeignet,
sozusagen im Austausch als vollwertiger Ersatz für einen im Grunde gegenüber dem
Fürsorgegeber bestehenden Rechtsanspruch herzuhalten, nämlich hier für den oben
näher entwickelten und als solchen allgemein anerkannten Anspruch darauf, dass der
Fürsorgegeber selbst Vorkehrungen dafür trifft, dass durch Leistungskürzungen im
Beihilfebereich im Ergebnis die amtsangemessene Alimentation des Beamten nicht
gefährdet wird.
78
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Alimentation des
Beamten und seiner Familie etwas anderes und Eindeutigeres als staatliche Hilfe zur
Erhaltung eines Mindestmaßes sozialer Sicherung und eines sozialen Standards für
alle. Sie findet ihren Rechtsgrund demzufolge in Art. 33 Abs. 5 GG und nicht im
Sozialstaatsprinzip.
79
Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 -, BVerfGE 114, 258, 291,
m.w.N. dazu auch Beschlüsse vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 -, IÖD 2007, 125, vom
20. Juni 2006 - 2 BvR 361/03 -, IÖD 2006, 237, und vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 -,
BVerfGE 107, 218; 236 ff., 242 f.; Lindner, ZBR 2007, 221, 224.
80
Dies hat der erkennende Senat etwa in seinen schon zitierten Urteilen vom 10.
September 2007 zur nordrhein-westfälischen Kostendämpfungspauschale II
81
aufgegriffen und vertiefend bekräftigt. Danach taugen sozialhilferechtliche Erwägungen
nur dann als evidenter Kontrollmaßstab, wenn die gewährte Besoldung nicht einmal das
Existenzminimum sichert. Ansonsten ist das sozialhilferechtlich gewährleistete
Existenzminimum aber schlechthin ungeeignet, als Parameter für die
Amtsangemessenheit der Alimentation der Beamten zu dienen, denen als
Gegenleistung für die gewährte Alimentation und Fürsorge die "volle Hingabe an ihren
Beruf" abverlangt ist. Sozialhilfe ist demgegenüber darauf angelegt, innerhalb der
staatlichen Gemeinschaft die menschenwürdige Existenz für eine Bevölkerungsgruppe
zu sichern, die sich diese aus eigener Kraft, namentlich wegen fehlender bzw.
unzureichender Mittel aus eigener Erwerbstätigkeit, nicht selbst verschaffen kann.
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 10. September 2007 - 1 A 4955/05 u.a. -.
82
Stehen besondere Leistungsarten nach dem Bundessozialhilfegesetz - jetzt: SGB XII -
in Rede wie hier die Hilfe zur Pflege (§ 68 BSHG), geht es zwar nicht um allgemeine
Leistungen zur Existenzsicherung. Auch solche speziellen Leistungen, die sich auf
hilfebedürftige Personen in besonderen Lebenslagen beziehen, gründen indes in der
Verpflichtung des Grundgesetzes auf das Sozialstaatsprinzip. Sie richten sich
insgesamt allgemein an die insoweit bedürftige Bevölkerung, weisen also keinerlei
besondere Beziehung zu dem zwischen einem Beamten und seinem Dienstherrn
bestehenden Fürsorge- und Treueverhältnis auf. Namentlich sind sie nicht
wechselbezüglich an der Beamtenalimentation orientiert. Sie stehen vielmehr wie die
meisten übrigen staatlichen Sozialleistungen in einem Subsidiaritätsverhältnis zu
anderen für denselben Zweck gewährten Leistungen und bestehen - im Sinne einer
nicht an beachtliche Eigenbeteiligungen geknüpften "echten" Zuwendung - auch nur,
soweit bei dem Hilfebedürftigen und seinem Ehegatten/Lebenspartner
(Bedarfsgemeinschaft) anrechenbares Einkommen oder Vermögen nicht (mehr)
vorhanden ist (§ 28 Abs. 1, §§ 79 ff., § 88 BSHG). Schon durch Letzteres unterscheiden
sich auch solche speziellen Sozialleistungen grundlegend von Alimentationsleistungen
des Dienstherrn aus dem jeweiligen Dienstverhältnis. So ist etwa auch der
"vermögende" Beamte nicht von der Verpflichtung seines Dienstherrn zur Alimentation
ausgenommen.
83
Wenn demgegenüber das Bundesverwaltungsgericht offenbar der Frage, ob wegen
verbleibender, durch die Beihilfe ungedeckter Kostenanteile von Pflegeaufwendungen
ggf. ein Anspruch des Betroffenen auf Sozialhilfeleistungen besteht (oder geltend
gemacht werden kann), eine mitentscheidende Bedeutung für die Bewertung zumisst,
ob durch Leistungsbeschränkungen im Beihilfebereich entstehende Erstattungslücken
ungeachtet der sich aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ergebenden
Verpflichtungen hinzunehmen sind,
84
Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. August 1995 - 2 C 7.94 -, ZBR 1996, 46 = DÖD 1996, 260,
und vom 21. K. 1982 - 2 C 46.81 -, BVerwGE 64, 333; dem folgend Niedersächsisches
OVG, Urteil vom 14. September 2004 - 5 LC 397/03 - , BWV 2004, 273; a.A. aber etwa
VG Lüneburg, Urteil vom 24. September 2003 - 1 A 370/01 -, Juris.
85
vermag der Senat dem nicht zu folgen. Diese Rechtsprechung übersieht nämlich
anscheinend, dass - erstens - der Fürsorgegeber, solange der Gesetzgeber im Prinzip
an dem bisherigen System wechselbezüglicher Leistungen - also einerseits des zur
Eigenvorsorge für Krankheitsfälle etc. bestimmten Anteils im Rahmen der
Besoldung/Versorgung und andererseits der alimentationsergänzenden
86
Beihilfeleistungen - festhält, aus dem Kern seiner Fürsorgeverpflichtung heraus im
Rahmen seines Gestaltungsauftrags gewährleisten muss, dass durch Kürzungen im
Beihilfebereich nicht im Ergebnis die Mindestalimentation des Beamten gefährdet wird,
und dass - zweitens - Alimentation keine in dem Sinne auswechselbare Verpflichtung
ist, dass an ihrer Stelle einfach sonstige staatliche Leistungen treten können, die ihre
Grundlage gar nicht in dem jeweiligen Dienst- und Treueverhältnis haben, die vielmehr
einen anderen Zweck verfolgen und auch von anderen, dem Betroffenen nachteiligen
Voraussetzungen abhängen. Insoweit, als es sich wie gesagt um qualitativ andere
Ansprüche handelt, deren (ungeschmälertes) Bestehen letztlich von weitergehenden
Voraussetzungen wie u.a. dem Einsatz vorhandenen Vermögens abhängt, ist auch die
nicht weiter erläuterte Prämisse des Bundesverwaltungsgerichts, es handele sich dabei
für den betroffenen Beamten nicht um "mindere", sondern lediglich um "andere"
(subsidiär bestehende) Ansprüche, nicht nachvollziehbar.
Ob, was der Kläger bezweifelt, die vorgenannte Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts überhaupt mit auf solche Fälle zu beziehen ist, in denen
eine Einkommens- und Vermögensanrechnung des betroffenen Beamten - wie hier - in
Betracht kommt, erscheint nicht eindeutig, bedarf nach dem Vorstehenden aber keiner
weiteren Befassung.
87
Wenn der Senat gleichwohl letztlich nicht feststellen kann, dass der Vorschrift des § 9
Abs. 7 Satz 1 BhV in der hier in Rede stehenden Fassung generell jede Wirksamkeit
abzusprechen ist, soweit dort die angemessenen beihilfefähigen Aufwendungen der
Höhe nach pauschal begrenzt worden sind, so beruht dies im Kern auf Folgendem: Zum
einen ist es dem Dienstherrn im Beihilferecht nicht grundsätzlich verwehrt, auch
Wirtschaftlichkeitserwägungen anzustellen, welche dann - typisierend - als Grundlage
der näheren Bestimmung der noch als angemessen zu bewertenden Aufwendungen
dienen. Dies gilt zumal dann, wenn wie hier mit der (voll)stationären Pflege ein Bereich
betroffen ist, der kostenmäßig erheblich zu Buche schlägt und in Bezug auf den wohl
auch in Zukunft weiter mit erheblichen Kostensteigerungen gerechnet werden muss.
Dabei schließt es die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht prinzipiell aus, die
Beihilfefähigkeit auch notwendiger Aufwendungen, denen sich der Betroffene praktisch
nicht entziehen kann, unter Angemessenheitsgesichtspunkten auf bestimmte
Höchstbeträge zu begrenzen; die besondere Problematik vollständiger Ausschlüsse
bestimmter Arten von Aufwendungen stellt sich hier nicht. Zum anderen kommt hinzu,
dass sich die durch die angesprochenen Höchstbeträge für die Betroffenen
geschaffenen Kostenrisiken - bei einer damals noch nicht vergleichbar wie heute
verschärften Situation im Bereich der Besoldung und Versorgung - jedenfalls für die
"Neufälle" durch den Abschluss beihilfekonformer Zusatzversicherungen typischerweise
ausgleichen oder jedenfalls erheblich minimieren ließen...
88
Ergibt sich in besonderen Lebenslagen im Einzelfall ein völliges Missverhältnis
zwischen der im Streit stehenden Beihilfebegrenzung und der dem betroffenen Beamten
unter Einbeziehung des ihn treffenden Restanteils an den krankheits- oder
pflegebedingten Aufwendungen verbleibenden Alimentation, so kann er schwerlich auf
eine Erhöhung seiner Besoldungs- oder Versorgungsleistungen verwiesen werden (die
auch allen anderen Beamten ohne diese besondere Lebenssituation zugute käme und
sich schon deswegen kaum durchsetzen ließe), sondern ist der Fürsorgegeber - und wie
schon dargelegt nicht der Staat über Sozialleistungen - gefordert, die sich auftuende
beachtliche "Alimentationslücke", die sich erst durch das Zurückschrauben der
Beihilfeleistungen aufgetan hat, in dem gegebenen Einzelfall selbst zu schließen. Das
89
gilt auch - und gerade - dann, wenn für die sachbezogen einschlägigen Aufwendungen
im Regelfall die in den Beihilfevorschriften vorgesehene Begrenzung greift.
Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, der Fürsorgegeber habe durch
den in den Hinweisen zu § 9 Abs. 7 unter Ziffer 1. Buchst. d) erfolgten Verweis auf die
Anwendbarkeit der Härtefallregelung nach § 43 Abs. 3 SGB XI im vorliegenden
Zusammenhang "seine Schuldigkeit getan". Denn diese aus dem Bereich der
gesetzlichen Pflegeversicherung übernommene Härtefallregelung beschränkt sich allein
auf eine ganz bestimmte Fallgestaltung, nämlich diejenige eines außergewöhnlich
hohen und intensiven Pflegeaufwandes bei der Pflegestufe III. Dass unabhängig vom
Vorliegen dieser engen Voraussetzungen auch im Bereich der Pflegestufe III die von der
jeweiligen Pflegeeinrichtung den Nutzern in dem hier maßgeblichen Jahr 2001
tatsächlich in Rechnung gestellten Beträge für die allgemeinen Pflegeleistungen -
alimentationsrelevant - deutlich über dem anerkannten Pauschbetrag liegen können,
macht beispielhaft der vorliegende Fall deutlich. Das etwaige Auffangen verbleibender
Härten über eine Erhöhung des beihilferechtlichen Bemessungssatzes ist in den Fällen
des § 9 BhV ausgeschlossen (§ 14 Abs. 6 Satz 2 BhV); ob ein Offenhalten dieser
Möglichkeit im Falle des Klägers ausgereicht hätte, ist im Übrigen zweifelhaft, kann aber
dahinstehen.
90
Soweit der Beklagte vorträgt, die Ausführungen des OVG NRW in seinem Urteil vom 26.
November 2007 könnten für den vorliegenden Fall nicht herangezogen werden, da es
sich dort um einen „Altfall" gehandelt habe und aufgrund der Möglichkeiten zum
Abschluss einer ergänzenden privaten Vorsorge eine ausreichende Absicherung
möglich sei, folgt dem die Kammer nicht. Entscheidendes Kriterium für die
Einstandspflicht des Dienstherrn aus Fürsorgegesichtspunkten ist der Umstand, dass
der Beihilfeberechtigte unverschuldet - nämlich weil ihm keine reale
Abwendungsbefugnis zur Verfügung stand - krankheitsbedingt derart hohen
Belastungen ausgesetzt wird, dass eine angemessene Lebensführung gefährdet bzw. -
wie hier - nicht mehr aus eigener Alimentation möglich ist. Denn abgesehen davon,
dass die Klägerin Art und Dauer ihres Leidens nicht zu vertreten hat, kann ihr nicht
entgegengehalten werden, sie hätte die Belastungen mit den Pflegekosten durch
rechtzeitigen Abschluss einer privaten Pflegezusatzversicherung abwenden können.
Die Klägerin war bei Änderung der Beihilfevorschriften im Jahre 1996 fast 80 Jahre alt.
Damit dürfte die Möglichkeit des Abschlusses einer Zusatzversicherung erst gar nicht
bestanden haben.
91
Ob darüber hinaus die Einkommensverhältnisse der Klägerin es ihr überhaupt
ermöglicht hätten, zusätzliche Beträge für eine Pflegeversicherung aufzubringen, kann
daher dahingestellt bleiben.
92
Die Klägerin kann schon deshalb nicht auf das Vorhandensein anderweitiger
Absicherung verwiesen werden, weil erst im Jahr 1996, durch die Änderung im
Beihilferecht des Bundes, eine hinreichend gesicherte Grundlage bestand, auf welcher
Basis Beihilfen zu stationärer Pflege gewährt werden würden. Auch wenn bereits in
einem früheren Stadium Überlegungen zur gesetzlichen Pflegeversicherung erkennbar
gewesen waren, war es einem Beihilfeempfänger nicht zumutbar, eine die Pflegekosten
betreffende Zusatzversicherung quasi „ins Blaue hinein" abzuschließen. Vielmehr
konnte der Beihilfeempfänger grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Dienstherr seine
Verfassungspflichten aus Alimentation und beihilferechtlicher Fürsorge betreffend den
Pflegebereich auch in Zukunft weiterhin erfüllen würde, also Änderungen einschlägiger
93
Normen, die ihn unabwendbar mit erheblichen Kosten belasten würden, unterlassen
würde.
Ist die Beklagte somit gehalten, aufgrund der ihr obliegenden Fürsorgepflicht der
Klägerin eine weitere Beihilfe zu den Kosten ihres Heimaufenthaltes zu gewähren,
besteht jedoch bezüglich der Frage, auf welche Weise sie verhindern will, dass die
Klägerin wegen der ungedeckten pflegebedingten Aufwendungen - weiterhin -auf
Sozialhilfe angewiesen und ihr eine amtsangemessene Lebensführung möglich ist, ein
weiter Gestaltungsspielraum.
94
Dabei wird sie zu berücksichtigen haben, dass eine alleinige Erhöhung der Beihilfe zu
den Pflegekosten nicht ausreichen dürfte, die bei der Klägerin bestehenden
Versorgungslücken aufzufangen, denn selbst eine hundertprozentige Anerkennung der
Pflegekosten (bei einem Beihilfesatz von 70 %) führt zu keiner wesentlichen
Verbesserung der Einkommensverhältnisse.
95
Dies ergibt aus der folgenden Berechnung, beispielhaft für den hier streitigen Monat
April 2004:
96
Bei Gesamtkosten von 3.016,84 EUR verblieben der Klägerin bei Einnahmen in Höhe
von 3.161,69 EUR (1.237,11 EUR Beihilfe anstelle bisher gewährter 895,30 EUR)
knapp 150 EUR.
97
Dieser Betrag dürfte auch im Hinblick auf die Versorgung in einem Pflegeheim nicht
ausreichen, ein amtsangemessenes Minimum an Lebenskomfort zu gewährleisten.
Wegen der höheren Kosten im Monat Mai 2004 betrüge der verbleibende Betrag sogar
nur 95 EUR.
98
Dies wird die Beklagte im Blick haben müssen, wobei es ihr insbesondere überlassen
bleibt, ob sie die Regelung in § 14 Abs. 3 BhV, wonach eine Erhöhung des
Bemessungssatzes ausgeschlossen ist, überdenkt oder/und den Selbstbehalt bei den
Kosten für Unterkunft und Verpflegung reduziert. Bei der Berechnung des zumutbaren
Eigenanteils wird sich die Beklagte zudem an der Regelung des § 9 Abs. 7 BhV zu
orientieren haben, wonach der Eigenanteil bei den diese Regelung betreffenden Kosten
als Höchstgrenze 70 % beträgt, woraus sich herleiten lässt, dass 30 vom Hundert des
Bruttoeinkommens für amtsangemessene Lebensführung belassen werden soll.
99
Mit Blick auf den Gestaltungsspielraum ist die Sache insgesamt nicht spruchreif (§ 113
Abs. 5 VwGO) und es besteht dementsprechend lediglich der tenorierte Anspruch auf
eine neue, die Rechtsauffassung des Gerichts beachtende (Ermessens-)Entscheidung
des Fürsorgegebers über die gestellten Beihilfeanträge (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
100
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. November 2007 - 1 A 35/06 -.
101
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.
V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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