Urteil des VG Gelsenkirchen vom 23.04.2008

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 K 3117/07
Datum:
23.04.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 3117/07
Schlagworte:
Fahrerlaubnis, Entziehung, Drogen, Kokain, Amphetamin, Doping,
Schutzbehauptung
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte zuvor in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden
Betrages Sicherheit leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger ist Inhaber der Fahrerlaubnis der Klasse B. Er wurde am 29. Januar 2007
gegen 20:40 Uhr im Rahmen einer Verkehrskontrolle angehalten und überprüft. Dabei
stellten die Polizeibeamten wässrige Augen fest und ordneten nach Durchführung eines
positiven Drogenvortests die Entnahme einer Blutprobe an. Das vom Direktor des
Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums °°°°°°°, Prof. Dr. med. Dr. h. c.
B. C. am 14. März 2007 erstattete rechtsmedizinische Gutachten über die chemisch-
toxikologische Untersuchung des Blutes des Klägers auf illegale Betäubungsmittel und
deren Abbauprodukte ergab, dass der Kläger Amphetamin und Kokain konsumiert hatte;
Ephedrin wurde nicht nachgewiesen. Die festgestellten Konzentrationen bezeichnete
der Gutachter als jeweils relativ geringe Konzentrationen, die die Grenzwerte der
Empfehlungen der gemeinsamen Grenzwertkommission der Deutschen Gesellschaft für
Rechtsmedizin und der Gesellschaft für forensische und toxikologische Chemie
überschritten und daher die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigten.
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Daraufhin hörte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 28. März 2007 zu der
Absicht an, ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies geschah, nachdem der Kläger
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keine Stellungnahme abgegeben hatte, mit Ordnungsverfügung vom 12. April 2007.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor: Er könne
sicher ausschließen, die in der Blutprobe festgestellten Substanzen konsumiert zu
haben. Er nehme seit drei bis vier Monaten Muskelaufbau- und
Fettverbrennungspräparate ein, die er über sein Fitness-Studio beziehe. Diese
Präparate könnten möglicherweise die festgestellten Werte erklären. Wahrscheinlicher
sei aber, dass die Blutproben vertauscht worden seien.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2007 wies die Bezirksregierung °°°°°°°
den Widerspruch des Klägers zurück.
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Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und
vertieft er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt er vor:
Wenn die Blutproben nicht vertauscht worden seien, bestehe die einzige denkbare
Möglichkeit darin, dass die von ihm eingenommenen Präparate mit Kokain und
Amphetaminen verunreinigt gewesen seien. Eine Woche vor der mündlichen
Verhandlung hat er vortragen lassen, er könne nicht ausschließen, dass die in der
Blutprobe festgestellten Wirkstoffe ihm unbeabsichtigt in einem Getränk während eines
Discobesuchs am 27./28. Januar 2007 zugeführt worden seien. Hierfür spreche, dass er
am fraglichen Abend eine Personengruppe kennen gelernt habe, die „sehr gut drauf"
gewesen seien und daher durchaus unter dem Einfluss von Medikamenten/Drogen
gestanden haben könnten.
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Der Kläger beantragt,
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die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 28. März 2007 und den
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung °°°°°°° vom 19. September 2007
aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung
°°°°°°° Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet; denn die angefochtenen Bescheide sind
rechtmäßig und verletzen den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1
Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Dabei wird zur Vermeidung von
Wiederholungen zunächst auf die Begründungen dieser Bescheide verwiesen, denen
das Gericht folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO).
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Mit Rücksicht auf das Klagevorbringen ist ergänzend Folgendes auszuführen: Die
Einnahme von Kokain und Amphetaminen schließt die Kraftfahreignung grundsätzlich
aus (vgl. Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 der Fahrerlaubnis-Verordnung -
FeV -, vgl. auch 3.12.1 der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung des
Gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin am Bundesministerium für Verkehr, Bau-
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und Wohnungswesen und beim Bundesministerium für Gesundheit, Februar 2000).
Dass für die Entziehung der Fahrerlaubnis grundsätzlich schon der einmalige Konsum
harter Drogen ausreicht, hat inzwischen eine Mehrzahl der Obergerichte in der
Bundesrepublik Deutschland entschieden.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. März 2007 - 16 B 332/07 -, VRS 112 (2007), 371;
BayVGH, Beschlüsse vom 20. September 2006 - 11 CS 05.2143 -, juris, und 14. Februar
2006 - 11 CS 05.1406 -, juris; OVG Saarland, Beschluss vom 30. März 2006 -1 W 8/06 -,
juris; VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 22. November 2004 - 10 S 2182/04 -,
VRS 108 (2005), 123; OVG Brandenburg, Beschluss vom 22. Juli 2004 - 4 B 37/04 -,
VRS 107 (2004), 397; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 16. Februar 2004 - 12 ME60/04 -
, Blutalkohol Nr. 41, 475 (ST) (2004), und 16. Juni 2003 - 12 ME 172/03 -, DAR 2003,
432 f.; a.A. nur: HessVGH, Beschluss vom 14. Januar 2002 - 2 TG 30008/01 -, ZfSch
2002, 599.
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Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass der Kläger vor dem fraglichen Vorfall am 29.
Januar 2007 Kokain und Amphetamin konsumiert und, worauf es für die Entziehung der
Fahrerlaubnis allerdings nicht mehr ankommt, unter der Wirkung dieser Drogen ein
Kraftfahrzeug geführt hat. Dies ergibt sich aus dem Gutachten über die bei ihm
genommene Blutprobe. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Blutprobe seinerzeit
vertauscht worden ist. So etwas mag theoretisch möglich sein, kommt aber praktisch so
gut wie nicht vor. Der Kläger hat diese Möglichkeit auch nur ohne jede Substantiierung
in den Raum gestellt. Wenn er aufgrund des Ergebnisses der Begutachtung wirklich
davon überzeugt gewesen wäre, das untersuchte Blut könne nicht von ihm stammen,
hätte er die Möglichkeit gehabt, sein Blut zeitnah mit dem Blut der Blutprobe vergleichen
zu lassen.
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Ähnlich verhält es sich mit seiner Einlassung, die von ihm eingenommenen
Dopingmittel Sustanon 250 und Ephedrin hätten mit Kokain und Amphetaminen versetzt
sein können. Er hätte diese Mittel damals leicht überprüfen lassen können, hat dies aber
wohlweislich nicht getan. Andererseits weckt die Einnahme von Dopingmitteln Zweifel
an seiner Einlassung, der Konsum harter Drogen sei ihm wesensfremd. So groß sind
die Unterschiede nicht. Erst recht unglaubhaft ist die kurz vor der mündlichen
Verhandlung nachgeschobene Erklärung, ihm seien möglicherweise die in seinem Blut
festgestellten Drogen bei einem Discobesuch in die Getränke gemischt worden. Auch
dies erweist sich als substanzlose Schutzbehauptung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeit der
Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 der
Zivilprozessordnung.
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