Urteil des VG Gelsenkirchen vom 25.08.2009

VG Gelsenkirchen (festsetzung, ausschluss, stadt, gutachten, rechtfertigung, bebauungsplan, verhältnis zu, der rat, befreiung, gemeinde)

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 6 K 2999/07
Datum:
25.08.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 2999/07
Schlagworte:
Lebensmitteleinzelhandel; Bebauungsplan Wirksamkeit; Teilnichtigkeit;
besondere städtebauliche Gründe; Abwägungsgebot
Normen:
BauNVO § 1 Abs. 9; BauGB §§ 214, 215; BauGB § 1 Abs 7
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in
gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand:
1
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Vorbescheides zur
Errichtung eines „SB-Marktes" (Fa. M. ) auf dem Grundstück G1.
2
Das Flurstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 000 „Gewerbegebiet
F.------straße (Ost)" der Stadt H. . Das Plangebiet wird im Westen durch die B. -Allee, im
Norden durch die X. -C. -Allee (früher: C1.------straße ) und im Süden durch die F2.
begrenzt und reicht im Osten bis an das an der F2. gelegene Pumpwerk heran. Der
Bebauungsplan setzte in seiner Ursprungsfassung aus dem Jahr 1974 für das hier in
Frage stehende Grundstück als Nutzungsart Industriegebiet (GI) fest. Diese Festsetzung
blieb auch während vier durchgeführter Änderungen des Bebauungsplans (1975, 1979,
1980 und 1987) bestehen. Am 7. Dezember 1995 beschloss der Rat der Stadt H. die 5.
Änderung des Bebauungsplans Nr. 000. Danach wurde der nördliche Planbereich, der
unter anderem das Vorhabensgrundstück umfasst und an Bebauung mit überwiegender
Wohnnutzung angrenzt, als Gewerbegebiet (GE) festgesetzt. In den textlichen
Festsetzungen der 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 000 sind nach Ziffer 1 in dem
festgesetzten Gewerbegebiet bestimmte immissionsträchtige Gewerbe und Anlagen
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unter Bezugnahme auf den sog. Abstandserlass (Runderlass des Ministers für Umwelt,
Raumordnung und Landwirtschaft NW vom 21. März 1990) ausgeschlossen. Andere
Betriebe aus den verschiedenen Gruppen des Abstandserlasses sind ausnahmsweise
zulässig, wenn „gewährleistet werden kann, dass unzulässige Immissionen nicht
auftreten". Nach Ziffer 4 der textlichen Festsetzungen sind in dem festgesetzten
Gewerbegebiet Spielhallen und Bordelle als Unterfall von Vergnügungsstätten unter
Bezugnahme auf § 1 Abs. 6 und 9 der Baunutzungsverordnung - BauNVO - nicht
zulässig.
Unter Ziffer 5 der textlichen Festsetzungen heißt es:
4
„Ausschluss bestimmter Arten von Anlagen gemäß § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 9 BauNVO Im
Geltungsbereich des Bebauungsplanes sind Einzelhandelsbetriebe und sonstige
Gewerbebetriebe mit Verkaufsflächen für den Verkauf an letzte Verbraucher nicht
zulässig, wenn das angebotene Sortiment ganz oder teilweise den Warengruppen der
nachstehenden Liste zuzuordnen ist: - Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren - Wasch-
und Putzmittel, Hygieneartikel, Körperpflegemittel - Textilien, Bekleidung, Pelzwaren,
Schuhe, Leder- und Galanteriewaren ohne Bodenfliesen und Bodenbelag als Bahnware
- Abgepasste Teppiche - Rundfunk, Fernsehen und phonotechnische Geräte, Tonträger
- Elektronische Geräte für den Haushalt einschließlich Wohnraumleuchten -
Feinmechanische und optische Erzeugnisse, Uhren, Schmuck, Spielwaren,
Musikinstrumente - Antiquitäten, Holz-, Korb-, Kork-, Flecht-, Schnitz- und
Formstoffwaren, Kinderwagen - Papier, Papierwaren, Schreib- und Zeichenmaterial,
Druckereierzeugnisse, Büroorganisationsmittel - Camping- und Sportartikel,
Handelswaffen, Bastelsätze - Tafel-, Küchen- u.ä. Haushaltsgeräte - Mopeds, Mofas,
Fahrräder - Nähmaschinen - Arzneimittel und sonstige pharmazeutische Erzeugnisse -
Heim- und Kleintierfutter, zoologische Artikel, lebende Tiere - Gebrauchtwaren dieser
Liste
5
Generell zulässig sind - abweichend von der vorstehenden Regelung -
Handwerksbetriebe mit Verkaufsflächen für den Verkauf an letzte Verbraucher, wenn
das angebotene Sortiment aus eigener Herstellung stammt und der Betrieb aufgrund der
von ihm ausgehenden Emissionen typischerweise nur in einem Gewerbe- oder
Industriegebiet zulässig ist."
6
Für das angrenzend festgesetzte Industriegebiet ist in den Ziffern 2 und 3 der textlichen
Festsetzungen eine Gliederung vorgenommen, nach der unter Bezugnahme auf den
Abstanderlass jeweils nur bestimmte Gewerbearten generell zulässig sind. Andere
Betriebe aus den verschiedenen Gruppen des Abstandserlasses sind zulässig, wenn
„gewährleistet werden kann, dass unzulässige Immissionen nicht auftreten".
7
In der Begründung des Bebauungsplans heißt es unter Ziffer 2.1 („2. Anlass zur
Aufstellung und Ziele des Bebauungsplans - 2.1 Großflächiger Einzelhandel"), im
Plangebiet hätten sich in der Vergangenheit verschiedene großflächige
Einzelhandelsbetriebe angesiedelt, was - an nicht integrierten Standorten wie hier - zu
großen städtebaulichen Problemen führe. Insbesondere ein vorhandenes SB-
Warenhaus führe zu erheblichen Kaufkraftabflüssen zu Lasten der vorhandenen
Zentren. Das ergebe sich u.a. aus einem bereits im Jahr 1986 im Auftrag des
Einzelhandelsverbandes H. e.V. erstellten Gutachten des Instituts für Stadt-, Standort-
und Handelsforschung und -beratung aus E. (Dr. H. E1. & Partner).
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Auch hätten die bereits bestehenden großflächigen Einzelhandelsnutzungen negative
Auswirkungen auf den Verkehr und die Infrastruktur im Plangebiet.
9
Der Bebauungsplan solle die rechtlichen Grundlagen schaffen, zukünftige
Ansiedlungen und Erweiterungen großflächiger Einzelhandelsbetriebe verhindern zu
können oder so zu gestalten, dass städtebaulich negative Auswirkungen nicht mehr
möglich seien. Das Gebiet solle durch die Änderung des Bebauungsplans als
Gewerbestandort langfristig gesichert werden.
10
Unter den Ziffern 5.1.2 der Planbegründung (Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben)
und 5.1.4 (Ausschluss bestimmter Vergnügungsstätten) heißt es:
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Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben Im Geltungsbereich werden solche
Einzelhandelsbetriebe ausgeschlossen, deren Sortiment befürchten lassen, dass
Auswirkungen auf die verbrauchernahe Versorgung oder auf die Versorgungszentren
auftreten. Dieses Sortiment ist durch eine entsprechende Festsetzung eingegrenzt. Die
beschriebene Festsetzung ermöglicht jedoch, dass sich Einzelhandelsbetriebe im
Plangebiet ansiedeln, wenn ihr Sortiment andere Warengruppen als die
ausgeschlossenen umfasst, und wenn die Verkaufsfläche 700 qm nicht überschreitet.
Soll die Verkaufsfläche größer werden, muss der Bauherr nachweisen, dass keine
Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO zu befürchten sind. Insbesondere
können Verkehrssituation und infrastrukturelle Ausstattung betroffen sein, dies muss im
Einzelfall beurteilt werden. Die vorhandenen Handelsbetriebe sind von dieser Regelung
nicht betroffen. Das bestehende SB-Warenhaus wird durch eine besondere Festsetzung
(Siehe Pkt. 5.1.3) überplant. Ausnahmen von dieser Regelung sind für
Handwerksbetriebe möglich, die ihre Erzeugnisse vor Ort verkaufen wollen, und die
aufgrund ihrer Emissionen nur in einem Gewerbegebiet zulässig sind. Übergreifende
Sortimente dürfen von solchen Betrieben nicht verkauft werden, da sonst zu befürchten
ist, dass über den Umweg über produzierende Betriebe weitere großflächige
Einzelhandelsbetriebe Einzug in das Plangebiet halten. Bestehende
Handwerksbetriebe sind nicht betroffen, z.B. die Betriebe des KFZ-Gewerbes können
auch weiterhin ergänzende Sortimente verkaufen, die nicht zu den im Bebauungsplan
ausgeschlossenen Sortimenten gehören.
13
...
14
Ausschluss bestimmter Vergnügungsstätten Es wird festgesetzt, dass von den gemäß §
8 Abs. 3 Nr. 3 ausnahmsweise zulässigen Vergnügungsstätten Spielhallen und Bordelle
im Plangebiet nicht zulässig sind. Diese Nutzungen würden dem (angestrebten)
Charakter des Gebiets als reines Gewerbegebiet widersprechen. Eine Ansiedlung von
Vergnügungsstätten ist auch im Zusammenhang mit den bereits vorhandenen
Einzelhandelsbetrieben kritisch zu sehen, da jede Nutzung, die die Tendenz zu einer
innenstadtähnlichen Struktur weiter verstärkt, nicht der Zielsetzung des
Bebauungsplans entspricht."
15
Die 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 146 wurde im Amtsblatt der Stadt H. vom 17.
Mai 1996 bekannt gemacht.
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Am 6. Juli 2007 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Vorbescheides zur
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planungsrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung eines „SB-Marktes" mit 799 qm
Verkaufsfläche und 93 Stellplätzen. In der
zugehörigen Betriebsbeschreibung für gewerbliche Anlagen heißt es unter der Rubrik
„Erzeugnisse: keine - Verkauf von Lebensmitteln und Waren aller Art." Unter der Rubrik
„Rohstoffe, Materialien, Betriebsstoffe, Reststoffe, Waren" heißt es: „Molkereiprodukte,
Tiefkühlkost, Gemüse, Obst und abgepackte Wurstwaren, Kosmetika, Tabakwaren,
Waren aller Art."
18
Mit Bescheid vom 19. September 2007 lehnte der Beklagte nach vorausgegangener
Anhörung die Erteilung des beantragten Bauvorbescheides ab.
19
Es liege ein Verstoß gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 000 in der
Fassung seiner 5. Änderung vor, wonach im für den fraglichen Bereich festgesetzten
Gewerbegebiet bestimmte Warensortimentsgruppen - u.a. Lebensmittel -
ausgeschlossen seien. Ein Anspruch auf Befreiung nach § 31 Abs. 2 des
Baugesetzbuches - BauGB - bestehe nicht.
20
Die Klägerin hat am 10. Oktober 2007 Klage erhoben.
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Zur Begründung trägt sie vor, die 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 000 sei
unwirksam, so dass das Vorhaben der Klägerin nach der ursprünglichen Fassung des
Bebauungsplans Nr. 000 zu beurteilen sei. Danach befinde sich das
Vorhabensgrundstück in einem festgesetzten Industriegebiet. Nach der dann
maßgeblichen Vorschrift des § 9 BauNVO in der Fassung aus dem Jahr 1968
entspreche das Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplans und sei nach § 30
Abs. 1 BauGB zuzulassen.
22
Die Unwirksamkeit der 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 000 ergebe sich zunächst
aus der Verletzung des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebotes. Die Regelung, dass
Betriebe und Anlagen bestimmter Abstandsklassen ausnahmsweise dann zulässig sein
sollen, wenn gewährleistet werden könne, dass unzulässige Immissionen nicht
auftreten, lasse die Frage offen, welche Immissionen der Plangeber für unzulässig und
welche er noch für zulässig halte.
23
Ebenso sei die unter Ziffer 5. der textlichen Festsetzungen getroffene
Ausnahmeregelung für emissionsträchtige Handwerksbetriebe unbestimmt, weil offen
bleibe, welche Handwerksbetriebe aufgrund ihrer Emissionen typischerweise nur in
Gewerbe- oder Industriegebieten zulässig seien.
24
Die genannten Ausnahmeregelungen fänden im Bauplanungsrecht auch keine
Ermächtigungsgrundlage. § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB komme dafür nicht in Betracht, da
die Vorschrift lediglich die Ausweisung von Schutzmaßnahmen gestatte. Auch § 1 Abs.
4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO könne nicht herangezogen werden, da die textlichen
Festsetzungen mit dem Auftreten unzulässiger Immissionen eine akzeptorbezogene,
summative Betrachtung verlangten, und nicht die von der Vorschrift geforderte
Betrachtung des Emissionsverhaltens einzelner Betriebe und Anlagen.
25
Die textlichen Festsetzungen in den Ziffern 1 bis 3 seien auch mit dem
Regelungssystem des § 31 Abs. 1 BauGB nicht vereinbar, da nicht geregelt sei, in
welchem Umfang von ihnen abgewichen werden dürfe.
26
Weiter habe der Plangeber mit der textlichen Festsetzung in Ziffer 5 den ihm von den §§
9 Abs. 1 BauGB und § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO vorgegebenen Planungsrahmen
überschritten. Der Plangeber habe dabei mit einem „Handwerksbetrieb mit
Verkaufsflächen für den Verkauf an letzte Verbraucher, bei denen das angebotene
Warensortiment aus eigener Herstellung stammt und der Betrieb aufgrund der von ihm
ausgehenden Emissionen typischerweise nur in einem Gewerbe- oder Industriegebiet
zulässig ist" eine bislang in der sozialen und ökonomischen Realität nicht vorhandene
Nutzungsart geschaffen. Eine solche bereits anerkannte Nutzungsart sei aber
Voraussetzung für die Möglichkeit, solche Nutzungen im Sinne von § 1 Abs. 5 und 9
BauNVO zu regeln.
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Den Festsetzungen nach den Ziffern 4 und 5 fehle auch die erforderliche städtebauliche
Rechtfertigung. In § 1 Abs. 9 BauNVO würden besondere städtebauliche Gründe
gefordert, wenn eine gegenüber § 1 Abs. 5 und 6 BauNVO feinere Ausdifferenzierung
der zulässigen Nutzungen erfolgen solle.
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Der in Ziffer 5. der textlichen Festsetzungen vorgenommene weitgehende Ausschluss
von Einzelhandel könne nicht mit den drei in der Planbegründung angegebenen
Regelungszielen - Schutz vor Ansiedlungs- und Erweiterungsdruck des großflächigen
Einzelhandels (Zentrenschutz) und vor negativen Auswirkungen auf den Verkehr und
die Infrastruktur im Plangebiet sowie langfristige Sicherung des Gebietes als
Gewerbestandort - gerechtfertigt werden, weil er eben auch den nicht großflächigen
Einzelhandel (zu Unrecht) miterfasse.
29
Die erforderliche Rechtfertigung ergebe sich nicht aus dem Gesichtspunkt des
Zentrenschutzes. Dazu wäre eine differenzierende Untersuchung der
Einzelhandelsstrukturen nicht nur im Plangebiet, sondern auch in den zu schützenden
Gebieten erforderlich gewesen. Der Verweis auf das Einzelhandelsgutachten aus dem
Jahr 1986 könne keine städtebauliche Rechtfertigung ergeben, da die dort erhobenen
Forderungen zu abstrakt und zu pauschal und im Übrigen im Zeitpunkt der
Planaufstellung bereits veraltet gewesen seien. Eine vergleichende Analyse der
Handelsstrukturen im Plangebiet einerseits und in den Versorgungszentren F1. , Altstadt
und C2. -Mitte andererseits sei nicht erfolgt. Ebenso fehle eine Ermittlung der Bedeutung
der einzelnen Warensortimente für den Schutz von Versorgungszentren. Ein
Schutzkonzept für schützenswerte Bereiche sei nicht im Ansatz erkennbar. Das werde
auch dadurch erkennbar, dass der Einzelhandel mit eigenen Waren durch
emissionsträchtige Handwerksbetriebe ohne Flächenbeschränkung gestattet werde und
typisch zentrenrelevante Sortimente gerade nicht ausgeschlossen seien. Der Nachweis
der Zentrenschädlichkeit werde nicht erbracht. Die Entwicklung und Stärkung von
zentralen Versorgungsbereichen im Hinblick auf bisher nicht vertriebene Sortimente sei
nicht Ziel der Planänderung gewesen.
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Die erforderliche Rechtfertigung könne auch nicht aus dem Gedanken der verkehrlichen
Überlastung der Infrastruktur des Plangebiets hergeleitet werden, da es auch hierfür an
einer überzeugenden städtebaulichen Konzeption fehle.
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Auch das vom Plangeber genannte Ziel der langfristigen Sicherung des Plangebietes
als Gewerbegebiet könne keine städtebauliche Rechtfertigung für den
Einzelhandelsausschluss nach § 1 Abs. 9 BauNVO darstellen, da nur bestimmte
Warengruppen ausgeschlossen seien und die Regelung damit für die Freihaltung von
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Gewerbeflächen ungeeignet sei.
Weiter sei auch die unter Ziffer 4 erfolgte textliche Festsetzung zum Ausschluss von
Spielhallen und Bordellen unwirksam, da ein städtebauliches Regelungskonzept nicht
erkennbar sei. Das erkennbare Ziel des Plangebers, Bordelle im Plangebiet
auszuschließen, werde bereits deshalb verfehlt, weil Bordelle als Gewerbebetriebe (und
nicht als Vergnügungsstätten) in den als Industriegebiet festgesetzten
Plangebietsbereichen gerade zulässig seien.
33
Durch die textlichen Festsetzungen in den Ziffern 4 und 5 entstünden im Ergebnis
willkürliche Ungleichbehandlungen der betroffenen Grundstückseigentümer, die als
Abwägungsfehler nach § 1 Abs. 7 BauGB ebenfalls zur Unwirksamkeit der
Bebauungsplanänderung führten, da sie nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB auf das
Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen seien.
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Die gerügten Mängel führten zur Gesamtnichtigkeit der 5. Änderung des
Bebauungsplans Nr. 146.
35
Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 19. September 2007 zu
verpflichten, unter Ausklammerung der Frage der Erschließung der Klägerin den von ihr
beantragten planungsrechtlichen Vorbescheid zum Neubau eines SB-Marktes mit 93
Stellplätzen auf dem Grundstück G1 zu erteilen.
37
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin zur Unwirksamkeit der 5. Änderung
des Bebauungsplans Nr. 000 entgegen.
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Er hält die in den textlichen Festsetzungen gebrauchten unbestimmten Rechtsbegriffe
ohne Weiteres für bestimmbar. Dabei könne auf die Planbegründung zurückgegriffen
werden, aus deren Ziffer 5.1.1 sich ergebe, dass es bei der Störanfälligkeit der
Nutzungsarten maßgeblich auf Gewerbeimmissionen wie Lärm und Luftverunreinigung
ankomme. Die ggf. erforderliche Einzelfallprüfung im Baugenehmigungsverfahren führe
nicht zur Unbestimmtheit der Plannormen, da die Frage der Zulässigkeit von
Emissionen mit Hilfe gesetzlicher Vorschriften und Verwaltungsvorschriften jeweils im
Einzelfall zu beantworten sei.
41
Die textlichen Festsetzungen in Ziffer 5 seien auch im Hinblick auf die ausnahmsweise
zulässigen Handwerksbetriebe hinreichend bestimmt. Es sei nicht zu beanstanden,
wenn mit Verweisen auf die Zulässigkeit in bestimmten Gebietstypen gearbeitet werde,
davon mache auch die BauNVO Gebrauch. Der beschriebene Unternehmenstypus
eines Handwerksbetriebes mit angeschlossener Einzelhandelsverkaufsfläche für die
eigenen Erzeugnisse sei durchaus existent, habe sich letztendlich allerdings am Markt
nicht durchgesetzt. Es handele sich bei diesem Typus um eine weitergehende zulässige
Konkretisierung im Sinne von § 1 Abs. 9 BauNVO.
42
Der Beklagte hält die erforderliche städtebauliche Rechtfertigung für den Ausschluss
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bestimmter Einzelhandelsarten für gegeben. Wegen deren Zentrenschädlichkeit hätten
die in Ziffer 5 der textlichen Festsetzungen festgelegten Sortimente ausgeschlossen
werden können. Dabei habe er sich auf die detaillierte Analyse aus dem
Einzelhandelsgutachten aus dem Jahr 1986 verlassen können, die bis zum heutigen
Tag aktuell sei und damit auch im Zeitpunkt der Planaufstellung habe verwertet werden
können. Die Zusammenstellung der ausgeschlossenen Sortimente orientiere sich an
der Zusammenstellung zentrenrelevanter Sortimente in Listen, die überörtliche
Gültigkeit beanspruchten, wie etwa die damals geltende sog. „Kölner Liste". Auch durch
das heute geltende Einzelhandelskonzept werde das Plangebiet als nichtintegrierter
und zentrenschädlicher Standort im Hinblick auf bestimmte Sortimente angesehen.
Sofern es um die Ansiedlung kleinteiliger Verkaufsflächen wie etwa von Kiosks gehe,
könne einer solchen im Einzelfall zulässigen Ansiedlung durch die Erteilung einer
Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB Rechnung getragen werden.
Der Plangeber habe im Unterschied zum Zentrenschutz weder den Schutz der
verkehrlichen Infrastruktur des Plangebietes noch den Erhalt von Gewerbeflächen zur
städtebaulichen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 9 BauGB herangezogen. Darauf sei nur
im Rahmen der Planbegründung in Ziffer 2 eingegangen worden, wonach durch die 5.
Änderung des Bebauungsplans Nr. 146 für das gesamte Plangebiet die Vorschrift des §
11 Abs. 3 BauNVO Geltungskraft erhalten sollte.
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Auch die Festsetzung in Ziffer 4 zum Ausschluss von Bordellen und Spielhallen sei
dadurch hinreichend gerechtfertigt, dass eine Entwicklung des Gebietes hin zu einer
innenstadtähnlichen Struktur ausgeschlossen werden solle.
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Der Bebauungsplan leide auch nicht an einem Abwägungsfehler, weil den einzelnen
Grundstückseigentümern durch die differenzierten Regelungen ausreichend Spielraum
für die Ausnutzung ihrer Grundstücke belassen würden. Zudem hätten
Abwägungsmängel innerhalb von 7 Jahren geltend gemacht werden müssen.
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Schließlich würde eine angenommene Nichtigkeit der unter den Ziffern 1 bis 4 sowie
unter der Ausnahmeregelung der Ziffer 5 erfolgten textlichen Festsetzungen nicht zur
Gesamtnichtigkeit des Bebauungsplans führen, weil das Hauptziel der 5. Änderung des
Bebauungsplans, nämlich der Zentrenschutz, auch mit der isoliert geltenden textlichen
Festsetzung unter Ziffer 5 nebst entsprechender Gebietsfestsetzung zu erreichen wäre.
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Schließlich hält der Beklagte die Angriffe auf den Bebauungsplan für
rechtsmissbräuchlich, soweit die Klägerin von den Festsetzungen erkennbar nicht
betroffen werde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und die vom Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
49
Entscheidungsgründe:
50
Die zulässige Verpflichtungsklage ist nicht begründet.
51
Die Klägerin hat in der Sache keinen Anspruch auf den beantragten Vorbescheid. Der
ablehnende Bescheid des Beklagten vom 19. September 2007 ist rechtmäßig und
verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - .
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Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung die Frage der Erschließung aus ihrem
Antrag auf Erteilung einer Bebauungsgenehmigung ausgeklammert. Soweit hierin eine
Klageänderung zu sehen ist, weil der Inhalt der begehrten Genehmigung durch die
Änderung des Begehrens modifiziert wird und damit eine Änderung des
Streitgegenstandes vorliegt,
53
so Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - OVG NRW -, Urteil vom
9. Januar 1997 - 7 A 2233/96 -,
54
ist diese Klageänderung zulässig, weil die Änderung des Klagebegehrens i.S.v. § 91
Abs. 1, 2. Halbsatz VwGO sachdienlich ist. Denn das geänderte Begehren stellt
gegenüber dem ursprünglichen Antrag lediglich ein rechtliches und inhaltliches Minus
dar.
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In der Sache kann der begehrte Vorbescheid aber nicht erteilt werden, weil dem zur
Zulassung gestellten Vorhaben Vorschriften des Bauplanungsrechts entgegenstehen,
§§ 71 Abs. 1 und 2, 75 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - BauO
NRW -.
56
Das Vorhaben verstößt gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 000 der
Stadt H. in der Fassung seiner 5. Änderung, § 30 Abs. 1 BauGB (I.). Die Erteilung einer
Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB kommt
nicht in Betracht (II.).
57
I. Dem Vorhaben der Klägerin stehen die Festsetzungen unter Ziffer 5 des
Bebauungsplans Nr. 000 der Stadt H. in der Fassung seiner 5. Änderung aus dem Jahr
1996 entgegen. Die von der Klägerin beabsichtigte Nutzung des hier in Frage
stehenden Grundstücks mit einem Einzelhandelsmarkt widerspricht jedenfalls dem unter
der ersten Fallgruppe der Ziffer 5 geregelten Sortimentsausschluss von
Nahrungsmitteln, Getränken und Tabakwaren. Ausweislich der zum Gegenstand des
Bauvorbescheidsverfahren gemachten Bauvorlagen der Klägerin soll der
Einzelhandelsmarkt der Klägerin nämlich folgende Warengruppen anbieten:
Lebensmittel und Waren aller Art, d.h. u.a. Molkereiprodukte, Tiefkühlkost, Gemüse,
Obst und abgepackte Wurstwaren, Kosmetika, Tabakwaren. Ob der Zulässigkeit des
Vorhabens nach der Typik des Warenangebotes in Einzelhandelsdiscountmärkten der
vorliegenden Art noch weitere Sortimentsausschlüsse unter Ziffer 5 der genannten
Regelung entgegenstehen, namentlich die unter den Fallgruppen 2. und 3. genannten
(Wasch- und Putzmittel, Hygieneartikel, Körperpflegeartikel bzw. Textilien, Bekleidung,
Pelzwaren, Schuhe, Leder- und Galanteriewaren ohne Bodenfliesen und Bodenbelag
als Bahnware), bedarf keiner Entscheidung.
58
Die 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 000 ist - jedenfalls mit dem unter Ziffer 5.
geregelten Sortimentsausschluss - wirksam.
59
Formelle Mängel im Hinblick auf das Zustandekommen der 5. Änderung des
Bebauungsplans Nr. 000 sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
60
Insbesondere sind solche Mängel im Hinblick auf die Beschlussfassung des
Gemeinderats der Stadt H. vom 7. Dezember 1995, das nach § 11 Abs.3 BauGB in der
Fassung vom 8. Dezember 1986 (die gemäß § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB Anwendung
61
findet) durchgeführte Anzeigeverfahren bei der Bezirksregierung N. und die
Schlussbekanntmachung im Amtsblatt der Stadt H. vom 17. Mai 1996 nicht erkennbar.
Die 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 000 der Stadt H. ist auch inhaltlich wirksam,
die von der Klägerin erhobenen Einwendungen greifen im Ergebnis nicht durch.
62
Der unter Ziffer 5. der textlichen Festsetzungen geregelte Ausschluss von
verschiedenen Warensortimenten ist für die Klägerin nicht angreifbar. Der Ausschluss
ist zulässig auf § 1 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 9 BauNVO gestützt (1.). Mögliche
Fehler der Abwägung sind nach den §§ 214 Abs. 3 Satz 2, 215 Abs. 1 Ziffer 2 BauGB in
der hier maßgeblichen Fassung vom 8. Dezember 1986 unbeachtlich (2.).
63
1. Der Sortimentsausschluss ist städtebaulich gerechtfertigt. Neben der allgemeinen
städtebaulichen Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 3 BauGB, die durch die planerische
Konzeption der Gemeinde bestimmt wird, muss auch jede Festsetzung für sich
genommen den Anforderungen der städtebaulichen Erforderlichkeit genügen. § 1 Abs. 5
und 9 BauNVO gestatten - soweit die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets
gewahrt bleibt und besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen - den
Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben differenziert nach Branchen oder Sortimenten,
wenn die Differenzierung marktüblichen Gegebenheiten entspricht.
64
Vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - , Beschlüsse vom 27. Juli 1998 - 4 BN 31.98
-, BRS 60 Nr. 29, vom 4. Oktober 2001 - 4 BN 45.01 -, BRS 64 Nr. 28 und vom 10.
November 2004 - 4 BN 33.04 -, Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 30; OVG NRW, Urteil
vom 13. Mai 2004 - 7a D 30/03.NE -, BRS 69 Nr. 29.
65
Allerdings fordert eine solche Feindifferenzierung der zulässigen Art der baulichen
Nutzung auf der Grundlage von § 1 Abs. 9 BauNVO eine städtebauliche Begründung,
die sich aus der jeweiligen konkreten Planungssituation ergeben muss und geeignet ist,
die Abweichung vom normativen Regelfall der Baugebietsausweisung zu rechtfertigen.
Das "Besondere" an den städtebaulichen Gründen nach § 1 Abs. 9 BauNVO besteht
dabei nicht notwendig darin, dass die Gründe von größerem oder im Verhältnis zu § 1
Abs. 5 BauNVO zusätzlichem Gewicht sein müssen. Mit "besonderen" städtebaulichen
Gründen nach § 1 Abs. 9 BauNVO ist gemeint, dass es spezielle Gründe gerade für die
gegenüber § 1 Abs. 5 BauNVO noch feinere Ausdifferenzierung der zulässigen
Nutzungen geben muss.
66
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 77.84 -, BRS 47 Nr. 59 und Beschluss vom
10. November 2004 - 4 BN 33. 04 -, Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 30.
67
Dabei stellt die Erhaltung der Attraktivität der innerstädtischen Kernzonen und Zentren
ein legitimes städtebauliches Ziel für eine verbindliche Bauleitplanung in diesem Sinne
dar.
68
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. November 2004 - 4 BN 33/04 -, BRS 67 Nr. 18; OVG
NRW, Urteil vom 13. Mai 2004 - 7a D 30/03.NE -, BRS 6° Nr. 29.
69
Die hier unter Ziffer 5 gewählten Sortimentsbezeichnungen begegnen in vorgenannter
Hinsicht keinen Bedenken; was die Bestimmtheit der angegebenen Sortimente
anbetrifft, sind Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich.
70
Den genannten inhaltlichen Anforderungen des § 1 Abs. 9 BauNVO werden die vom
Rat der Stadt H. benannten Gründe für den unter Ziffer 5 der Bebauungsplanänderung
angeordneten Ausschluss bestimmter Warensortimente des Einzelhandels
grundsätzlich gerecht.
71
In der Begründung (Ziffer 5.1.2) zur textlichen Festsetzung unter Ziffer 5 der 5. Änderung
des Bebauungsplans Nr. 000 heißt es, es sollten solche Einzelhandelsbetriebe
ausgeschlossen werden, deren Sortiment befürchten lasse, dass Auswirkungen auf die
verbrauchernahe Versorgung oder auf die Versorgungszentren auftreten. Dieses
Sortiment werde durch eine entsprechende Festsetzung eingegrenzt. Die Ansiedlung
sonstiger - nicht großflächiger - Einzelhandelsbetriebe solle möglich bleiben. Unter
Ziffer 2.1.a) der Planbegründung wird ausgeführt, dass es bereits durch ein im Zeitpunkt
der Planaufstellung betriebenes SB-Warenhaus zu erheblichen Kaufkraftabflüssen
insbesondere für den Bereich Lebensmittel im nahegelegenen Ortsteil F1. komme und
im Hinblick auf Waren, die den aperiodischen Bedarf betreffen, auch für die beiden
Zentren H. -Altstadt und C2. -Mitte. Die weitere Entwicklung des Plangebiets zu
Einzelhandelsstandorten führe zu einer Schwächung der vorhandenen Zentren,
problematisch sei vor allem die Häufung von Einzelhandelsbetrieben mit
einhergehenden „Synergieeffekten". Diese Einschätzung ergebe sich auch aus dem im
Jahr 1986 im Auftrag des Einzelhandelsverbandes H. e.V. erstellten Gutachten des
Instituts für Stadt-, Standort- und Handelsforschung und -beratung aus E. (Dr. H. E1. &
Partner) - im Folgenden: Gutachten 1986 -. Darin wird im Ergebnis die Empfehlung
ausgesprochen, jedenfalls außerhalb integrierter Standorte keine weiteren
großflächigen Einzelhandelsbetriebe zuzulassen, das gelte auch für den Standort des
Gewerbegebietes C1.------straße (heute: X. -C. -Allee), der sich deutlich außerhalb des
Nebenzentrums des Ortsteils F1. befinde.
72
Im einzelnen begründet das Gutachten dieses Ergebnis folgendermaßen: Der Ortskern
des Stadtteils F1. solle planerisch als Nebenzentrum ausgewiesen werden.
Voraussetzung dafür sei jedoch ein Verzicht auf jegliche weitere Ansiedlung von
Einzelhandelsgroßbetrieben an nicht integrierten Standorten, die Einfluss auf das
Einkaufsverhalten in F1. hätten, wie etwa das südlich benachbarte Gewerbegebiet an
der C1.-----straße (heute: X. -C. - Allee).
73
S. 61 Gutachten 1986 (Zielkonzept für die Versorgungszentren der Stadt H. ).
74
Der Einzelhandel mit Nahrungs- und Genussmitteln werde in F1. durch die starke
Position des Einzelhandels im Gewerbegebiet C5.-----straße beeinflusst.
75
S.165 Gutachten 1986.
76
In diesem Gewerbegebiet seien Einzelhandelsgroßprojekte in der Vergangenheit zu
sehr toleriert worden.
77
S. 605 Gutachten 1986.
78
Schließlich kommt das Gutachten zu einer Handlungsempfehlung für den Stadtteil F1. :
Es seien Gegenstrategien für die „extrem starken Kaufkraftentzugseffekte" durch das
Gewerbegebiet C1.-----straße einzuleiten.
79
S.646, 669 und Tabelle S. 673 Gutachten 1986.
80
Erster Ansatzpunkt sei die Ablehnung weiterer Einzelhandelsgroßprojekte
81
S. 610 Gutachten 1986.
82
Der Plangeber konnte besondere städtebauliche Gründe aus dem zulässigen Ziel des
Zentrenschutzes, hier des Schutzes des vom Vorhabensgrundstück etwa 500 m
entfernten Ortsteils F1. , herleiten. Dabei begegnet es auf der Grundlage des
vorliegenden Gutachtens aus dem Jahr 1986 keinen Bedenken, dass der Beklagte die
erforderlichen besonderen städtebauliche Gründe im Schutz eines konkreten
Versorgungszentrums gesehen und hinsichtlich der Schutzinstrumente pauschal den
Ausschluss solcher Warensortimenten bestimmt hat, die seinerzeit generell als
zentrenrelevant erkannt waren. Zwar kommt das Gutachten aus dem Jahr 1986 in erster
Linie zu dem Ergebnis, dass aufgrund der in F1. vorgefundenen Situation für dessen
Zentrum v.a. relevanter großflächiger Einzelhandel zu verhindern sei. Das Gutachten
stellt aber auch heraus, dass der Ortsteil F1. insbesondere im Einzelhandelssegment
Nahrungs- und Genussmittel einer Drucksituation durch nichtintegrierte Standorte
ausgesetzt ist. Der Plangeber konnte danach rechtsfehlerfrei Maßnahmen zum Schutz
des genannten Zentrums ergreifen und die Aussagen des Gutachtens aus dem Jahr
1986 bei entsprechend erfolgter Beobachtung der insoweit unveränderten
städtebaulichen Situation seiner Einschätzung bei Planaufstellung und - inkraftsetzung
in den Jahren 1995/96 zugrundelegen.
83
Hinsichtlich der gewählten Schutzinstrumente für den vom Plangeber angenommenen
Schutzbedarf war es dem Rat der Stadt H. im Rahmen der städtebaulichen
Rechtfertigung nach § 1 Abs. 9 BauNVO unbenommen, den Ausschluss der
vorgenommenen Warensortimente an Listen mit generell zentren- bzw.
nahversorgungsrelevanten Sortimenten auszurichten. So hat der Plangeber nach den
unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beklagten seiner Entscheidung zu den
textlichen Festsetzung unter Ziffer 5 der hier maßgeblichen Planänderung die von der
Bezirksregierung Köln geführte sogenannte „Kölner Liste" in der seinerzeit aktuellen
Fassung zugrunde gelegt. Diese entsprach im Wesentlichen dem Anhang I des
Einzelhandelserlasses NRW vom 7. Mai 1996 (MBl. 1996, S. 922 - 935), der während
des Verfahrens zur Bebauungsplanänderung bereits im Entwurf vorlag und den
Planungsbehörden informatorisch zur Verfügung stand. Die genannte Anlage zum
Erlass enthält in ihren Teilen A. und B. die Aufzählung von zentren- und
nahversorgungsrelevanten Sortimentsgruppen bzw. von in der Regel zentrenrelevanten
Sortimenten.
84
Ob der vom Plangeber vorgenommene Ausschluss der unter Ziffer 5 genannten
Sortimentsgruppen im Bebauungsplangebiet tatsächlich in vollständigem Umfang und
mit allen Details gerechtfertigt ist, stellt nach Auffassung der Kammer die besondere
städtebauliche Rechtfertigung im Sinne von § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO nicht
grundsätzlich in Frage, da jedenfalls die wesentlichen Sortimentsgruppen,
insbesondere die hier einschlägigen, für das Erreichen der planerischen Konzeption der
Gemeinde notwendig und geeignet erscheinen. Soweit es für einzelne Randsortimente
keine städtebaulichen Gründe geben sollte, würde dies allenfalls zur Teilunwirksamkeit
insoweit führen. Wie und in welchem Umfang die Gemeinde mit - geeigneten -
Sortimentsbeschränkungen ihre planerischen Ziele erreichen will ist dagegen eine
Frage ordnungsgemäßer Abwägung der verschiedenen betroffenen Belange gemäß § 1
Abs. 6 BauGB (in der Fassung vom 8. Dezember 1986).
85
Danach kann dahinstehen, ob der Plangeber die 5. Änderung des Bebauungsplans
auch mit den Zielen, die Flächen des Plangebiets als Gewerbeflächen zu erhalten bzw.
des Schutzes vor negativen Auswirkungen auf den Verkehr und die Infrastruktur im
Plangebiet, beschlossen hat, was die Klägerin erörtert, aber - wofür vieles spricht - im
Rahmen von § 1 Abs. 9 i.V.m. 5 BauNVO für nicht ausreichend hält. Ob der Plangeber
neben dem Ziel des Zentrenschutzes auch die bloße Stärkung von Zentren ins Auge
gefasst hat, lässt sich den Planunterlagen nicht ohne weiteres entnehmen. Für die
Unterlegung der Planänderung mit einem derartigen Planziel sind eindeutige
Anhaltspunkte nicht erkennbar, was auch vor dem Hintergrund gilt, dass im Zeitpunkt
der Planaufstellung die weiter differenzierende Unterscheidung zwischen Zentrenschutz
und Zentrenstärkung noch nicht Gemeingut planungsbehördlicher Überlegungen war.
86
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 - 4 C 21.07 -, ZfBR 2009, S. 463 - 466 zu den
erleichterten Anforderungen an die Begründung der Zentrenstärkung gegenüber dem
Zentrenschutz.
87
Allerdings könnte - ohne dass es darauf entscheidend ankäme - der Hinweis auf die
öffentlichen und privaten Investitionen zur Attraktivitätssteigerung der eigentlichen
Zentren der Stadt H. unter 2.1.a) der Planbegründung auch in diese Richtung deuten.
88
Zusammenfassend ist die Kammer der Auffassung, dass der Plangeber mit den
getroffenen Festsetzungen generell legitime Zielsetzungen für eine verbindliche
Bauleitplanung verfolgt hat und dass - objektiv - auch ausreichende besondere Gründe
im Sinne von § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO für die streitige Sortimentsregelung bestanden
haben.
89
2. Mögliche Mängel in der Abwägung der unter Ziffer 5. der textlichen Festsetzungen
getroffenen Regelungen sind nach § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB in der Fassung vom 8.
Dezember 1986 unbeachtlich. Zwar ist es für Festsetzungen dieser Art regelmäßig -
wenn nicht ein entsprechendes aussagekräftiges Einzelhandelsgutachten vor- liegt -
erforderlich, die zentrenschädlichen Sortimente konkret zu ermitteln.
90
BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 - 4 C 21.07 -, ZfBR 2009, S. 463 - 466.
91
Dass nähere Ermittlungen in diesem Sinne vom Plangeber hier angestellt worden sind,
erscheint zweifelhaft. Auf das Gutachten aus dem Jahr 1986 konnte der Plangeber eine
umfassende Planabwägung nicht stützen, da eine detaillierte Untersuchung für die
konkrete Örtlichkeit und die konkreten Sortimentsgruppen darin nicht enthalten ist;
vielmehr bewertet es vorwiegend die Auswirkungen großflächigen Einzelhandels.
Derartige Ermittlungsdefizite stellen die Grundlagen der Planrechtfertigung hier
allerdings nicht in Frage, sondern sind nur für den Abwägungsvorgang von Bedeutung.
92
Allerdings ist die Kammer bei der Überprüfung des Bebauungsplans hinsichtlich einer
Verletzung des in § 1 Abs. 6 bzw. 7 BauGB verankerten Abwägungsgebots auf Mängel
beschränkt, die die Klägerin rechtzeitig geltend gemacht hat. Gem. § 215 Abs. 1 Nr. 2
BauGB in der Fassung vom 8. Dezember 1986 sind Mängel der Abwägung
unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren seit der Bekanntmachung der
Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind. Dazu
gehören nach der anzuwendenden Fassung des BauGB unterschiedslos Mängel im
Abwägungsvorgang und im Abwägungsergebnis.
93
Zwar wurde der Ausschluss des Rügerechts auch für Mängel, die das
Abwägungsergebnis betreffen, von Teilen der rechtswissenschaftlichen Literatur als
verfassungsrechtlich bedenklich gerügt,
94
vgl. Battis/ Krautzberger/ Löhr, Baugesetzbuch, 5. Aufl. 1996 (Kommentierung der hier
anzuwendenden Fassung des BauGB), Vorb. zu den §§ 214 - 216.
95
Die Vorschrift hatte ihre Rechtfertigung allerdings in der langen Rügefrist von 7 Jahren
gefunden, die den mit zunehmendem Vollzug entstehenden rechtlichen und
tatsächlichen Verhältnissen Rechnung tragen und ein berechtigtes Vertrauen der
Planbetroffenen wachsen lassen sollte.
96
Battis/ Krautzberger/ Löhr, Baugesetzbuch, 5. Aufl. 1996 (Kommentierung der hier
anzuwendenden Fassung des BauGB), § 215 Rn. 7; Lemmel in Berliner Kommentar
zum BauGB (Stand: 12. EL, Dez. 2008), § 215 Rn. 12 und 13.
97
Danach sind etwaige Mängel - wobei vieles dafür spricht, dass solche vorliegen - in der
Abwägung des Verfahrens zur 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 000 unbeachtlich.
Die erforderliche Rüge im Sinne von § 215 Abs. 1 BauGB 1986 innerhalb der
maßgeblichen Siebenjahresfrist liegt nicht vor. Auf die sich aus dem Ablauf der in § 215
Abs. 1 BauGB 1986 geregelten Fristen ergebenden Rechtsfolgen ist in
Übereinstimmung mit § 215 Abs. 2 BauGB 1986 bei der Schlussbekanntmachung der
Planänderung hingewiesen worden. Nach der Übergangsvorschrift des § 233 Abs. 2
Satz 2 BauGB in der geltenden Fassung ist die Unbeachtlichkeit möglicher Fehler auch
für die Bewertung von Bebauungsplänen nach geltendem Recht weiter maßgeblich.
98
Die 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 000 ist auch nicht wegen der unter Ziffer 5 der
textlichen Festsetzungen erfolgten Regelung für bestimmte Handwerksbetriebe mit
angeschlossenen Verkaufsflächen unwirksam.
99
Dabei ist der Plangeber mit der Festsetzung einer Gegenausnahme zu den
ausgeschlossenen Sortimentsgruppen nicht über die ihm durch das Planungsrecht
gesetzten Grenzen hinausgegangen. Die Festsetzung wird den Anforderungen des § 1
Abs. 9 BauNVO gerecht, wonach einer gegenüber § 1 Abs. 5 BauNVO feiner
differenzierenden Regelung nur „bestimmte Arten" der in den Baugebieten allgemein
oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zugänglich sind.
Dabei muss es sich, wenn bestimmte näher umschriebene Formen von (Einzelhandels-
)Betrieben einer Sonderregelung unterzogen werden sollen, um in der Realität
existierende Betriebstypen handeln.
100
Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juli 1998 - 4 BN 31.98 -, BRS 60 Nr. 29 und Beschluss vom
8. November 2004 - 4 BN 39.04 - NVwZ 2005, S. 324; OVG NRW, Urteil vom 19. August
2005 - 7 D 108/04.NE -.
101
Einem solchen, in der Realität bereits existierenden Betriebstypus entspricht die
Regelung der hier in Frage stehenden Handwerksbetriebe. Dabei wird der
Betriebstypus durch das Merkmal des Handwerksbetriebes mit angeschlossener
Verkaufsfläche und das Erfordernis der Erzeugung der angebotenen Sortimente in
eigener Herstellung bestimmt. Durch die weitere Beschreibung von
Handwerksbetrieben, die aufgrund der von ihnen ausgehenden Emissionen, die
102
typischerweise nur in einem Gewerbe- oder Industriegebiet zulässig sind, wird dagegen
der Betriebstypus nicht modifiziert. Bei diesem Merkmal handelt es sich lediglich um ein
weiteres vom Plangeber - mit städtebaulich tragfähigen Gründen - aufgestelltes
Zulässigkeitsmerkmal, um gerade emissionsträchtigen Handwerksbetrieben der
beschriebenen Art die Ansiedlung im Plangebiet zu ermöglichen. Denn solche
Handwerksbetriebe mit Verkaufsflächen als eine Art „Annex-Einzelhandel" können sich
in Zentrenlagen wegen den von ihnen ausgehenden Emissionen regelmäßig nicht
ansiedeln. Die Ansiedlung in Gewerbe- und Industriegebieten wird aber häufig wegen
eines festgesetzten weiten Einzelhandelsausschlusses unzulässig sein.
Den Bedenken der Klägerin, es sei mit der textlichen Festsetzung nicht sichergestellt,
dass eine räumliche und funktionale Unterordnung des Einzelhandels unter den
Produktionsbetrieb erfolge, ist dadurch ausreichend begegnet, dass das Sortiment aus
eigener Herstellung im Handwerk stammen muss, was regelmäßig zur Unterordnung
des Einzelhandels unter die Produktion führen wird.
103
Selbst wenn man die Regelung für Handwerksbetriebe der beschriebenen Art aber aus
den von der Klägerin dargebotenen Erwägungen für unwirksam hielte, würde diese
Unwirksamkeit nicht auch zur Nichtigkeit des unter Ziffer 5 ebenfalls geregelten
Ausschlusses verschiedener Sortimente oder gar zur Nichtigkeit der gesamten 5.
Änderung des Bebauungsplans Nr. 146 führen.
104
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des OVG NRW
führen Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, dann
nicht zu dessen Unwirksamkeit, wenn die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder
Festsetzungen - für sich betrachtet - noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im
Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und wenn die Gemeinde nach
ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gelangten Willen im Zweifel auch eine
Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte.
105
BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 - 4 C 21.07 - ZfBR 2009, S. 463; Beschlüsse vom 18.
Februar 2009 - 4 B 54.08 -, vom 29. März 1993 - 4 NB 10.91 - DVBl. 1993, S. 661 und
vom 6. April 1993 - 4 NB 43.92 - ZfBR 1993, S. 238; OVG NRW, Urteil vom 17. Januar
2006 - 10 A 3413/03 - BRS 70 Nr.9 m.w.N.
106
Diese Grundsätze lassen sich auf Festsetzungen nach § 1 Abs. 9 BauNVO übertragen,
wenn die Art der baulichen Nutzung, die in dem Baugebiet allgemein oder
ausnahmsweise zulässig oder unzulässig sein soll, mehrere Unterarten umfasst, die auf
der Grundlage von § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO jeweils Gegenstand einer selbstständigen
Festsetzung sein könnten. In solchen Fällen kann die Festsetzung ihrem Inhalt nach
teilbar sein.
107
BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 4 B 54.08 -, BauR 2009, 1102.
108
Die oben genannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der unter Ziffer 5 (erster
Absatz) des Änderungsbebauungsplans geregelte Sortimentsausschluss und die im
letzten Absatz der Ziffer 5 geregelten Gegenausnahmen sind objektiv teilbar. Der
Ausschluss von bestimmten Sortimentsgruppen des Einzelhandels kann seine
städtebauliche Steuerungsfunktion auch ohne die Gegenausnahme, mit der bestimmte
Handwerksbetriebe mit Verkaufsfläche zugelassen werden, erfüllen. Es ist auch mit der
gebotenen Sicherheit davon auszugehen, dass der Plangeber den Ausschluss der
109
Sortimentsgruppen auch dann beschlossen hätte, wenn er davon ausgegangen wäre,
dass die Gegenausnahmen nicht rechtswirksam festgesetzt werden könnten. Denn ihm
kam es aus Gründen des Schutzes des im Ortsteil F1. befindlichen Zentrums
maßgeblich darauf an, im Plangebiet den Einzelhandel mit bestimmten
zentrenrelevanten Sortimentsgruppen auszuschließen, nicht aber gerade die genannten
Arten von Handwerksbetrieben im Plangebiet zuzulassen. Aus der Planbegründung
unter Ziffer 5.1.2 wird ersichtlich, dass der Plangeber diese Betriebe auch nur unter
engen Voraussetzungen zulassen wollte, um eine Umgehung eines weiteren zentralen
Plananliegens - Verhinderung großflächigen Einzelhandels - unmöglich zu machen.
Ohne diese - ohnehin sehr enge Gegenausnahme - hätte der Plangeber aber sein
eigentliches in Ziffer 5 verfolgtes Anliegen - Verhinderung zentrenschädlichen
Einzelhandels unterhalb der Schwelle zur Großflächigkeit - in gleicher Weise verfolgt.
Auch die unter den Ziffern 1 bis 3 der textlichen Festsetzungen der
Bebauungsplanänderung vorgenommene Gliederung des Bebauungsplangebietes
gemäß § 1 Abs. 4 BauNVO unter Bezugnahme auf den Runderlass des Ministers für
Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft NW vom 21. März 1990 - V B 3 - 8804.25.1
(V Nr. 2/90) - (MBl. 1990, S. 504 - Abstandserlass 1990 -) begegnet keinen Bedenken
und führt insbesondere nicht zur Unwirksamkeit des unter Ziffer 5 vorgenommenen
Ausschlusses von Sortimentsgruppen.
110
Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 BauNVO können für die in den §§ 4 bis 9 BauNVO bezeich-
neten Baugebiete im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen
getroffen werden, die das Baugebiet nach der Art der zulässigen Nutzung (Nr. 1) und
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und
Eigenschaften (Nr. 2) gliedern.
111
Von dieser Möglichkeit hat der Änderungsbebauungsplan Gebrauch gemacht und das
Gewerbegebiet gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO in ein Gewerbegebiet (textliche
Festsetzung Ziffer 1) und zwei Industriegebiete mit den Indizes GI1 und GI2 (textliche
Festsetzungen Ziffern 2 und 3) gegliedert. In dem Gewerbegebiet, das das
Vorhabensgrundstück umfasst, sind gemäß Ziffer 1 der textlichen Festsetzungen des
Bebauungsplans Gewerbebetriebe und Anlagen der Abstandsklassen I bis VI der
Abstandsliste des Abstandserlass 1990, die in dieser Fassung Bestandteil des
Bebauungsplans ist, nicht zugelassen. Die Betriebe und Anlagen der Abstandsklassen
V und VI sind ausnahmsweise zulässig, wenn gewährleistet werden kann, dass
unzulässige Immissionen nicht auftreten. Die Ziffern 2 und 3 der textlichen
Festsetzungen treffen entsprechende Regelungen für die beiden festgesetzten
Industriegebiete.
112
Diese Festsetzungen sind nicht zu beanstanden. Die Gliederungsmöglichkeit nach den
besonderen Eigenschaften der Betriebe und Anlagen gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
BauNVO dient in besonderem Maß dem Umwelt- und Immissionsschutz. Hierbei
können Betriebe und Anlagen etwa nach ihren notwendigen Schutzabständen zu
Wohngebieten gegliedert werden, wie sie in den sog. Abstandserlassen zu den
Abständen zwischen Industrie- und Gewerbebetrieben und Wohngebieten im Rahmen
der Bauleitplanung niedergelegt sind. Die Schutzabstände berücksichtigen das
gesamte Emissionsverhalten der Betriebe und Anlagen und sind Ergebnisse der
Auswertung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und Normen sowie
Erfahrungen. Sie kennzeichnen mit dem Abstandserfordernis das Emissionsverhalten
und somit eine besondere Eigenschaft der Betriebe und Anlagen.
113
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 8 B 1864/08 -, Juris- Dokument.
114
Die dem Abstandserlass beigefügte Abstandsliste ordnet die Betriebsarten
verschiedenen Abstandsklassen zu. Dies ermöglicht es dem Plangeber, jeweils eine
oder mehrere Abstandsklassen und nicht nur einzelne Betriebe in den zu gliedernden
Bereichen als zulässig/ nicht zulässig bzw. als ausnahmsweise zulässig festzusetzen.
115
Vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Festsetzung OVG NRW, Urteile vom 24. April 1996 -
11a D 6/93.NE -, Juris-Dokument , vom 17. Oktober 1996 - 7a D 122/94.NE -, NWVBl.
1997, S. 210 , und vom 30. September 2005 - 7 D 142/04.NE -, Juris-Dokument,
Beschluss vom 17. Juni 2009 - 8 B 1864/08 -, Juris-Dokument.
116
Dabei begegnet die Regelung der in den verschiedenen Gebietsarten jeweils
zugelassenen Ausnahmen keinen durchgreifenden Bedenken. Bei der Vorschrift „...,
wenn gewährleistet werden kann, dass unzulässige Immissionen nicht auftreten."
handelt es sich um eine bestimmbare Regelung. Es ist nicht von vornherein unzulässig,
die normative Zulässigkeit einzelner Vorhaben vom Nachweis des Vorliegens weiterer,
erst im Einzelfall bestimmbarer Voraussetzungen abhängig zu machen.
117
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 8 B 1864/08 -, Juris- Dokument, zu
einem Fall, in dem Betriebe einer bestimmten Abstandklasse nur zulässig waren, wenn
der Nachweis erbracht wurde, dass durch technische Maßnahmen nur der Störgrad der
nächsten - weniger emissionsintensiven - Abstandsklasse erreicht wurde.
118
Die Anknüpfung an das Merkmal „unzulässige Emissionen" begegnet dabei keinen
Bedenken. Mit Hilfe der zu § 15 BauNVO, § 3 BImSchG vorliegenden Regelwerke und
der ergangenen Rechtsprechung lässt sich im jeweiligen Einzelfall unter
Berücksichtigung von u.a. Art des Vorhabens, seiner Anordnung und Abständen zu
schutzbedürftigen baulichen Nutzungen dessen Zulässigkeit auf Grundlage der
vorliegenden planerischen Festsetzungen bestimmen.
119
Einer entsprechenden Technik bedient sich auch der Normgeber der BauNVO, indem
bspw. in den Vorschriften § 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Vorhaben für zulässig
erklärt werden, die „nicht (wesentlich) stören" oder in § 4a Abs. 3 Nr. 2 die Zulassung
von der ausschließlichen (auch immissionsrechtlichen) Zulässigkeit in einem anderen
Baugebiet (Kerngebiet) abhängig gemacht wird. Auch in diesen Konstellationen bedarf
die Prüfung normativer Zulässigkeit noch einer Überprüfung der emissionsrechtlichen
Situation im konkreten Fall.
120
Die Wirksamkeit des unter Ziffer 4 geregelten Ausschlusses von Spielhallen und
Bordellen im festgesetzten Gewerbegebiet kann dahinstehen. Denn die Nichtigkeit der
Festsetzung würde entsprechend den oben gemachten Ausführungen nicht die
Nichtigkeit der Festsetzung unter Ziffer 5 erfassen.
121
Soweit die in Frage stehende Bebauungsplanänderung neben den bereits oben
erörterten Fehlern weitere Fehler in der Abwägung enthalten sollte, wären diese
ebenfalls nach § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB 1986 unbeachtlich.
122
Es ist auch nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Bebauungsplan Nr.
000 in seiner Ursprungsfassung nicht ordnungsgemäß zustandegekommen sein könnte.
123
Soweit die 10. Kammer des erkennenden Gerichts in ihrem Urteil vom 22. Dezember
1982 - 10 K 3885/81 - im Hinblick auf die ungenaue Umschreibung des Plangebiets in
der Bekanntmachung des Planaufstellungsbeschlusses und in der
Schlussbekanntmachung Zweifel an der Wirksamkeit des Bebauungsplans geäußert
hat, greifen diese nicht durch.
124
Die Anforderungen der nachfolgend ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung,
wonach es genügt, wenn die Bekanntmachung zur Kennzeichnung des Plangebietes an
geläufige geographische Bezeichnungen anknüpft - etwa durch schlagwortartige
Angabe von geläufigen Namen -, um dem Informationsinteresse des Bürgers genügen
zu können,
125
vgl. BVerwG, Urteile vom 10. August 2000 - 4 CN 2.99 - und vom 6. Juli 1984 - 4 C
22.80 -,
126
sind eingehalten.
127
II. Das Vorhaben der Klägerin kann auch nicht im Wege einer Befreiung von den
Festsetzungen des Bebauungsplans zugelassen werden. Die Voraussetzungen des §
31 Abs. 2 BauGB liegen nicht vor. Danach kann von den Festsetzungen des
Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt
werden, u.a. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist und die Abweichung auch
unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
128
Bei der Frage, ob ein den planerischen Festsetzungen widersprechendes Vorhaben im
Wege der Befreiung zugelassen werden kann, ist der Rechtsnormcharakter des als
Satzung zu beschließenden Bebauungsplans zu beachten. Der Gesetzgeber stellt mit §
31 Abs. 2 BauGB ein Instrument zur Verfügung, das trotz der Bindung an die
Festsetzungen des Bebauungsplans im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit und der
Wahrung der Verhältnismäßigkeit für Vorhaben, die den Festsetzungen zwar
widersprechen, sich mit den planerischen Vorstellungen aber gleichwohl in Einklang
bringen lassen, ein Mindestmaß an Flexibilität schafft. Nur Planfestsetzungen, die - wie
regelmäßig - ein Mindestmaß an Abstraktion oder Verallgemeinerungen enthalten,
rechtfertigen die Erteilung einer Befreiung.
129
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. März 1999 - 4 B 5.99 -, BRS 62 Nr. 99; OVG NRW,
Urteil vom 20. Februar 2004 - 10 A 4840/01 -, BRS 67 Nr. 84.
130
Die Festsetzungen des Bebauungsplans sind für die Bauverwaltung grundsätzlich strikt
verbindlich. Durch das Erfordernis der Wahrung der Grundzüge der Planung stellt der
Gesetzgeber sicher, dass die Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht beliebig
durch Verwaltungsakt außer Kraft gesetzt werden dürfen. Die Regelungen für die
Änderung von Bebauungsplänen dürfen nicht durch eine großzügige Befreiungspraxis
aus den Angeln gehoben werden. Die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach §
1 Abs. 8 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde.
131
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. März 1999 - 4 B 5.99 -, BRS 62 Nr. 99.
132
Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt entscheidend davon ab, ob die
Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das
133
Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung
der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Die
Befreiung kann nicht als Instrument dafür eingesetzt werden, die von der Gemeinde
getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben.
Vgl. OVG NW, Urteil vom 20. Februar 2004 - 10 A 4840/01 -, BRS 67 Nr. 84.
134
Wenn die planerischen Festsetzungen, von denen befreit werden soll, für die
Plankonzeption tragend sind, sind sie nicht befreiungsfähig, was vor allem für
Festsetzungen in einem Bebauungsplan gilt, die den Gebietscharakter nach der Art und
dem Maß der baulichen Nutzung betreffen.
135
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Mai 2004 - 4 B 45.04 -, Juris- Dokument.
136
Ausgehend von diesen Grundsätzen berührt die Errichtung eines
Lebensmitteleinzelhandelsmarktes die Grundzüge der Planung. Denn diese ist mit der
hier zur Überprüfung stehenden Änderungsplanung mit einem Schwerpunkt gerade auf
die Freihaltung des Plangebietes u.a. von Lebensmitteleinzelhandel gerichtet.
137
Die Klage war demnach abzuweisen.
138
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
139
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§
708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
140
141