Urteil des VG Gelsenkirchen vom 17.09.2010

VG Gelsenkirchen (beurteilung, efv, antragsteller, stelle, bewerbung, ergebnis, teilnahme, amt, verwaltungsgericht, eignung)

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 1 L 666/10
Datum:
17.09.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 666/10
Schlagworte:
Stellenbesetzung, Lehrer, stellvertretender Schulleiter,
Eignungsfeststellungsverfahren
Tenor:
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung
aufgegeben, die Stelle der stellvertretenden Schulleiterin/des
stellvertretenden Schulleiters am Gymnasium N. in F. nicht zu besetzen
und der ausgewählten Mitbewerberin eine Ernennungsurkunde nicht
auszuhändigen, bis über den Antrag des Antragstellers auf Vergabe der
Stelle an ihn neu unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
entschieden worden ist.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Der in der Antragsschrift vom 24. Juni 2010 enthaltene, aus dem Beschlussausspruch
zu 1. ersichtliche Antrag des Antragstellers hat Erfolg.
2
Der Antragsteller hat neben einem Anordnungsgrund auch das Vorliegen eines
Anordnungsanspruchs gemäß § 123 Abs. 1 und 3 VwGO in Verbindung mit § 920 ZPO
glaubhaft gemacht.
3
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung der Rechte des Antragstellers
ist dann gerechtfertigt, wenn die Verletzung seines Rechts auf ermessensfehlerfreie
Entscheidung über das letztlich mit der einstweiligen Anordnung verfolgte
Stellenbesetzungsbegehren glaubhaft gemacht ist und die Möglichkeit besteht, dass die
noch zu treffende rechtmäßige Auswahlentscheidung zur Besetzung der Stelle mit dem
Antragsteller führen kann.
4
Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR
857/02 -, DÖD 2003, 17; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
(OVG NRW), Beschlüsse vom 4. September 2001 - 1 B 205/01 -, www.nrwe.de, und
vom 13. September 2001 - 6 B 1776/00 -, DÖD 2001, 316.
5
Bei der Entscheidung darüber, welchem von mehreren in Betracht kommenden
Beamten eine Beförderungsstelle übertragen wird, ist das Prinzip der Bestenauslese zu
beachten. Der Dienstherr hat Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber
zu bewerten und zu vergleichen (vgl. Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 des Beamtenstatusgesetzes
- BeamtStG -, § 20 Abs. 6 LBG). Ist ein Bewerber besser qualifiziert, darf er nicht
übergangen werden. Für die Auswahl sind in erster Linie aktuelle Beurteilungen
maßgebend, die den aktuellen Leistungsstand wiedergeben.
6
Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31/01 -, DÖD 2003, 200, und vom
27. Februar 2003 - 2 C 16/02 -, DÖD 2003, 202; OVG NRW, Beschluss vom 27. Februar
2004 - 6 B 2451/03 -, NVwZ-RR 2004, 626.
7
Diesen Grundsätzen folgend hat der Antragsgegner im Rahmen des Auswahlverfahrens
seiner Entscheidung sowohl für den Antragsteller als auch für die Beigeladene deren
jeweils aktuellen dienstlichen Beurteilungen zugrunde gelegt. Die berücksichtigte
Beurteilung des Antragstellers datiert vom 4. Januar 2010, die der Beigeladenen vom
15. März 2010.
8
Zu Unrecht ist der Antragsgegner von der uneingeschränkten Vergleichbarkeit der
beiden Beurteilungen ausgegangen und hat der Beigeladenen aufgrund des von ihr
erzielten Gesamturteils "Die Leistungen übertreffen die Anforderungen in besonderem
Maße" den Vorrang gegenüber dem Antragsteller eingeräumt, dessen Gesamturteil
lediglich "Die Leistungen übertreffen die Anforderungen" lautet. Für die hier angestrebte
Stelle der stellvertretenden Schulleiterin/des stellvertretenden Schulleiters (BesGr. A 15
FN 7 BBesO) am Gymnasium N. in F. bietet die dienstliche Beurteilung des
Antragstellers vom 4. Januar 2010 jedoch keine aussagekräftige Auswahlgrundlage,
weil sie aus Anlass der Teilnahme des Antragstellers am
Eignungsfeststellungsverfahren am 9. und 10. November 2009 erstellt wurde. Diese
Beurteilung des Antragstellers basiert auf dem Runderlass des Ministeriums für Schule
und Weiterbildung vom 25. November 2008 - 412-6.07.01-5216 - "Bewerbung von
Lehrerinnen und Lehrern um ein Amt als Schulleiterin oder als Schulleiter;
Eignungsfeststellungsverfahren und dienstliche Beurteilung" - BASS 21 - 01 Nr. 30 - (im
Folgenden: Runderlass). Darin ist geregelt, dass Lehrkräfte, die sich um ein Amt als
Schulleiterin oder als Schulleiter bewerben möchten, vor ihrer Bewerbung an einem
Verfahren zur Feststellung ihrer Eignung (Eignungsfeststellungsverfahren - EFV)
teilnehmen. Zum EFV werden nach Nr. 2 des Runderlasses Lehrkräfte aus dem
Schuldienst oder Ersatzschuldienst des Landes zugelassen, die an der staatlichen
Schulleitungsqualifizierung oder an einer gleichwertigen staatlichen Fortbildung für
stellvertretende Schulleiterinnen und Schulleiter teilgenommen haben. Nach seiner
Teilnahme in der Zeit vom 24. März 2009 bis 18. Oktober 2009 an einem Zertifikatskurs
zur Qualitätserweiterung für potentielle Schulleiter im Umfang von 104 Stunden hat der
Antragsteller das zu durchlaufende zweitägige EFV mit dem Ergebnis "Die Leistungen
übertreffen die Anforderungen" bestanden. Seine unter dem 4. Januar 2010 erstellte
dienstliche Beurteilung stellt den Abschluss des EFV dar. Nach Nr. 10 des
Runderlasses sind Lehrkräfte, die das EFV erfolgreich absolviert haben, unverzüglich
unabhängig von der Bewerbung um ein konkretes Schulleitungsamt gemäß Nr. 3.1.2
9
der Beurteilungsrichtlinien für die Lehrkräfte (BASS 21 - 02 Nr. 2) durch die Obere
Schulaufsicht dienstlich zu beurteilen. Grundlagen der dienstlichen Beurteilung und der
darin zu bildenden Gesamtnote sind dabei das Ergebnis des EFV und ein
Leistungsbericht der Schulleiterin oder des Schulleiters, der auch auf Koordinierungs-
und Leitungstätigkeiten eingeht, die im Beurteilungszeitraum erbracht worden sind. Es
ist schon fraglich, ob der vom Schulleiter des K. -L. -Gymnasiums in I. °° T. unter dem
26. November 2009 erstellte Leistungsbericht eine ausreichende Bewertung der
Koordinierungs- und Leitungstätigkeiten des Antragstellers im Beurteilungszeitraum
enthält und damit den Anforderungen des Runderlasses genügt. Der Leistungsbericht
bewertet in erster Linie die Leistungen des Antragstellers als Lehrer, Leitungs- und
Koordinierungs-tätigkeiten sind dort nur insoweit erwähnt, als es um die Fähigkeit zur
Beratung anderer Lehrerinnen und Lehrer geht; die Fähigkeit zur Gesprächsleitung in
der Form der Leitung einzelner Tagesordnungspunkte auf Lehrerkonferenzen konnte
durch den Schulleiter wegen fehlender Erkenntnisse nicht bewertet werden.
Jedenfalls unterscheiden sich die Bewertungsgrundlagen der am Ende des EFV
erstellten Beurteilung grundlegend von denen einer dienstlichen Beurteilung anlässlich
der Bewerbung um eine stellvertretende Schulleiterstelle. Erst nach Durchlaufen der
staatlichen Schulleiterqualifizierung ist überhaupt eine Teilnahme am EFV möglich.
Ferner fließt das Ergebnis des EFV entsprechend Nr. 10 Abs. 2 des Erlasses in die am
Ende des EFV zu erstellende dienstliche Beurteilung ein. Dementsprechend hat das
von dem Antragsteller im EFV erzielte Ergebnis "Die Leistungen übertreffen die
Anforderungen" maßgeblichen Einfluss auf das Beurteilungsergebnis genommen, das
hier dem Qualifikationsvergleich zugrunde gelegt wurde. Das Gewicht des Ergebnisses
des EFV für die nach erfolgreichem Abschluss des EFV zu fertigende dienstliche
Beurteilung kommt in Nr. 10 Abs. 3 des Runderlasses zum Ausdruck, wonach bei
festgestellter Abweichung zwischen dem Ergebnis des EFV und dem Leistungsbericht
des Schulleiters das Einholen weiterer Erkenntnisse für die dienstliche Beurteilung
zwingend erforderlich ist. Dies ist sinnvoll bei einer dienstlichen Beurteilung, die nach
Teilnahme am EFV abschließend die Schulleitungsqualifikation des zu beurteilenden
Beamten feststellt.
10
Demgegenüber geht es vorliegend nicht um die Auswahlentscheidung für eine
Schulleitungsstelle, sondern lediglich für eine stellvertretende Schulleiterstelle. Auch
wenn nach § 60 Abs. 1 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (SchulG)
die ständige Stellvertreterin oder der ständige Stellvertreter der Schulleitung angehören
und sowohl bei der Beurteilung des Antragstellers als auch bei der Beurteilung der
Beigeladenen die "Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Lehrkräfte sowie der
Leiterinnen und Leiter an öffentlichen Schulen und Studienseminaren vom 2. Januar
2003" (BASS 21 - 02 Nr. 2) Anwendung gefunden haben, stellt der Runderlass
jedenfalls während der Erprobungsphase bis zum 31. Dezember 2010 an einen
Beamten im Hinblick auf seine Bewerbung zum Schulleiter besondere Anforderungen,
indem er als eine wesentliche Anforderung das Durchlaufen des EFV vorschreibt.
Ausdrücklich bezieht der Erlass nicht Bewerber um stellvertretende Schulleiterstellen
ein, die nach Funktion und zugeordnetem Statusamt den Schulleiterstellen regelmäßig
nachstehen.
11
Daher scheidet die Beurteilung des Antragstellers vom 4. Januar 2010, die - abgesehen
von einigen Leistungselementen - allenfalls ausschließlich über seine Eignung als
Schulleiter Auskunft gibt, unabhängig davon, ob das EFV überhaupt rechtlich Bestand
haben kann,
12
siehe dazu VG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Juli 2010 - 2 L 523/10 -, www.nrwe.de
13
als Grundlage für den hier anzustellenden Leistungsvergleich mit der Beigeladenen
aus.
14
Ob darüber hinaus einer Berücksichtigung der dienstlichen Beurteilung des
Antragstellers vom 4. Januar 2010, die noch nicht in Bestandskraft erwachsen ist, ein
Verstoß gegen Nr. 5.1 Satz 1 der Beurteilungsrichtlinien entgegenstehen könnte, weil
vor ihrer Abfassung, soweit ersichtlich, kein Beurteilungsgespräch mit dem Antragsteller
geführt worden ist,
15
siehe dazu OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2009 - 6 A 1236/07 -, juris
16
bedarf daher keiner weiteren Entscheidung.
17
Wegen fehlender Aussagekraft der Beurteilung für die hier angestrebte Stelle des
stellvertretenden Schulleiters hätte daher für den Antragsteller eine der Beurteilung der
Beigeladenen entsprechende Anlassbeurteilung gefertigt werden müssen.
18
Es ist auch nicht auszuschließen, dass sich eine Beseitigung dieses Mangels zu
Gunsten des Antragstellers auswirken kann, da er in der voraufgegangen Beurteilung
anlässlich seiner Bewerbung um eine A 14-Stelle in der Beurteilung vom 30. September
2002 - damals allerdings noch in einem Amt der Besoldungsgruppe A 13 - bereits die
Bestnote erhalten hatte.
19
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie zwar im
Verfahren eine Stellungnahme abgegeben, aber keinen ausdrücklichen Antrag gestellt
und sich damit nicht dem Kostenrisiko unterworfen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
20
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 GKG.
21
22