Urteil des VG Gelsenkirchen vom 05.07.2010

VG Gelsenkirchen (aufschiebende wirkung, öffentliches interesse, privates interesse, eugh, interesse, verwaltungsgericht, internet, bundesverfassungsgericht, wahrscheinlichkeit, vollziehung)

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 L 633/10
Datum:
05.07.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 L 633/10
Schlagworte:
Sportwetten
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe:
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Der sinngemäß gestellte Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 2523/10 gegen die Ordnungsverfügung des
Antragsgegners vom 1. Juni 2010 anzuordnen,
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hat keinen Erfolg, da das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der
Untersagungsverfügung und ihrer alsbaldigen Durchsetzung das private Interesse des
Antragstellers überwiegt, auch künftig Sportwetten an ausländische Veranstalter zu
vermitteln, die in Nordrhein-Westfalen über keine Erlaubnis zur Veranstaltung von
Sportwetten verfügen und denen gemäß § 10 Abs. 5 i. V. m. Abs. 2 des seit 1. Januar
2008 geltenden Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland -
Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) - auch keine Erlaubnis erteilt werden kann.
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Der Antragsgegner hat seine Verfügung zu Recht auf § 9 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 Nr. 3
GlüStV gestützt. Sie ist auch mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig, wie die Kammer
in vergleichbaren Klageverfahren bereits entschieden hat
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vgl. u.a. Urteil vom 11. November 2009 - 7 K 1609/07 -, nrwe.de.
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Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe dieser Entscheidung
verwiesen.
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Ebenso: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom
18. Februar 2009 - 4 B 298/08 - (juris), 18. November 2009 - 4 B 1447/09 - und 15. März
2010 - 4 B 63/10 -.
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Die dortige Einschätzung, dass die jetzt geltenden Regelungen den
verfassungsrechtlichen und auch gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an eine
rechtlich und tatsächlich konsistente, suchtpräventive Ausgestaltung des staatlichen
Sportwettmonopols entspricht, hat das Bundesverfassungsgericht jedenfalls für den
Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes im Nichtannahmebeschluss vom 20. März
2009 - 1 BvR 2410/08 - (juris) bestätigt.
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Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 8. September 2009 zum
portugiesischen Recht
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Urteil vom 8. September 2009, Rechtssache C-42/07, juris, -
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stellt das in Nordrhein-Westfalen und in der Bundesrepublik allgemein geltende
staatliche Sportwettmonopol ebenfalls nicht in Frage, sondern betont die Notwendigkeit,
unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Werteordnungen in den Mitgliedsstaaten
Maßnahmen zum Schutz ihrer eigenen Interessen auf dem Glücksspielsektor zu treffen,
die es u.a. erlauben, Wirtschaftsteilnehmern anderer Mitgliedsstaaten in Portugal das
Anbieten von Glücksspielen über das Internet zu verbieten, um der Betrugskriminalität
bei Offerten über das Internet zu begegnen, wie dies das portugiesische Recht vorsieht.
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Vgl. EuGH, a.a.O., Rdnr. 57, 62 f, 70 f und Tenor der Entscheidung.
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Entsprechendes gilt für die jüngsten Entscheidungen des EuGH vom 3. Juni 2010 zum
niederländischen Glücksspielmonopol, in denen der EuGH ebenfalls aus Art. 49 EG
keinen Hinderungsgrund dafür sieht, dass ein Mitgliedsstaat die Veranstaltung und
Förderung von Glücksspielen einer Ausschließlichkeitsregelung zugunsten eines
einzigen Veranstalters unterwirft und es allen anderen - auch den in einem anderen
Mitgliedsstaat ansässigen - Veranstaltern untersagt, in seinem Hoheitsgebiet von dieser
Regelung erfasste Dienstleistungen über das Internet anzubieten.
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Vgl. EuGH, Urteile vom 3. Juni 2010 in den Rechtsachen C- 258/08, Rdnr. 58 und C-
203/08, juris.
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Ergänzend weist der EuGH in diesen Entscheidungen darauf hin, dass für die
nationalen Gerichte bei Anwendung einer mit Art. 49 EG vereinbaren
mitgliedsstaatlichen Regelung über Glücksspiele keine Verpflichtung besteht, in jedem
Einzelfall zu prüfen, ob die Durchführungsmaßnahme, die die Einhaltung der Regelung
sicherstellen soll, zur Erreichung der mit dieser verfolgten Ziele geeignet ist und dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, sofern diese Maßnahme unerlässlich ist,
um die praktische Wirksamkeit der Regelung sicherzustellen und keine zusätzliche
Beschränkung gegenüber derjenigen enthält, die sich aus dieser Regelung ergibt.
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vgl. EuGH, Urt. vom 3. Juni 2010, C-203/08, a.a.O., Rdnr. 41 ff, 50.
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Vor diesem Hintergrund fällt die vorzunehmende Abwägung des öffentlichen
Vollzugsinteresses gegenüber dem Interesse des Antragstellers, der
Untersagungsverfügung bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache nicht
nachkommen zu müssen, zu seinen Ungunsten aus. Ist - wie in Nordrhein-Westfalen -
das bestehende staatliche Wettmonopol nach der ab dem 1. Januar 2008 geltenden
Rechtslage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit an den Vorgaben ausgerichtet
worden, die das Bundesverfassungsgericht und der EuGH aufgestellt haben, darf die
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Vermittlung privater Sportwetten unterbunden werden. Dass ein besonderes öffentliches
Interesse an der sofortigen Vollziehung solcher Maßnahmen besteht, ergibt sich schon
aus § 9 Abs. 2 GlüStV, wonach Rechtsmittel grundsätzlich keine aufschiebende
Wirkung haben. Diese Wertung entspricht dem mit der Neuregelung verfolgten Ziel einer
wirksamen Bekämpfung der Wett- und Spielsucht und ist im Interesse einer kohärenten
Glücksspielpolitik geboten. Umgekehrt besteht an der Fortsetzung voraussichtlich
illegaler Tätigkeiten und der Erzielung von Gewinnen aus solchen Tätigkeiten kein
schützenswertes privates Interesse.
Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20. März 2009 - 1 BvR 2410/08 -, a. a.
O.
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Besondere Umstände des Einzelfalls, die vorliegend eine andere Interessenabwägung
zugunsten des Antragstellers rechtfertigen könnten, sind nicht vorgetragen worden und
auch sonst nicht ersichtlich.
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Die Androhung des Zwangsgeldes ist auch der Höhe nach mit Rücksicht auf die mit
Betrieben dieser Art zu erzielenden Gewinne rechtlich nicht zu beanstanden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung; die
Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 des
Gerichtskostengesetzes und entspricht der Praxis in Verfahren der vorliegenden Art.
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