Urteil des VG Gelsenkirchen vom 03.07.2007

VG Gelsenkirchen: aufschiebende wirkung, veranstalter, gemeinschaftsrecht, eugh, kommission, androhung, spiel, berufsfreiheit, veranstaltung, zwangsgeld

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 L 654/07
Datum:
03.07.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 L 654/07
Schlagworte:
Sportwetten
Normen:
SportWettG NRW § 1, StGB § 284, EGV Art. 43, 49
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
Der Streitwert wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag,
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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die
Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 23. Mai 2007 wiederherzustellen bzw.
bezüglich der Androhung von Zwangsgeld anzuordnen,
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ist zulässig, aber nicht begründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen
Vollziehung der Untersagungsverfügung und ihrer alsbaldigen Durchsetzung überwiegt
das private Interesse des Antragstellers, auch künftig Sportwetten an Veranstalter
vermitteln zu dürfen, die über keine Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten nach §
1 des Sportwettengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - SportWettG - vom 3. Mai
1955 (SGV NRW 7126) verfügen.
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Die Kammer hat in zahlreichen vorausgegangenen Beschlüssen in Parallelverfahren
entschieden, dass
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die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten an Veranstalter, die in Nordrhein-
Westfalen keine Erlaubnis hierfür haben und deshalb gegen das in § 284 StGB
normierte Verbot verstoßen, mit der durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - www.bverfg.de, NJW 2006, 1261 geschaffenen
Rechtslage übereinstimmt;
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die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene fachgerichtliche Auslegung des
derzeit in Bayern geltenden Rechts, wonach das staatliche Wettmonopol mit dem
Grundgesetz nicht vereinbar ist, der Rechtslage in Nordrhein-Westfalen entspricht und
die Ausführungen insoweit übertragbar sind.
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So jetzt auch ausdrücklich für Nordrhein-Westfalen: Bundesverfassungsgericht,
Beschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 BvR 2428/06 -, NJW 2007, 1521.
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Vor dem Hintergrund, dass das Bundesverfassungsgericht die bestehende Rechtslage
übergangsweise bis spätestens Ende 2007 für anwendbar erklärt hat, um dem
Bundesgesetzgeber und/oder Landesgesetzgebern Gelegenheit zu geben, das
bestehende Regelungsdefizit zu beseitigen, namentlich die Behörden ermächtigt hat,
weiter ordnungsrechtlich gegen verbotene Wettunternehmen und die Vermittlung von
Wetten, die nicht von den jeweiligen Ländern veranstaltet werden, einzuschreiten, hat
die Kammer ferner entschieden, dass
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das vom Bundesverfassungsgericht für die Übergangszeit geforderte Mindestmaß an
Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der
Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des staatlichen
Wettmonopols andererseits bereits im Ansatz nachdrücklich verfolgt wird, teilweise
durch konkrete Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen umgesetzt ist und
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die bisher in Nordrhein-Westfalen getroffenen Maßnahmen angesichts der Kürze der
Zeit seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausreichen, um den
verfassungsrechtlichen Anforderungen an die zulässige Beschränkung der
Berufsfreiheit zu genügen;
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durch die Umsetzung der vom Bundesverfassungsgericht für die Übergangszeit
geforderten Maßnahmen auch eine mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht
vereinbare Situation geschaffen wird
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und
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unabhängig von den Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren das öffentliche
Vollzugsinteresse das private Interesse der Wettanbieter überwiegt, weil von
Sportwetten ein erhebliches Suchtpotential ausgeht und die Bekämpfung der Spiel- und
Wettsucht zu den besonders wichtigen Gemeinwohlzielen zählt und dem angesichts der
seit langem unklaren Rechtslage kein schützenswertes Vertrauen des Betreibers von
Wettbüros gegenübersteht.
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Vgl. Beschlüsse der Kammer vom 29. Mai 2006 - 7 L 701/06 u. a. - und vom 23. Juni
2006 - 7 L 854/06 u. a. -.
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An dieser Rechtsprechung, die im Ergebnis vom Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen bestätigt worden ist,
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Oktober 2006 - 4 B 1060/06 -, vgl. auch Beschluss
vom 18. April 2007 - 4 B 1246/06 - S. 12 zum Urteil des EuGH in der Rechtssache C-
338/04 Placanica u. a.,
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hält die Kammer auch nach Auswertung zahlreicher Beschwerdeschriften in den
vorausgegangenen Parallelverfahren und unter Würdigung der zeitlich nachfolgenden
Rechtsprechung fest. Auch unter Berücksichtigung der jüngsten Entscheidung des
EuGH (Urteil vom 6. März 2007 - C-338/04 u. a., Q. u. a.) bleibt es dabei, dass durch die
Umsetzung der vom Bundesverfassungsgericht für die Übergangszeit geforderten
Maßnahmen zugleich eine mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbare
Situation geschaffen wird. Eine andere Beurteilung ist auch durch die Auffassung der
Kommission im EU-Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2003/4350 einerseits und ihrer
Stellungnahme zum Entwurf des Lotteriestaatsvertrages der Bundesrepublik
Deutschland (Notifizierung 2006/658D) andererseits nicht geboten. Die im
Vertragsverletzungsverfahren dargestellte Ansicht der Kommission teilt die Kammer wie
dargelegt nicht. Soweit sich die letztgenannte Stellungnahme auf eine zukünftige, durch
den geplanten Lotteriestaatsvertrag noch zu schaffende Rechtslage bezieht, hat dies
keine durchgreifende Relevanz für die aktuell zu beurteilende Rechtslage.
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Diese Rechtsauffassung hat die Kammer inzwischen auch in mehreren Klageverfahren
durch Urteile vom 25. April 2007 untermauert.
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Vgl. z.B.: 7 K 3604/06, www.nrwe.de
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Besonderheiten, die im vorliegenden Fall eine abweichende Entscheidung rechtfertigen
könnten, sind nicht gegeben.
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Die Androhung des Zwangsgeldes ist auch der Höhe nach mit Rücksicht auf die mit
Betrieben dieser Art zu erzielenden Gewinne rechtlich nicht zu beanstanden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung, die
Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 des
Gerichtskostengesetzes und entspricht der Praxis in Verfahren der vorliegenden Art.
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