Urteil des VG Gelsenkirchen vom 27.10.2009

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 5 L 1127/09
Datum:
27.10.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 L 1127/09
Schlagworte:
Außenbereich, Freizeitpark, Rücksichtnahmegebot,
Geräuschimmissionen, Lärmquellen, Interessenabwägung,
Nachbarstreitverfahren
Normen:
TA-Lärm; TA-Lärm Nr. 6, TA-Lärm Nr. A.3, Freitzeitlärmrichtlinie,
Freizeitlärmrichtlinie Nr. 3, BauGB § 35 Abs. 3
Leitsätze:
Ein Nachbar, der ein Grundstück angrenzend an einen Freizeitpark
erwirbt, muss deutlich höhere Lärmimmissionen hinnehmen.
Unklarheiten in einem Geräuschimmissionsgutachten hinsichtlich der
festgestellten Lärmimmissionen können nur in einem
Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig
sind, als Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
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Der sinngemäß gestellte Antrag der Antragsteller,
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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der
Beigeladenen vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die
Durchführung von Halloween - Veranstaltungen am 23., 24., 29., 30. und 31. Oktober
2009 zu untersagen,
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hat insgesamt keinen Erfolg.
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Soweit die Antragsteller vom Antragsgegner die vorläufige Untersagung der Halloween-
Veranstaltungen im Freizeitpark der Beigeladenen am 23. und 24. Oktober 2009
begehren, ist der Antrag bereits unzulässig. Eine Untersagung dieser bereits
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stattgefundenen Veranstaltungen ist nicht mehr möglich. Verfahrensbeendigende
Erklärungen haben die Antragsteller diesbezüglich nicht abgegeben.
Hinsichtlich der vorläufigen Untersagung der Halloween-Veranstaltungen am 29., 30.
und 31. Oktober 2009 haben die Antragsteller nicht nach § 123 VwGO i.V.m. §§ 920
Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung glaubhaft gemacht, dass ihnen ein
Anordnungsanspruch zusteht. Denn aus den von ihnen zur Verfügung gestellten
Unterlagen ergibt sich ein solcher nicht zweifelsfrei.
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Die Antragsteller berufen sich zur Begründung der Rücksichtslosigkeit der Halloween-
Veranstaltungen wegen unzumutbarer Lärmbelästigungen auf das Lärmgutachten des
Akustikbüros P. vom 19. Oktober 2009, das auf der Grundlage einer am 16. Oktober
2009 in der Zeit von 20.30 Uhr bis 22.00 Uhr durchgeführten Lärmmessung erstellt
worden ist. Danach kommt der Gutachter für den werktäglichen Ruhezeitraum von 20.00
Uhr bis 22.00 Uhr für das Grundstück der Antragsteller am maßgeblichen Immissionsort
zu einem Beurteilungspegel von 73,5 dB(A), gerundet 74 dB(A). Es bestehen jedoch
mehrere Unklarheiten hinsichtlich der Richtigkeit dieses Wertes, deren Aufklärung
einem Hauptsacheverfahren vorbehalten werden muss. So erscheint es fraglich, ob der
Gutachter auf den Mittelungspegel von 58,3 dB(A), der sich aus sämtlichen am
Immissionsort gemessenen Geräuschen errechnete, einen Zuschlag von 6 dB(A) für
Ton- und Informationshaltigkeit und von 9,2 dB(A) für Impulshaltigkeit gemäß Nrn. 2.10,
A.3.3.5 und A.3.3.6 der TA-Lärm, die nach Nr. 3 der Freizeitlärmrichtlinie für die
Bewertung der Geräuschimmissionen Anwendung findet, hinzurechnen durfte.
Diesbezüglich bedarf der vom Gutachter errechnete Taktmaximal-Mittelungspegel der
zugrunde gelegten Geräuschspitzen näherer Überprüfung. Auch erscheint es fraglich,
ob die Zuschläge auf die gesamten gemessenen Lärmimmissionen gerechtfertigt sind
oder nur auf einzelne Lärmquellen, wie sie in dem Lärmkataster des TÜV-Nord vom 18.
Mai 2009 in Ansatz gebracht werden. Weiterhin wurde in dem Lärmgutachten vom 19.
Oktober 2009 kein Messabschlag von 3 dB(A) gemäß Nr. 6.9 TA-Lärm in Abzug
gebracht. Ob darüber hinaus auch noch die vom Antragsgegner hinsichtlich des
Lärmgutachtens in seinem Schriftsatz vom 23. Oktober 2009 aufgeworfenen Fragen zum
Tragen kommen und welches Ergebnis die am 23. Oktober 2009 durch das
Sachverständigenbüro ISRW Dr. L. durchgeführte Lärmmessung erbracht hat, kann
dahinstehen.
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Schon danach erscheint es insgesamt mehr als fraglich, ob es durch die Halloween-
Veranstaltungen zu einer derartig hohen Überschreitung des vom Gutachter zugrunde
gelegten Richtwertes von 55 dB(A) kommt. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die
Antragsteller das Grundstück in Kenntnis der Errichtung des benachbarten Freizeitparks
erworben haben, so dass von ihnen deutlich höhere Lärmimmissionen hinzunehmen
sind, als die für den Außenbereich ansonsten herangezogenen Richtwerte für Kern-,
Dorf- und Mischgebiete, ohne dass es an dieser Stelle einer genauen Festlegung
bedarf.
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Die deshalb dem Gericht allein mögliche sogenannte offene Interessenabwägung fällt
zu Lasten der Antragsteller aus. Die Beigeladene führt die Halloween-Veranstaltungen
bereits seit über zehn Jahren durch. Auch die diesjährigen Veranstaltungen werden seit
längerem überregional beworben. Eine Untersagung unmittelbar vor den langfristig
geplanten Veranstaltungen wäre für die Beigeladene mit kaum zu bewältigenden
organisatorischen Problemen und erheblichen finanziellen Verlusten verbunden.
Demgegenüber ist nicht erkennbar, dass die Antragsteller, die seit Jahren in
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Nachbarschaft zum Park der Beigeladenen wohnen, durch die Veranstaltungen
derartige Nachteile erleiden, dass diese ihnen nicht weitere drei Tage zugemutet
werden können.
Deshalb ist der Antrag abzulehnen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da diese keinen Antrag gestellt
und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs.1,53 Abs. 2 Nr. 1 GKG und orientiert
sich an dem Interesse der Antragsteller am vorläufigen Rechtsschutz unter
Berücksichtigung des vorläufigen Charakters dieses Verfahrens.
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