Urteil des VG Gelsenkirchen vom 28.05.2009

VG Gelsenkirchen: grundstück, kontrolle vor ort, bisherige nutzung, lärm, verkehr, handel, konkretisierung, betreiber, behörde, wohngebäude

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 10 K 584/06
Datum:
28.05.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 584/06
Schlagworte:
Bestimmtheit der Baugenehmigung, An- und Abfahrtsverkehr,
Konkretisierung, LKW-Verkehr, Immissionsrichtwerte, Mischgebiet,
Untätigkeitsklage, Antrag auf Einschreiten
Normen:
§ 6 BauNVO, § 75 VwGO
Tenor:
Die dem Beigeladenen zu 1. erteilte Genehmigung des Beklagten vom
12. Januar 2005 zur Nutzungserweiterung des Betriebsgebäudes auf
dem Grundstück S. Straße 240a in E. und der Widerspruchsbescheid
der Bezirksregierung B. vom 19. Januar 2006 werden aufgehoben.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur
Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen
zu 1. bis 3., die diese selbst tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet
Tatbestand:
1
Der Beigeladene zu 1. war bis zum Jahr 2008 Eigentümer des Grundstücks Gemarkung
E. , Flur 00, Flurstück 000 unter der Anschrift S. Straße 240a in E. . Auf dem im
Hinterland liegendem Grundstück befinden sich Betriebsgebäude eines Großhandels,
der früher von dem Beigeladenen zu 1., später von den Beigeladenen zu 2. und 3.
geführt wurde und nun nur noch vom Beigeladenen zu 3. geführt wird. Das Flurstück
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000 wird durch eine östlich gelegene, ca. 40 m lange Zufahrt über Privatgelände zur S.
Straße erschlossen.
Die Klägerin ist (Mit-) Eigentümerin des an der S. Straße 238 gelegenen
Wohngrundstücks, das mit einem Wohnhaus bebaut ist und das u.a. von der Klägerin
selbst bewohnt wird. Westlich des Grundstücks der Klägerin liegt auf dem
Nachbargrundstück die oben beschriebene Zufahrt. Südlich des Grundstücks der
Klägerin ist ebenfalls eine Bebauung im Hintergelände vorhanden, es handelt sich um
zwei Wohnhäuser unter den Anschriften S. Straße 238a und 238b.
3
Die Grundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes. Der
Beklagte stuft das fragliche Gebiet als faktisches Mischgebiet ein.
4
Am 26. Oktober 2004 beantragte der Beigeladene zu 1. beim Beklagten die Erteilung
einer Nutzungsänderungsgenehmigung für das Grundstück S. Straße 240a. Die
bisherige Nutzung sei der Großhandel für Konserven und Lebensmittel mit Büroräumen
gewesen, die beabsichtigte Nutzung sei ein Großhandel für Konserven und asiatische
Lebensmittel mit Büroräumen und Kühlaggregaten.
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In der Betriebsbeschreibung zum Bauantrag gab der Beigeladene zu 1. an, dass es sich
um einen Zustell-Großhandel für Konserven und Lebensmittel handele. Der
Beigeladene zu 1. führte aus, dass drei Kühl- bzw. Gefrierhäuser, ein Handgabelstapler
und zwei Kleintransporter eingesetzt würden. Die Betriebszeit sei an Werktagen von
9.00 bis 19.00 Uhr. Im Betrieb seien zwei Personen beschäftigt. Unter der Rubrik
Geräusche gab der Beigeladene LKW- Verkehr und Ladegeschäfte in der Zeit von 7.00
bis 19.00 Uhr an. Als Abfallstoffe führte der Beigeladene Styroporkartons an, die
zerkleinert in Gelben Säcken zwischengelagert und in der Gelben Tonne beseitigt
würden.
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Vorausgegangen waren dem Bauantrag mehrere schriftliche Beschwerden der Klägerin
über Gerüche und Ausdünstungen aus dem Betrieb: In der Vergangenheit habe der
Eigentümer das Grundstück selbst bewirtschaftet. Seit dem 1. Juli 2004 betreibe die Fa.
Q. B1. T. das Lager für Lebensmittel und für frischen Fisch und Gemüse. Es sei auch ein
leistungsstarkes Kühlhaus gebaut worden. Der Betrieb werde an sechs bis sieben
Tagen in der Woche in der Zeit von 6.00 bis 23.00 Uhr geführt. Die Wohnanlieger
würden durch laute Lagerarbeiten, auf dem Hof abgestellte leere Fisch- und
Shrimpskisten, Gemüsekisten, liegen gelassene sonstige Verpackungen,
herumfliegende Papierverpackungsreste und durch muffigen Geruch aus den
Lagerausdünstungen sowie den Lärm bis hin zu Körperschall der Kühlaggregate
belästigt. Die Gerüche drängen bis auf ihr Hofgrundstück und in die Räume ihres
Hauses ein.
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Unter dem 17. November 2004 gab das Staatliche Umweltamt I. eine Stellungnahme zu
dem Bauvorhaben ab (vgl. Bl. 20 f der Beiakte Heft 2). Unter dem 10. Januar 2005
äußerte sich das Umweltamt des Beklagten zu der Nutzungserweiterung (Bl. 28 ff der
Beiakte Heft 2).
8
Der Beklagte erteilte unter dem 12. Januar 2005 die Genehmigung zur
Nutzungserweiterung eines Betriebsgebäudes durch Einbau von Kühlaggregaten auf
dem Grundstück S. Straße 240a. Die dem Bescheid beigefügten Nebenbestimmungen
des Staatlichen Umweltamtes I. und des Städtischen Umweltamtes wurden zum
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Bestandteil der Baugenehmigung erklärt.
Mit weiteren Beschwerden machte die Klägerin geltend, dass das Grundstück an sieben
Tagen in der Woche bei Tag und Nacht von Kraftfahrzeugen verschiedenster Tonnage
angefahren werde. In den Räumlichkeiten werde Ware frittiert und mariniert. Es würden
drei Kühlzellen unterhalten.
10
Daraufhin informierte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 3. Februar 2005 über
die erteilte Baugenehmigung.
11
Die Klägerin machte mit weiterem Schreiben vom 16. Februar 2005 geltend, dass der
jetzige Nutzer des Grundstücks u.a. mehrere Kühlzellen mit erheblichen
Schallimmissionen (Körperschall) betreibe. Der Zugang zum Grundstück werde den
Lieferanten und Kunden bis zu einer Stunde verwehrt. Die LKW bis zu 40t und PKW
würden mit laufendem Motor in Betrieb gehalten und letztlich die Liefergüter auf
fremdem Grundstück abgestellt. Damit seien auch Hubkonzerte verbunden. Die
Gerüche des Lagergutes würden nachhaltig auf ihr Grundstück getragen.
12
Am 28. Februar 2005 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die dem Beigeladenen zu
1. erteilte Baugenehmigung. Weiter machte die Klägerin geltend, dass sie durch den
Betrieb der Kühlaggregate erhebliche gesundheitliche Schäden erleide.
13
Durch ihre früheren Prozessbevollmächtigten ließ die Klägerin mit Schriftsatz vom 8.
August 2005 vortragen, dass der zugrunde liegende Bauantrag sich auf einen
Großhandel für Konserven und asiatische Lebensmittel mit Büroräumen und KPHL-
Aggregaten beziehe. Zuvor sei in dem betreffenden Objekt ein Konservenlager
betrieben worden. Nunmehr würden in erheblichem Maße Frischwaren wie Fisch und
Fleisch etc. gelagert, so dass eine Nutzungsänderung vorliege. Im übrigen seien die
Kühlaggregate erheblich erweitert bzw. völlig neu hergestellt worden. Es gebe eine
erhebliche Geruchsbelästigung der Klägerin durch den Betrieb des
Lebensmittelgroßhandels auf dem Nachbargrundstück. Verunreinigte
Verpackungsmaterialien und Reststoffe würden offen auf dem betreffenden Gelände
zwischengelagert und insbesondere in den Sommermonaten komme es durch
Hitzeeinwirkung zu erheblichen Geruchsbelästigungen. Den Geruchsbelästigungen sei
bislang nicht in ausreichender Weise nachgegangen worden. Lediglich die Frage der
Lärmemissionen sei geprüft worden. Hier bestehe die vorliegende Problematik nicht im
Bereich Lärm, sondern im Bereich der durch die Kühlaggregate herbeigeführten
Resonanzen. Diese führten dazu, dass im Tieftonbereich entsprechende Vibrationen am
Körper sowie auch an den Außenfenstern zu verspüren seien. Insoweit sei das
Staatliche Umweltamt I. seiner Überprüfungspflicht nicht in ausreichender Weise
nachgekommen. Es handele sich im übrigen nicht um ein Mischgebiet, sondern um ein
allgemeines Wohngebiet, so dass die vom Staatlichen Umweltamt I. berücksichtigten
Grenzwerte für Lärmbelästigungen nicht greifen.
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In einem Vermerk vom 16. August 2005 (vgl. Bl. 61R der Beiakte Heft 2) wurde seitens
eines Mitarbeiters des Beklagten folgendes festgestellt: Das Gebiet sei als Mischgebiet
einzustufen, in unmittelbarer Nähe befänden sich der Autoverkauf , Verwaltung
(Versorgungsamt) und nicht störende Gewerbebetriebe (ALDI, etc.). Dies bedeute, dass
die Werte der zugrundeliegenden Schallimmissionsvorgaben richtig angenommen
worden seien. Gerüche durch Verpackungen auf dem Gelände seien durch STA 60 zu
prüfen (Auflage in der Genehmigung). Aggregatlärm sei durch das Staatliche
15
Umweltamt I. zu überprüfen. Mögliche Überschreitungen der Betriebszeit seien in
eigener Zuständigkeit zu prüfen (LKW-Verkehr). Für die Überprüfung der Waren sei STA
63 zuständig.
Seitens des Bauordnungsamtes wurde sodann beim Ordnungsamt, beim Umweltamt
sowie beim Staatlichen Umweltamt I. eine Stellungnahme erbeten.
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Am 17. August 2005 erfolgte eine Kontrolle vor Ort durch einen Mitarbeiter des
Bauordnungsamtes. Er stellte fest, dass lediglich geringe Mengen von ...... Behältern
gelagert würden. Telefonisch sei dem Betreiber mitgeteilt worden, diese in das Gebäude
zu verlagern. Das Lager habe zum Zeitpunkt der Kontrolle zum größten Teil Konserven
und eingepackte Waren beinhaltet. Frischwaren wie Obst und Gemüse seien in den
Kühlzellen gelagert. Im äußeren Bereich seien diese nicht vorhanden gewesen,
Gerüche seien nicht festgestellt worden. Dem Betreiber sei mitgeteilt worden, dass er
einen Nachtragsantrag einreichen solle, wenn er das Lagergebäude außerhalb der
genehmigten Zeiten beliefern wolle (vgl. Vermerk vom 18. August 2005 Bl. 64R der
Beiakte Heft 2).
17
Das Umweltamt gab unter dem 19. August 2005 folgende Stellungnahme ab: Bei dem
Großhandel für Konserven und asiatische Lebensmittel handele es sich nicht um eine
genehmigungsbedürftige Anlage nach § 22 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG).
Hinsichtlich der Geräusche seien in der Stellungnahme des Staatlichen Umweltamtes I.
vom 17. November 2004 einzuhaltende Pegel für den Immissionsort S. Straße 238a und
b benannt, bezüglich möglicher Geruchsbelästigungen werde üblicherweise die
Geruchsimissionsrichtlinie herangezogen. Soweit über durch Kühlaggregate
herbeigeführte Resonanzen geklagt werde, könne nicht abgeschätzt werden, ob es sich
dabei um Erschütterungen oder eher um tieffrequente Geräusche handele.
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Seitens des Ordnungsamtes - Lebensmittelkontrolle - wurde am 22. August 2005 in
einer telefonischen Stellungnahme gegenüber einem Mitarbeiter des
Bauordnungsamtes ausgeführt, dass gegen den Betrieb nichts einzuwenden sei. Es
seien bereits zahlreiche Kontrollen durchgeführt worden, wobei lebensmittelrechtliche
Punkte geprüft worden seien. Beanstandungen habe es zum größten Teil nicht
gegeben. Bei allen Kontrollen seien nach subjektivem Empfinden keinerlei
Geruchsbelästigungen festgestellt worden. Die Verpackungen bzw. Behälter, welche
außen lagern, seien z.B. nach Entleeren immer ausgewaschen; verderbliche Ware habe
sich ausschließlich in den Kühlhäusern befunden. Die Kühlhäuser seien teilweise
gegen Schallausbreitung mittels Schallwänden gesichert (vgl. Vermerk Bl. 70 der
Beiakte Heft 2). Unter dem 1. September 2005 führte das Ordnungsamt -
Lebensmittelüberwachung - in einer Stellungnahme gegenüber dem Bauordnungsamt
folgendes aus: Der Betrieb der Fa. Q. B1. sei in diesem Jahr aufgrund von Beschwerden
der Klägerin bereits mehr als zehnmal aufgesucht worden. Verstöße, wie von der
Klägerin beschrieben, hätten zum Zeitpunkt der Kontrollen nicht festgestellt werden
können. Aus lebensmittelrechtlicher Sicht befinde sich der Betrieb in einem
unbedenklichen Zustand. Kleinere Mängel seien in der Vergangenheit umgehend
beseitigt worden. Angaben zur Überschreitung der Betriebszeit und Lärm durch
Kühlaggregate könnten nicht gemacht werden.
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Unter dem 16. September 2005 stellte der Beigeladene zu 1. beim Beklagten einen
Nachtragsantrag. Er bat um Genehmigung, auch samstags Ware annehmen und
ausliefern zu dürfen. Des weiteren müsse Frischgemüse gehandelt werden. Dieses
20
werde im Kühlhaus gelagert und bringe keinerlei Geruchsbelästigung. Am 4. Oktober
2005 legte der Beigeladene zu 1. eine Betriebsbeschreibung vor, in der u.a. angegeben
war, dass der LKW-Verkehr und Ladegeschäfte zwei- bis dreimal täglich zwischen 7.00
bis 19.00 Uhr stattfänden. Es handele sich bei Samstagen um Werktage, so dass es
hierfür keiner gesonderten Genehmigung bedürfe. Trotzdem beantrage er samstags von
9.00 bis 19.00 Uhr das Lager anfahren zu dürfen, weil Frischware nach
Geschäftsschluss in die Kühlung gebracht werden müsse. Es handele sich in der Regel
um zwei Kleintransporteranfahren pro Tag. Der Nachtragsantrag des Beigeladenen zu
1. wurde vom Beklagten nicht beschieden.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2005 führte das Staatliche Umweltamt I. aus, dass im
Falle der Klägerin schon mehrfach Lärmmessungen durchgeführt worden seien, ohne
dass sich eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte habe feststellen lassen. Alle
Ermittlungen belegten, dass die gesetzlichen Richtwerte eingehalten würden. Eine
erneute Messung durch das Staatliche Umweltamt werde somit nicht erfolgen.
21
In einem Vermerk vom 2. November 2005 hielt der Mitarbeiter des Bauordnungsamtes
u.a. fest, dass zahlreiche Ortskontrollen in eigener Zuständigkeit ergeben hätten, dass
LKW-Verkehr außerhalb der genehmigten Zeiten nicht stattgefunden habe (vgl. Bl. 76 R
der Beiakte Heft 2).
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Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2006 wies die Bezirksregierung B. den
Widerspruch der Klägerin gegen die dem Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung
als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde folgendes ausgeführt: Die Eigenart der
näheren Umgebung des hier betroffenen Grundstücks entspreche nach der
vorhandenen Bebauung einem Mischgebiet. Bei dem angegriffenen Bauvorhaben
handele es sich um einen Betrieb, der das Wohnen nicht wesentlich störe. Er sei also in
einem Mischgebiet grundsätzlich zulässig. Die zulässigen Immissionsrichtwerte
ergäben sich aus der TA-Lärm. Der Beklagte habe durch entsprechende Auflagen im
Rahmen der Baugenehmigung festgelegt, dass die von dem strittigen Bauvorhaben
ausgehenden Geräuschimmissionen vor den Gebäuden S. Straße 238a und b tagsüber
60 dB(A) und nachts 45 dB(A) nicht überschreiten dürften. Da das Wohngebäude der
Klägerin vom strittigen Vorhaben weiter entfernt liege als die beiden genannten
Gebäude, sei sichergestellt, dass die zulässigen Werte am Wohnhaus eingehalten
würden. Weiter enthalte die Baugenehmigung die Auflage, dass der Betrieb so
einzurichten sei, dass es am nächstgelegenen Wohngebäude nicht zu
Geruchsbelästigungen komme. Aufgrund der Beschwerden der Klägerin sei der Betrieb
im Jahre 2005 mehr als zehnmal von einem Lebensmittelkontrolleur der Stadt E.
überprüft worden. Verstöße bzw. Geruchsbelästigungen, wie sie von der Klägerin
beschrieben worden seien, hätten zu keinem Zeitpunkt der Kontrollen festgestellt
werden können. Zu den von der Klägerin beklagten Resonanzen sei anzumerken, dass
das Staatliche Umweltamt I. mehrfach Lärmmessungen durchgeführt habe, ohne dass
eine Überschreitung des Immissionsrichtwertes habe festgestellt werden können. Auch
hinsichtlich tieffrequenter Geräusche (Infraschall) sei nichts zu beanstanden gewesen.
Im Messbericht über Geräuschimmissionen des Staatlichen Umweltamtes I. vom 4. März
2005 (Messvorschriften: TA-Lärm vom 26. August 1998 und DIN 45680 und Beiblatt 1)
heiße es hierzu: „Messpunkt 2. - innen - im Schlafzimmer EG (S. Straße 238), 0,5 m über
Kopfteil des Bettes bei geschlossener Tür/Fenster: 2.1 Da die Terzband-Analyse
ergeben hat, dass die Differenz zwischen LCeq - LAeq bei Vollastbetrieb der
Kühlanlagen 15 dB beträgt und subjektiv keine wahrnehmbaren tieffrequenten
Geräusche vorlagen, sind keine schädlichen Umwelteinwirkungen gemäß 7.3 TA-Lärm
23
gegeben. Eine weitere Betrachtung der Frequenzbereiche von 10 - 80 dB nach DIN
45680 erübrigt sich daher."
Der Widerspruchsbescheid wurde den früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin
gegen Empfangsbekenntnis zugestellt am 24. Januar 2006.
24
Die Klägerin hat am 20. Februar 2006 Klage erhoben mit der sie ihr Begehren
weiterverfolgt. Sie trägt umfassend zu ihren gesundheitlichen Beschwerden und
sonstigen Störungen vor, die ihrer Auffassung nach auf den Betrieb auf dem Grundstück
S. Straße 240a zurückzuführen seien. Die Klägerin beklagt Körperschall und
Resonanzen in den Zimmern ihres Hauses. Es komme zu erheblichen
Lärmeinwirkungen. Der Betreiber des Lebensmittelslagers halte die Betriebszeiten nicht
ein. Verkehr und Lagerarbeiten fänden auch frühmorgens und nachts und an Sonn- und
Feiertagen statt. Abfälle und Abwässer würden nicht sachgerecht gelagert bzw. entsorgt.
Es komme zu erheblichen Geruchsbelästigungen. Die Gerüche zögen bis in ihr Haus.
Der Betreiber habe sein Geschäft erweitert auf einen Garküchenbetrieb (ohne
Kücheneinrichtung). Auf dem Grundstück 240 a werde gekocht und frittiert. Soweit
angegeben werde, dass es sich um private Aktivitäten handele, sei dies eine
Schutzbehauptung. Der Beigeladene zu 1. habe dem Pächter ein mit erheblichen
Mängeln behaftetes Hinterliegergrundstück verpachtet. Auf dem Grundstück befinde
sich lediglich eine behelfsmäßige Bebauung. Die Zuwegung zum Grundstück sei nicht
ausreichend. Erst seit Juli 2008 sei ein 1100-Liter Container aufgestellt worden. Erst seit
Januar 2009 werde regelmäßig ein Gelbe- Tonne-Container abgeholt.
25
Die Klägerin wandte sich auch nach Klageerhebung mit weiteren Schreiben an das
Bauordnungsamt des Beklagten, die Beschwerden gegen den Betrieb auf dem
Grundstück S. Straße 240a enthielten.
26
Die Klägerin beantragt,
27
1. die dem Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung vom 12. Januar 2005 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung B. vom 19. Januar 2006
aufzuheben,
28
2. den Beklagten zu verpflichten, gegen die vom Grundstück S. Straße 240a auf ihr
Grundstück einwirkenden Störungen (Geräusche der Kühlaggregate der Lagerhalle,
Bau eines Kamins zur Ableitung der Kühlgeräusche, Verhinderung von Gerüchen und
Stäuben) einzuschreiten und hierüber einen neuen Bescheid zu erlassen.
29
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
31
Entgegen der Auffassung der Klägerin entspreche die Eigenart der näheren Umgebung
des Vorhabengrundstückes der eines Mischgebietes im Sinne des § 6 der BauNVO. Die
durch den Betrieb einzuhaltenden Schallschutzwerte seien dementsprechend in der
Baugenehmigung zutreffend geregelt worden. Der Umstand, dass das Gebiet im
Flächennutzungsplan der Stadt E. als Wohnbaufläche vorgesehen sei, sei für die
Gebietseinstufung gemäß § 34 BauGB unerheblich.
32
Der Beklagte hat eine Aufstellung über seitens des Ordnungsamtes erfolgte Kontrollen
33
des Betriebes S. Straße 240a sowie einen Aktenvermerk eines
Lebensmittelskontrolleurs vorgelegt, die zu den Verwaltungsvorgängen genommen
worden sind.
Die Beigeladenen zu 1. und 3. sind der Klage entgegengetreten. Einen Klageantrag
haben sie nicht gestellt.
34
Der Beigeladene zu 2. hat sich nicht geäußert.
35
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
Verwaltungsvorgänge, die Widerspruchsvorgänge der Bezirksregierung B. sowie die
übersandten Verwaltungsvorgänge des Umweltamtes I. als gemeinsame Untere
Umweltschutzbehörde der Städte C. , E. und I. (früher Staatliches Umweltamt I. )
verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat teilweise Erfolg.
38
Die Klage zu 1. ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- zulässig und in der Sache begründet.
39
Die dem Beigeladenen zu 1. erteilte Genehmigung des Beklagten vom 12. Januar 2005
zur Nutzungserweiterung des Betriebsgebäudes auf dem Grundstück S. Straße 240a
durch den Einbau von Kühlaggregaten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der
Bezirksregierung B. vom 19. Januar 2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in
ihren Nachbarrechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40
Ein Nachbar kann nur dann erfolgreich gegen die einem Dritten erteilte
Baugenehmigung vorgehen, wenn sie gegen nachbarschützende Vorschriften des
öffentlichen Rechts verstößt und eine Befreiung von diesen Vorschriften nicht vorliegt
bzw. bei Berücksichtigung nachbarlicher Belange nicht hätte erteilt werden dürfen.
41
Die dem Beigeladenen zu 1. erteilte Genehmigung zur Nutzungserweiterung des
Betriebsgebäudes auf dem Grundstück S. Straße 240 a in E. vom 12. Januar 2005 ist
hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Belange unbestimmt und damit rechtswidrig.
42
Eine Baugenehmigung muss inhaltlich bestimmt sein (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW).
Inhalt, Reichweite und Umfang der mit der Baugenehmigung getroffenen Regelungen
und Feststellungen müssen sich eindeutig erkennen lassen, damit der Bauherr die
Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und Drittbetroffene das Maß der für sie aus der
Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können. Eine
solche dem Bestimmtheitsgebot genügende Aussage muss dem Bauschein selbst- gfs.
durch Auslegung- entnommen werden können, wobei die mit Zugehörigkeitsvermerk
versehenen Bauvorlagen bei der Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts der
Baugenehmigung herangezogen werden müssen. Andere Unterlagen oder sonstige
Umstände sind angesichts der zwingend vorgeschriebenen Schriftform der
Baugenehmigung (§ 75 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW) für den Inhalt der erteilten
Baugenehmigung regelmäßig nicht relevant.
43
Vgl. die ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
44
Westfalen -OVG NRW-, Urteil vom 20. September 2007 -10 A 4372/05-, BRS 71 Nr. 152
und Beschluss vom 23. März 2009 -10 B 263/09-.
Bezieht sich die Unbestimmtheit einer Baugenehmigung auf solche Merkmale des
Vorhabens, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung solcher
Baurechtsvorschriften auszuschließen, die auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen
bestimmt sind, ist die Baugenehmigung rechtswidrig und auf die Klage des betroffenen
Nachbarn aufzuheben,
45
vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. September 2006 -10 A 2980/05-, BRS 70 Nr. 128 und
Beschluss vom 23. März 2009-10 B 263/09-.
46
Prüfungsgegenstand ist hier der Gesamtbetrieb auf dem Grundstück S. Straße 240a, wie
er sich nach den im Genehmigungsverfahren vorgelegten Bauvorlagen darstellt. Dass
der Beigeladene zu 1. über die ihm im Jahre 1973 erteilte Baugenehmigung zum
Betrieb eines Großhandels mit Konserven hinausgehend eine baurechtliche
Genehmigung zum Betrieb eines Großhandels mit sonstigen (Frisch-) Lebensmitteln
erhalten hat, ist nicht ersichtlich. Durch die Ausweitung des Geschäftes auf Frisch- und
gefrorene Lebensmittel sowie den Einbau und Betrieb der Kühlaggregate ist eine
wesentliche Änderung im Sinne einer genehmigungspflichtigen Betriebserweiterung
erfolgt.
47
Bei der Frage nach der Bestimmtheit der erteilten Genehmigung sind demnach
sämtliche Betriebsabläufe und somit auch die durch den Gesamtbetrieb möglicherweise
entstehenden Störungen für die Nachbarschaft in den Blick zu nehmen.
48
Einer baulichen Anlage ist grundsätzlich auch der An- und Abfahrtsverkehr zuzurechen,
der durch ihre Nutzung ausgelöst wird. Demnach ist dem Betrieb des Beigeladenen zu
1. (jetzt des Beigeladenen zu 3.) auch der Zu- und Abfahrtsverkehr über die private
Zufahrt auf dem Grundstück S. Straße 240 und auf dem eigenen Betriebsgelände
einschließlich aller hierdurch bedingten Emissionen inklusive der durch die
Ladegeschäfte verursachten Geräusche zuzurechnen.
49
Die dem Beigeladenen zu 1. erteilte baurechtliche Genehmigung ist hinsichtlich des mit
dem Betrieb verbundenen An- und Abfahrtsverkehrs unbestimmt. Die grün gestempelte
und damit zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärte Betriebsbeschreibung zum
Bauantrag enthält insoweit zu Punkt 7.2 Geräusche, zu dem auch nach Ursache, Dauer
und Häufigkeit gefragt wird, nur die Angabe „Lkw-Verkehr" und „Ladegeräusche" von
7.00 bis 19.00 Uhr.
50
Diese Angaben reichen nicht aus, um hinreichend sicher zu erkennen, in welchem
Umfang dem Beigeladenen zu 1. die Nutzung des Grundstücks S. Straße 240a zum
Zwecke der Führung eines (Zustell-) Großhandels für Konserven und asiatische
Lebensmittel seitens des Beklagten genehmigt worden ist.
51
Ein Großhandel zeichnet sich gerade dadurch aus, dass ein Warentransport, im
allgemeinen und auch hier mittels Einsatzes von Kraftfahrzeugen, stattfindet. Dieser
Warentransport kann den unterschiedlichsten Umfang haben. Der hier genehmigte
Umfang des Betriebes, der sich im wesentlichen auch an dem stattfindenden An- und
Abfahrtsverkehr mit Transportfahrzeugen festmachen läßt, erschließt sich aus den
vorgelegten Bauvorlagen nicht. Insbesondere fehlt es eben an einer Konkretisierung
52
des angegebenen LKW-Verkehrs. Dementsprechend bleibt auch unklar, welchen
Umfang die zu tätigen Ladegeschäfte haben.
Die von der Klägerin angegriffene baurechtliche Genehmigung ist damit unbestimmt.
53
Diese Unbestimmtheit begründet eine Rechtsverletzung der Klägerin.
54
Gerade bei der Genehmigung betrieblich genutzter baulicher Anlagen muss für den
möglicherweise betroffenen Nachbarn hinreichend erkennbar sein, welche konkreten
Betätigungen und Nutzungen erlaubt sind, um eventuelle Nachbarrechtsverletzungen -
hier kommen insbesondere Lärmimmissionen in Betracht- hinreichend substantiiert
geltend machen zu können. Ohne eine hinreichende Konkretisierung der
Baugenehmigung sind ansonsten Streitigkeiten darüber, welche Nutzungen in welchem
Umfang von der Genehmigung noch erfasst sind, vorprogrammiert. Es kann hier auch
nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass der nunmehr vom Beigeladenen zu
3. geführte Betrieb durch den Zu- und Abfahrtsverkehr einschließlich der Ladetätigkeiten
Lärmimmissionen erzeugen kann, die die Klägerin im Hinblick auf die Wohnnutzung auf
ihrem benachbarten Grundstück nicht hinnehmen muss.
55
Die in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben der Beigeladenen zu 1. und 3.
führen auch nicht nachträglich zur hinreichenden Konkretisierung des Vorhabens, da sie
nicht Bestandteil der durch die Bauaufsichtsbehörde gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 BauO
NRW schriftlich zu erteilenden Baugenehmigung sind.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten führen auch die in die Baugenehmigung
aufgenommenen Immissionsrichtwerte für Mischgebiete nach der Technischen
Anleitung zum Schutz gegen Lärm -TA Lärm- vom 26. August 1998 nicht zur
genügenden Konkretisierung der erteilten Genehmigung. Aus der Baugenehmigung
selbst muss sich positiv ergeben, welche betrieblichen Tätigkeiten und Nutzungen
zugelassen sind. Es ist nicht ausreichend, dem Bauherrn vorzugeben, dass er mit
seinem Gewerbebetrieb bestimmte Immissionsrichtwerte nicht überschreiten darf. Eine
solche Sichtweise würde den Nachbarn auch unangemessen benachteiligen, da er
selbst im Regelfall die Einhaltung von Immissionsrichtwerten gar nicht überprüfen kann.
57
Hinreichend bestimmte Angaben des Bauherrn im Baugenehmigungsverfahren zu den
dem Betrieb zuzurechnenden betrieblichen Vorgängen sind schließlich auch
erforderlich, um prüfen zu können, ob es sich bei dem Gewerbebetrieb um einen
Gewerbetrieb handelt, der das Wohnen nicht wesentlich stört und der damit in einem
faktischen Mischgebiet im Sinne des § 6 Abs. 1 und 2 der Baunutzungsverordnung -
BauNVO- gebietsverträglich ist. Für die Frage der Gebietsverträglichkeit ist auf eine sog.
typisierende Betrachtungsweise abzustellen. Ausgangspunkt und Gegenstand dieser
typisierenden Betrachtungsweise ist das jeweils zur Genehmigung gestellte Vorhaben.
Zu fragen ist, ob ein Gewerbebetrieb dieser Art generell geeignet ist, das Wohnen
wesentlich zu stören. Gegenstand der Betrachtung sind die Auswirkungen, die
typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art, insbesondere nach seinem
Umfang und seiner Größe, der Art und Weise der Betriebsvorgänge, dem
vorhabenbedingten An- und Abfahrtsverkehr sowie der zeitlichen Dauer dieser
Auswirkungen und ihrer Verteilung auf die Tages- und Nachtzeiten ausgehen. Auch bei
dieser Betrachtungsweise kommt es nicht darauf an, ob die mit der Nutzung
verbundenen immissionsschutzrechtlichen Lärmwerte eingehalten werden. Die auch in
einem Mischgebiet in gewissem Umfang geschützte Wohnruhe ist nicht
58
gleichbedeutend mit einer immissionsschutzrechtlich relevanten Lärmsituation,
vgl. Bundesverwaltungsgericht-BVerwG-, Urteil vom 21. März 2002-4 C 1/02- , ZfBR
2002, 684 f und Beschluss vom 28. Februar 2008-4 B 60.07-, BayVBl 2008, 542 ff.
59
Aus den vorgenannten Gründen war die Genehmigung des Beklagten vom 12. Januar
2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben.
60
Das Gericht weist darauf hin, dass der Beigeladene zu 3. einen erneuten -hinreichend
konkreten- Bauantrag für seinen Betrieb beim Beklagten stellen kann.
61
In diesem Zusammenhang weist das Gericht weiter darauf hin, dass nach der
vorliegenden Aktenlage der Beklagte das hier maßgebliche Gebiet zutreffend als
faktisches Mischgebiet entsprechend § 6 BauNVO eingestuft hat. Die Richtigkeit dieser
vom Beklagten durchgehend in den letzten Jahren vorgenommenen Gebietseinstufung
wird vom Gericht nicht in Frage gestellt. Mischgebiete dienen gemäß § 6 Abs. 1
BauNVO dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen
nicht wesentlich stören. Wohngebäude und nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe
sind demnach neben anderen Nutzungsarten im Mischgebiet allgemein zulässig, § 6
Abs. 2 BauNVO.
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In der hier maßgeblichen näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks befindet sich
sowohl Wohnbebauung als auch bestandsgeschützte gewerbliche Nutzung, die in
einem allgemeinen Wohngebiet entsprechend § 4 BauNVO nicht gebietsverträglich ist.
Demnach handelt es sich entgegen der unsubstantiiert gebliebenen Behauptung der
Klägerin nicht um ein allgemeines Wohngebiet. So wird auf dem Grundstück S. Straße
236/P.--------straße 1 - 5 seit vielen Jahren nach allen dem Gericht vorliegenden
Erkenntnissen bestandsgeschützt ein Autohaus/Autoverkauf mit KfZ-Werkstatt
betrieben. Ein derartiger Gewerbebetrieb ist aufgrund seiner Emissionen
wohngebietsunverträglich, da er die einem Wohngebiet eigene typische Wohnruhe stört.
Ebenso muss in die Betrachtung einbezogen werden der Betrieb auf dem Grundstück S.
Straße 240a selbst. Hierfür war dem Beigeladenen zu 1. bereits 1973 eine
Baugenehmigung für den Betrieb eines Großhandels mit Konserven mit Lager und
Büroräumen erteilt worden. Auch ein derartiger Gewerbebetrieb ist aufgrund der mit ihm
verbundenen Ladetätigkeiten und des An- und Abfahrtsverkehrs im allgemeinen
wohngebietsunverträglich. Hinzu kommt, dass der Beklagte in der näheren Umgebung
Verwaltungsgebäude (Versorgungsamt), welche ihren Platz ebenfalls nicht in einem
Wohngebiet haben, festgestellt hat.
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Mögliche anderweitige Festsetzungen in einem Flächennutzungsplan sind
demgegenüber unbeachtlich. Nur ein Bebauungsplan kann rechtsverbindliche
Festsetzungen über die Art des Baugebietes enthalten.
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Die Klage zu 2. hat keinen Erfolg. Die Klage ist unzulässig.
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Da der Beklagte einen Antrag der Klägerin auf Einschreiten im Wege des Erlasses einer
Ordnungsverfügung gegenüber den Beigeladenen zu 1. bis 3. nicht beschieden hat,
beurteilt sich die Zulässigkeit der Klage nach § 75 VwGO. Die Untätigkeitsklage nach §
75 VwGO setzt voraus, dass ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes von der
Behörde unbeschieden geblieben ist. Eine Untätigkeitsklage ist demnach nur zulässig,
wenn zuvor die Vornahme des Verwaltungsaktes bei der Behörde beantragt worden ist.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. August 1995-5 C 11.94-, DVBl 1996, S. 309 f.
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An einem solchen hinreichend konkreten Antrag der Klägerin beim Bauordnungsamt
des Beklagten vor Klageerhebung fehlt es hier.
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Die Klägerin selbst hat sich mit ihrem Klagevorbringen nicht auf einen bestimmten
Antrag beim Bauordnungsamt des Beklagten bezogen, der unbeschieden geblieben sei.
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Nach Auswertung der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ist festzustellen, dass die
Klägerin in den letzten Jahren eine Reihe von schriftlich vorgebrachten Beschwerden
auch an das Bauordnungsamt des Beklagten wegen des hier in Rede stehenden
Betriebes gerichtet hat. Teilweise befinden sich auch Schreiben in den Akten, die die
Klägerin an das (ehemalige) Staatliche Umweltamt I. und an den Betriebsinhaber selbst
gerichtet und dem Bauordnungsamt eine Abschrift übersandt hat. Aus letztgenannten
Schreiben ergibt sich kein an den Beklagten gerichteter Antrag auf Einschreiten im
Wege einer Ordnungsverfügung gegen die Beigeladenen. In ihren Schreiben an das
Bauordnungsamt hatte die Klägerin verschiedentlich um die Erteilung von weiteren
Auskünften über den Betrieb und die genehmigte Nutzung gebeten und im wesentlichen
Ausführungen über die von ihr empfundenen Störungen gemacht. Auch diesen
Schreiben läßt sich ein hinreichend bestimmter Antrag an den Beklagten nicht
entnehmen. Soweit die Klägerin sich noch vor Erteilung der Baugenehmigung mit
Schreiben vom 8. Oktober 2004 an das Bauordnungsamt und das Ordnungsamt des
Beklagten gewandt hatte und dort darum gebeten hatte, der Sache nachzugehen und für
Abhilfe zu sorgen, so läßt sich dies ebenfalls nicht mit der für den Beklagten
erforderlichen Klarheit und Eindeutigkeit als Antrag auf Erlass eines
ordnungsrechtlichen Verwaltungsaktes an den Grundstückseigentümer oder den
Betriebsinhaber mit einem bestimmten Regelungsinhalt verstehen. Eine Bitte, der
Sache nachzugehen bzw. für Abhilfe zu sorgen, läßt es für die Behörde offen, in welcher
Form dies geschehen soll. Hier hatten die Beschwerden der Klägerin offensichtlich das
Ergebnis, dass der Beigeladene zu 1. zur Stellung eines Bauantrages veranlasst
worden ist. Insoweit ist der Beklagte der Sache nachgegangen und hat den Betrieb auf
dem Grundstück S. Straße 240a einer baurechtlichen Prüfung unterzogen. Auch die
früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben im Verwaltungsverfahren keinen
Antrag auf Erlass einer Ordnungsverfügung gestellt, sondern lediglich den Widerspruch
gegen die erteilte Genehmigung zur Nutzungserweiterung weiter begründet. Alle
weiteren Schreiben der Klägerin, die nach der Klageerhebung am 20. Februar 2006
beim Beklagten eingegangen sind, sind für den Klageantrag zu 2. von vornherein
unbeachtlich, da die Antragstellung bei der Behörde eine grundsätzlich nicht
nachholbare Klagevoraussetzung ist,
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vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 13. April 2000 -5 S 1136/98-, NVwZ 2001, S. 101 f;
Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2007, § 75 Rdnr. 7.
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Wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung ist es zunächst Sache der Verwaltung,
sich mit (vermeintlichen) Ansprüchen des einzelnen zu befassen,
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. August 1995-5 C 11.94-, a.a.O..
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
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Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1.
bis 3. für erstattungsfähig zu erklären, weil sie sich mangels eigenen Antrages keinem
Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt
aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.
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