Urteil des VG Gelsenkirchen vom 22.01.2009

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 K 5624/08
Datum:
22.01.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 5624/08
Schlagworte:
Berufsbezeichnung "Ingenieur"
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte zuvor in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden
Betrages Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der 19** geborene Kläger absolvierte nach eigenen Angaben nach dem Besuch der
Volksschule eine Ausbildung als technischer Zeichner. Nachdem er zunächst in diesem
Beruf gearbeitet habe, habe er 2 Jahre eine Tagesfachschule der Stadt F. besucht und
am 26. Januar 1970 die Technikerprüfung in der Fachrichtung „Heizungs-, Lüftungs- und
Sanitärtechnik" bestanden; damit sei er berechtigt gewesen, die Berufsbezeichnung
„Staatlich geprüfter Techniker" zu führen. In der Folgezeit sei er als angestellter
Techniker und ab 1974 auch im eigenen Büro in diesem Bereich tätig gewesen; seit
1976 betreibe er hauptberuflich ein Ingenieurbüro mit dem Schwerpunkt Entwurfs- und
Ausführungsplanung in der Heizungs- und Klimatechnik. Heute sei er nach
verschiedenen Weiterbildungen und Selbststudien im Bereich der Temperierung und
Klimatisierung von Museen tätig. Bei der Fachhochschule U. habe er verschiedene
Lehraufträge im Studiengang „Architektur/Baudenkmalpflege"; er sei Mitglied im Verein
Deutscher Ingenieure VDI und im Verband selbständiger Ingenieur e.V.
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Unter Bezugnahme auf seine Tätigkeiten, dazu einschlägige Unterlagen und ein in
einem Finanzrechtsstreit erstattetes Sachverständigengutachten von Prof. L. vom 31.
Oktober 1999, das zu dem Ergebnis kommt, dass der Kläger zumindest seit dem Jahre
1988 eine Tätigkeit ausgeübt hat, die der eines Ingenieurs ähnlich war, beantragte der
Kläger am 15. September 2008 bei der Beklagten mündlich, die Berufsbezeichnung
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„Ingenieur" führen zu dürfen.
Zu diesem Antrag erbat die Beklagte eine Stellungnahme der Ingenieurkammer-Bau
Nordrhein-Westfalen. Diese teilte mit Schreiben vom 26. September 2008 mit, dass der
Kläger nach den vorgelegten Unterlagen kein Studium an einer Hochschule oder
Fachhochschule oder gleichgestellten Ingenieurschule abgeschlossen habe; die
Voraussetzungen von § 1 Nr. 1 a) und b) des Ingenieurgesetzes seien deshalb nicht
erfüllt.
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Daraufhin lehnte die Beklagte des Antrag des Klägers mit Bescheid vom 1. Oktober
2008 (zugestellt am 7. Oktober 2008) ab, da die von ihm absolvierte Ausbildung nicht
gleichwertig mit dem Abschluss an einer deutschen Hochschule oder Schule im Sinne §
1 Nr. 1 a) oder b) des Ingenieurgesetzes sei.
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Daraufhin hat der Kläger am 3. November 2008 die vorliegende Klage erhoben.
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Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass er - wie durch das Gutachten L
belegt - seit ca. 20 Jahren eine Tätigkeit ausübe, die der eines Ingenieurs ähnlich sei.
Seine Qualifikation werde auch durch seine Lehrtätigkeit unterstrichen. Die Ablehnung
verletze ihn in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit, da er zur Teilnahme an
Ausschreibungen auf das Führen der Berufsbezeichnung „Ingenieur" angewiesen sei.
Die Voraussetzungen des § 1 des Ingenieurgesetzes seien zu eng. Da er zweifelsfrei
die entsprechenden fachlichen Kenntnisse habe, müsse eine Ausnahmemöglichkeit
gegeben sein. Auf Grund des Fehlens einer solchen sei das Gesetz verfassungswidrig;
es werde deshalb die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht angeregt.
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Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 1. Oktober 2008 zu verpflichten,
ihm die Genehmigung zur Führung der Berufsbezeichnung „Ingenieur" zu erteilen.
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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen,
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und bezieht sich im Wesentlichen zur Begründung auf den Inhalt des streitigen
Bescheides.
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Das Verfahren ist durch Beschluss vom 20. Januar 2009 auf den Einzelrichter
übertragen worden. Die Parteien haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug
genommen (Beiakte Heft 1).
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Entscheidungsgründe:
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Da die Parteien auf eine mündliche Verhandlung verzichtet haben, konnte im
schriftlichen Verfahren entschieden werden, § 101 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Die zulässige Verpflichtungsklage (§ 42 VwGO) ist nicht begründet. Der angefochtene
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Bescheid ist rechtmäßig, da der Kläger keinen Anspruch darauf hat, den Titel
„Ingenieur" führen zu dürfen, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zum Schutz der Berufsbezeichnung
„Ingenieur/Ingenieurin" vom 5. Mai 1970 (GVBl. NRW 1970, 312) in der derzeit gültigen
Fassung (IngG NRW) darf diese Berufsbezeichnung führen, wer das Studium an einer
deutschen Hochschule (a), an einer deutschen öffentlichen oder ihr gleichgestellten
privaten Ingenieurschule (b) oder einen Betriebsführerlehrgang an einer Bergschule (c)
mit Erfolg abgeschlossen hat; diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger auch nach
eigenen Angaben nicht.
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Auch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 IngG NRW ist eine entsprechende Verleihung nicht
möglich, da diese Vorschrift nur für Personen in Betracht kommt, die vor Mai 1970 eine
außerhalb des deutschen Staatsgebietes gelegene Schule besucht haben und die auf
Grund des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 3./4. Oktober 1968
nachträglich graduiert worden sind.
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So: Begründung des Gesetzentwurfes vom 17. Februar 1970 - Landtagsdrucksache Nr.
1805 (6. Wahlperiode - Bd. 12).
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Sämtliche anderen Vorschriften des Gesetzes sind für das Begehren des Klägers nicht
einschlägig.
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Es ist nach Auffassung des Gerichts auch nicht verfassungswidrig, dass das Gesetz
keine Ausnahmevorschrift oder Öffnungsklausel enthält. Denn das Abstellen auf einen
formalen Bildungsabschluss für das Führen eines Titels oder einer Berufsbezeichnung
ist bei vielen akademischen oder sonstigen Berufen üblich und selbstverständlich; das
Erwerben der fachlichen Kenntnisse auf anderem Wege wie zum Beispiel durch
Selbststudium steht dem ersichtlich nicht gleich. Da demnach das Fehlen einer
Ausnahmevorschrift oder Öffnungsklausel nicht zur Verfassungswidrigkeit des
Ingenieurgesetzes führt, kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht in
Betracht.
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Die Klage ist vielmehr mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die
Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11,
711 der Zivilprozessordnung.
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