Urteil des VG Gelsenkirchen vom 12.08.2009

VG Gelsenkirchen (wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, aufschiebende wirkung, versammlung, antragsteller, verhältnis zu, demonstration, überwiegendes öffentliches interesse, gewalt, internet, widerstand)

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 14 L 746/09
Datum:
12.08.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 L 746/09
Schlagworte:
Versammlungsverbot; Autonome Nationalisten; Schwarzer Block;
Demonstration
Normen:
VersG § 15; GG Art 8; GG Art 5
Leitsätze:
Lassen Tatsachen und Erkenntnisse der zuständigen Behörde die
Prognose zu, dass an einer Versammlung in erheblichem Umfang
Autonome Nationalisten (sog. "Schwarzer Block") teilnehmen werden,
kann mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einem unfriedlichen
Verlauf der Versammlungund deshalb von Gefährdung der öffentlichen
Sicherheit im Sinne des § 15 VersG ausgegangen werden.
Tenor:
. Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe:
1
Der Antrag des Antragstellers,
2
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 21. Juli 2009 - 14 K
3088/09 - gegen die Verbotsverfügung des Antragsgegners vom 14. Juli 2009
wiederherzustellen,
3
hat keinen Erfolg, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Versammlungs-
verbots formal nicht zu beanstanden ist und die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO
gebotene Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausfällt.
4
Die Kammer entscheidet ohne Durchführung der vom Antragsteller ausdrücklich
beantragten mündlichen Verhandlung, da eine solche vorliegend nicht geboten ist.
Grundsätzlich können Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, ohne
mündliche Verhandlung ergehen (§ 101 Abs. 3 VwGO), so dass die Kammer über
Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO in der Regel im schriftlichen Verfahren entscheidet.
5
Das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist als summarisches Verfahren ausgestaltet und
dient dem Ziel, möglichst schnell und effektiv vorläufigen Rechtsschutz zu
gewährleisten. Das Gericht hat bei der Entscheidungsfindung die Eilbedürftigkeit des
Verfahrens zu beachten und die Verfahrensgestaltung daran auszurichten. Der Umfang
der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle in Verfahren des vorläufigen Rechts- schutzes
beschränkt sich daher regelmäßig auf eine Prognose der Erfolgsaussichten des
Rechtsmittels im Hauptsacheverfahren, die notwendigerweise nur vorläufigen und
summarischen Charakter hat. Dabei kann das Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes nicht Ersatz für das Verfahren der Hauptsache sein, welches in erster
Linie den Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG vermittelt; vielmehr dient es der
Verhinderung von Rechtsnachteilen und Rechtsverlusten des Betrof- fenen bis zum -
rechtskräftigen - Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Dabei können allerdings - eben
wegen des summarischen Charakters des Eilverfahrens und seiner nur begrenzten
Erkenntnismöglichkeiten - weder schwierige Rechtsfragen vertieft oder abschließend
geklärt noch komplizierte Tatsachenfeststellungen getroffen werden. Solches muss dem
Verfahren der Hauptsache überlassen bleiben.
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein - Westfalen (OVG NRW),
Beschluss vom 26. Januar 1999 - 3 B 2861/97 - m.w.N., NVwZ-RR 1999, 696.
6
Vorliegend ist allerdings des weiteren zu berücksichtigen, dass die Entscheidung über
den hier gestellten Antrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft, da
abzusehen ist, dass über das Klageverfahren nicht mehr vor der für den 5. Sep- tember
2009 angemeldeten Versammlung des Antragstellers entschieden werden kann. Das
Gericht hat deshalb auch bei der Art und Weise seiner Entscheidungs- findung der
überragenden Bedeutung eines wirksamen Schutzes möglicherweise betroffener
materieller Grundrechte, hier insbesondere der Art. 5 und 8 GG, Rechnung zu tragen.
7
Diesen Anforderungen wird eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren gerecht.
Weder das allgemeine Prozessgrundrecht des Art 19 Abs. 4 GG noch das Grund- recht
auf rechtliches Gehör in Art 103 Abs. 1 GG oder die Verfahrensgehalte materieller
Grundrechte gebieten es, vor einer Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5
VwGO eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
8
Vgl. Sodan / Ziekow, VwGO 2. Auflage, § 101 Rdnr. 8
9
Eine solche war insbesondere nicht erforderlich, um den vom Antragsteller gestellten
Beweisanträgen nachzugehen. Zwar gilt der Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1
VwGO, wonach das Gericht den Sachverhalt aufzuklären hat, grundsätzlich auch für das
Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, so dass eine Beweisaufnahme nicht von vornherein
ausgeschlossen ist. Die Erhebung der vom Antragsteller angebotenen Beweise war
indes nicht geboten, da diese für die hier zu treffende Entscheidung aus den
nachfolgend im Einzelnen dargestellten Gründen nicht relevant sind.
10
Die Vollziehungsanordnung genügt dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz
1 VwGO. Die in dieser Vorschrift normierte Begründungspflicht hat den Zweck, der
Behörde vor Augen zu führen, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80
Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nur ausnahmsweise in Betracht kommt und eine Abwägung
der Interessen der Allgemeinheit mit den privaten Interessen des Betroffenen erfordert.
Der Antragsgegner hat in der Verfügung vom 14. Juli 2009 in geeigneter Form
dargelegt, dass ihm dies bewusst gewesen ist. Ob die von der Behörde abgegebene
11
Begründung als solche tragfähig ist, um ein überwiegendes öffentliches Interesse an der
sofortigen Vollziehung zu belegen, ist für die rein formelle Begründungspflicht ohne
Bedeutung, weil das Gericht insoweit eine eigene Abwägung der widerstreitenden
Interessen vorzunehmen hat.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht in den Fällen, in denen
eine Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt abweichend von § 80
Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung entfaltet, weil dessen sofortige
Vollziehbarkeit durch die erlassende Behörde angeordnet wurde, auf Antrag des
Betroffenen die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherstellen. Die
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs im Rahmen des §
80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kommt nur in Betracht, wenn das öffentliche Interesse an einer
sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gegenüber dem Interesse des
Antragstellers, von Vollziehungsmaßnahmen vorläufig verschont zu bleiben, nicht
überwiegt. Bei der insoweit gebotenen Interessenabwägung sind die Erfolgsaus-
sichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren mit zu berücksichtigen. Stellt sich
heraus, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, spricht dies für
ein vorrangiges Vollziehungsinteresse, sofern nicht besondere Umstände im Einzelfall
eine andere Entscheidung erfordern.
12
Vorliegend überwiegt das vom Antragsgegner herangezogene öffentliche
Vollziehungsinteresse, weil sich die auf § 15 Abs. 1 des Gesetzes über Versammlungen
und Aufzüge ( Versammlungsgesetz - VersG - ) gestützte Verbotsverfügung des
Antragsgegners vom 14. Juli 2009 bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage
als rechtmäßig darstellt. Besondere Umstände, die im vorliegenden Einzelfall trotzdem
eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage rechtfertigen oder gar
erfordern würden, sind auch angesichts des Gewichts der durch Art 5 und 8 GG
geschützten Grundrechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht ersichtlich.
13
Nach § 15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde - hier der Antragsgegner - eine
Versammlung oder einen Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig
machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung zu erkennen- den
Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung
oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
14
Der Antragsgegner hat seine Verbotsverfügung ausschließlich auf eine unmittelbare
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gegründet ( Ziff. II, S. 4 f. der Verbots-verfügung ),
die Möglichkeit des Vorliegens bzw. Entstehens einer polizeilichen Notstandssituation
vor dem von ihm bezeichneten Hintergrund des Vorliegens weiterer 28 Anmeldungen
von Gegendemonstrationen / - versammlungen mit ca. 20.000 erwarteten Teilnehmern
daneben aber ausdrücklich offen gelassen ( Ziff. V, S. 19 f. ).
15
Der unbestimmte Rechtsbegriff der öffentlichen Sicherheit im versammlungsrechtlichen
Sinn ist inhaltsgleich mit dem des allgemeinen Polizeirechts; er umfasst die
Individualrechtsgüter Dritter, die Integrität der Rechtsordnung, Bestand- und
Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen sowie die tragenden Prinzipien
seiner verfassungsmäßigen Ordnung.
16
Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 7. April 2001 - 1 BvQ 17/01 -,
NJW 2001, S. 2072; Dietel/Gintzel/Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsrecht,
14. Aufl. (2005), § 15, Rdn. 33.
17
Dabei ist in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit anzunehmen, wenn
durch die geplante Versammlung strafbare Verletzungen dieser Schutzgüter drohen.
18
Die behördliche Eingriffsbefugnis wird allerdings zum einen dadurch begrenzt, dass ein
Versammlungsverbot nur bei einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit
statthaft ist. Der Schadenseintritt bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges
muss mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Erforderlich ist jeweils eine auf die
konkrete Versammlung bezogene Gefahrenprognose, die auf erkennbaren Umständen
beruhen muss, also auf Tatsachen, Sachverhalten und sonstigen Erkenntnissen. Bloße
Spekulationen, Vermutungen und Mutmaßungen im Hinblick auf einen Schadenseintritt
reichen nicht aus.
19
Ein - wie hier - ausgesprochenes Versammlungsverbot setzt zum anderen als ultima
ratio voraus, dass das mildere Mittel der Auflagenerteilung ausgeschöpft ist. Das beruht
auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser begrenzt nicht nur das Ermessen in
der Auswahl der Mittel, sondern ebenso das Entschließungsermessen. Die
grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit hat nur dann zurückzutreten, wenn eine
Güterabwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergibt, dass
dies zum Schutz anderer gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist
20
ständige Rechtsprechung des BVerfG.
21
Nach diesen Grundsätzen ist die in der angefochtenen Verfügung getroffene und durch
die vom Antragsgegner bezeichneten Erkenntnisse gestützte Prognose, die
Durchführung der vom Antragsteller mit dem Thema "Gegen imperialistische Kriegs-
treiberei und Aggressionskriege Für freie Völker in einer freien Welt" für den 5. Sep-
tember 2009 in Dortmund angemeldete Versammlung mit Aufzug (erwartete Teilneh-
merzahl ca. 1.000) lasse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit erwarten, nicht zu beanstanden.
22
Der Antragsgegner stützt seine Gefahrenprognose tragend darauf, dass ein erheblicher
Anteil der Teilnehmer der für den 5. September 2009 angemeldeten Versammlung
Mitglieder des sogenannten "Schwarzen Blocks" sein werden. In den letzten Jahren,
insbesondere auch bestätigt durch aktuelle Vorkommnisse während des laufenden
Jahres, sei eine Änderung des Charakters der Demonstrationen des rechten Spektrums
festzustellen, welche durch eine zunehmende Organisation der Demonstranten in der
Form dieses sogenannten "Schwarzen Blocks" und eine von diesem ausgehende
erhebliche Gewaltbereitschaft der Demonstranten gekenn- zeichnet sei.
23
Diese Einschätzung lässt sich zusätzlich zu den in der Begründung der Verfügung
angeführten durch aktuelle Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz
erhärteten Anhaltspunkten auch auf folgende tatsachengestützte Indizien stützen:
24
Aus im Internet verbreiteten Publikationen, die Gruppierungen im näheren Einzugs-
bereich der hier in Rede stehenden Demonstration zuzurechnen sind, wird der
sogenannte "Schwarze Block" folgendermaßen definiert:
25
"Vor 3-4 Jahren kam in einigen Köpfen in unserer Bewegung die Idee auf die
Aktionsform "Schwarzer Block" bei Demonstrationen des nationalen Widerstandes zur
Anwendung zu bringen. Warum? - Man hatte es einfach satt von den ausführenden
26
Organen dieses Systems wie eine Herde Lämmer vorgeführt zu werden, sich mit
Schikanen und Willkürmaßnahmen überziehen zu lassen, dabei tatenlos zu zusehen
und dann noch von "Nationalen Widerstand" zu sprechen. Ein passendes Werkzeug
musste her, um zu versuchen dem entgegen zuwirken. Der nationale und sozialistische
"Schwarze Block" ist eine Aktionsform bei Demonstrationen des "Nationalen
Widerstandes" an der sich jeder Demonstrationsteilnehmer unabhängig von seiner
Zugehörigkeit zu Organisationen, Parteien oder Subkulturen beteiligen kann.
Grundvoraussetzung ist natürlich, sich in das Erscheinungsbild und das Agieren des
Blocks einzufügen. Primäres Ziel ist es friedlich, kreativ und lautstark den Protest für
nationalen Sozialismus und gegen dieses System auf die Straße zu tragen und die
deutsche Jugend zu erreichen, die sich heut zu Tage einfach nicht mehr nur durch
politische Inhalte überzeugen lässt, sehr wohl aber in Verbindung mit unserem
Erscheinungsbild -Ausstrahlung von Stärke, Geschlossenheit, Gruppengefühl und
kreative Gestaltung von Transparenten- davon begeistern lässt. Sekundäres Ziel des
Agierens ist es die einzelnen Teilnehmer der Demonstration in einem Block zu einen
um ihnen Anonymität und Schutz zu bieten. Um geschlossen und entschlossen
aufzutreten um im Ernstfall gegen Willkürmaßnahmen und rechtswidriges Handeln der
Polizei angemessen Widerstand leisten zu können. Pseudo-Militante und Personen die
sich ausschließlich mit der Absicht zur Eskalation am Block beteiligen sind absolut fehl
am Platz! Solange es zu keinem direkten Angriff auf die Demonstration kommt, soll die
Antifa zukünftig vom Block als nicht existent betrachtet und völlig ignoriert werden.
Beteilige dich am nationalen und sozialistischen "Schwarzen Block" bei
Demonstrationen! Verfasser: Militante Rechte"
http://www.ag-ruhr-mitte.info/Aktionsgruppe%20Ruhr-
Mitte/politischeleitsaetze/definitionblackblock.html
27
Auf den Internet - Seiten der Autonomen Nationalisten Olpe und der Autonomen
Nationalisten Sauerland
28
http://widerstand.info/go/?http://an-oe.tk
29
heißt es unter der Rubrik "Autonomie" u.a.:
30
[...] Ein weiteres Phänomen des AN ist der "Black Block" [in nationalen Kreisen
Schwarzer Block oder NS-Block genannt], welcher sich ausschließlich auf
Demonstrationen findet. Er dient zum einen der bereits genannten Anonymität, welche
durch einheitliche schwarze Kleidung [teils auch durch Vermummung], gewährleistet
wird, und zum anderen ist er ein effektives Druckmittel gegenüber der Polizei, welche
nicht selten auf Demos des nationalen Widerstandes zu repressalen Maßnahmen greift
[Unrechtmäßiges Herausziehen von Teilnehmern, grundlose Zeitverzögerungen,
fehlende Kooperation, Gewaltanwendung, usw.] um den Aktivisten ihr Recht auf freie
Meinungsäußerung zu verwehren.
31
Der Antragsgegner hat hierzu in seiner Verbotsverfügung unter Bezugnahme auf den
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen ausgeführt, dass gerade im
Bereich Dortmund die "Autonomen Nationalisten", aus deren Reihen sich ein Großteil
der Teilnehmer des bei Demonstrationen auftretenden "Schwarzen Blocks" rekrutiert,
durch ihren Aktionismus überregionale und bundesweite Bedeutung erlangt haben. Er
hat hierzu - seitens des Antragstellers unwidersprochen - des weiteren festgestellt, dass
der Anmelder der Versammlung, Herr H. , der ursprünglich auch als Versammlungsleiter
32
vorgesehen war, ebenso wie die neben dem Antragsteller weiteren Teilnehmer an dem
Kooperationsgespräch, T. und E. , zu den führenden Mitgliedern der "Autonomen
Nationalisten" Dortmund zählt. Diese Feststellungen rechtfertigen die Annahme, dass
ein erheblicher Teil der Teilnehmer der geplanten Versammlung diesem "Schwarzen
Block" zuzurechnen sein wird. Die hier streitgegenständliche Demonstration wird von
zahlreichen rechtsgerichteten Gruppierungen unterstützt und beworben, die
offensichtlich dem Spektrum der sogenannten "Nationalen Aktivisten" ( hierbei handelt
es sich, soweit ersichtlich, um ein Synonym für "Autonome Nationalisten" ) zuzurechnen
sind. So werben die "Freien Nationalisten Lünen" im Internet mit einem Aufruf, dessen
Autor mit "Nationaler Widerstand Marl" angegeben wird. Als Unterstützer werden dort
neben dem "Nationalen Widerstand Marl" noch die "Freien Nationalisten Gladbeck" und
die "Freien Nationalen Aktivisten Lünen" angegeben.
http://logr.org/fnaluenen/antikriegstag.
33
Soweit diese Einschätzung vom Antragsteller in Abrede gestellt wird, vermag die
Kammer seinen Ausführungen nicht zu folgen. Hierbei kommt es nämlich zur gericht-
lichen Überzeugung nicht darauf an, ob nach den vom Antragsteller angeführten
Quellen ( Verfassungsschutzbericht 2008 sowie "SPIEGEL" vom 15. Mai 2008 ) die
"Autonomen Nationalisten"exakt zehn Prozent des der rechtsextremen Szene zuge-
rechneten Personenkreises von insgesamt 4.800 Personen ( = 480 "Autonome
Nationalisten" ) ausmachen und damit schon rein zahlenmäßig nicht die Mehrheit einer
auf mehr als eintausend Teilnehmer geschätzten Demonstration stellen könn- ten.
Maßgeblich ist vielmehr, dass nach der nicht zu beanstandenen Einschätzung des
Antragsgegners ein jedenfalls erheblicher Teil der Demonstrationsteilnehmer dem
bereits beschriebenen "Schwarzen Block" zuzuordnen sein dürfte, wobei zur
zahlenmäßigen Einschätzung durchaus auf die Ereignisse vom 1. Mai 2009 in
Dortmund abgestellt werden kann. Wenn auch die Angaben bezüglich der an den
Gewalttätigkeiten beteiligten Rechtsextremisten schwanken, so ist doch jedenfalls
davon auszugehen, dass nach den insoweit nicht in Zweifel zu ziehenden Angaben des
Antragsgegners gegen mindestens vierhundert Personen Ermittlungsverfahren
eingeleitet worden sind. Berücksichtigt man ferner, dass es sich nach überein-
stimmenden Verlautbarungen der rechten Szene hierbei um eine "Spontandemon-
stration" gehandelt haben soll, zu der nicht schon - wie vorliegend - vorab im Internet
aufgerufen worden ist, so muss davon ausgegangen werden, dass zu der vorliegend
streitigen Demonstration eine noch durchaus höhere Anzahl gewalt-bereiter Teilnehmer
zu erwarten ist, gleichgültig ob diese sich formal den "Auto-nomen Nationalisten"
zurechnen oder nicht. Darüber hinaus verdeutlichen ins-besondere die Ereignisse vom
1. Mai 2009 in Dortmund das erhebliche Potential an Gewaltbereitschaft, das gerade
von dieser Gruppe ausgeht. Deren zu erwartende Teilnahme lässt deshalb ungeachtet
der konkreten Zahlenverhältnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten, dass diese der
Gesamtveranstaltung einen gewalt- tätigen Verlauf geben wird.
34
Für die vorstehende Einschätzung kommt es auf die Frage, aus welchen Gründen der
früher vorgesehene Versammlungsleiter H. diese Funktion nicht mehr wahrnimmt, nicht
an, denn ein Anhaltspunkt dafür, dass dieser Personenwechsel einen
nachvollziehbaren Einfluss auf die Zusammensetzung des zu erwartenden Kreises der
Demonstrationsteilnehmer gehabt hat bzw. haben könnte, ist nicht ersichtlich. Derartiges
ist vom Antragsteller auch nicht behauptet worden.
35
Die Kammer teilt die hieraus abgeleitete Einschätzung des Antragsgegners, dass eine
36
erhebliche Anzahl von Demonstranten zu erwarten ist, die allein mit dem Ziel zu der
Versammlung anreist, bei sich bietender Gelegenheit aus der Versammlung heraus in
gewalttätige Auseinandersetzungen sowohl mit der Polizei als auch mit anderen
Personen, insbesondere Anhängern linksextremer Gruppierungen zu treten. Anders als
in der Vergangenheit,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Juni 2006 - 1 BvR 1429/06 -,
37
kann, ähnlich wie etwa anlässlich einer vom rechten Spektrum für den 1. Mai 2009 in
Hannover geplanten Versammlung,
38
vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 27. April 2009 - 11 ME 225/09 -, Juris,
39
auch vorliegend nicht mehr davon ausgegangen werden, dass Teilnehmer rechts-
extremer Versammlungen sich insgesamt opportunistisch verhalten und bemühen
werden, es nicht zu Gewalt und Rechtsverstößen kommen zu lassen. Dem liegt eine
offenbar veränderte sich in zahlreichen namentlich im Internet veröffentlichten
Publikationen widerspiegelnde Grundhaltung insbesondere der sogenannten
"Autonomen Nationalisten" zu Grunde. Diesen Publikationen ist - ebenso wie dem
Vortrag des Antragstellers in diesem Verfahren - gemein, dass sie - anders als die vom
Antragsgegner zitierten älteren Veröffentlichungen - Gewaltausübung nicht in den
Mittelpunkt der Demonstrationsziele stellen, sondern als legitimes Mittel im Rahmen
eines reklamierten Notwehrrechts zur Durchsetzung der Demonstrations-freiheit
darstellen.
40
So führt Aktionsgruppe Ruhr - Mitte auf ihrer Internet - Seite unter der Rubrik "Demo 1x1"
aus:
41
http://www.ag-ruhr-mitte.info/Aktionsgruppe%20Ruhr-
Mitte/politischeleitsaetze/demo1x1.html
42
[...] Es sollte jedoch allen klar sein, daß militantes Vorgehen nicht der alleinige Zweck
einer Demo ist, sondern nur eine Reaktion auf bestimmte Situationen sein kann.
Autor/Quelle: freier-widerstand.net"
43
Ein sowohl durch den "Nationalen Widerstand Marl" als auch auf der für den Bereich
Dortmund einschlägigen Seite www. infoportal-dortmund.net verbreiteter Artikel
"Demonstrationsverbote - eine alte Tradition" stellt die aktuellen Demonstrationen und
deren Verbot in den Kontext einer Versammlung der SA im Jahr 1931.
44
http://nw-marl.info/?p=761&cpage=1; www.widerstand.info/go/?http://www.infoportal-
dortmund.net
45
In einem auf der Seite des "Nationalen Widerstands Marl" veröffentlichten
"Antwortbeitrag" zu diesem Artikel heißt es:
46
[...] Das alles bedeutet allerdings nicht, grundlos vermummt in einer Stadt zu
randalieren. Es geht darum das Gleichgewicht zu halten. Wenn wir angegriffen werden,
wir um unsere Rechte, vor allem die Versammlungsrechte betrogen werden, dann ist es
unsere absolute Pflicht dagegen einzuschreiten. Mit welchen Mitteln, das muss auf die
Situation abgestimmt werden. Gewalt sollte grundsätzlich unser letztes Mittel sein.
47
Gewalt als Ausdruck politischen Engagements lehnen wir ab. Robert Wagner, seinerzeit
Gauleiter von Baden sagte dazu folgendes
"Seit Jahr und Tag haben wir an dem Begriff der Legalität festgehalten. Unsere Legalität
verlangt von uns, dass wir mit der gleichen Energie, mit der wir an ihr festhalten, auch
dafür sorgen, dass andere nicht illegal werden."
48
Illegal, unrechtmäßig sind: Ungerechtfertigte Knüppel- und Reizgaseinsätze,
Beschneidungen unseres Demonstrationsrechtes und allerhand weiteres.
49
Mit kameradschaftlichem Gruß Nationaler Widerstand Marl"
50
In diese Richtung weist im übrigen auch die Erklärung unter der Überschrift "Was wir
möchten und was nicht" auf der ( auch ) vom Antragsteller genutzten Internetseite
51
http://logr.org/antikriegstag/2009/07/12/was-wir-mochten-und-was-nicht/,
52
in der es nach der Ankündigung, friedlich, kreativ und laut auf die Straße gehen zu
wollen, sodann heißt: "Was wir nicht möchten: Genau das, was uns die Medien an zu
dichten versuchen. Sinnlose Gewalt gegen Polizisten und Andersdenkende. ...". Mag
auch im weiteren nochmals erklärt werden, man distanziere sich von allen Gewalt-
aufrufen im Internet, eine Demonstration sei kein Spielplatz für erlebnisorientierte
Jugendliche und die Versammlungsleitung werde für den friedlichen und ordentlichen
Verlauf der Demonstration Sorge tragen, so vermittelt allein diese Formulierung im
Kontext der übrigen Verlautbarungen insbesondere gegenüber einem in dieser Hinsicht
vorgeprägten Adressatenkreis auch hier den Eindruck, dass unterschieden werden solle
zwischen unerwünschter "sinnloser" Gewalt und gerechtfertigter "sinnvoller" Gewalt,
nämlich soweit letztere zur Wahrung des eigenen Demonstra-tionsrechts notwendig
erscheint.
53
Diese Sichtweise verkennt nicht nur die Reichweite des in Art 8 GG geschützten Rechts
auf friedliche Versammlungen, sondern negiert auch das staatliche Gewaltmonopol,
indem sie die Durchsetzung (vermeintlicher) Rechtspositionen durch Gewaltausübung
propagiert.
54
In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die zitierten Äußerungen einem
einzelnen Autor zuzurechnen sind, oder einer Gruppierung. Vielmehr zeigen diese
Publikationen deutlich die Selbstwahrnehmung des "Schwarzen Blocks" und lassen
daher Rückschlüsse auf das hier zu bewertende Gefahrenpotential der angemeldeten
Versammlung zu. Dies gilt umso mehr, als sich weder der Antrag-steller selbst noch die
bei dem Kooperationsgespräch anwesenden Herren H. und E. , die auch nach Aussage
des Antragstellers an der Organisation der Versammlung beteiligt sind, von solchen
Ausschreitungen überzeugend distanziert haben.
55
Im Gegenteil sind sowohl der Vortrag des Antragstellers als auch Publikationen des
Herrn H. dadurch gekennzeichnet, dass die maßgebliche Rolle der offensichtlich dem
"Autonomen Nationalen Schwarzen Block" zuzurechnenden Personen bei den
Vorfällen am 1. Mai 2009 in Dortmund schlichtweg geleugnet oder doch zumindest
verzerrt dargestellt werden. So wird in einem im Internet verbreiteten Flugblatt
56
www.infoportal-dortmund.net,
57
für das Herr H. als Verantwortlicher zeichnet unter der Überschrift "Die Presse lügt: Es
gab keinen Überfall auf die DGB Demonstration" behauptet:
58
"[...] Als die Demonstration zufällig über die Hansastraße auf den Südwall führte,
streiften sich die spontane Demonstration, sowie der Demonstrationszug. Nachdem
bereits die halbe Spontandemo am DGB Aufzug vorbeigelaufen war, kam es zu
Flaschenwürfen und direkten Angriffen von ausländischen Teilnehmern der DGB Demo.
In der Onlineausgabe der Westfälischen Rundschau, sowie in dem Bericht der Lokalzeit
Dortmund im Westdeutschen Rundfunk ist klar zu erkennen, dass die Aggressionen zu
keinem Zeitpunkt von den anwesenden Nationalisten ausging.[...]
59
In gleicher Weise bestreitet auch der Antragsteller eine aktive Beteiligung von
Rechtsextremen an den Gewalttätigkeiten am 1. Mai 2009 in Dortmund. Soweit er
ausführt, an diesem Tage habe sich vor dem Hauptbahnhof in Dortmund ein fried- licher
Demonstrationszug gebildet, der bei Annäherung an die zu gleicher Zeit statt- findende
DGB-Kundgebung sowohl aus deren Reihen angegriffen worden als auch von
Polizeibeamten tätlicher Gewalt ausgesetzt gewesen sei, verfälscht diese Dar- stellung
zur Überzeugung der Kammer offensichtlich den tatsächlichen Geschehens- ablauf. Die
Kammer geht insoweit vielmehr von der Richtigkeit der Darstellung des
Geschehensablaufs durch den Antragsgegner aus, die zum einen durch die örtliche
Presse bestätigt worden ist,
60
vgl. Westdeutsche Allgemeine Zeitung - WAZ - vom 2. Mai 2009, Titelseite: "Neonazis
überfallen Mai-Demo. 300 Rechtsextremisten attackieren friedliche Kundgebung in
Dortmund. Gewerkschaft entsetzt über "neue Qualität von Gewalt" ",
61
zum anderen vom Antragsgegner selbst auch in einem weiteren bei der Kammer
anhängigen Verfahren ( 14 K 2054/09 ), in dem es um die Rechtmäßigkeit einer
Auflagenverfügung gegenüber einer "linken" Gegendemonstration am selben Tage
geht, bereits mit Schriftsatz vom 5. Juni 2009 verlautbart ist. Auf die Wiedergabe der
polizeilichen Darstellung der Geschehnisse im Einzelnen wird, da sie den Beteiligten
bekannt ist, verzichtet.
62
Bezeichnend erscheint in diesem Zusammenhang überdies, dass der Antragsteller die
unstreitige Gewaltanwendung von Mitgliedern der rechten Gruppierung gegen-über dem
polizeilichen Einsatzleiter zu rechtfertigen versucht, indem er diese - als solche
unbestrittene - Gewalttätigkeit als gerechtfertigte Notwehr- bzw. Nothilfemaß-nahme
darstellt. Der Antragsteller verkennt hierbei offensichtlich im Sinne des oben
dargestellten Selbstverständnisses des "Schwarzen Blocks" den Umfang des
individuellen Notwehrrechts im Verhältnis zu dem durch die Verpflichtung des Staates
zum Schutz aller seiner Bürger gerechtfertigten staatlichen Gewaltmonopol, das eine
individuelle Verteidigung - vermeintlicher - eigener Rechte ausschließt. Demgemäß
kommt es für die vorliegend zu treffende Entscheidung auf den diesbe-züglich gestellten
Beweisantrag des Antragstellers ersichtlich nicht an. Ob und in welcher Form der
Einsatzleiter der Polizei versucht hat, den als Zeugen benannten E. als einen der
Anführer der unangemeldeten Demonstration aufzuhalten, ist für die Frage einer durch
den nachfolgenden Geschehensablauf bestätigten Gewaltbereitschaft unerheblich.
63
Soweit der Antragsteller darüber hinaus drei weitere Beweisanträge gestellt hat, die im
Zusammenhang mit den Geschehnissen am 1. Mai 2008 in Hamburg stehen, ist diesen
64
im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht nachzugehen. Der Antrags- gegner hat
auf diese Vorfälle in der Begründung seiner Verbotsverfügung nur insoweit abgestellt,
als er diese im Rahmen seiner Bewertung der eingetretenen Veränderungen
rechtsextremistischen Demonstrationsverhaltens herangezogen hat. Auf die Frage, ob
zum damaligen Zeitpunkt aus der Versammlung heraus zu Tätlich- keiten gegen einen
beobachtenden Journalisten aufgerufen worden ist, kommt es deshalb nicht an.
Daneben wird als wahr unterstellt und bedarf keiner Beweis- erhebung, dass die
Prozessbevollmächtigte Q. des dortigen Klägers C. in einem vor dem
Verwaltungsgericht Hannover sowie dem Oberverwaltungsgericht für das Land
Niedersachsen geführten Verfahren mehrere Beweisanträge gestellt hat und dass diese
abgelehnt worden sind. Des weiteren kann dahinstehen, ob es sich, wie der
Antragsteller behauptet,
anders Niedersächsisches OVG, a.a.O., Rdnr. 21,
65
bei den anlässlich der Ausschreitungen am 1. Mai 2008 in Hamburg fest- bzw. in
Gewahrsam genommenen Personen ausschließlich um Angehörige der links-
extremistischen Szene gehandelt hat, so dass es auch hierzu keiner Beweis- erhebung
bedarf.
66
Denn unabhängig hiervon bestehen angesichts der vom Antragsgegner dargelegten
Erkenntnisse von Polizei und Verfassungsschutz keine vernünftigen Zweifel daran, dass
es am 1. Mai 2008 in Hamburg - ebenso wie ein Jahr später in Dortmund - durch
Teilnehmer der rechtsgerichteten Demonstration bzw. Angehörige der rechten Szene zu
massiven Übergriffen auf Polizeibeamte und politische Gegner gekommen ist, wobei
insbesondere Angehörige der "Autonomen Nationalisten" durch ihre besondere
Gewaltbereitschaft hervorgetreten sind.
67
vgl. zu den Vorfällen in Hamburg auch Niedersächsisches OVG, a.a.O. .
68
Für die hiernach vom Antragsgegner zutreffend und tatsachengestützt abgeleitete
Prognose, dass auch bei der für den 5. September 2009 angemeldeten Versamm-lung
in Dortmund mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer nicht unerheblichen Zahl von
Versammlungsteilnehmern gewalttätige Ausschreitungen zu erwarten sind, ist es
deshalb ohne rechtserheblichen Belang, ob und inwieweit Mitglieder der rechts-
extremen Szene straf- oder ordnungsrechtlich zur Verantwortung gezogen worden sind
bzw. gezogen werden konnten.
69
Schließlich kann auch der gewaltfreie Ablauf der Kundgebung ( "Trauermarsch" )in Bad
Nenndorf am 1. August 2009 im Ergebnis nicht als Gegenindiz für die Annahme eines
gleichermaßen friedlichen Demonstrationsverlaufs in Dortmund gewertet werden.
Ausweislich der vom Antragsteller vorgelegten Pressemitteilung der Polizei-inspektion
Nienburg/Schaumburg sowie der eigenen Angaben der Verfahrens-beteiligten haben an
der Kundgebung in Bad Nenndorf ca. sechshundert Personen teilgenommen. Wie viele
von diesen den "Autonomen Nationalisten" zuzurechnen sind, ist zwischen den
Beteiligten streitig. Während der Antragsgegner unter Bezugnahme auf eine Schätzung
der niedersächsischen Polizei von einem Anteil von weniger als einem Drittel
"Autonomer Nationalisten" ausgeht, verweist der Antragsteller darauf, dass vor der
Veranstaltung von der Polizei Bekleidungs- kontrollen durchgeführt worden seien.
Schwarze oder jedenfalls dunkle Kleidungs- stücke, namentlich Kapuzenpullover, seien
unter ersatzweiser Aushändigung weißer T-Shirts einbehalten worden. Da danach
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mindestens die Hälfte der Demonstrations- teilnehmer mit weißen T-Shirts bekleidet
gewesen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass mindestens die Hälfte der
Teilnehmer den "Autonomen Nationalisten" zuzurechnen gewesen seien.
Hierzu ist festzustellen, dass es in Anbetracht des angemeldeten "Trauermarsches"
durchaus naheliegt, dass ein Großteil der Versammlungsteilnehmer dem Motto der
Veranstaltung entsprechend schwarz oder dunkel gekleidet war, ohne damit seiner
Zugehörigkeit zu den "Autonomen Nationalisten" bzw. dem "Schwarzen Block"
Ausdruck zu verleihen, mit der Folge, dass eine Vielzahl von Teilnehmern ersatz-weise
weiße T-Shirts trugen, ohne dem "Schwarzen Block" anzugehören. Darüber hinaus
verweist der Antragsgegner - vom Antragsteller insoweit nicht bestritten - darauf, dass
die zu der Demonstration angereisten ca. 130 Mitglieder der Dortmunder "Autonomen
Nationalisten" eine polizeiliche Durchsuchung vor Beginn der Demonstration
verweigerten und ohne an dieser teilzunehmen abreisten. Welche Motivation diesem
Verhalten zu Grunde lag, lässt sich allenfalls mutmaßen ( vgl. hier-zu den
wechselseitigen Vortrag der Beteiligten ). Feststehen dürfte allerdings, dass
insbesondere die vom Antragsgegner mit Blick auf den 1. Mai 2009 in Dortmund als
gewaltbereit eingestuften Dortmunder "Autonomen Nationalisten" an der Versamm-lung
in Bad Nenndorf zumindest überwiegend nicht teilgenommen haben, so dass aus deren
gewaltfreiem Verlauf auch nicht auf ein vergleichbares Verhalten in Dortmund
geschlossen werden kann. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil es sich bei der für
den 5. September 2009 angemeldeten Veranstaltung angesichts des namentlich im
Internet zu beobachtenden Werbe- bzw. Mobilisierungsaufwandes
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vgl. hierzu insbesondere auch die ausführliche und kommentierte Darstellung dieses
gerichtlichen Verfahrens im Internet auf der Seite http://logr.org/antikriegstag
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sowie der erwarteten Teilnehmerzahl, die vom Antragsgegner aus der Erfahrung der
vergangenen Jahre über die Angaben des Antragstellers hinaus mit deutlich mehr als
eintausend beziffert wird, augenscheinlich um eine Veranstaltung von zentraler
Bedeutung der rechtsextremistischen Szene handelt.
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Ist nach alledem daher durchaus zu befürchten, dass insbesondere auch die Ver-
sammlungsleitung vor Ort keine Gewähr dafür bietet, dass die Versammlung einen
insgesamt friedlichen Verlauf nimmt, kommt als milderes Mittel im Verhältnis zu dem
verfügten Versammlungsverbot auch nicht der Erlass beschränkender Auflagen in
Betracht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 des
Gerichtskostengesetzes und geht wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache
vom vollen Regelstreitwert aus.
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