Urteil des VG Gelsenkirchen vom 01.12.2008

VG Gelsenkirchen: überwiegendes öffentliches interesse, sammlung, aufschiebende wirkung, altpapier, unternehmen, verfügung, hersteller, kreis, restriktive auslegung, ausschreibung

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 14 L 856/08
Datum:
01.12.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 L 856/08
Schlagworte:
Abfallbeseitigungsrecht, Altpapier, Altpapiersammlung, Duales System
Deutschland, Grüner Punkt, Verpackung, Verwertung, Sammlung,
gewerbliche Sammlung
Normen:
Krw-/AbfG § 13, Krw-/AbfG § 21, VerpackV § 6
Leitsätze:
1. Zum Begriff der gewerblichen Sammlung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr.
3 Krw-/AbfG.
2. Allein die Möglichkeit von Gebührenerhöhungen kann der Sammlung
nicht als überwiegendes öffentliches Interesse entgegengehalten
werden.
3.Die Sorge, einem anerkannten und abgestimmten flächendeckenden
Erfassungssystem für Verpackungen (Duales System Deutschland)
könnte durch die Sammlung Verpackungsmaterial entzogen werden,
begründet kein öffentliches Interesse.
Tenor:
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 3815/08 gegen die
Untersagungsverfügung und die mit ihr verbundene
Zwangsgeldandrohung des Antragsgegners vom 14. Juli 2008 wird
wiederhergestellt, bzw. angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 100.000,- EUR festgesetzt.
Gründe:
1
I.
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Die Antragstellerin betreibt ein Entsorgungsunternehmen mit den Schwerpunkten
Ersatzbrennstoff-Herstellung, Gewerbeabfallsortierung und Altholzverwertung. Sie ist
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spezialisiert auf Einsammlung, Aufbereitung, Entsorgung und Verwertung von Abfällen.
Sie wendet sich gegen die durch den Antragsgegner erfolgte Untersagung der von ihr
organisierten Altpapiersammlung über sogenannte „blaue Tonnen" im Gebiet des
Kreises V. , insbesondere in den Städten V. , L. sowie der Gemeinde C. .
In den oben genannten Gemeinden wird Altpapier derzeit in einem gemischten Bring-
und Holsystem gesammelt. Im Bereich der Stadt V. wird Altpapier zum Teil durch die
Kommune bei den Haushalten abgeholt und über den Antragsgegner verwertet. In den
übrigen Gemeinden und Teilen der Stadt V. sind Altpapiercontainer aufgestellt.
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Am 9. Juli 2008 zeigte die Antragstellerin beim Antragsgegner an, dass sie eine
gewerbliche Erfassung und Verwertung von Altpapier aus privaten Haushalten im Sinne
des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des Kreislaufwirtschafts- /Abfallgesetzes (KrW-/AbfG)
beabsichtige. Dazu werde ab dem 14. Juli 2008 auf Anforderung der privaten Haushalte
mit der Aufstellung „blauer Tonnen" mit einem Volumen von jeweils 240 Litern
begonnen. Als Bonus werde den Haushalten angeboten, zweimal jährlich die Biotonne
zu reinigen. Alternativ zum Aufstellen von Tonnen werde den Haushalten die
Bündelsammlung angeboten, beginnend zum gleichen Termin. Die Abfuhr erfolge mit
eigenem Personal und Fahrzeugen zum Firmensitz in C1. . Dort werde das Altpapier
umgeschlagen, nach C2. (NL) transportiert und dort und der Fa. Q. b.V. zur Vermarktung
in der Papierherstellung etwa (aber nicht ausschließlich) bei der Firma P. Papier N.V. in
E. (Belgien) überlassen. Die Verwertungsanlagen seien jederzeit in der Lage, die
gesamte in der Region V. erfasste Papiermenge zu erfassen. Es sei beabsichtigt,
ausschließlich von privaten Haushalten stammendes Altpapier (Sorten 1.01 und 1.02
gemäß der Liste der europäischen Standardsorten und Qualitäten) zu erfassen, nicht
aber Verpackungen i.S.d. Verpackungsverordnung. Zur Vermeidung von Fehlwürfen
würden die Bürger entsprechend informiert. Die Sammlung erfolge für die Bürger
kostenlos, die Antragstellerin sei an der dauerhaften Etablierung eines Systems zur
Altpapiererfassung in der Region V. interessiert.
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Dieser Anzeige fügte sie als Anlagen ein Zertifikat der DEKRA, in dem ihr bescheinigt
wird, die Anforderungen des § 52 KrW-/AbfG und der
Entsorgungsfachbetriebeverordnung zu erfüllen, sowie eine Informationsbroschüre für
die Haushalte über die nähere Ausgestaltung der beabsichtigten Sammlung bei.
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Weitgehend gleichlautende Scheiben richtete die Antragstellerin an die Gemeinde C. ,
sowie die Städte V. und L. .
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Unter dem 10. Juli 2008 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu der
beabsichtigten Untersagung der Sammlung an, falls der nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
KrW-/AbfG erforderliche Nachweis vor Aufnahme einer gewerblichen Sammlung nicht
erbracht werde (formelle Rechtswidrigkeit) und/oder die Voraussetzungen der
Zulässigkeit einer gewerblichen Sammlung gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG
nicht vorliegen (materielle Rechtswidrigkeit). Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die
Sammlung wohl bereits formell rechtswidrig sei. Über die materielle Rechtmäßigkeit
könne erst nach Eingang der nachfolgend angeforderten Unterlagen zum Gegenstand
der gewerblichen Sammlung, insbesondere hinsichtlich des Ausschlusses von
Verpackungsmüll, zum Zusammenhang der angebotenen Reinigung der Bio - Tonnen
mit der Papiersammlung und zur schadlosen Verwertung des gesammelten Altpapiers
befunden werden. Der Antragsgegner gehe darüber hinaus vom Bestehen einer
grundsätzlichen Überlassungspflicht der privaten Haushalte auch für Altpapier aus. Der
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angekündigten Sammlung stünden des Weiteren öffentliche Interessen entgegen. Es sei
zu besorgen, dass die Funktionsfähigkeit des bestehenden kommunalen
Entsorgungssystems unter betriebswirtschaftlichen und abfallwirtschaftlichen
Gesichtspunkten entfalle, eine erhebliche Gebührenbelastung des Bürgers durch den
Wegfall der Erlöse, die im Rahmen der Verwertung des Altpapiers derzeit erzielt werden
entstehe, die Planungssicherheit, insbesondere auch für die zur Zeit laufende
Ausschreibung der Verwertung im Kreis V. wegfalle und die Funktionsfähigkeit des
abgestimmten kommunalen Erfassungssystems für PPK (Papier, Pappe, Kartonagen) -
Verkaufsverpackungen verloren gehe.
Die Antragstellerin nahm am 14. Juli 2008 ausführlich zu den in der Anhörung
aufgeworfenen Fragen Stellung und stellte sich auf den Standpunkt, dass an den
Nachweis der Verwertung im Rahmen der Anzeige keine überhöhten Anforderungen
gestellt werden dürften. Vor diesem Hintergrund seien die übermittelten Informationen
ausreichend. Die Antragstellerin sei im Übrigen seit Jahren in vielen Kommunen
Drittbeauftragter i.S.d. 16 Abs. 1 KrW-/AbfG, für Einsammlung, Transport und
Verwertung kommunaler PPK. Auf den Ausschluss der Verkaufsverpackungen werde
neben den Hinweisen in der verteilten Broschüre auch bei Aufstellung der Tonnen
hingewiesen. Im Übrigen bleibe es dem Antragsgegner unbenommen, im Rahmen
eigener Informationspolitik auf den Ausschluss von Verpackungsmüll hinzuweisen. Die
angebotene Reinigung der Biotonnen sei keine Entsorgungshandlung; es stehe den
Bürgern frei, Dritte mit der Reinigung der ihnen durch den Antragsgegner, bzw. von
diesem beauftragter Unternehmen zur Verfügung gestellter Biotonnen zu beauftragen.
Auch öffentliche Interessen stünden der Sammlung vor dem Hintergrund aktueller
Rechtsprechung nicht entgegen. Die befürchtete Gebührenerhöhung sei nicht konkret
genug belegt. Die Antragstellerin werde alles dafür tun, die Sammlung von
Verkaufsverpackungen zu vermeiden, so dass der befürchtete Funktionsverlust des
abgestimmten kommunalen Erfassungssystems nicht trage. Falls sich herausstellen
sollte, dass ein relevanter Anteil an Verkaufsverpackungen in den von der
Antragstellerin aufgestellten Tonnen enthalten sei, werde sie sich von den betroffenen
Systembetreibern Drittbeauftragen lassen.
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Am 14. Juli 2007 ordnete der Antragsgegner nach § 21 KrW-/AbfG an:
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Der Fa. C3. Kreislaufwirtschaft GmbH, I. . 44, C1. (im Weiteren: C3. ), vertreten durch die
Geschäftsführung, wird mit sofortiger Wirkung untersagt im Kreis V. , insbesondere a) im
Gebiet der Gemeinde C. , b) im Gebiet der Stadt L. , c) im Gebiet der Stadt V.
gewerbliche Sammlungen von PPK - Abfällen (Papier-, Pappe- und Kartonage-Abfällen)
aus privaten Haushaltungen im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG
durchzuführen. Im Einzelnen wird hierzu untersagt,
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1.1 im Gebiet des Kreises V. PPK - Abfälle aus privaten Haushaltungen zu sammeln
und zu entsorgen/zu verwerten;
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1.2 zu diesem Zweck im Gebiet des Kreises V. privaten Haushaltungen Papiertonnen
oder sonstige Behälter zur Erfassung von PPK - Abfällen zur Verfügung zu stellen;
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1.3 Werbung oder sonstige Informationen (z.B. durch Flyer, Handzettel,
Zeitungsanzeigen oder Seiten im Internet unter www. entsorgung.de) zu diesem Zweck
zu verteilen oder zu veröffentlichen und hierdurch private Haushaltungen im Kreis V.
aufzufordern, Papiertonnen für die PPK - Erfassung bei ihr zu bestellen oder von ihr
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entgegenzunehmen und ihr mit dieser Papiertonne oder im Wege der Bündelsammlung
PPK - Abfälle zu überlassen
Soweit vor Bekanntgabe dieses Bescheides von C3. im Kreis V. bereits Papiertonnen
zur Erfassung von Altpapier aufgestellt worden sind, hat C3. ab Bekanntgabe dieses
Bescheides
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2.1 das Altpapier aus vor der Bekanntgabe dieses Bescheides bereits aufgestellten und
bereits befüllten Papiertonnen bis spätestens eine Woche nach Bekanntgabe dieses
Bescheides dem Kreis V. als öffentlich rechtlichen Entsorgungsträger an der
Wertstoffaufbereitungsanlage C. [Anschrift, Öffnungszeiten] zu überlassen und die
Papiertonnen unmittelbar im Anschluss an die Entleerung zurückzunehmen;
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2.2 spätestens zwei Wochen nach Durchführung und Abschluss der gemäß Nr. 2.1
angeordneten Maßnahmen dies der unteren Umweltschutzbehörde des Kreises V.
schriftlich anzuzeigen.
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Es wird die sofortige Vollzeihung der Nr. 1. und 2. angeordnet.
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Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter 1. und 2.1 dieses Bescheides
geregelten Vorgaben werden C3. folgende Zwangsgelder angedroht.
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4.1 Bei Zuwiderhandlung gegen die Anordnung unter Nr. 1.1 wird für jede Leerung einer
Papiertonne oder jede Leerung eines sonstigen Behälters zur Erfassung von PPK -
Abfällen oder jede sonstige Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR
festgesetzt.
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4.2 Bei Zuwiderhandlung gegen die Anordnung unter Nr. 1.2 wird für jede zur Verfügung
gestellte Papiertonne bzw. für jeden zur Verfügung gestellten sonstigen Behälter zur
Erfassung von PPK - Abfällen ein Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR festgesetzt.
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4.3 Bei Zuwiderhandlung gegen die Anordnung unter Nr. 1.3 wird für jede Werbungs-
bzw. Informationsaktion ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 EUR festgesetzt.
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4.4 Bei Zuwiderhandlung gegen die Anordnung unter Nr. 2.1 wird und für jede
Papiertonne, deren Befüllung nicht dem Kreis V. überlassen wird, ein Zwangsgeld in
Höhe von 250,00 EUR festgesetzt.
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Zur Begründung dieser Verfügung führte er im Wesentlichen aus, der Nachweis einer
ordnungsgemäßen Verwertung/Entsorgung gegenüber dem öffentlichen
Entsorgungsträger sei bislang nicht erfolgt. Des weiteren stünden der Sammlung der
Antragstellerin öffentliche Interessen entgegen.
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Die Antragstellerin betreibe keine Sammlung i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG,
sondern ein flächendeckendes Abfallentsorgungssystem, welches an die Stelle des
kommunalen Entsorgungssystems trete. Dem Sammlungsbegriff des Gesetzes liege
aber das historische Vorbild der Bündel / Türsammlung einzelner Wertstofffraktionen zu
Grunde. Die mit der Rechtsprechung zu fordernde „Freiwilligkeit der Überlassung" sei
vorliegend nicht gegeben, da bei dem System der Antragstellerin zumindest ein
konkludenter Abschluss zivilrechtlicher Verträge angenommen werden müsse, aus
denen die Pflicht folge, Abfälle zu überlassen, damit der Behälter nicht wieder entzogen
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wird. Auch die fehlende gesetzliche Regelung eines Betretungsrechts des privaten
Grundstücks für die Antragstellerin erfordere einen zivilrechtlichen Vertrag. Die in § 13
KrW-/AbfG geforderte Eigenverwertung der Abfälle erfolge nicht, da die Antragstellerin
sich für die Verwertung Dritter bediene.
Des weiteren sei die geordnete Entsorgung nicht gesichert. Weder die Anzeige vom 8.
Juli 2008 noch die auf Aufforderung nachgebesserten Unterlagen erfüllten die
Anforderungen an einen Nachweis der geordneten Entsorgung, da weder die weiteren
Verwertungsanlagen benannt noch die Entsorgungsverträge vorgelegt worden seien.
Dies sei aber vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin nicht über eine eigene
Verwertungsanlage verfüge erforderlich.
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Soweit daran gedacht sei, die Behälter am Straßenrand abzustellen, sei eine
Sondernutzungserlaubnis notwendig, die allerdings Gegenstand eines eigenen
straßenrechtlichen Verfahrens und deshalb nicht Gegenstand der Verfügung sei.
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Der Sammlung stehe als öffentliches Interesse auch der Verlust der Wirtschaftlichkeit
der öffentlichen Abfallentsorgung entgegen. In die Gebührenkalkulation seien alle
Erlöse aus Altpapier zu 100% als gebührenmindernd eingestellt. Der Verlust betrüge bei
vollständigem Entzug des Papiers ca. 640.000,-EUR. Als Folge der notwendigen
Gebührenerhöhungen komme es zu wilden Müllablagerungen. Die Altpapiersammlung
verringere außerdem die Auslastung der öffentlichen Kapazitäten und führe so zu einer
Gebührenerhöhung, die letztendlich gegen das Äquivalenzprinzip verstoße, weil höhere
Gebühren für weniger Leistung zu verlangen seien. Eine Gebührenerhöhung würde
dazu führen, dass auch Nichtgebührenpflichtige („der Steuerzahler") zu
Gebührenerhöhungen herangezogen würden, denen keine Gegenleistung an sie selbst
gegenüberstehen würde, denn bei Arbeitslosen gehörten die Müllgebühren zu den
Wohnkosten, die aus Steuermitteln zu zahlen seien.
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Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass durch private Anbieter die öffentlich
rechtliche Entsorgungsstruktur ausgehöhlt werde.
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Der Antragsgegner führe außerdem derzeit ein europaweites Ausschreibungsverfahren
um die Verwertung des Altpapiers ab dem 1. Januar 2009 durch, welches im EU -
Amtsblatt vom 1. Juli 2008 bekannt gemacht worden sei. Das Ergebnis dieses
Verfahrens werde unterlaufen, wenn die Antragstellerin ein paralleles System aufbaue.
Die Planungssicherheit sei nicht mehr gewährleistet, da die Mengen für künftige
Ausschreibungen nicht mehr erfasst werden könnten. Das Mengenrisiko würde auf die
Bieter überbürdet, zuverlässige Angebote könnten nicht mehr abgegeben oder überprüft
werden. Des weiteren müsste damit gerechnet werden, dass neben der Antragstellerin
weitere gewerbliche Betreiber versuchen würden, Sammlungssysteme im Kreisgebiet
einzurichten.
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Die Sammlung der Antragstellerin gefährde darüber hinaus bereits getätigte kommunale
Investitionen für zwei Abfallumladestationen in M. und C. . Der Kreis habe für die
geplante Altpapiersammlung ein weiteres Müllfahrzeug und 6.400 Altpapiertonnen
angeschafft, sowie drei weitere Mitarbeiter eingestellt. Kreis und Gemeinden hätten
nach Durchführung von Vergabeverfahren Entsorgungsunternehmen als beauftragte
Dritte mit der Altpapiersammlung in den Haushalten und dem Transport zur
Umladestation beauftragt. Bei Einrichtung der Sammlung der Antragstellerin sei mit
Preisanpassungsforderungen seitens dieser Unternehmen zu rechnen.
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Die Sammlung der Antragstellerin gefährde das Duale System Deutschland (DSD). Der
Antragsgegner habe sich gegenüber DSD verpflichtet, zusammen mit dem Altpapier
auch Verkaufsverpackungen einzusammeln. Bei dieser vereinbarten Entsorgung
handele es sich um ein System i.S.d. § 6 Abs. 3 VerpackungsVO. Das Tätigwerden der
Antragstellerin würde das Wettbewerbserfordernis für die Auswahl der zu
beauftragenden Unternehmen nach § 6 VerpackungsVO unterlaufen. Die Tätigkeit
örtlich begrenzter Sammler würde auch die flächendeckende Erfassung von
Verkaufsverpackungen gefährden, da nur die lukrativen Standorte abgedeckt würden.
Die von der Antragstellerin beabsichtigte Sammlung unterscheide sich nicht von der
haushaltsnahen Erfassung von Verkaufsverpackungen und erfülle nicht die
Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 VerpackVO. Die Antragstellerin verfüge weder über
eine behördliche Systemfeststellung nach § 6 Abs. 3 Satz 11 VerpackVO noch über
eine schriftliche Abstimmung mit dem öffentlichen Entsorgungsträger nach § 6 Abs. 3
Satz 4 und 5 VerpackVO. Die „Drittbeauftragung" durch die beauftragten Unternehmen
des DSD, welche der Antragstellerin vorschwebe, sei im Rahmen einer gewerblichen
Sammlung gerade nicht möglich.
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Durch ihre Sammlung verstoße die Antragstellerin auch gegen Wettbewerbsgrundsätze.
Die erfolgreiche Etablierung eines haushaltsnahen Abholsystems verhindere
Wettbewerb, da ein Hinzutreten weiterer Wettbewerber dadurch erheblich erschwert
werde. Dies sei bei der Ausschreibung durch den öffentlichen Entsorgungsträger für
einen bestimmten Zeitraum nicht der Fall. Gleichzeitig eröffne die Aufstellung der blauen
Tonne auch den vereinfachten Zugang zu anderen „trockenen" Wertstofffraktionen. Das
Vorgehen der Antragstellerin stehe im Widerspruch zu der Systematik des Abfallrechts,
die entweder die Drittübertragung nach § 16 oder die konzessionsähnliche
Aufgabenübertragung vorsehe.
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Im Übrigen begründete der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit
sowie die Zwangsmittelandrohung.
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Gegen die am 14. Juli 2008 per Telefax übermittelten und am 16. Juli 2008 gegen
Empfangsbekenntnis zugestellte Ordnungsverfügung hat die Antragstellerin am 15. Juli
2008 Klage erhoben und einen Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der
aufschiebenden Wirkung dieser Klage gestellt.
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Als Anlage zur Antrags- und Klagebegründung fügte sie zwei Bescheinigungen über die
Verwertung des Altpapiers bei und führt aus, bei diesen Bescheinigungen handele es
sich nicht um Gefälligkeitsbescheinigungen, wie der Antragsgegner behaupte, sondern
um branchenübliche Nachweise.
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Sie wendet ein, dass für die Anordnung in Ziffer 1.3 keine Ermächtigungsgrundlage
bestehe. Der herangezogene § 21 KrW-/AbfG lasse nur unmittelbar abfallrechtliche
Anordnungen zu, nicht aber Folgemaßnahmen wie die Untersagung der Werbung.
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Es sei nicht abzusehen, dass der Antragstellerin eine flächendeckende Einrichtung des
Systems gelingen könnte, da neben dem Antragsgegner auch weitere Konkurrenten
auftreten können. Deshalb sei die Planungssicherheit des Antragsgegners nicht berührt.
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Die restriktive Auslegung des § 13 Abs. 3 KrW-/AbfG wie sie der Antragsgegner
vornehme verstoße gegen Art 29 ff EG Vertrag, da sie zu einer mengenmäßigen
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Ausfuhrbeschränkung führe. Die Antragstellerin wolle das Altpapier in den
Niederlanden entsorgen.
Die Antragstellerin unterlaufe das aktuelle Ausschreibungsverfahren nicht, da dieses
noch nicht abgeschlossen sei und sie sich nicht an ihm beteilige. Der Antragsgegner
könne und müsse die Ausschreibung an geänderte Rahmenbedingungen anpassen.
Auch künftige Ausschreibungen würden nicht behindert, da die
Ausschreibungsmodalitäten entsprechend angepasst werden könnten und das BGB in §
313 Möglichkeiten der Anpassung auch laufender Verträge an Mengenschwankungen
ermögliche.
40
Die von dem Antragsgegner geltend gemachten erheblichen Investitionen seien bislang
nicht dargelegt. Selbst wenn es sich um Fehlinvestitionen handele, beruhten diese nicht
auf der Sammlung der Antragstellerin, sondern der unzutreffenden Bewertung der Sach-
und Rechtslage durch den Antragsgegner.
41
Die vom Antragsgegner angeführten Gebühren und fiskalischen Belange seien
allenfalls nachrangig zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber mute dem öffentlichen
Träger eine gewisse Flexibilität bei Aufbau und Unterhaltung der Entsorgungsstrukturen
zu. Das rentable Betreiben solcher Einrichtungen sei kein von § 13 Abs. 3 Krw-/AbfG
geschützter Belang. Dies könne allenfalls dann der Fall sein, wenn die
Gebührenerhöhung so hoch ausfiele, dass die betroffenen Haushalte überfordert wären.
Der Antragsgegner habe sich insoweit lediglich auf vage Vermutungen und pauschale
Behauptungen gestützt.
42
Außerhalb des KrW-/AbfG liegende Aspekte wie die VerpackungsVO seien nicht als
öffentliche Interessen berücksichtigungsfähig. Selbst wenn diese Aspekte zu
berücksichtigen wären, stelle die Antragstellerin sicher, dass es nur zu gelegentlichen
Fehlwürfen kommen könne, die ein flächendeckendes Entsorgungssystem nicht
gefährden können.
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Weder die Verpackungsverordnung noch § 13 KrW-/AbfG enthielten eine
Überlassungspflicht des Endverbrauchers an das DSD, sondern lediglich eine
Rücknahmepflicht der Hersteller / Verkäufer. Daher sei es dem Verbraucher
unbenommen, auch Verpackungsmüll in die Altpapiersammlung zu geben. Die
ordnungsgemäße Verwertung sei durch die Antragstellerin auch für solche
Verpackungen garantiert. Die vom Antragsgegner in Bezug genommenen
Abstimmungsvereinbarungen mit dem DSD seien allesamt ausgelaufen, bzw. vor
Inkrafttreten des KrW-/AbfG abgeschlossen worden und deshalb zwischenzeitlich
obsolet.
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Die Untersagung der gesamten Sammlung mit Blick auf die VerpackungsVO stelle sich
als unverhältnismäßig dar, da eine Untersagung der Sammlung von Verpackung völlig
ausreichend wäre, um die Interessen des DSD zu wahren.
45
Allein die Durchführung der Sammlung stelle auch keinen Wettbewerbsverstoß dar. Die
Praxis zeige, dass mehrere gewerbliche Sammler nebeneinander existieren könnten.
Der Gesetzgeber habe mit Einführung des Systems der Dualen Abfallwirtschaft bewusst
eine Konkurrenzsituation geschaffen.
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Sie stellt schriftsätzlich sinngemäß den Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 3815/08 gegen die Untersagungsverfügung
und die mit ihr verbundene Zwangsgeldandrohung des Antragsgegners vom 14. Juli
2008 wiederherzustellen, bzw. anzuordnen.
48
Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
50
Er trägt ergänzend zur Begründung der Ordnungsverfügung vor, dass weiterhin
Abstimmungsvereinbarungen zwischen DSD und dem Antragsgegner bzw. den
Kreisangehörigen Gemeinden hinsichtlich des Verpackungsanteils am
Altpapieraufkommen bestehen.
51
§ 21 KrW-/AbfG decke auch die Untersagung der Werbung in Ziffer 1.3 der Verfügung
ab, da damit auch abfallwirtschaftliche Belange betroffen werden. Die Antragstellerin
rufe nämlich zur Verletzung der Überlassungspflicht auf und sei damit
Zweckveranlasserin.
52
Der Nachweis der ordnungsgemäßen Entsorgung sei nach der Rechtsprechung durch
die Vorlage von Verträgen im Zeitpunkt der Anzeige, nicht erst im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu führen.
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Prüfungsmaßstab für die Gefährdung der öffentlichen Entsorgung sei allein der
Zuständigkeitsbereich der für den Abtransport zuständigen Stadt, nicht jedoch des
Kreises. Maßstab dieser Prüfung sei die Gefahr, nicht der konkrete Eintritt eines
Erfolges. Diese Gefahr sei in der Ordnungsverfügung plausibel dargelegt und begründet
worden.
54
Die Papiersammlung der Antragstellerin mache die Erfüllung der VerpackVO
unmöglich, da die Mengenströme nicht mehr erfasst werden könnten und der von der
VerpackVO geforderte Rücklauf von 70% der in Umlauf gebrachten Verpackungen nicht
mehr kontrolliert werden könne. Dies sei ein entgegenstehender öffentlicher Belang, da
gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG eine unschädliche Verwertung nur dann vorliege,
wenn durch die Verwertung nicht gegen öffentlich - rechtliche Bestimmungen - hier
Anlage I Ziffer 3 Abs. 4 VerpackVO - verstoßen wird.
55
Die von der Antragstellerin beabsichtigte Sammlung sei auch ein Wettbewerbsverstoß,
da ein flächendeckendes System haushaltsnaher Erfassung jede Konkurrenz unmöglich
mache.
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Die Antragstellerin umgehe das Ausschreibungsverfahren, da ihre Aktivität darauf
abziele, dessen Sieger Papiermengen zu entziehen. Die Tätigkeit der Antragstellerin
verstoße auch gegen Vergaberecht, weil die Mengenschwankungen zu einer nach § 8
VOL/A unzulässigen Risikoüberbürdung führen. Es gebe auch keine vergaberechtlichen
Alternativen, da die von der Antragstellerin dargestellte Vertragsanpassung nicht so
einfach möglich sei wie dargestellt.
57
§ 13 KrW-/AbfG verstoße auch nicht gegen EU Recht, die Kommission habe ein
entsprechendes Verfahren eingestellt.
58
Die Kammer hat durch Beschluss vom 16. Juli 2008 vorläufig die aufschiebende
Wirkung der Klage 14 K 3815/08 wiederhergestellt, bzw. angeordnet, bis über den
Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entschieden wird.
59
II.
60
Der zulässige Antrag ist begründet.
61
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht in den Fällen, in denen
der Widerspruch gegen einen belastenden Verwaltungsakt abweichend von § 80 Abs. 1
Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung entfaltet, weil es sich bei dem
Verwaltungsakt um eine Maßnahme handelt, deren sofortige Vollziehbarkeit - wie hier -
durch die erlassende Behörde angeordnet wurde, auf Antrag des Betroffenen die
aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherstellen.
62
Dies kommt allerdings nur in Betracht, wenn das öffentliche Interesse an einer sofortigen
Vollziehung des Verwaltungsaktes das Interesse des Antragstellers, von
Vollziehungsmaßnahmen vorläufig verschont zu bleiben, nicht überwiegt. Bei der in
diesem Zusammenhang gebotenen Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten
des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren mit zu berücksichtigen. Stellt sich heraus,
dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, spricht dies für ein
vorrangiges Vollziehungsinteresse, sofern nicht besondere Umstände im Einzelfall eine
andere Entscheidung erfordern. Stellen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs
als offen dar, hat das Gericht die widerstreitenden Interessen im Rahmen einer
allgemeinen Abwägung gegeneinander abzuwägen.
63
Ein das Interesse der Antragstellerin an dem Suspensiveffekt ihrer Klage
überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der
Ordnungsverfügung ist vorliegend nicht festzustellen. Nach der in diesem Verfahren
allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht viel dafür,
dass die mit der Klage 14 K 3815/08 angefochtene Ordnungsverfügung des
Antragsgegners rechtswidrig ist, offensichtlich ist dies jedoch nicht. Im Rahmen einer
allgemeinen Vollzugsfolgenabwägung überwiegt das Interesse der Antragstellerin am
Suspensiveffekt ihrer Klage, da die Nachteile, denen die Antragstellerin bei einer
Vollziehung der Ordnungsverfügung bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren
ausgesetzt ist, erheblich und nicht mehr umzukehren sind.
64
Der Antragsgegner hat die Verfügung zutreffend auf die Ermächtigungsgrundlage des §
21 KrW-/AbfG gestützt. Danach kann die zuständige Behörde im Einzelfall die
erforderlichen Anordnungen zur Durchführung dieses Gesetzes und der auf seiner
Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen treffen. Hier hat der Antragsgegner mit der
streitgegenständlichen Ordnungsverfügung die Erfüllung der gesetzlichen
Überlassungspflicht aus § 13 Abs. 1 Krw-/AbfG durchsetzen wollen.
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Entgegen der von dem Antragsgegner vertretenen Auffassung spricht aber
überwiegendes dafür, dass die Voraussetzungen zum Einschreiten nicht erfüllt sind. Die
von der Antragstellerin beabsichtigte Altpapiersammlung im Rahmen des § 13 Abs. 3
Satz 1 Nr. 3 Krw-/AbfG ist nach summarischer Prüfung zulässig und ihr können auch
keine öffentlichen Interessen entgegengehalten werden, so dass die
Überlassungspflicht aus § 13 Abs. 1 Krw-/AbfG für die von der Antragstellerin
gesammelte PPK - Fraktion des Altpapiers nicht (mehr) besteht.
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Die rechtliche Zulässigkeit der gewerblichen PPK - Sammlung der Antragstellerin ist
ausschließlich nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG zu beurteilen. Durch diese
Vorschrift werden gewerbliche Sammelsysteme außerhalb des Bereichs der Rückgabe-
und Rücknahmepflichten auf Grund von Rechtsverordnungen nach § 24 KrW-/AbfG
ermöglicht.
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Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Februar 2008 - 10 S 2422/07 -,
NVwZ 2008, 295ff; OVG Schleswig - Holstein, Urteil vom 22. April 2008 - 4 LB 7/06 -,
Mitteilungen NWStGB 2008, 228 = NVwZ 2008, 922ff.
68
§ 13 Abs. 1 KrW-/AbfG begründet abweichend von §§ 5 Abs. 2 und 11 Abs. 1 KrW-/AbfG
für Erzeuger oder Besitzer von Abfällen aus privaten Haushalten grundsätzlich die
Pflicht, diese Abfälle den nach dem Landesrecht zur Entsorgung verpflichteten
juristischen Personen (öffentlich - rechtliche Entsorgungsträger, hier der Antragsgegner)
zu überlassen, soweit sie diese nicht selbst verwerten können oder eine solche
Verwertung nicht beabsichtigen. Dementsprechend wäre das hier in Rede stehende
Altpapier aus privaten Haushaltungen dem Antragsgegner als öffentlich rechtlichem
Entsorgungsträger zu überlassen, sofern nicht eine der in Absatz 3 aufgezählten
zulässigen Ausnahmen einschlägig ist.
69
Vgl. v. Lersner/Wendenburg: Recht der Abfallbeseitigung, Kommentar zu § 13 KrW-
/AbfG, Rdnr. 23; Fluck: Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzrecht, Kommentar
zu § 13 KrW-/AbfG, Rdnr. 75f,
70
Nach Auffassung der Kammer ist vorliegend die Ausnahme des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3,
Satz 2 Krw-/AbfG einschlägig. Danach unterliegen Abfälle, welche nicht in die Gruppe
der gefährlichen Abfälle im Sinne des KrW-/AbfG fallen, die gewerbliche Sammler der
ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zuführen nicht der oben dargestellten
Überlassungspflicht, sofern der gewerbliche Sammler dem öffentlich rechtlichen
Entsorgungsträger die ordnungsgemäße Verwertung nachweist und der Sammlung
öffentliche Interessen nicht entgegen stehen.
71
Bei der von der Antragstellerin angemeldeten Altpapiersammlung handelt es sich um
ein solches gewerbliches Sammelsystem außerhalb des Bereichs der Rückgabe- und
Rücknahmepflichten auf Grund von Rechtsverordnungen nach § 24 KrW-/AbfG, weil die
Antragstellerin - wie im Übrigen auch die Abfallsatzungen der Städte V. , C. und L. ,
jeweils in ihren §§ 2 und 3 - die Sammlung von Einwegverpackungen aus Papier,
Pappe oder Karton, für die eine Rücknahmepflicht aufgrund einer Rechtsverordnung
nach § 24 Krw- /AbfG besteht (Grüner Punkt), ausschließt. Allein der Umstand, das es
auch bei entsprechender Aufklärung der Bürger erfahrungsgemäß in einem gewissen
Umfang zu „Fehlwürfen" kommen kann, lässt diesen Charakter der Sammlung der
Antragstellerin nicht entfallen. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin -
abweichend von ihren erklärten Absichten - plant, ein Erfassungssystem für
Verpackungen einzurichten, welches in unzulässiger Weise
72
vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 16. März 2006 - 7 C 9/05 -,
BVerwGE 125, 337ff,
73
in Teilbereichen in Konkurrenz zum abgestimmten und abfallrechtlich anerkannten
System des Dualen Systems Deutschland treten würde, sind weder ersichtlich, noch
74
vom Antragsgegner substantiiert vorgetragen worden.
Die in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Krw-/AbfG geregelte „gewerbliche Sammlung" von
Abfällen zu deren Verwertung beschränkt sich nicht allein auf die
Gelegenheitssammlung, sondern umfasst auch ein haushaltsnahes regelmäßiges
Abholsystem, wie die Antragstellerin es einrichten will, bzw. inzwischen eingerichtet hat.
Unter einer „gewerblichen Sammlung" ist die Sammlung von Abfällen Dritter durch
einen Gewerbebetrieb zu verstehen, ohne dass dieser selbst - auch nicht durch
Übertragung nach § 13 Abs. 2 KrW-/AbfG - entsorgungspflichtig ist oder von einem
Entsorgungspflichtigen mit der Erfüllung dazu beauftragt wurde.
75
Fluck: Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzrecht, Kommentar zu § 13 KrW-
/AbfG, Rdnr. 156.
76
Einem solchen Verständnis des Begriffs „Sammeln" in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Krw-
/AbfG steht auch § 4 Abs. 5 KrW-/AbfG nicht entgegen. Dieser Bestimmung lässt sich
nämlich ein Gegensatz der Begriffe des „Sammelns" und des „Einsammelns durch Hol-
und Bringsysteme" nicht entnehmen. Der Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 5 Krw-/AbfG
lediglich die Benennung der zeitlichen Abfolge der einzelnen Entsorgungshandlungen
vorgenommen, nicht eine Abgrenzung von Tatbeständen im Sinne einer Legaldefinition,
welche sich auf § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Krw-/AbfG übertragen ließe. Der Begriff des
„Sammelns" ist dabei nicht auf eine bestimmte gelegentliche oder räumlich begrenzte
Entsorgungsvariante beschränkt. Der Begriff „Sammlung" in § 13 Ab. 3 Satz 1 Nr. 2 und
3 KrW-/AbfG dürfte im gleichen Sinne wie das „Einsammeln" in § 4 Abs. 5 KrW-/AbfG
und § 49 KrW-/AbfG zu verstehen sein, da er nicht das Sammeln der Abfälle im privaten
Haushalt, sondern den Vorgang nach Bereitstellung der Abfälle zur Abholung erfassen
will.
77
Vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 24.Januar 2008 - 7 ME 192/07 - m.w.N.,
AbfallR 2008, 35ff und VG Leipzig, Beschluss vom 7. August 2008 - 1 L 53/08 -m.W.N.,
Juris.
78
Soweit als weiteres Tatbestandsmerkmerkmal die Freiwilligkeit der Überlassung der
Abfälle seitens der privaten Haushaltungen - im Gegensatz zu der in § 13 Abs. 1 Krw-
/AbfG begründeten Überlassungspflicht - zu fordern ist, vermag die Kammer die
diesbezüglich vom Antragsgegner geäußerten Bedenken nicht zu teilen.
79
Insbesondere entfällt die Freiwilligkeit der Überlassung nicht dadurch, dass zwischen
dem Bürger und der Antragstellerin möglicherweise ein (konkludenter)
Vertragsabschluss zustande kommt, der neben der Erlaubnis zum Aufstellen der Blauen
Tonne auf dem Grundstück auch das Versprechen der Gegenleistung durch die
Antragstellerin umfasst, regelmäßig die Bioabfalltonne zu reinigen.
80
Der Einwand des Antragsgegners, bei dem von der Antragstellerin etablierten System
fehle es aufgrund dieser vertraglichen Vereinbarung an der schenkweisen Überlassung
des Altpapiers durch den Bürger, lässt das Tatbestandsmerkmal der „gewerblichen
Sammlung" ebenfalls nicht entfallen. Im Wortlaut des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Krw-/AbfG
ist das Erfordernis einer schenkweisen Überlassung der zu sammelnden Stoffe nicht
zum Ausdruck gekommen. Auch anderweitig lässt sich ein solches Tatbestandsmerkmal
nicht herleiten. Die von dem Antragsgegner herangezogene Gesetzesbegründung des
Entwurfs eines vierten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes (AbfG),
81
Bundestagsdrucksache 10/2885, S. 13,
82
zu § 1 Abs. 1 Satz 2 AbfG dürfte zur Auslegung des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Krw-/AbfG
bereits aus systematischen Erwägungen nicht mehr herangezogen werden können. In
dieser Begründung wird davon ausgegangen, dass Altstoffe, wie unter anderen
Altpapier, nicht von vornherein dem objektiven Abfallbegriff des § 1 Abs. 1 AbfG
unterliegen, sondern erst dann, wenn sich der Bürger der öffentlich - rechtlichen oder
von privaten Dritten im Rahmen des § 3 Abs. 2 AbfG bereitgestellten
Abfallerfassungssysteme bedient. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass es sich bei
diesen Altstoffen anderenfalls nicht um Abfall im objektiven Sinn handelte und der
Besitzer frei über sie verfügen konnte. Übergab der Bürger diese Altstoffe einer
genehmigten gewerblichen oder karitativen Sammlung, so sollte darin nach der
Gesetzesbegründung regelmäßig eine Schenkung zu sehen sein.
83
Die Verwendung des Begriffs „regelmäßig" lässt es bereits zweifelhaft erscheinen, ob
das Erfordernis einer Schenkung auch für die seinerzeitigen Bestimmungen des AbfG
zur Tatbestandsvoraussetzung gemacht werden konnte. Darauf kommt es jedoch nicht
an, denn gegen die Übertragung dieser Begründung auf die aktuelle Regelung spricht
bereits, dass die durch die Rechtsprechung des EuGH erforderlich gewordene
Fortschreibung des § 1 Abs. 3 Nr. 7 Abfallgesetz 1986 für gewerbliche Sammlungen
durch § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Krw-/AbfG klarstellt, dass es sich auch bei den mit dem
Ziel der Verwertung eingesammelten „Altstoffen" um Abfälle handelt, auf die
grundsätzlich die Regelungen des Abfallrechts Anwendung finden.
84
Vgl. v. Lersner/Wendenburg: Recht der Abfallbeseitigung, Kommentar zu § 13 KrW-
/AbfG, Rdnr. 23, m.w.N.
85
Die oben dargestellten Erwägungen der Gesetzesbegründung zum objektiven
Abfallbegriff können aufgrund dieser geänderten Ausgangssituation nicht mehr dazu
herangezogen werden, das Erfordernis einer Schenkung als Tatbestandsvoraussetzung
des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Krw-/AbfG zu begründen.
86
Unabhängig davon kann eine Schenkung nicht aufgrund des Bestehens eines
Vertragsverhältnisses ausgeschlossen werden, denn auch dem Eigentumsübergang im
Rahmen einer Schenkung liegt ein Vertrag zu Grunde. Dieser ist lediglich durch das
Fehlen einer Gegenleistung geprägt.
87
Losgelöst von der Frage, ob es sich bei der Überlassung des Altpapiers durch den
Bürger an die Antragstellerin um - wie auch immer ausgestaltete - vertragliche
Beziehungen handelt, entfällt die Freiwilligkeit der Überlassung nicht dadurch, dass der
Bürger sich mit der Bereitstellung der Tonne auf seinem Grundstück einverstanden
erklärt hat und er möglicherweise bei dauerhaft nicht hinreichenden Abfuhrmengen mit
deren Wiederabholung durch die Antragstellerin rechnen muss. Es steht dem Bürger
frei, die „Blaue Tonne" der Antragstellerin für Altpapier als Angebot zu nutzen oder auch
nicht. Sanktionen knüpfen sich daran nicht an.
88
Die Antragstellerin hat auch die ordnungsgemäße Verwertung des eingesammelten
Altpapiers hinreichend nachgewiesen.
89
Der in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG angesprochene „Nachweis", der allein die
90
Abfallfraktionen betrifft, welche vom gewerblichen Sammler gesammelt werden dürfen,
soll den zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in den Stand setzen,
gegenüber solchen Sammlungen Maßnahmen zu ergreifen, welche keine
ordnungsgemäße und schadlose Verwertung bewirken. Die Pflicht zur
Nachweisführung bedeutet nicht, dass ein Genehmigungsverfahren oder sonstiges
Zulassungsverfahren durchzuführen ist. Es handelt sich um eine Art Anzeigeverfahren,
das unabhängig von der Anzeige nach § 50 Abs. 3 Krw-/AbfG durchzuführen ist. Dem
öffentlich - rechtlichen Entsorgungsträger sind Informationen über die ordnungsgemäße
und schadlose Verwertung zu geben. Dass es aber nicht um einen bloßen
Verbleibsnachweis nach dem Vorbild der § 42 ff geht, wird daran deutlich, dass
Adressat der Information nicht die zuständige Behörde, sondern der öffentlich- rechtliche
Entsorgungsträger ist. Er soll vor den Folgelasten geschützt werden, die nicht
ordnungsgemäße Sammelaktionen haben können.
Fluck: Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzrecht, Kommentar zu § 13 KrW-
/AbfG, Rdnr. 156
91
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Informationen vor Beginn der Sammlung
übermittelt werden. In der Sache selbst sind an den zu führenden Nachweis allerdings
keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Die dem öffentlich- rechtlichen
Entsorgungsträger vorab zu übermittelnden Informationen müssen sich auf den
Gegenstand der Sammlung und das beabsichtigte Verwertungsverfahren ab
Bereitstellung, insbesondere auf deren Ordnungsgemäßheit und Schadlosigkeit
beziehen. Zwar dürfte der bloße Hinweis darauf, dass es sich bei dem die gewerbliche
Sammlung durchführenden Unternehmen um einen zertifizierten
Entsorgungsfachbetrieb handelt, den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen, da §
13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG nicht auf den „Entsorger", sondern auf die Verwertung
und damit auf die „Entsorgung" abstellt. Jedoch muss für den Nachweis bei - wie hier -
nicht überwachungsbedürftigen Abfällen der Verwertungsweg im Einzelnen nicht
aufgezeigt werden, denn die Nachweisführung im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
KrW-/AbfG darf für die nicht überwachungsbedürftigen PPK - Abfälle nicht in ein
besonderes Zulassungsverfahren umschlagen. Anerkannt ist, dass der Nachweis
gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG durch die Vorlage eines Vertrages zum
Weiterverkauf des Altpapiers erbracht werden kann.
92
Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Februar 2008 - 10 S 2422/07 -
m.w.N., NVwZ 2008, 295ff; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 24. Januar 2008 -
7 ME 192/07 - m.w.N., AbfallR 2008, 35ff; Sächsisches OVG, Beschluss vom 6. Januar
2005, UPR 2005, 440ff; VG München, Urteil vom 3. April 2008 - M 17 K 07.5447 -, Juris;
Fluck: Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzrecht, Kommentar zu § 13 KrW-
/AbfG, Rdnr. 157a, 158.
93
Die Antragstellerin hat mit der Anzeige vom 9. Juli 2008 zwar die demnach
erforderlichen Nachweise nicht vorgelegt, da sie ihrer Anzeige lediglich ein bis zum 15.
Juli 2009 gültiges Überwachungszertifikat befügte, worin ihr die Eigenschaft eines
Entsorgungsfachbetriebs nach § 52 Krw-/AbfG bescheinigt wird. Zwischenzeitlich hat
die Antragstellerin während des gerichtlichen Verfahrens und nach Erlass der
streitgegenständlichen Ordnungsverfügung die erforderlichen „Nachweise" aber durch
Vorlage zweier entsprechender Bestätigungen der niederländischen bzw. belgischen
Abnehmer des Altpapiers erbracht, die den Weiterverkauf des Altpapiers und die den
deutschen Bestimmungen entsprechende Verwertung in einem papierverarbeitenden
94
Unternehmen belegen (Anlage AS13 zur Antragschrift). In diesen Bestätigungen haben
beide Firmen darüber hinaus - falls gewünscht - einer Betriebsbesichtigung durch einen
Sachverständigen zugestimmt.
Es kann vorliegend dahinstehen, ob daneben die nach ihren, bislang unbestrittenen,
Angaben beanstandungsfreie Tätigkeit der Antragstellerin für zahlreiche Kommunen -
nicht jedoch für den Antragsgegner - als Drittbeauftragtes Unternehmen im Bereich der
Sammlung und des Transportes von Abfällen bereits für sich alleine zum Nachweis der
ordnungsgemäßen Verwertung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Krw- /AbfG
ausreichen könnte.
95
Vgl. zu einer solchen Möglichkeit VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Februar
2008 - 10 S 2422/07 - m.w.N., NVwZ 2008, 295ff; Sächsisches OVG, Beschluss vom 6.
Januar 2005, UPR 2005, 440ff; OVG Schleswig - Holstein, Urteil vom 22. April 2008 - 4
LB 7/06 -, Mitteilungen NWStGB 2008, 228 = NVwZ 2008, 922ff und VG München, Urteil
vom 3. April 2008 - M 17 K 07.5447 -, Juris.
96
Im Rahmen der in dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden
Interessenabwägung führt der Umstand, dass die Antragstellerin die ordnungsgemäße
Verwertung des gesammelten Altpapiers hier nicht rechtzeitig vor Beginn der Sammlung
im erforderlichen Umfang belegt hat, nicht zu einem Überwiegen des öffentlichen
Interesses an einer sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung. Allein ein etwa
unzureichender Nachweis rechtfertigt nicht ohne weiteres die generelle und dauerhafte
Untersagung einer gewerblichen Sammlung.
97
Vgl. OVG Schleswig - Holstein, Urteil vom 22. April 2008 - 4 LB 7/06 -, Mitteilungen
NWStGB 2008, 228 = NVwZ 2008, 922ff.
98
Zwar hat der Antragsgegner vor Erlass der Untersagungsverfügung im Rahmen der
Anhörung darauf hingewiesen, dass er die bisherigen Unterlagen der Antragstellerin als
unzureichend erachtet und ihr Gelegenheit gegeben, entsprechende Nachweise
vorzulegen. In diesem Zusammenhang ist aber zu berücksichtigen, dass die
Untersagungsverfügung der Antragstellerin ein Unterlassen der Papiersammlung
aufgibt. Bei einer Unterlassungsverfügung der vorliegenden Art wird kein einmaliges
Gebot oder Verbot, sondern eine Regelung in der Art eines Dauerverwaltungsaktes
getroffen. Dementsprechend müssen die Tatbestandsvoraussetzungen der Regelung
auch noch über den Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung hinaus erfüllt sein.
Deshalb ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verfügung nicht allein auf den
Zeitpunkt ihres Erlasses abzustellen, sondern der Antragsgegner hat fortdauernd zu
prüfen, ob die Voraussetzungen für den Erlass der Verfügung noch vorliegen. Diese
Voraussetzungen sind spätestens seit Vorliegen der genannten Bescheinigungen im
vorliegenden Verfahren entfallen, weil jedenfalls seit diesem Zeitpunkt ein
hinreichender Nachweis über die ordnungsgemäße Verwertung erbracht wurde.
99
Der Sammlung der Antragstellerin stehen nach summarischer Prüfung auch keine im
Rahmen des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Krw-/AbfG beachtlichen öffentliche Interessen
entgegen, welche die von der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG)
geschützte gewerbliche Sammlung durch die Antragstellerin überwiegen.
100
Der Begriff des „öffentlichen Interesses" ist im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz
nicht definiert. Welche öffentliche Interessen im Rahmen des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
101
Krw-/AbfG relevant sind, und unter welchen Umständen diese überwiegen, ist in der
Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt und wird in der Literatur
unterschiedlich beurteilt. Nach Auffassung der Kammer kommen als öffentliche
Interessen im Sinne von § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG vor allem solche Belange in
Betracht, die auf die Verfolgung des Zwecks und der Zielvorgabe des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes gerichtet sind.
Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Februar 2008 - 10 S 2422/07 -
m.w.N., NVwZ 2008, 295ff; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom. 24. Januar 2008 -
7 ME 192/07 - m.w.N., AbfallR 2008, 35ff; VG München, Urteil vom 3. April 2008 - M 17
K 07.5447 -, Juris und VG Leipzig, Beschluss vom 7. August 2008 - 1 L 53/08 -, Juris.
102
Ob der Sammlung auch weitergehende öffentliche Interessen entgegenstehen können,
103
so OVG Hamburg, Beschluss vom 8. Juli 2008 - 1 Bs 91/08 -, Mitteilungen NWStGB
2008, 227f,
104
kann vorliegend dahingestellt bleiben, da sämtliche Interessen, welche der
Antragsgegner angeführt hat, das Interesse der Antragstellerin an der Sammlung nicht
überwiegen.
105
Wann derartige öffentliche Interessen „überwiegende Interessen" im Sinne des § 13
Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Krw-/AbfG sind, ist unter Berücksichtigung der grundsätzlichen
Wertungen des Krw-/AbfG hinsichtlich des Nebeneinanders von privaten und
öffentlichen Entsorgern im konkreten Einzelfall zu ermitteln.
106
Grundgedanke des Krw-/AbfG ist es, Überlassungspflichten nur auf den erforderlichen
Bereich der notwendigen Daseinsvorsorge zu beschränken. Die Regel ist daher nicht
die Überlassungspflicht, sondern die eigenverantwortliche Entsorgung durch den
Abfallerzeuger. Ausnahmen, die aus Gründen des Allgemeinwohls notwendig sind, sind
danach nicht Ausnahmen von der Überlassungspflicht, sondern Ausnahmen von dem
Grundgedanken der Beschränkungen der Überlassungspflicht.
107
Vgl. OVG Schleswig - Holstein, Urteil vom 22. April 2008 - 4 LB 7/06 -, Mitteilungen
NWStGB 2008, 228 = NVwZ 2008, 922ff
108
Dem tragen in der Zusammenschau auch die in § 13 Krw-/AbfG getroffenen Regelungen
Rechnung. Von dem Grundsatz, die Überlassungspflichten auf den erforderlichen
Bereich der notwendigen Daseinsvorsorge zu beschränken, werden auch für
Privathaushalte nur Ausnahmen gemacht, soweit dies aus Gründen des
Allgemeinwohls notwendig ist (§ 13 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 und 3 Krw-
/AbfG).
109
Vgl. die Begründung des federführenden Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit, Bundestagsdrucksache 12/7284 S. 17.
110
Gewerbliche Sammlungen sind, ebenso wie gemeinnützige Sammlungen (§ 13 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 KrW-/AbfG), Ausdruck eines historisch überkommenen Verwertungswegs,
der per se in Konkurrenz zu der Abfallverwertung durch öffentlich-rechtliche
Entsorgungsträger steht. Gewerbliche Abfallsammlungen machen in dem betreffenden
Sektor die öffentlich-rechtliche Abfallentsorgung nach der oben dargestellten
111
gesetzlichen Wertung in eben diesem Bereich notwendigerweise überflüssig. Die
gesetzliche Öffnung für gewerbliche Abfallsammler durch § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-
/AbfG nimmt - da Private von ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)
Gebrauch machen - zwangsläufig in Kauf, dass den öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträgern vor allem der lukrative Teil des zu verwertenden Abfalls entzogen
wird. Gleichwohl bleibt im Übrigen die öffentlich-rechtliche Entsorgungspflicht bestehen.
Auch wenn dem öffentlich- rechtlichen Entsorgungsträger nach § 15 Abs. 1 KrW-/AbfG
praktisch eine Reserve- bzw. Auffangfunktion zukommt, kann dies nicht dazu führen,
dass zu seinen Gunsten ein Entsorgungsmonopol als öffentlich-rechtlicher
Entsorgungsträger für PPK - Abfälle mit Ausschlusswirkung gegenüber gewerblichen
Sammlungen besteht, auch wenn dadurch Planungen bezüglich zukünftiger
Entsorgungs- bzw. Verwertungsstrukturen mit Unsicherheiten behaftet sein dürften. Der
Gesetzgeber mutet dem öffentlichen Entsorgungsträger offenkundig bewusst eine hohe
Flexibilität bei Aufbau und Unterhaltung der Abfallentsorgungsstrukturen zu. Diese den
hier maßgeblichen Bestimmungen zugrundeliegende Gewichtung begegnet jedenfalls
bei summarischer Prüfung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Ob eine
Regelung, die letztlich dazu führt, dass die Tätigkeit der öffentlichen Entsorger sich
zunehmend auf unattraktive und damit kostenintensive Bereiche beschränkt, für die
Daseinsvorsorge am zweckmäßigsten ist, obliegt nicht der Bewertung des Gerichts,
sondern ist dem Gestaltungsspielraum und der Entscheidung des Gesetzgebers
überlassen. Das im vorliegenden Fall deutlich werdende Spannungsverhältnis ist
demnach Ausdruck der gesetzlichen Grundentscheidung und als solches grundsätzlich
hinzunehmen.
Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Februar 2008 - 10 S 2422/07 -
m.w.N., NVwZ 2008, 295ff; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 24. Januar 2008 -
7 ME 192/07 - m.w.N., AbfallR 2008, 35ff;VG Leipzig, Beschluss vom 7. August 2008 - 1
L 53/08 -, Juris.
112
Angesichts der vom Gesetzgeber vorgesehenen Einschränkung der in § 13 Abs. 1 KrW-
/AbfG begründeten Überlassungspflicht zu Gunsten gewerblicher Sammlungen
überwiegen die in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Krw- /AbfG genannten öffentlichen Interessen
demnach erst dann, wenn ohne die Überlassung der streitgegenständlichen Abfälle zur
Verwertung an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die Funktionsfähigkeit der
öffentlich- rechtlichen Entsorgung insgesamt und nicht nur hinsichtlich der einzelnen
Abfallfraktion - hier des Altpapiers - gefährdet wäre. Eine bloße Beeinträchtigung des
bestehenden Abfallsystems des öffentlich - rechtlichen Entsorgers reicht für die
Annahme der Sammlung entgegenstehender überwiegender öffentlicher Interessen
nicht aus.
113
Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Februar 2008 - 10 S 2422/07 -
m.w.N., NVwZ 2008, 295ff; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 24. Januar 2008 -
7 ME 192/07 - m.w.N., AbfallR 2008, 35ff; OVG Schleswig - Holstein, Urteil vom 22. April
2008 - 4 LB 7/06 -, Mitteilungen NWStGB 2008, 228 = NVwZ 2008, 922ff; VG München,
Urteil vom 3. April 2008 - M 17 K 07.5447 -, Juris und VG Leipzig, Beschluss vom 7.
August 2008 - 1 L 53/08 -, Juris.
114
Eine solche Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich - rechtlichen
Entsorgungssystems hat der - insoweit darlegungspflichtige - Antragsgegner bislang
nicht glaubhaft gemacht.
115
Den seitens des Antragsgegners angeführten Verlust der Entsorgungsstruktur, der zu
befürchten sei weil die Altpapiersammlung der Antragstellerin die öffentlich - rechtliche
Entsorgungsstruktur in den kreisangehörigen Gemeinden so aushöhle, dass sie nicht
mehr funktionsgerecht fortgesetzt werden könne, vermag die Kammer nicht zu erkennen.
Die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgung als solche wird dadurch,
dass dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger weniger oder sogar gar kein
Altpapier überlassen wird, nicht beeinträchtigt. Die Kammer verkennt in diesem
Zusammenhang nicht, dass die regelmäßige und möglicherweise nur auf lukrative
Gebiete beschränkte Altpapiersammlung der Antragstellerin vor dem Hintergrund der
aus § 15 Abs. 1 Krw-/AbfG resultierenden Verwertungspflicht des Antragsgegners bei
diesem zu organisatorischen und auch wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen kann.
Dass diese Schwierigkeiten aber zu einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit des
öffentlich - rechtlichen Entsorgungssystems führen, ist weder dargelegt noch sonst
ersichtlich. Finden flächendeckende und kontinuierliche Altpapiersammlungen
gewerblicher Unternehmen statt und fällt deshalb regelmäßig weniger Altpapier beim
öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger an, kann dies Umstrukturierungsmaßnahmen
des Entsorgungsträgers (z.B. Abfuhrrhythmus und Umstellung auf ein Abrufsystem,
Änderung der Verträge mit Drittbeauftragten) erforderlich machen. Eine Gefährdung der
Entsorgung geht damit aber nicht einher. Solche Umstrukturierungen muss der
öffentlich- rechtliche Entsorgungsträger stets vornehmen, wenn die vorhandenen
Strukturen nicht mehr der notwendigen Daseinsvorsorge entsprechen. Dazu ist er schon
im Hinblick darauf gehalten, dass nur die erforderlichen Entsorgungskosten gemäß § 6
Abs. 2 KAG gebührenfähig sind.
116
Vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 24. Januar 2008 - 7 ME 192/07 - m.w.N.,
AbfallR 2008, 35ff; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Februar 2008 - 10 S
2422/07 - m.w.N., NVwZ 2008, 295ff; OVG Schleswig - Holstein, Urteil vom 22. April
2008 - 4 LB 7/06 -, Mitteilungen NWStGB 2008, 228 = NVwZ 2008, 922ff.
117
Dass der Antragsgegner damit überfordert wäre, ist nicht ersichtlich und wird von ihm
auch nicht geltend gemacht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das
Altpapiererfassungssystem des Antragsgegners offenbar als Reaktion auf die
Änderungen des Altpapiermarkts in der jüngeren Vergangenheit zur Zeit ohnehin
gerade umgestellt werden soll.
118
Letztlich ist die flächendeckende Sammlung von Altpapier durch gewerbliche
Unternehmen vor allem ein Gebührenproblem und kein Organisationsproblem, das der
Entsorgungsträger nicht bewältigen könnte. Selbst dann, wenn durch erforderliches
kurzfristiges Eingreifen des öffentlich- rechtlichen Entsorgungsträgers nicht
einkalkulierte Mehrkosten entstehen, ist er gebührenrechtlich befugt, Unterdeckungen
der Kalkulationsperiode in Nachfolgejahren auszugleichen, denn die Kosten
(einschließlich der Vorhaltekosten), die zum Zeitpunkt der Kalkulation auf Grund der
Erfahrungen der Vergangenheit und der prognostizierten zukünftigen Entwicklung für
erforderlich gehalten werden durften, sind gebührenfähig. Unwägbarkeiten gehen mithin
zu Lasten der Gebührenpflichtigen.
119
OVG Schleswig - Holstein, Urteil vom 22. April 2008 - 4 LB 7/06 -, Mitteilungen NWStGB
2008, 228 = NVwZ 2008, 922ff.
120
Dass allein eine Erhöhung der Gebühren für die Abfallbeseitigung die
Funktionsfähigkeit des bestehenden Abfallsystems so gefährden würde, dass sie der
121
Sammlung als überwiegendes öffentliches Interesse entgegenstünde, ist ebenfalls nicht
zu erkennen.
Nach dem Vortrag des Antragsgegners ist in der Gebührenkalkulation der
Verwertungserlös des erfassten kommunalen Altpapiers in voller Höhe von ca.
640.000,- EUR / Jahr gebührenmindernd eingestellt worden, so dass sich der durch die
gewerbliche Sammlung der Antragstellerin verursachte Mengenrückgang des Altpapiers
erhöhend auf die Gebührensätze der anderen Abfallarten niederschlage.
122
Zwar können Gebührenerhöhungen überwiegende öffentliche Interessen begründen.
Denn das Interesse an einer kostengünstigen Entsorgung ist ein Interesse, das auf die
Verfolgung des Zwecks und der Zielvorgabe des Kreislaufwirtschafts- und
Abfallgesetzes gerichtet ist. Nur wenn die Entsorgungsgebühren für den Benutzer
„tragbar" sind, ist auch gewährleistet, dass er seinen Überlassungspflichten nachkommt
und nicht - soweit dies angesichts des Anschluss- und Benutzungszwangs überhaupt
erfolgversprechend ist - zur Vermeidung einer aus seiner Sicht unverhältnismäßigen
Gebührenbelastung den Weg der illegalen Abfallbeseitigung wählt. Die Vermeidung
jeglicher Gebührensteigerungen in Folge gewerblicher Sammlungen ist dagegen kein
überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG.
Wollte man dieser Auffassung folgen, wären gewerbliche Sammlungen immer schon
dann unzulässig, wenn sie regelmäßig, flächendeckend erfolgen und Vorbildwirkung für
andere Gewerbetreibende haben können. Eine derartige Einschränkung ist § 13 Abs. 3
Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG nicht zu entnehmen. Auch die oben genannte
Gesetzesbegründung spricht dagegen. Danach sollen die Überlassungspflichten auf
den erforderlichen Bereich der notwendigen Daseinsvorsorge beschränkt werden.
Gewerblichen Sammlungen wird daher der Vorrang eingeräumt, soweit nicht
überwiegende öffentliche Interessen dem entgegenstehen. Ob das öffentliche Interesse
an einer kostengünstigen Abfallentsorgung ein in diesem Sinne „überwiegendes" ist,
kann nur anhand der zu prognostizierenden Auswirkungen gewerblicher Sammlungen
auf den Gebührenhaushalt beurteilt werden. Hierbei ist auf die Steigerung der
Abfallentsorgungsgebühren insgesamt abzustellen.
123
Vgl. OVG Schleswig - Holstein, Urteil vom 22. April 2008 - 4 LB 7/06 -, Mitteilungen
NWStGB 2008, 228 = NVwZ 2008, 922ff;VG München, Urteil vom 3. April 2008 - M 17 K
07.5447 -, Juris.
124
Es ist vorliegend bereits nicht ersichtlich, in welchem Umfang ein durch die Sammlung
der Antragstellerin verursachte Mengenrückgang des Altpapiers eine Erhöhung der
Abfallgebühren erforderlich macht, geschweige denn, dass eine eventuelle
Gebührenerhöhung zu einer gebührenrechtlichen Überforderung der
Gebührenpflichtigen führen würde. Der Vortrag des Antragsgegners ist insoweit auch
uneinheitlich, denn einerseits macht er als Grund für abzusehende
Gebührenerhöhungen Maßnahmen geltend, die er auf Kreisebene getroffen hat
(Anschaffung eines Müllfahrzeugs, Einstellung von Personal), andererseits stellt er zur
Gefährdung der Entsorgungsstrukturen allein auf die Auswirkungen der Sammlung der
Antragstellerin auf die Altpapiermengen in den drei „betroffenen" kreisangehörigen
Gemeinden, die für den Transport der Abfälle zum Kreis als öffentlich - rechtlichem
Entsorgungsträger zuständig sind, ab, ohne die Auswirkungen in Bezug zu den
Aufwendungen auf Kreisebene zu setzen.
125
Die Argumentation des Antragsgegners, eine durch die Sammlung der Antragstellerin
126
erforderlich werdende Gebührenerhöhung verstoße gegen das Äquivalenzprinzip, weil
höhere Gebühren für weniger Leistung zu verlangen seien, trägt ebenfalls nicht. Das
gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip verlangt lediglich, dass die anfallenden Kosten
gleichmäßig auf alle Teilnehmer / Gebührenzahler verteilt werden. Diese
Gebührenverteilung wird nicht dadurch beeinflusst, dass durch die Abnahme der von
dem Antragsgegner erfassten Altpapiermenge die Vorhaltekosten relativ zur erfassten
Abfallmenge steigen und deshalb die Gebührenhöhe steigt.
Das ebenfalls im Zusammenhang mit der Gebührenerhöhung vorgetragene Argument,
der Sammlung stünden auch sonstige fiskalische Erwägungen entgegen, weil bei
Arbeitslosen die Müllgebühren zu den Wohnkosten gehören, die aus Steuermitteln zu
zahlen seien, vermag die Kammer bereits im Ansatz nicht nachzuvollziehen. Nach der
Argumentation des Antragsgegners würde eine Gebührenerhöhung dazu führen, dass
auch Nichtgebührenpflichtige (der Steuerzahler) zu Gebührenerhöhungen
herangezogen würden, also auch solche, denen keine Gegenleistung an sie selbst
gegenüberstehen würde. Dass Leistungen aus Steuermitteln, die im Rahmen der
Arbeitslosenhilfe oder sonstigen Sozialleistungen für Wohnungskosten geleistet
werden, teilweise für die Zahlung der den Hilfeempfänger treffenden Müllgebühren
aufgewendet werden, ist nicht nur bei Erhöhungen der Gebühr der Fall sondern
generell, verletzt aber im Übrigen auch das Äquivalenzprinzip nicht. Sozialleistungen -
insbesondere Leistungen an Arbeitslose - stellen sich als Einkommensersatz dar. Sie
führen nicht zu einer unzulässigen Umlage von Gebühren, die bei einem oder einer
Gruppe von Pflichtigen nicht erhoben werden oder nicht beigetrieben werden können
auf andere Gebührenpflichtige, sondern zu einer allgemeinen Belastung der öffentlichen
Haushalte. Dies ist weder aus gebührenrechtlichen Gründen noch sonst zu
beanstanden.
127
Im Übrigen ist der Antragsgegner als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger im
Interesse der Gebührenschuldner nicht nur berechtigt, sondern auch dazu verpflichtet,
diese darauf hinzuweisen, dass sie zu Gebührenmehrbelastungen selbst beitragen,
wenn sie Papierabfälle Privaten überlassen.
128
Unabhängig von alledem kann eine mögliche Erhöhung der Abfallgebühren wegen
sinkender Einnahmen aus der Altpapiersammlung einer gewerblichen Sammlung
bereits deshalb nicht als überwiegendes öffentliches Interesse entgegen gehalten
werden, weil eine solche Gebührenerhöhung auch unabhängig von einer gewerblichen
Sammlung erforderlich werden kann. Die Einnahmen des öffentlichen
Entsorgungsträgers aus der Altpapiersammlung können zum Beispiel auch deshalb
sinken, weil der Altpapierpreis, wie derzeit, sinkt, mit der Folge, dass die ursprünglich
angenommenen Einnahmen der Gebührenkalkulation nicht mehr länger zugrundegelegt
werden können.
129
Der Antragsgegner kann der Sammlung der Antragstellerin als überwiegendes
öffentliches Interesse auch nicht entgegenhalten, dass sie die Planungssicherheit
gefährde. Wie bereits dargelegt, weist die gesetzliche Wertung des Krw-/AbfG dem
Antragsgegner eine Auffangfunktion zu, die ihm eine flexible Reaktion auf die aktuelle
Situation des Entsorgungsbedarfs zumutet. Bezüglich der PPK - Abfälle nimmt der
Antragsgegner daher eine Doppelrolle ein. Organisationsrechtlich ist er ein öffentlich -
rechtlicher Entsorgungsträger, funktional betätigt er sich aber als Wettbewerber u.a. der
Antragstellerin am Markt. Diese dem Antragsgegner rechtlich zugewiesene Rolle setzt
ihn den allgemeinen Unwägbarkeiten des Marktes aus und begründet, anders als dies
130
bei einer Monopolstellung möglicherweise der Fall ist, grundsätzlich ein gewisses
Planungsrisiko.
Die von dem Antragsgegner geltend gemachten öffentlichen Investitionen in
Abfallumschlagsanlagen, Fahrzeuge und Personal rechtfertigen keine andere
Betrachtungsweise. Insoweit kann dahinstehen, ob diese fiskalischen Interessen im
Rahmen der überwiegenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr.
3 KrW-/AbfG überhaupt zu berücksichtigen sind, denn es ist fraglich, ob die
Antragstellerin durch ihre gewerbliche Sammlung tatsächlich den öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger hinsichtlich des Altpapiers verdrängen wird und dieser seine
Altpapierentsorgung völlig einstellen müsste. Ebenso wenig wie der Antragsgegner ein
Monopol auf die Überlassung von Altpapier aus privaten Haushalten hat, gilt dies auch
für die Antragstellerin. Beide sind auf die Bereitschaft der Abfallbesitzer angewiesen,
ihnen das Altpapier zu überlassen. Diese können beide Seite durch entsprechende
Werbung versuchen zu beeinflussen.
131
Auch soweit der Antragsgegner vorträgt, die notwendige Planungssicherheit bei
zukünftigen Ausschreibungen sei ihm hinsichtlich der Mengenprognose nicht mehr
möglich, lässt sich hieraus ein überwiegendes öffentliches Interesse ebenso wenig
herleiten wie aus dem Umstand, dass ihm eine bis ins letzte Detail präzise
Leistungsbeschreibung (vgl. § 8 Nr. 1 Verdingungsordnung für Leistungen - Teil A -
[VOL/A]) bei der Ausschreibung von Aufträgen nach § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG nicht
möglich ist.
132
In diesem Zusammenhang ist zunächst zu berücksichtigen, dass unabhängig davon, ob
gewerbliche Sammlungen stattfinden, eine verlässliche Prognose über die Mengen des
anfallenden Altpapiers ohnehin schwierig ist, weil sie vom Verhalten der einzelnen
Haushalte abhängt.
133
Hinzu kommt, dass die öffentlich - rechtliche Entsorgung - wie bereits dargelegt - eine
Auffangzuständigkeit ist und somit mit den gewerblichen oder karitativen Sammlungen
auf dem Altpapiermarkt in Konkurrenz steht. Dies gilt auch für die Ausschreibung von
Aufträgen. Die gewerblichen Sammlungen nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG und
die Beauftragung Dritter nach § 16 KrW-/AbfG stehen rechtlich nebeneinander und
betreffen verschiedene Ausgangslagen. Im Falle des § 16 KrW-/AbfG beauftragt der
öffentlich- rechtliche Entsorgungsträger einen Dritten, in der Regel einen privaten
Entsorger, mit der Wahrnehmung der ihm nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG
obliegenden Pflichten, die überlassenen Abfälle zu verwerten. Soweit Abfälle durch die
gewerbliche Sammlung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG einer Verwertung
zugeführt werden, besteht aber keine Überlassungspflicht für private Haushalte, mit der
Folge, das der öffentlich - rechtliche Entsorger insoweit auch keinen Verpflichtungen
aus § 15 Abs. 1 Krw-/AbfG unterliegt. Rechtlich gesehen haben beide Tätigkeiten nichts
miteinander zu tun. Aufgrund der bereits dargestellten Wertung des Krw-/AbfG kann der
Antragsgegner lediglich diejenigen Tätigkeiten öffentlich ausschreiben, die ihm nach §
15 Abs. 1 Satz 1 Krw-/AbfG verbleiben. Auch hier wird ihm - wie insgesamt bei der
Organisation der öffentlich - rechtlichen Entsorgung - vom Gesetzgeber ein hohes Maß
an Flexibilität abverlangt.
134
Aus diesem Grund kann der Antragstellerin auch nicht vorgeworfen werden, sie verhalte
sich wettbewerbswidrig, unterlaufe das öffentliche Ausschreibungsverfahren und
verstoße gegen das Vergaberecht.
135
Die Vergabe im Rahmen eines förmlichen Ausschreibungsverfahren betrifft nur
Aufträge, welche die öffentliche Hand an private Dritte vergibt. Hierbei kann es sich
begriffsnotwendig nur um solche Aufträge handeln, welche eigentlich dem
Antragsgegner als öffentlich rechtlicher Körperschaft obliegen und zu deren Erfüllung er
sich dann privater Anbieter bedient. Die Sammlung nach 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Krw-
/AbfG findet außerhalb der von der Antragsgegnerin zu vergebenden öffentlich -
rechtlichen Tätigkeit statt und steht sogar in Konkurrenz dazu. Die Systematik des § 13
Krw-/AbfG zeigt, dass neben der Pflicht des öffentlich - rechtlichen Entsorgers zur
Verwertung und Entsorgung die Verwertung auch durch gewerbliche Sammlungen
erfolgen kann. Die öffentlich rechtliche Entsorgung tritt im Bereich der Verwertung von
Altpapier daher nur subsidiär oder bestenfalls in Konkurrenz zu der gewerblichen
Sammlung auf. Ein öffentlich - rechtliches Monopol besteht in dem durch § 13 Abs. 3
Satz 1 Nr. 3 Krw-/AbfG eröffneten Bereich gerade nicht. Folglich kann der
Antragsgegner im Rahmen einer Ausschreibung nur den auf ihn entfallenden
Marktanteil Dritten zur Ausführung anbieten. Die erfolgte Ausschreibung kann daher
kein öffentliches Interesse sein, welches der privaten Sammlung entgegen steht. Die
Antragstellerin unterläuft diese Ausschreibung auch nicht, weil sie nämlich nicht im
Wettbewerb mit anderen Bietern um den Marktanteil des Antragsgegners steht, sondern
im unmittelbaren Wettbewerb zum Antragsgegner. Die Einrichtung einer
flächendeckenden gewerblichen Sammlung kann auch nicht als Verstoß gegen die
Wettbewerbsgrundsätze angesehen werden. Ebenso wenig wie der Antragsgegner
kann die Antragstellerin eine Monopolstellung für sich in Anspruch nehmen. Dass ein
neuer Mitbewerber sich erst am Markt etablieren und gegebenenfalls gegen bereits
ansässige Unternehmen durchsetzen muss, ist nicht wettbewerbswidrig, sondern eines
der kennzeichnenden Merkmale des wettbewerbsorientierten Marktes.
136
Auch das Vertragsverhältnis zwischen dem Antragsgegner und dem Dualen System
Deutschland stellt ebenso wenig wie die Erfüllung der Verwertungsquote hinsichtlich
der PPK - Verpackungen ein der gewerblichen Sammlung entgegenstehendes
überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Krw-/AbfG
dar.
137
Wie bereits dargelegt, handelt es sch bei der Sammlung der Antragstellerin nicht um ein
örtliches Sammelsystem für Verpackungen im Sinne der Verpackungsverordnung,
welches eine Gefährdung des abgestimmten flächendeckenden Systems im Sinne des
§ 6 Abs. 3 VerpackV darstellt. Die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in dem
Urteil vom 16. März 2006,
138
- 7 C 9/05 -, BVerwGE 125, 337ff,
139
lassen sich zur Begründung der hier streitgegenständlichen Untersagungsverfügung
daher nicht heranziehen.
140
Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Februar 2008 - 10 S 2422/07 -
m.w.N., NVwZ 2008, 295ff.
141
Soweit die Einwände des Antragsgegners dahingehend zu verstehen sind, dass er sich
auf bestehende Verpflichtungen gegenüber dem Dualen System Deutschland nach der
Verpackungsverordnung beruft, die eine Mitbenutzung des kommunalen PPK - Systems
vorsehen, vermag dies eine Untersagung der gewerblichen Sammlung der
142
Antragstellerin ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Es ist Sache des Antragsgegners, im
Rahmen von ihm abgeschlossener abfallrechtlicher Verträge die gesetzlichen
Regelungen, die gemeinnützige und gewerbliche Sammlungen zulassen, zu
berücksichtigen und die vertraglichen Vereinbarungen entsprechend zu gestalten bzw.
anzupassen. Dass der Antragsgegner eine Abstimmungsvereinbarung mit dem Dualen
System Deutschland geschlossen hat, darf jedenfalls im Ergebnis nicht dazu führen,
dass die vom Gesetzgeber zugelassenen privaten Sammlungen nach § 13 Abs. 3 KrW-
/AbfG unter Hinweis auf entgegenstehende vertragliche Beziehungen des öffentlichen
Entsorgungsträgers untersagt werden.
Vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 24. Januar 2008 - 7 ME 192/07 - m.w.N.,
AbfallR 2008, 35ff.
143
Der Einwand, bei einer „unkontrollierten" Sammlung fehlerhaft eingeworfener
Verpackungsabfälle durch die Antragstellerin könne der Nachweis der nach Anlage 1
zur Verpackungsverordnung erforderlichen Einhaltung der Verwertungsquote nicht mehr
gewährleistet werden, stellt bereits keinen öffentlichen Belang dar.
144
Die Verpackungsverordnung sucht die gesetzlichen Ziele der Produktverantwortung (§
22 KrW-/AbfG) bei Verkaufsverpackungen durch eine Pflicht zur Rücknahme und zur
Verwertung zu erreichen. Dies ergibt sich bereits aus § 1 VerpackV, der die
abfallwirtschaftlichen Ziele der Verordnung darstellt. Hersteller und Vertreiber von
Verpackungen, die als eine Verkaufseinheit angeboten werden und beim
Endverbraucher anfallen oder die Übergabe von Waren an den Endverbraucher
ermöglichen oder unterstützen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 VerpackV), sind verpflichtet, gebrauchte
restentleerte Verpackungen am Ort der tatsächlichen Übergabe oder in dessen
unmittelbarer Nähe unentgeltlich zurückzunehmen und einer näher bestimmten
Verwertung zuzuführen (§ 6 Abs. 1 und 2 VerpackV).
145
Die Pflicht zur individuellen Rücknahme kann neben, bzw. anstelle der individuellen
Rücknahme auch durch Zusammenwirken mehrerer Hersteller und Vertreiber sowie
durch Beauftragung Dritter erfüllt werden, die der Rücknahme- und Verwertungspflicht
der Hersteller und Vertreiber, insbesondere um die erforderlichen Verwertungsquoten zu
erreichen, durch ein Selbstentsorgersystem nachkommen (§ 11 VerpackV).
Demgegenüber entfällt die individuelle Rücknahme- und Verwertungspflicht der
Hersteller und Vertreiber, soweit sie sich an einem System beteiligen, das
flächendeckend die regelmäßige Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim
privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe gewährleistet und die
Verwertungsanforderungen erfüllt (§ 6 Abs. 3 VerpackV). Bei einem solchen System
bedarf es der behördlichen Feststellung, dass die Erfüllung dieser Voraussetzungen
gewährleistet ist (§ 6 Abs. 3 Satz 11 VerpackV). Diese Anerkennung eines Systems
setzt voraus, dass der Systembetreiber nicht nur das Rücknahmesystem
flächendeckend eingerichtet hat, sondern darüber hinaus auch die allgemeinen
Anforderungen an Systeme nach § 6 Abs. 3 VerpackV gemäß Anhang I zu § 6
VerpackV erfüllt. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass im Jahresmittel mindestens 70
% der in den Kreislauf eingespeisten Papier-, Pappe- und Kartonverpackungen in
Masseprozent einer stofflichen Verwertung zuzuführen sind. Der Systembetreiber muss
in überprüfbarer Form Nachweise über die erfassten und einer stofflichen und einer
energetischen Verwertung zugeführten Mengen erbringen. Dazu ist in nachprüfbarer
Weise darzustellen, welche Mengen in den einzelnen Ländern erfasst wurden (Nr. 3
Abs. 4 des Anhanges I zu § 6 VerpackV). Die Erfüllung der Erfassungs- und
146
Verwertungsanforderungen ist durch einen unabhängigen Sachverständigen auf der
Grundlage der Dokumentation zu bescheinigen. Für den Fall, dass der anerkannte
Systembetreiber die erforderlichen Nachweise nicht erbringen kann oder erbringt, kann
die zuständige Behörde ihre Anerkennung widerrufen (§ 6 Abs. 4
Verpackungsverordnung). Die Vertreiber und Hersteller von Verpackungen sind dann
verpflichtet, vom Endverbraucher gebrauchte restentleerte Verkaufsverpackungen am
Ort der tatsächlichen Übergabe oder in dessen unmittelbarer Nähe unentgeltlich
zurückzunehmen und einer Verwertung entsprechend den Anforderungen des Anhangs
I der Verpackungsverordnung zuzuführen.
Daraus folgt, dass das der Verpackungsverordnung zugrundeliegende öffentliche
Interesse in erster Linie auf die Vermeidung von Verpackung, bzw. die möglichst
umfassende stoffliche Verwertung von Verpackungen abzielt und hierzu die Hersteller,
welche die Verpackungen in den Verkehr bringen, als „Verursacher" in die Pflicht nimmt.
Dies wird auch dadurch bestätigt, dass der Rücknahmepflicht keine Überlassungspflicht
des Verbrauchers gegenübersteht. Er kann daher Verpackungen auch in anderer
zulässiger Weise einer Verwertung zuführen. Die Einrichtung des Dualen Systems
Deutschland dient allein der Umsetzung der die Hersteller treffenden Rücknahmepflicht
und stellt für die Hersteller eine organisatorische Erleichterung gegenüber der
individuellen Rücknahmepflicht dar. Es handelt sich bei dem Nachweis der Menge des
verwerteten Verpackungsmaterials im Rahmen des flächendeckenden
Erfassungssystems nach § 6 Abs. 3 VerpackV somit um ein rein privates Interesse.
147
Dem steht auch die oben zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.
März 2006 nicht entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht stellt in diesem Urteil nicht
fest, dass das Funktionieren des flächendeckenden Erfassungssystems ein öffentlicher
Belang ist,
148
so aber OVG Hamburg, Beschluss vom 8. Juli 2008 - 1 Bs 91/08 -, Mitteilungen
NWStGB 2008, 227f ohne Begründung,
149
sondern trifft lediglich Aussagen zu den hoheitlichen Eingriffsbefugnissen der
zuständigen Abfallbehörden zur Vermeidung unzulässiger Wettbewerbsverzerrungen
zwischen den nach der Verpackungsverordnung Rücknahmepflichtigen.
150
Die vorliegende Fallkonstellation ist damit nicht zu vergleichen, denn die Antragstellerin
beabsichtigt nicht, umfassend Verkaufsverpackungen einzusammeln um
(wettbewerbswidrig) den Nachweis erbringen zu können, eine eigene Rücknahmepflicht
zu erfüllen, wie dies in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts der Fall war.
Die Ordnungsverfügung des Antragsgegners hat auch nicht das Ziel, derartige
Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, sondern will dem Systembetreiber des Dualen
Systems lediglich ermöglichen, den Nachweis einer hinreichenden Rücknahme der
Verpackungen erbringen zu können.
151
Selbst wenn durch die Sammlung der Antragstellerin dem Dualen System Deutschland
in erheblichem Umfang PPK - Verpackungen entzogen würden, wofür derzeit keine
substantiierten Anhaltspunkte bestehen, würden keine öffentlichen Interessen
beeinträchtigt. Das öffentliche Interesse an der möglichst umfassenden Verwertung der
Verpackungen wäre tatsächlich auch gewährleistet, wenn nicht das Duale System
Deutschland, sondern die Antragstellerin diese einer ordnungsgemäßen Verwertung
zuführt. Einzige Folge wäre, dass das flächendeckende Erfassungssystem des Dualen
152
Systems Deutschland möglicherweise nicht mehr in der Lage wäre, den für die (weitere)
Anerkennung erforderlichen Nachweis erbringen zu können, die notwendige
Verwertungsquote erreicht zu haben. Dies würde aber lediglich dazu führen, dass die
individuelle Rücknahmepflicht für die Verpackungen wieder auflebt, was allein die
wirtschaftlichen Interessen der Hersteller betrifft. Im Übrigen ist insoweit auch eine
gewisse Flexibilität des privaten abgestimmten und öffentlich - rechtlich anerkannten
zentralen Erfassungssystems zu fordern, indem etwa durch Aufklärung der Verbraucher
oder entsprechende vertragliche Vereinbarungen mit den gewerblichen Sammlern auf
derartige Probleme reagiert wird.
Es ist darüber hinaus vorliegend weder durch den Antragsgegner substantiiert
vorgetragen noch in anderer Weise ersichtlich, dass es in erheblichem Umfang zu
sogenannten Fehlwürfen kommt, bei denen der Altpapiersammlung auch
Papierverkaufsverpackungen zugeführt werden. Die Antragstellerin hat im Gegenteil die
Bürger vielfach darauf hingewiesen, keine PPK-Verpackungen zu sammeln. Selbst
wenn nach der Lebenserfahrung einiges dafür spricht, dass der
Durchschnittsverbraucher die feinsinnige Unterscheidung zwischen einfachem Altpapier
und der Rücknahmepflicht unterliegender PPK - Verpackungen nicht immer treffen wird,
wäre eine vollständige Untersagung der Sammlung nur wegen der Möglichkeit - letztlich
nicht zu vermeidender - Fehlwürfe unverhältnismäßig. Ein so begründetes Verbot würde
die gesetzliche Regelung des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW- /AbfG praktisch aushebeln.
Einer Untersagung bedarf es auch nicht, weil der Antragsgegner es als zuständige
Abfallbehörde in der Hand hat, durch ordnungsrechtliche Auflagen, etwa eine
Kennzeichnungspflicht auf den Sammelbehältern und in den Haushaltsinformationen
der Antragstellerin oder andere Maßnahmen, auf eine Minimierung von Fehlwürfen
hinzuwirken.
153
Vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 24. Januar 2008 - 7 ME 192/07 - m.w.N.,
AbfallR 2008, 35ff.
154
Ohne dass es vorliegend entscheidend darauf ankommt, weil der Antragsgegner diese
Frage in der Ordnungsverfügung offen gelassen hat, weist die Kammer darauf hin, dass
das mit der Sammlung verbundene Aufstellen von Abfallbehältern auf dem Gehweg vor
dem Grundstück zum Zwecke des Einsammelns der Abfälle nicht dem Bereich der
Sondernutzung, sondern demjenigen des Anliegergebrauchs im Sinne des § 14a Abs. 1
StrWG NRW zuzuordnen ist. Unstreitig liegt keine Sondernutzung vor, wenn zum
Bereitstellen der Abfalltonne eine abfallrechtliche Verpflichtung besteht. Die sich
hieraus kurzfristig ergebenden Behinderungen für den Fußgänger- bzw. Radfahrverkehr
sind hinzunehmen. Gleichfalls als Anliegergebrauch zu betrachten ist die
vorübergehende Inanspruchnahme des Straßengrundstücks zum Lagern von
angelieferten Waren. Dieses ist keine Mitbenutzung der Straße, sondern ein Vorgang im
Zusammenhang von Zufahrt und Zugang; denn zu diesen gehört nicht nur das
Überqueren der Grenze zum Anliegergrundstück durch Personen oder Fahrzeuge,
sondern auch das Verbringen von Gegenständen im Rahmen des Üblichen. Innerhalb
dieses Rahmens ist das Abstellen zuvor bestellter Altpapiertonnen im öffentlichen
Straßenraum vor den Grundstücken der Besteller zum Zweck der Anlieferung als
erlaubnisfreier Anliegergebrauch und noch nicht als gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG
NRW erlaubnispflichtige Sondernutzung zu qualifizieren. Es handelt sich dabei um eine
nur vorübergehende, kurzzeitige Inanspruchnahme der öffentlichen Straße, die sich von
dem Bereitstellen kommunaler Abfallbehälter auf dem Gehweg zwecks deren
Entleerung nicht unterscheidet.
155
Vgl. VG Aachen, Beschluss vom 17. Juni 2008 - 8 L 252/08 -, Mitteilungen NWStGB
2008, 229 f und NVwZ-RR 2008, 771 ff, m.w.N.
156
Nach alledem kann die Kammer ein überwiegendes öffentliches Interesse an der
sofortigen Vollziehbarkeit der Untersagungsverfügung zu 1.1 nicht feststellen, da sie
sich nach summarischer Prüfung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig
darstellt. Dies gilt umso mehr, wenn die Vollzugsfolgen in den Blick genommen werden.
Durch den Vollzug der Ordnungsverfügung entstehen der Antragstellerin Nachteile, weil
der Antragsgegner in der Zeit bis zur Hauptsacheentscheidung sein
Altpapiererfassungssystem durch das Verteilen eigener blauer Tonnen etablieren
könnte. Durch sein hoheitliches Einschreiten würde der Antragsgegner daher in die
Lage versetzt, sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, welche im Falle eines
Obsiegens im Hauptsacheverfahren praktisch nicht mehr rückgängig zu machen wären.
157
Die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 3815/08 war auch hinsichtlich der Ziffern
1.2, 1.3 und der unter Ziffer 2. getroffenen Regelungen wiederherzustellen. Da sich die
Sammlung als voraussichtlich rechtmäßig darstellt, und die aufschiebende Wirkung der
Klage hinsichtlich der Untersagungsverfügung wiederhergestellt wurde, besteht kein
überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung der dort angeordneten
Verpflichtungen bezüglich der Werbung und der Aufstellung von blauen Tonnen sowie
der Verpflichtung das von der Antragstellerin bereits gesammelte Altpapier an den
Antragsgegner herauszugeben.
158
Nachdem die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Grundverfügung der Ziffern 1. und
2. wiederhergestellt wurde, kann auch die kraft Gesetzes bestehende sofortige
Vollziehung der Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4 keinen Bestand haben.
159
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz
(GKG) ausgehend von dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin an der
Durchführung der angezeigten Altpapiersammlung. Dabei orientiert sich das Gericht an
den Angaben des Antragsgegners hinsichtlich des Verkaufserlöses aus dem Altpapier
von jährlich 640.000,- EUR. Geht man davon aus, dass die Antragstellerin das im
Kreisgebiet anfallende Altpapier nicht vollständig einsammeln wird, erscheint ein Betrag
von 200.000,- EUR für das Hauptsacheverfahren als angemessen, der im Hinblick auf
dessen Vorläufigkeit für dieses Verfahren auf die Hälfte zu reduzieren ist.
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