Urteil des VG Gelsenkirchen vom 16.05.2002

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 13 K 7912/98
Datum:
16.05.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 7912/98
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin ist Eigentümerin des Hausgrundstücks F.---------straße 14, das nicht an die
öffentliche Kanalisation angeschlossen ist. Die Entwässerung erfolgt über eine
Kleinkläranlage, aus der in regelmäßigen Abständen der Schlamm abgefahren werden
muss.
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Die Schlammabfuhr besorgen die Stadtwerke F1. AG (T. ) im Auftrage der Stadt gegen
ein von der Stadt zu zahlendes Entgelt. Die T. lässt den Schlamm wiederum gegen
Entgelt von einem beauftragten Unternehmer zu den Kläranlagen des Ruhrverbandes
oder der Emschergenossenschaft abfahren.
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Gemäß § 7 der Entwässerungsabgabensatzung (EAS) erhebt die Stadt F1. für die
Entleerung von Grundstückskläreinrichtungen und Sammelgruben einschließlich der
Beseitigung ihres Inhaltes Gebühren. Die Gebühr wird nach der Menge des
abgesaugten Abwassers (einschließlich evtl. erforderlichen Spülwassers) berechnet.
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Der Gebührensatz war für das Jahr 1998 durch die Änderungssatzung vom 8. Dezember
1997 (Amtsbl. vom 12. Dezember 1997) zunächst auf 49,70 DM pro cbm festgesetzt.
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Bei der Kalkulation dieses Satzes waren die für 1998 erwarteten Kosten angesetzt
worden, zu denen Unternehmerkosten sowie Personal- und Verwaltungskosten der T.
sowie der Stadt zu rechnen waren. Dazu gehörten auch die Beiträge des
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Ruhrverbandes und der Emschergenossenschaft, die im Verhältnis der
Einwohnerzahlen für Grundstücke mit Anschluss an die Kanalisation und für über
Grundstückskläreinrichtungen und Sammelgruben entwässerte Grundstücke bei dem
errechneten Gebührensatz berücksichtigt wurden. Die geschätzten Gesamtkosten von
1.267.429 DM wurden durch die voraussichtlich abzufahrenden Schlammengen von
25.500 cbm dividiert.
Bei der erwarteten Abfuhrmenge wurde die Abfuhr des Abwassers von dem städtischen
Übergangsheim für Asylbewerber und ausländische Flüchtlinge M.------ straße 111 - 113
berücksichtigt, das über abflusslose Gruben entwässert wurde. Dort wurden monatlich
ca. 1.400 cbm Abwasser abgefahren. Es war zu erwarten, dass das Wohnheim im Laufe
des Jahres 1998 an die Kanalisation angeschlossen werden würde. Der genaue
Zeitpunkt war jedoch nicht bekannt.
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Am 28. Mai 1998 wurde das Heim an die Kanalisation angeschlossen.
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Gemäß Änderungssatzung vom 25. Juni 1998 (Amtsbl. vom 26. Juni 1998) wurde mit
Wirkung ab 1. Juli 1998 eine Satzungsregelung in Kraft gesetzt, in der der Gebührensatz
auf 80,85 DM pro cbm heraufgesetzt wurde. In der zugrunde liegenden
Gebührenkalkulation war die erwartete Abfuhrmenge für das restliche Halbjahr von
12.750 qbm auf 4.300 qbm (33,7 %) gesenkt worden. Die Unternehmerkosten wurden
von 191.305 DM auf 66.134 DM gesenkt. Entsprechend den sinkenden Abfuhrmengen
wurden des weiteren die Personal-, Sach- und Verwaltungskosten der T. sowie der
Verwaltungskostenanteile der Stadt herabgesetzt. Hinsichtlich der Verbandsbeiträge
wurde nur der Beitrag für den Ruhrverband, in dessen Gebiet das Übergangsheim liegt,
entsprechend der um 212 verringerten Einwohnerzahl vermindert. Insgesamt ergab sich
auf das Halbjahr umgerechnet nur eine Kostensenkung von 633.715 DM auf 347.665
DM, was bei der Division durch die verminderten Abfuhrmengen den Satz von 80,85 DM
ergab.
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Tatsächlich bestand nach der Betriebsabrechnung für das zweite Halbjahr 1998 noch
ein Fehlbetrag von 60.327 DM (vgl. Bl. 42 d. A. 13 K 634/99).
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Die Klärgrube der Klägerin wurde am 17. August 1998 entleert. Dabei wurden 3 cbm
abgefahren.
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Mit Bescheid vom 23. September 1998 zog der Beklagte die Klägerin daraufhin zu einer
Schlammabfuhrgebühr in Höhe von 242,55 DM heran.
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Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Bescheid vom 16.
Dezember 1998 zurück.
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Am 21. Dezember 1998 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Sie sieht die
Satzungsänderung mit dem erhöhten Gebührensatz als unzulässig an und bezweifelt
die Berechtigung der Kostenansätze u. a. des Ruhrverbandsbeitrages. Die Bedenken
gegen die Höhe der abgefahrenen Schlammenge hat die Klägerin fallen gelassen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Heranziehungsbescheid vom 23. September 1998 und den Widerspruchsbescheid
vom 16. Dezember 1998 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der Akten zu
den Parallelverfahren 13 K 293/99 und 13 K 634/99 sowie der zu allen Verfahren
beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist als Anfechtungsklage im Sinne von § 42 der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO) zulässig, aber unbegründet.
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Der angefochtenen Heranziehungsbescheid in der Fassung des
Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten
(§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage ist § 7 Abs. 2 EAS in der Fassung der Änderungssatzung vom 25. Juni
1998, die mit Wirkung ab 1. Juli 1998 im Kraft getreten ist und auf § 6 des
Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) beruht.
Danach sind für die Schlammabfuhr 80, 85 DM pro cbm zu zahlen.
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Am 17. August 1998 wurden vom Grundstück der Klägerin 3 cbm Schlamm abgefahren,
was von der Klägerin auch nicht weiter bestritten wird. Damit ist die geforderte Gebühr
von 242,55 DM gerechtfertigt.
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Die genannte Satzungsregelung ist wirksam. Sie widerspricht nicht höherrangigem
Recht. Insbesondere enthält sie keine verbotene Rückwirkung. Sie erfasst erst die
Schlammabfuhr ab 1. Juli 1998. Die vorangegangene Satzung vom 8. Dezember 1997
hatte zwar für das gesamte Jahr 1998 einen Gebührensatz von nur 49,70 DM pro cbm
vorgesehen. Anders als die nach Frischwasserverbrauch und befestigter Fläche
berechneten Entwässerungsgebühren entsteht die Schlammabfuhrgebühr jedoch nicht
bereits antizipiert mit dem Jahresbeginn, sondern erst mit der tatsächlichen
Inanspruchnahme der Abfuhrleistung. Für die Schlammabfuhren nach dem 1. Juli 1998
ist daher nie eine Gebühr nach dem alten Satz entstanden. Ein Vertrauen in dem
Bestand dieses Gebührensatzes für das ganze Jahr 1998 ist nicht gerechtfertigt.
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Vgl. zur Rückwirkungsproblematik: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 31. August 1990 - 9 A 739/88 - Nordrhein-
Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl 1991, 163) = Gemeindehaushalt (GemHH)
1991, 183 = Zeitschrift für Kommunalfinanzen (ZKF) 1991, 183
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Rechtliche Bedenken bestehen allenfalls gegen die Satzung vom 8. Dezember 1997,
weil für die Leerung von Kleinkläranlagen und abflusslosen Gruben einheitliche
Gebühren erhoben werden. Wegen der unterschiedlichen Kosten durch die Beseitigung
von Fäkalschlamm aus Hauskläranlagen und des Abwassers aus abflusslosen Gruben
ist die Erhebung von Sondergebühren geboten,
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Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 9. Mai 1995 - 9 K 1947/93 - wie von Schulte/Wiesemann
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in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2002 in Rn. 356d zu § 6 zitiert
wenn die Abfuhrmengen aus abflusslosen Gruben erheblich sind. Die Beseitigung von
Klärschlamm erfordert wegen des höheren Verschmutzungsgrades höhere Klärkosten
als die Beseitigung des Abwassers aus abflusslosen Gruben. Allein die Beseitigung des
Abwassers aus den Gruben des Übergangsheimes fiel mit ca. 1.400 cbm monatlich
auch erheblich ins Gewicht.
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Es mag letztlich dahingestellt bleiben, ob die vorangehende Satzung damit rechtmäßig
war. Bedenken gegen die Satzung vom 25. Juni 1998, auf die sich die Heranziehung
stützt, bestehen jedenfalls nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass nach Anschluss des
Übergangsheimes an die Kanalisation noch erhebliche Mengen Abwasser aus
abflusslosen Gruben abgefahren werden.
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Auch gegen die Kalkulation des Satzes von 80,85 DM bestehen keine durchgreifenden
Bedenken.
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Es ist nachvollziehbar, dass sich die Kosten der Schlammabfuhr und
Schlammbeseitigung nach Fortfall der Abwassermengen aus dem Übergangsheim nicht
in gleichem Maße reduzierten wie die Abfuhrmengen. Dies gilt vor allem hinsichtlich des
Anteils der Verbandsbeiträge für Ruhrverband und Emschergenossenschaft, die der
Beklagte im Verhältnis der an die Kanalisation angeschlossenen und der durch die
Schlammabfuhr erfassten Einwohner verteilt und nach Anschluss des Wohnheimes an
die Kanalisation reduziert hat. Dabei wurden zutreffend nur die Kosten für die
Schmutzwasserbeseitigung berücksichtigt (85 % der Gesamtkosten). Die
Einwohnerzahlen sind ein taugliches Unterscheidungskriterium, da sich auch die
Erhebung der Verbandsbeiträge als administrative Fremdkosten im Wesentlichen an
den Einwohnerzahlen orientiert.
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Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Verbandsbeiträge, die der
Beklagte im Interesse der Gebührenpflichtigen nach seinen Angaben regelmäßig in
Widerspruchsverfahren überprüfen lässt, überhöht sind.
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Vgl. zur Überprüfung der Verbandsbeiträge Schulte/Wiesemann in Driehaus, a. a. O.
Rn. 139 zu § 6
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Die nach dem Kanalanschluss des Übergangsheimes anfallenden
Entwässerungsgebühren und evtl. ein Kanalanschlussbeitrag sind bei der Berechnung
der Entwässerungsgebühren und nicht bei den Schlammabfuhrgebühren zu
berücksichtigen.
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Im Übrigen wären Fehler bei der Reduzierung der Kosten im Verhältnis zwischen
ursprünglich angenommenen Abfuhrmengen und nach Anschluss des Wohnheimes
reduzierten Mengen nur dann erheblich, wenn sie über die nach der Rechtsprechung
zugebilligte Toleranzgrenze von 3 % hinausgingen, was im vorliegenden Fall
ausgeschlossen ist.
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Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 - Neue Zeitschrift für
Verwaltungsrecht (NVwZ 1995, 1233) = NWVBl 1994, 428 = GemHH 1994, 233 =
Kommunale Steuer-Zeitschrift (KStZ 1994, 213) = ZKF 1994, 227
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Zudem hat sich der Gebührensatz im Ergebnis auch nicht als überhöht erwiesen. Bei
der Betriebsabrechnung für das zweite Halbjahr 1998 hat sich nach den Darlegungen
des Beklagten sogar noch ein Fehlbetrag von 60.327 DM ergeben.
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Vgl. zur Ergebnisrechtsprechung OVG NRW das zuvor zitierte Urteil vom 5. August
1994 - 9 A 1248/92 -
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich
aus § 167 VwGO iVm den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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