Urteil des VG Gelsenkirchen vom 18.02.2003

VG Gelsenkirchen: anspruch auf bewilligung, erlass, sozialhilfebehörde, notlage, zukunft, miete, mahnung, wahrscheinlichkeit, dauerleistung, gewalt

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 3 L 137/03
Datum:
18.02.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 L 137/03
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des
Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
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Der Antrag,
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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der
Antragstellerin Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem 1. Oktober 2002 zu gewähren,
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hat keinen Erfolg.
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Gemäß § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - sind einstweilige
Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden
Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden und drohende Gewalt zu
verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Danach setzt der Erlass einer
einstweiligen Anordnung voraus, dass der geltend gemachte Hilfeanspruch
(Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen
Antragsteller glaubhaft gemacht werden (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2,
294 ZPO).
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Vorliegend fehlt es teilweise an einem Anordnungsgrund.
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Soweit es um die Zahlung von Hilfe zum Lebensunterhalt vom 01. Oktober 2002 an
geht, scheidet der Erlass der begehrten Regelung schon deshalb aus, weil eine
gerichtliche Entscheidung nur eine bestehende Notlage regeln kann, dies für die
Vergangenheit nicht mehr möglich ist, und der Antrag erst am 23. Januar 2003 bei
Gericht eingegangen ist.
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Soweit es im vorliegenden Verfahren um die Bewilligung von Sozialhilfeleistungen über
das Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung hinaus geht, sind derzeit keine
hinreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, dass es gegenwärtig, und zwar im Wege
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der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache, einer Verpflichtung des Antragsgegners
zur Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt an die Antragsteller durch eine
einstweilige Anordnung bedarf.
Sozialhilfe ist keine rentengleiche Dauerleistung. Sie dient lediglich zur Behebung einer
gegenwärtigen Notlage und wird daher von der Sozialhilfebehörde jeweils nur für einen
bestimmten Zeitraum - in der Regel für einen Monat - bewilligt, weil sich die
Anspruchsvoraussetzungen z.B. hinsichtlich der Einkommens- und
Vermögensverhältnisse des Hilfesuchenden ändern können. Dies muss von der
Sozialhilfebehörde, soweit es darauf ankommt, bei der Entscheidung über die
Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt berücksichtigt werden. Zudem ist
die Sozialhilfebehörde verpflichtet, den jeweiligen Sozialhilfefall von Amts wegen in der
Zukunft unter Kontrolle zu halten. Deshalb kann grundsätzlich davon ausgegangen
werden, dass der Träger der Sozialhilfe den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die
sich nicht über den Monat der gerichtlichen Entscheidung hinaus in die Zukunft
erstreckt, zum Anlass nimmt, den Sozialhilfefall für die weitere Zeit unter
Zugrundelegung dieser gerichtlichen Entscheidung zu regeln.
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Vgl. OVG NW, Beschluss vom 10. Mai 1982 - 8 B 564/82 - und vom 23. Mai 1982 - 8 B
749/82 -.
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Dafür, dass der Antragsgegner sich vorliegend anders verhalten wird, ergeben sich
keine Anhaltspunkte.
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Soweit der Zeitraum ab Antragseingang bei Gericht am 23. Januar 2003 bis zum Ende
des Monats der gerichtlichen Entscheidung streitbefangen ist, fehlt es ebenfalls
teilweise an der Gaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.
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Ein Anordnungsgrund bezüglich der Gewährung voller regelsatzmäßiger Leistungen im
Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt ist bei Erwachsenen schon deshalb zu
verneinen, weil das zum Leben Unerlässliche - so die Auffassung des OVG NW,
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vgl. z.B. Beschlüsse vom 30. April 1984 - 8 B 556/84 -, 21. Januar 1985 - 8 B 12/85 - und
21. Juni 1985 - 8 B 1194/85 -,
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nach summarischer Prüfung für Erwachsene sogar bei Kürzung des Regelsatzes um 20
% gewährleistet ist und daher schlechthin unzumutbare Folgen durch das Warten auf
eine Hauptsachenentscheidung nicht zu erwarten sind. Die Antragstellerin kann daher
im Rahmen der vorliegenden Entscheidung nur 80 v.H. ihres Regelsatzes geltend
machen.
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Im Übrigen hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht
und zwar auch, soweit es um die Kosten der Unterkunft ab Oktober 2002 geht.
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Hilfe zum Lebensunterhalt ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 des Bundessozialhilfege-
setzes - BSHG - dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder
nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen
und Vermögen beschaffen kann, denn das Nichtvorhandensein eigener Mittel ist
(negatives) Tatbestandsmerkmal für den Anspruch auf Bewilligung von
Sozialhilfeleistungen. Die Nichtaufklärbarkeit dieses anspruchsbegründenden
Tatbestandsmerkmals geht zu Lasten desjenigen, der das Bestehen des Anspruchs
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behauptet. Dies ist der Hilfebedürftige.
Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Antragstellerin nicht gerecht.
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Das Gericht ist aufgrund des Vortrags der Antragstellerin und der vorliegenden
Verwaltungsvorgänge nicht davon überzeugt, dass sich die Antragstellerin mit der für
den Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendigen Wahrscheinlichkeit in einer
sozialhilferechtlich beachtlichen Notlage befindet.
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Die Kammer verweist zur Begründung zunächst auf die dem Ablehnungsbescheid des
Antragsgegners vom 30. Oktober 2002 beigefügte Begründung sowie die
Stellungnahme der Fachverwaltung des Antragsgegners vom 31. Januar 2003, die der
Antragstellerin übersandt worden ist. Diese Beurteilung wird durch den pauschalen
Vortrag der Antragstellerin nicht ernsthaft in Frage gestellt. Unabhängig davon, dass
eine nachvollziehbare Darstellung dazu, wie der Lebensunterhalt tatsächlich seit
November 2002 sichergestellt wurde, völlig fehlt, kann auch von einem glaubhaften
Beleg, dass die Wohnungs- und Energiekosten seit September 2002 nicht gezahlt
wurden, keine Rede sein. Über die unterbliebenen Energiekostenzahlungen fehlt jeder
Beleg, was die nicht gezahlte Miete angeht, ist die angebliche Mahnung vom 16. Januar
2003 kaum zum Nachweis rückständiger Mieten geeignet, zumal nicht erklärlich ist,
warum die Miete für November 2002 nicht angemahnt wird.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
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