Urteil des VG Gelsenkirchen vom 21.07.2004

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 13 K 3412/02
Datum:
21.07.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 3412/02
Schlagworte:
Straßenreinigungsgebühren, Winterdienst, Haushaltsmittel,
Nacherhebung von Gebühren für Teilleistung, Amtsermittlung
Normen:
KAG NRW § 6
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages
abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Straßenreinigungsgebühren für das
mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück G.---straße 1 in X. .
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Mit Grundbesitzabgabenbescheid vom 11. Januar 2002 zog der Beklagte den Kläger u.
a. zu Straßenreinigungsgebühren für das Veranlagungsjahr 2002 in Höhe von 67,95
Euro auf der Grundlage von 45 m Grundstücksseiten heran. Der Gebührensatz betrug
1,51 Euro für die einmalige wöchentliche Reinigung je Meter Grundstücksseite.
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Die Heranziehung zu den Straßenreinigungsgebühren beruhte auf der Satzung der
Stadt X. über die Straßenreinigung und die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren
vom 17. Dezember 1999 (Straßenreinigungssatzung). Nach § 5 Abs. 4 Buchst. a
Straßenreinigungssatzung beträgt die Straßenreinigungsgebühr bei einer einmaligen
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wöchentlichen Reinigung in der Reinigungszone 1 (Anliegerstraßen) jährlich 2,96 DM
(= 1,51 Euro) je Meter zugrunde zu legender Grundstücksseite. In dem einen Bestandteil
der Straßenreinigungssatzung bildenden Straßenverzeichnis ist die G.---straße dem
Straßentyp Anliegerstraße zugeordnet.
Mit Schreiben vom 29. Januar 2002 erhob der Kläger gegen die Festsetzung der
Straßenreinigungsgebühr wegen einer fehlenden Differenzierung zwischen allgemeiner
und Winterdienst- Straßenreinigungsgebühr Widerspruch.
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Der Kläger hat am 2. Juni 2002 Untätigkeitsklage erhoben, mit der er unter anderem die
Verpflichtung des Beklagten zur Bescheidung des vorerwähnten Widerspruchs gegen
den Grundbesitzabgabenbescheid vom 11. Januar 2002 begehrt hat.
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Nachdem der Beklagte diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli
2002 unter Hinweis auf die Deckung der Kosten für die Winterwartung aus allgemeinen
Haushaltsmitteln und die Nichterhebung von Gebühren für diese Teilleistung
zurückgewiesen hat, trägt der Kläger zur Begründung im Wesentlichen vor: Die
Straßenreinigung habe wöchentlich zu erfolgen. In den Wintermonaten mit Eis und
Schnee sei dies unmöglich. Da in der G.---straße Winterdienst nicht durchgeführt werde,
sei die Straßenreinigungsgebühr zu ermäßigen. Ausweislich einer Pressemitteilung
vom 10. Dezember 2002 habe der Ver- und Entsorgungsbetrieb der Stadt X. in den
ersten neun Monaten seit seiner Gründung einen deutlich höheren Gewinn
erwirtschaftet als in der nunmehr vorgelegten Zwischenbilanz ausgewiesen worden sei.
Dem Eigenbetrieb sei auch ein unter anderem aus dem Abwassernetz bestehendes
Anlagevermögen übertragen worden, dessen Wert die von diesem übernommenen
Kreditverbindlichkeiten deutlich übersteige. Außerdem bezieht sich der Kläger auf ein
an ihn gerichtetes Schreiben des Bundes der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e.V.
vom 26. August 2003, in dem ausgeführt wird, die für 2002 erwirtschafteten Gewinne
des Ver- und Entsorgungsbetriebes zeigten das Maß an, in dem in X. kommunale
Entsorgungsleistungen zu teuer seien.
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Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
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den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 11. Januar 2002 und den
Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2002 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen.
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Er macht geltend: Die Straßenreinigungsgebühr sei satzungsgemäß erhoben worden.
Die Kalkulation für die Straßenreinigungsgebühren 2002 basiere auf der
Gebührenkalkulation für das Veranlagungsjahr 2000. Der Haupt- und Finanzausschuss
des Rates der Stadt X. habe bereits in seiner Sitzung am 1. Dezember 1998 in
Zusammenhang mit der Beratung der Satzung über die Gebühren für die
Straßenreinigung im Jahr 1999 beschlossen, dass die Stadt X. gemäß § 3 des
Straßenreinigungsgesetzes (StrG) Winterdienstgebühren von den Eigentümern der an
die Straßenreinigung angeschlossenen Grundstücke nicht erhebe, weil die Stadt X. aus
Kapazitäts- und Kostengründen keinen verbindlichen flächendeckenden
Winterdienstplan erstellen und ausführen wolle; der Winterdienst werde sich allenfalls
mit einem Aufwand von 50.000,00 DM auf die Mindestanforderungen der
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Verkehrssicherungspflicht und punktuelle Maßnahmen erstrecken. Entsprechend sei
auch bei den Straßenreinigungsgebühren für das Jahr 2002 verfahren worden.
Das vorliegende Verfahren ist durch Beschluss vom 24. Juli 2002 von dem Verfahren 13
K 2585/02 abgetrennt und durch Beschluss vom 5. Juni 2003 dem Berichterstatter als
Einzelrichter zur Entscheidung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) übertragen worden.
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Die Parteien haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen
Verhandlung verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten (einschließlich der Verfahrensakten 13 K 2585/02) und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten Hefte 1 zur 13 K 2585/02 und 13 K
3412/02) Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne
mündliche Verhandlung entscheiden.
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Das Begehren des Klägers ist bei sachdienlicher Auslegung entsprechend § 86 Abs. 3
VwGO nicht auf den Erlass eines Bescheidungsurteils gerichtet, weil der Erlass der
Abgabenbescheide keine Ermessensentscheidung darstellt.
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Die gemäß § 75 Satz 1 und 2 VwGO zulässigerweise als Untätigkeitsklage erhobene
und auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zulässige Anfechtungsklage im
Sinne des § 42 Abs. 1, 1. Fall VwGO ist unbegründet. Der Heranziehungsbescheid des
Beklagten vom 11. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.
Juli 2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO).
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Die Erhebung der Straßenreinigungsgebühren für die Reinigung der G.--- straße im Jahr
2002 findet - soweit der Kläger diese zur gerichtlichen Überprüfung gestellt hat - in dem
zugrundeliegenden Ortsrecht der Stadt X. eine wirksame Rechtsgrundlage. Die
Festsetzung der Straßenreinigungsgebühren für die Fahrbahn der G.---straße beruht auf
§ 4 und § 5 Abs. 4 Straßenreinigungssatzung. Einwendungen gegen die
Rechtsgültigkeit dieses am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen, nicht befristeten
Ortsrechts hat der Kläger nicht erhoben. Mithin ist auch unter der Geltung des
Amtsermittlungsgrundsatzes im Sinne von § 86 Abs. 1 VwGO
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vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. April 2002 - BVerwG 9 CN 1.01 -
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auf der Grundlage der Darlegungen des Beklagten zu den Kalkulationsgrundlagen
keine Notwendigkeit zu einer weitergehenden Detail- Überprüfung der Kalkulation der
Straßenreinigungsgebühren gegeben.
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Soweit der Kläger beanstandet, dass bei winterlichen Straßenverhältnissen die übliche
Straßenreinigung mit einer Kehrmaschine unmöglich sei, ist dies ersichtlich nicht
geeignet, den der Heranziehung des Klägers als Gebührenschuldner
zugrundeliegenden Gebührensatz in Frage zu stellen, weil derartige zeitweilige
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Einschränkungen der normalen Straßenreinigung regelmäßig bei der Ermittlung der
Kosten für die Straßenreinigung Berücksichtigung finden und die für den Streu- und
Räumdienst voraussichtlich anfallenden Kosten für die Durchführung des
Winterdienstes anderweitig in Ansatz gebracht werden. Der diesbezügliche
Kostenanteil ist nämlich, wie der Beklagte in dem vorliegenden und auch in anderen vor
der Kammer anhängigen Verfahren dargelegt hat, bereits für das Veranlagungsjahr
1999 als nicht mehr gebührenrelevant aus der Kalkulation der
Straßenreinigungsgebühren ausgeschieden und einer Deckung aus allgemeinen
Haushaltsmitteln zugeführt worden. Dies wird auch bestätigt durch die in der
Sitzungsvorlage Nr. 1999-04/0070 vom 25. November 1999 zur Beschlussfassung über
die Satzung über die Straßenreinigung und die Erhebung von
Straßenreinigungsgebühren für das Jahr 2000 wiedergegebene Beschlusslage, wonach
der Rat der Stadt X. in seiner Sitzung am 10. Dezember 1998 beschlossen hat,
Winterdienstgebühren nicht zu erheben. Deshalb ist auch in der von der Verwaltung
vorgelegten Gebührenkalkulation für das Jahr 2000 die Erhebung von gesonderten
Winterdienstgebühren nicht vorgesehen worden. Nach dem Inhalt des Schriftsatzes des
Beklagten vom 11. September 2002 und den dem Gericht vom Beklagten vorgelegten
Gebührenbedarfsberechnungen besteht keine Veranlassung daran zu zweifeln, dass
auch in dem vorliegend streitbefangenen Veranlagungsjahr 2002 Kosten für den
Winterdienst keinen Eingang in die Gebühren gefunden haben. Mithin steht nicht eine
einheitliche, die Kosten der Winterwartung erfassende Gebühr zur Beurteilung.
Aus diesem Grunde scheidet auch die von dem Kläger begehrte Ermäßigung der
Straßenreinigungsgebühr wegen Nichtdurchführung des Winterdienstes in der G.---
straße aus. Denn für diese Teilleistung der Straßenreinigungsgebühr ist er nicht als
Gebührenpflichtiger im Sinne von § 6 Abs. 1 Straßenreinigungssatzung im Jahr 2002
herangezogen worden. Deshalb kommt auch ein Anspruch auf Gebührenermäßigung im
Hinblick auf die Nicht-Teilhabe an der aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanzierten
Winterdienstleistung ersichtlich nicht in Betracht.
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Soweit der Kläger die von dem Ver- und Entsorgungsbetrieb erzielten Gewinne im Jahre
2002 ohne weitere Ausführungen zur Begründung seiner Klage bemüht, ist darauf
hinzuweisen, dass diese einen Sachverhalt betreffen, der sich erst im Verlaufe des
streitigen Veranlagungsjahres ergeben haben kann und somit nicht durchgreifende
Zweifel an einer sachgerechten Gebührenbedarfsermittlung zu begründen vermag.
Darüber hinaus bezieht sich der von dem Kläger in Bezug genommene Presseartikel
vom 10. Dezember 2002 zu der Eröffnungsbilanz des Ver- und Entsorgungsbetriebes
auf die in dem vorliegenden Verfahren ohnehin unerhebliche Übertragung des
städtischen Abwassernetzes. Ebensowenig lassen sich dem an den Kläger gerichteten
Schreiben des Bundes der Steuerzahler rechtserhebliche Gesichtspunkte entnehmen,
die die Rechtmäßigkeit der gegenüber dem Kläger festgesetzten
Straßenreinigungsgebühr in Frage zu stellen geeignet wären. Denn bei den vorliegend
zu beurteilenden gebührenrelevanten städtischen Leistungen handelt es sich nicht um
in dem vorerwähnten Schreiben erörterte kommunale Entsorgungsleistungen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich
aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der
Zivilprozessordnung.
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