Urteil des VG Gelsenkirchen vom 03.05.2004

VG Gelsenkirchen: örtliche zuständigkeit, gemeinnützige arbeit, bekleidung, förster, polizei, aufenthalt, anzeige, ordnungswidrigkeit, augenschein, beihilfe

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 3 L 619/04
Datum:
03.05.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 L 619/04
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten
werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
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Der sinngemäß gestellte Antrag,
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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem
Antragsteller eine einmalige Beihilfe für die Anschaffung einer Grundausstattung an
Bekleidung zu bewilligen,
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ist nicht begründet.
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Nach § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - kann das Gericht eine
einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes erlassen, wenn dies
insbesondere zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das setzt voraus, dass
der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für
die Notwendigkeit vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungs- grund) vom Antragsteller
glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 der
Zivilprozessordnung).
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Der Antrag ist abzulehnen, weil der Antragsteller einen Anspruch auf die Gewährung
einer einmaligen Beihilfe nach § 71 Abs. 1a Nr. 1 des Bundessozialhilfegesetzes -
BSHG - nicht glaubhaft gemacht hat.
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Ungeachtet des Umstandes, dass mangels nachvollziehbarer Angaben des
Antragstellers zu den Unterkunftsverhältnissen schon die örtliche Zuständigkeit des
Antragsgegners zweifelhaft erscheint, gibt das Vorbringen des Antragstellers auf der
Grundlage der vorliegenden Verwaltungsvorgänge keinen Anlass, die Feststellung des
Ablehnungsbescheides vom 24. Februar 2004 in Frage zu stellen, wonach beim
Antragsteller Bekleidung in erforderlichem Umfang vorhanden ist.
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Diese Feststellung beruht zunächst auf den tatsächlichen Eindruck, den die
Sachbearbeiter seit der ersten dokumentierten Vorsprache des Antragstellers im März
2003 sowie insbesondere seit der Aufnahme der ständigen Hilfeleistungen im
Dezember 2003 gewonnen haben. Gerade in der Winterzeit hat der Antragsteller einen
akuten Mangel an ausreichender Bekleidung nicht geltend gemacht, die Sachbearbeiter
haben anhand der Vorsprachen des Antragstellers auch bekundet, dieser verfüge über
ausreichend tragbare Bekleidung.
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Die gegenteiligen Angaben des Antragstellers sind nicht glaubhaft. Die vorliegenden
Berichte der Sachbearbeiter S. und L. über den Versuch am 26. März 2004, die
persönlichen Verhältnisse des Antragstellers in Augenschein zu nehmen, würdigt die
Kammer mit dem Antragsgegner dahin, dass der Antragsteller eine Be- darfsprüfung
gerade verhindert.
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Die Angabe, er habe seit Monaten in einem Zelt im Wald gelebt, hält die Kammer für
widerlegt. Dagegen spricht nicht nur die Beobachtung der Bediensteten des
Antragsgegners, der Antragsteller habe einen gepflegten Eindruck gemacht
(gewaschene Haare, saubere Kleidung, keine Schmutzspuren an den Schuhen), was
angesichts der geltend gemachten hygienischen Verhältnisse, wonach er Wasch- und
Trinkwasser aus einem etwa 50 cm breiten Bach mit schlammigem Ufer in Flaschen
aufgenommen haben will, unvereinbar ist. Erst recht unglaubhaft ist die Angabe, seine
Bleibe sei am Tag des „Hausbesuchs" vollständig gestohlen worden. Unabhängig
davon, dass nichts für die Annahme spricht, die gesamte Habe des Antragstellers sei
restlos für Diebe von Interesse gewesen, konnten am angeblichen Aufenthaltsort auch
keine Spuren entdeckt werden, die mit dem monatelangen Aufenthalt beim Zelten im
Wald zwangsläufig entstehen. Dem entspricht es, dass der Antragsteller auch von
niemandem gesehen wurde, obwohl Anwohner im Wald spazieren gehen und in der
Nähe des angeblichen Aufenthaltsortes Forstarbeiten durchgeführt wurden. Gegen die
Glaubhaftigkeit der Angaben des Antragstellers spricht auch, dass er den Diebstahl bei
der Polizei nicht gemeldet und auch nicht versucht hat, mit Hilfe des Försters zu
erkunden, ob Teile der gestohlenen Gegenstände wieder aufgefunden wurden. Die
hierzu erhobenen Einwände des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 27. April 2004
sind offenbar unbeachtlich. So geben die eingehenden und nachvollziehbaren Angaben
der Bediensteten S. und L. keine Veranlassung zur Annahme, der angebliche
Lagerplatz des Antragstellers sei nur oberflächlich in Augenschein genommen worden.
Dass ein monatelang währender Aufenthalt im Zelt auch auf nicht mit Pflanzen
bewachsenem Waldboden deutliche und leicht zu erkennende Spuren hinterlässt,
bedarf keiner Vertiefung, zumal der Antragsteller geltend macht, dort allen Bedürfnissen
des täglichen Lebens nachgekommen zu sein. Dass zur „Vertreibung" von Obdachlosen
die Mitnahme der gesamten Habe „sinnvoll" sein soll, ist geradezu absurd. Dass ein
solches Ziel sehr viel eher dadurch erreichbar ist, etwa nützliche Gegenstände gezielt
unbrauchbar zu machen, drängt sich auf, zumal Straftäter, die die vom Antragsteller
angenommenen Ziele verfolgen nach der Lebenserfahrung keinen Anlass sehen, sich
mit der Beseitigung solcher Gegenstände zu befassen. Was die unterbliebenen
Nachfragen und Anzeigen bei der Polizei und beim Förster angeht, ist das Vorbringen
des Antragstellers mit seiner angeblichen existenzbedrohenden Notlage völlig
unvereinbar. Die angebliche Ordnungswidrigkeit ist amtlich bekannt, ihre Verfolgung
nicht von der Anzeige bei der Polizei abhängig. Angesichts der existentiellen Not, die
der Antragsteller geltend macht, ist im Übrigen die ohnehin dem Opportunitätsprinzip
unterliegende Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit im Fall des Antragstellers kein
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nachvollziehbarer Grund, die zur Glaubhaftmachung der Anzeige einer Straftat
notwendigen Angaben zu unterlassen, wenn dringendste Notlagen behoben werden
sollen. Dass eine Rücksprache beim Förster unterblieben ist, ist gleichfalls
unverständlich. Der Antragsteller hat selbst erkannt, dass dies durch den Bediensteten
L. am 26. März 2004 vergeblich versucht wurde. Warum der Antragsteller aus einem
vergeblichen Kontaktversuch den Schluss zieht, er könne nunmehr jede Nachforschung
beim zuständigen Förster unterlassen, ist nicht erklärlich.
Die Angabe des Antragstellers schließlich, er besitze nur noch drei Kleidungsstücke,
wobei seine Hose seit dem 29. März 2004 ein Loch aufweise, ist im Übrigen nicht
glaubhaft. Dagegen spricht schon der Umstand, dass der Antrag vom 8. März 2004 über
seine zerrissene Hose den Antragsteller nicht gehindert hat, in den folgenden Wochen
unbeanstandet gemeinnützige Arbeit zu leisten. Bei diesen Gelegenheiten wurde
festgestellt, dass der Antragsteller dort in „ordentlicher" Bekleidung gearbeitet hat (BA 1,
Bl. 95). Im Übrigen ist festzuhalten, dass beim „Hausbesuch" am 26. März 2004 durch
die Bediensteten S. und L. , übereinstimmend festgestellt wurde, der Antragsteller
verfüge über „saubere Kleidung" bzw. „saubere" Bekleidung. Hierauf angesprochen hat
der Antragsteller geltend gemacht, diese sogar in I. gewaschen zu haben. Dass ein
solches Verhalten bei unbrauchbar gewordener Kleidung nicht naheliegt, ist offenbar.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
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