Urteil des VG Gelsenkirchen vom 24.11.2010

VG Gelsenkirchen (auf probe, beamtenverhältnis, wiedereinsetzung in den vorigen stand, probe, zeitpunkt, einstellung, antrag, auf lebenszeit, inkrafttreten, 1995)

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 1 K 4453/09
Datum:
24.11.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 4453/09
Schlagworte:
Einstellung, Übernahme, Lehrer, Folgenbeseitigungslast, Untätigkeit,
Höchstalter
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2, VwGO § 75, BeamtStG § 9, LBG § 15
Tenor:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der
Bezirksregierung N. vom 7. September 2009 verpflichtet, über den
Antrag der Klägerin auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu
entscheiden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
1
Die am 3. November 1959 geborene Klägerin ist als Lehrerin im
Tarifbeschäftigtenverhältnis an der X. -C. -Gesamtschule in D. -S. im öffentlichen
Schuldienst des beklagten Landes tätig und begehrt ihre Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe. Sie ist verheiratet und hat eine am 25. Oktober 1990
geborene Tochter.
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Die Klägerin, die 1978 die Hochschulreife erlangte, absolvierte von 1978 bis 1984 an
der Universität N. das Studium für das Lehramt für die Sekundarstufe II und I mit der
Fächerkombination Deutsch/Geographie. Am 7. September 1984 bestand sie die Erste
Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II und I in den benannten Fächern.
In der Zeit vom 1. Februar 1984 bis 24. Juli 1985 erlernte sie den Beruf der Verkäuferin.
Anschließend ging sie bis zum 14. Januar 1987 einer Ausbildung zur Bäckerin nach. Im
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Anschluss hieran leistete sie in der Zeit vom 15. Juni 1987 bis 9. Mai 1989 den
Vorbereitungsdienst. Die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II
und I legte die Klägerin am 9. Mai 1989 ab.
In der Zeit vom 17. Februar 1989 bis zum 28. Februar 1992 ging die Klägerin - mit
Ausnahme einer von Juni 1990 bis September 1991 andauernden "Babypause" - einer
Tätigkeit als Verkäuferin nach. In den Jahren 1992 bis Anfang 1995 übte sie den Beruf
der Lehrerin beim Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands e.V. in I. -X1. aus (2. März
1992 - 15. Juli 1992, 15. September 1992 - 31. Juli 1993, 1. Oktober 1993 - 30. Juni
1994, 1. Oktober 1994 - 18. Januar 1995). In der Zeit vom 8. Februar 1995 bis 9. August
1998 war die Klägerin als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis auf der Grundlage
befristeter Arbeitsverträge im Bereich des Schulamtes S1. tätig.
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Mit Arbeitsvertrag vom 24. August 1998 wurde die Klägerin rückwirkend mit Wirkung
zum 10. August 1998 auf unbestimmte Zeit in den Schuldienst des Landes Nordrhein-
Westfalen eingestellt (Vergütungsgruppe III BAT) und der X. -C. -Gesamtschule in D. -S.
zugewiesen. Dem Abschluss des Arbeitsvertrages lagen u. a. ein Führungszeugnis vom
6. August 1998 und ein amtsärztliches Gesundheitszeugnis des Gesundheitsamtes des
Kreises S1. vom 3. August 1998 zugrunde, in dem es heißt: "...bestehen
amtsärztlicherseits keine gesundheitlichen Bedenken gegen die Einstellung als
Lehrerin in den öffentlichen Schuldienst und gegen die Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Lebenszeit."
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Mit Schreiben vom 9. August 2000 beantragte die Klägerin bei der Bezirksregierung N.
erstmals die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Die Bezirksregierung N.
lehnte den Antrag mit Bescheid vom 14. September 2000 mit der Begründung ab, dass
die Klägerin zum Zeitpunkt der Einstellung am 10. August 1998 das 35. Lebensjahr
bereits überschritten gehabt habe und Zeiten, die eine Ausnahme begründen würden,
nicht geltend machen könne. Eine Überschreitung der von § 6 Abs. 1 Satz 1 der
Laufbahnverordnung für Beamtinnen und Beamte im Lande Nordrhein-Westfalen vom
23. November 1995 (LVO NRW a.F.) vorgegebenen Höchstaltersgrenze wegen
sogenannter "Kinderbetreuungszeit" komme für die Klägerin nicht in Betracht, da sich
ihre Einstellung nicht wegen der Betreuung eines Kindes, sondern vielmehr durch ihre
verschiedenen Berufstätigkeiten nach Ableistung des Referendariats verzögert habe.
6
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2002 erinnerte die Klägerin die Bezirksregierung N.
an die Bescheidung eines mit Schreiben vom 17. September 2002 angeblich gestellten
Antrags auf Laufbahnwechsel und Überleitung in das Beamtenverhältnis. Die
Bezirksregierung N. teilte der Klägerin mit Schreiben vom 18. Februar 2003 mit, dass
eine Übernahme in das Beamtenverhältnis mit Bescheid vom 14. September 2000
abgelehnt worden sei, welcher mittlerweile Bestandskraft erlangt habe. Auf den von der
Klägerin unter dem 4. März 2003 erhobenen Widerspruch reagierte die Bezirksregierung
N. mit Schreiben vom 5. März 2003, in welchem sie der Klägerin mitteilte, dass ein
Widerspruch mangels Vorliegen eines Verwaltungsaktes nicht möglich sei. Die
Regelung des Einzelfalls sei vielmehr bereits mit Bescheid vom 14. September 2000
getroffen worden.
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Mit Änderungsvertrag vom 8. März 2006 trat rückwirkend zum 1. Januar 2002 an die
Stelle der Vergütungsgruppe III BAT die Vergütungsgruppe IIa BAT. Die
Höhergruppierung hatte die Klägerin zunächst klageweise vor dem Arbeitsgericht N.
durchzusetzen versucht, das Verfahren dann aber nach Klaglosstellung durch die
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Bezirksregierung N. für erledigt erklärt.
Mit Schreiben vom 2. April 2009, eingegangen bei der Bezirksregierung N. am 7. April
2009, und weiterem Schreiben vom 18. Mai 2009 beantragte die Klägerin erneut die
Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Zur Begründung führte die Klägerin
aus, ihr Antrag beruhe auf der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.
Februar 2009 zur Unwirksamkeit der Höchstaltersgrenze. Das
Bundesverwaltungsgericht habe auch die unzureichende Berücksichtigung der
Kindererziehungszeiten gerügt. Ihre Kindererziehungszeiten für ihre am 25. Oktober
1990 geborene Tochter K. seien bislang nicht hinreichend berücksichtigt worden. Sie
unterrichte zudem in dem Mangelfach Kunst, insbesondere Darstellung und Gestalten.
Ihre Zeugnisse und Leistungsnachweise lägen der Bezirksregierung N. vor. Für den Fall
der Unterrichtung von Mangelfächern habe das Bundesverwaltungsgericht festgestellt,
dass bei den Ausnahmen für Bewerbergruppen mit Mangelfächern der für den Zugang
zu jedem öffentlichen Amt entscheidende Leistungsgrundsatz außer Acht gelassen
worden sei. Hierauf berufe sie sich. Im Hinblick auf eventuelle Fristen beantrage sie die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) sowie
das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG NRW.
9
Die Bezirksregierung N. teilte der Klägerin mit Schreiben vom 15. April 2009, 18. Mai
2009 und 26. Mai 2009 mit, dass die schriftliche Urteilsbegründung der Urteile des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 zwischenzeitlich vorliege. Ob diese
Begründung sich auf die Behandlung anderer Anträge auf Verbeamtung auswirke,
bleibe einer inhaltlichen Auswertung und rechtlichen Würdigung vorbehalten, die in
Abstimmung mit den beteiligten Ministerien erfolge. Sobald insoweit eine Entscheidung
vorliege, werde unaufgefordert auf die Angelegenheit zurückgekommen.
10
Die Landesregierung erließ die Verordnung zur Änderung der Laufbahnverordnung und
anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 2009, welche am 17. Juli 2009 im
Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet wurde und am 18. Juli 2009 in Kraft trat (GV.
NRW Seite 381).
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Mit Bescheid vom 7. September 2009 lehnte die Bezirksregierung N. den Antrag der
Klägerin auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe ab. In der Vergangenheit
sei bereits verbindlich festgestellt worden, dass im Falle der Klägerin eine Übernahme
in das Beamtenverhältnis auf Probe nicht möglich sei. Die aktuellen Schreiben der
Klägerin könne sie daher nur als Anträge auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach §
51 Abs. 1 VwVfG NRW werten. Die Rechtslage habe sich jedoch nicht zu Gunsten der
Klägerin geändert. Die Klägerin habe das 40. Lebensjahr am 2. November 1999
vollendet. Die Einstellung habe sich damals nicht wegen der Betreuung der Tochter
verzögert. Dass die Klägerin, wie sie vortrage, ein Mangelfach unterrichte, sei nicht von
Bedeutung. Die Klägerin habe in diesem Fach keine Ausbildung. Zudem habe das
Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang lediglich ausgeführt, dass der
vom Gesetzgeber zu einer Regelung von Altersgrenzen ermächtigte Verordnungsgeber
diese Regelung einschließlich der Ausnahmetatbestände selbst treffen müsse.
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Die Klägerin hat am 7. Oktober 2009 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass
sie zum Antragszeitpunkt 1989 bzw. am 8. Februar 1995 die Höchstaltersgrenze von 40
Jahren nicht überschritten habe. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts habe die vorherige laufbahnrechtliche Höchstaltersgrenze
13
keine Geltung gehabt. Dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung der Bezirksregierung die
zulässige Höchstaltersgrenze überschritten habe, stehe dem Klagebegehren nicht
entgegen. Dem Umstand, dass ihr im Zeitpunkt ihrer Einstellung am 8. Februar 1995 der
geltend gemachte Anspruch auf Verbeamtung zugestanden hätte, könne über die
Ausnahmeregelung des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO NRW n.F. Rechnung getragen
werden. Schließlich sei auch die jetzige Altersgrenze von 40 Jahren rechtswidrig und
genüge nicht den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts. Die LVO NRW n.F.
habe die Rechtslage nicht zu ihrem Nachteil verändert, da sie eine neue
Höchstaltersgrenze nicht wirksam festgelegt habe. Die in § 84 Abs. 2 der LVO NRW n.F.
normierte Ausnahme entspreche nicht den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts
für die konkrete Bestimmung von Ausnahmetatbeständen. Es bleibe nach wie vor der
Verwaltung überlassen, Ausnahmetatbestände von der Höchstaltersgrenze zu
generieren. Überdies dürfe in den Fällen des Vorliegens eines Härtefalls nicht - wie in §
84 Abs. 1 Nr. 1 LVO NRW n.F. vorgesehen - auch noch weiteres Ermessen eröffnet
sein. Schließlich sei der ablehnende Bescheid auch deshalb rechtswidrig, weil der
Antrag lediglich im Hinblick auf die Altersgrenze geprüft worden sei. Weitere
Ermessenserwägungen fänden sich dort nicht. Die Geburt und Betreuung der Tochter,
die Unterrichtung des Mangelfachs Kunst sowie die jahrelange Tätigkeit als Angestellte
im Öffentlichen Dienst hätten jedoch ebenso berücksichtigt werden müssen wie der
Umstand, dass wegen des Lehrermangels im Land Nordrhein-Westfalen ein erhebliches
dienstliches Interesse bestanden habe, Lehrkräfte zu gewinnen bzw. zu behalten.
Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung N. vom 7.
September 2009 zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts zu entscheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
17
Zur Begründung führt er aus, dass sich die Klägerin nicht darauf berufen könne, dass
sich die bis zum 17. Februar 2009 angewandte Regelung aus formal-rechtlichen
Gründen für unwirksam erwiesen und zum Zeitpunkt der Antragstellung auf
Verbeamtung keine wirksame Höchstaltersgrenze bestanden habe. Die Wirksamkeit der
Regelungen zur Höchstaltersgrenze sei zuvor in verschiedenen ober- und
höchstgerichtlichen Entscheidungen nicht in Frage gestellt worden. Die Klägerin habe
somit nicht darauf vertrauen können, dass für die Entscheidung über ihre Einstellung in
das Beamtenverhältnis keine Höchstaltersgrenze bestehen werde. Die Neuregelung der
LVO NRW könne der Klägerin auch entgegen gehalten werden. Maßgeblich sei der
Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung bzw. für das Gericht der Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung. Das Höchstalter habe die am 3. November 1959
geborene Klägerin am 3. November 1999, also fast 10 Jahre vor dem Antrag auf
Wiederaufgreifen überschritten. Eine Anrechnung von Kinderbetreuungszeiten nach § 6
Abs. 2 Satz 1 c) LVO NRW n.F. scheide aus. Die Klägerin sei nach der Geburt ihres
Kindes ununterbrochen berufstätig gewesen. Selbst wenn sich aus der Betreuungszeit
ein Anrechnungstatbestand ergeben hätte, hätte die maximal anrechenbare Zeit von
drei Jahren die Klägerin hinsichtlich ihres Antrags in keine bessere Rechtsposition
gebracht. Der Mangelfacherlass sei durch Erlass des Schulministeriums vom 23. Juni
18
2006 außer Kraft gesetzt worden und daher für den hier zu betrachtenden Zeitpunkt, den
7. April 2009, nicht mehr heranzuziehen. Überdies verbiete es die vom
Bundesverwaltungsgericht geübte Kritik am Mangelfacherlass, nach Rücknahme dieses
Erlasses erneut und gegen den Willen des Verordnungsgebers auf der Ebene der
Verwaltung "bezirksregierungsspezifische individuelle Altersgrenzen" zu definieren. Die
Klägerin könne sich auch nicht auf § 6 Abs. 2 Satz 4 LVO NRW n.F. berufen. Die
Klägerin berufe sich schließlich zu Unrecht auf die Ausnahmeregelung des § 84 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 LVO NRW a.F.; eine entsprechende Regelung sei in der Neufassung der
LVO NRW nicht mehr enthalten § 84 Abs. 2 Nr. 2 LVO NRW n.F. greife nicht ein. Die
neue Vorschrift des § 84 Abs. 2 LVO NRW n.F. begegne keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken. Die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten habe er nachgeholt. Die
Gleichstellungsbeauftragte habe keine Einwendungen gegen die Ablehnung der
Übernahme der Klägerin in das Probebeamtenverhältnis erhoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der Personalakte der Klägerin Bezug genommen.
19
Entscheidungsgründe:
20
Die zulässige Klage ist begründet.
21
Die Klägerin hat einen Anspruch auf erneute Bescheidung ihres Antrags auf
Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts. Der ablehnende Bescheid der Bezirksregierung N. vom 7. September
2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Sätze 1
und 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
22
Der Bescheid der Bezirksregierung N. vom 7. September 2009 ist formell rechtswidrig.
Es fehlt an der nach § 17 Abs. 1 Halbsatz 1 des Landesgleichstellungsgesetzes (LGG)
erforderlichen Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten vor Erlass dieses
Bescheides. Nach § 17 Abs. 1 Halbsatz 1 LGG unterstützt die
Gleichstellungsbeauftragte die Dienststelle und wirkt mit bei der Ausführung des
Gesetzes sowie aller Vorschriften und Maßnahmen, die Auswirkungen auf die
Gleichstellung von Frau und Mann haben oder haben können. Dies gilt nach § 17 Abs. 1
Halbsatz 2 Nr. 1 LGG insbesondere für soziale, organisatorische und personelle
Maßnahmen. Zu den personellen Maßnahmen in diesem Sinne zählt auch die
Entscheidung über die Übernahme einer angestellten Lehrkraft in das
Beamtenverhältnis auf Probe.
23
Vgl.. OVG NRW, Urteile vom 27. Juli 2010 - 6 A 858/09 -, 6 A 282/08 und 6 A 3302/08 -;
jeweils unter www.nrwe.de, juris.
24
Vor Erlass des Bescheides vom 7. September 2009 hat die Gleichstellungsbeauftragte
nicht mitgewirkt. Die Nachholung der Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten, auf
die der Beklagte sich im gerichtlichen Verfahren beruft, heilt diesen Mangel nicht.
25
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. September 2010 - 6 A 100/10 -, www.nrwe.de, juris.
26
Die Ablehnung der Übernahme der Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Probe ist
auch materiell rechtswidrig.
27
Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aus Art. 33
Abs. 2 des Grundgesetzes (GG), § 9 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der
Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz - BeamtStG -), § 15
Abs. 3 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung des
Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 21. April 2009
(Landesbeamtengesetz - LBG NRW -) einen Anspruch auf Neubescheidung ihres
Antrags auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe.
28
Zwar erfüllt die Klägerin im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung nicht die Höchstaltersvoraussetzung für die Übernahme in das
Probebeamtenverhältnis gemäß §§ 6, 52 Abs. 1 LVO NRW n.F. (1.). Die Überschreitung
der laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze steht der Übernahme der Klägerin in das
Probebeamtenverhältnis jedoch nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob die
Neuregelungen zur Höchstaltersgrenze wirksam sind. Denn der Beklagte ist jedenfalls
aufgrund einer ihm obliegenden Folgenbeseitigungslast verpflichtet, zugunsten der
Klägerin eine Ausnahme vom Höchstalter von 40 Jahren nach § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
LVO NRW n.F. zuzulassen (2.).
29
1.
30
Nach §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 LVO NRW n.F. darf als Laufbahnbewerber nach § 5
Abs. 1 Buchst. a) LVO NRW n.F. nur derjenige in das Beamtenverhältnis auf Probe
eingestellt oder übernommen werden, der das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Diese Höchstaltersvoraussetzung für die Übernahme in das Probebeamtenverhältnis
erfüllt die Klägerin, die das 51. Lebensjahr vollendet hat, im entscheidungserheblichen
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht. Die von der Klägerin geltend gemachten
Verzögerungsgründe rechtfertigen nicht die Annahme eines Ausnahmetatbestandes von
der Höchstaltersgrenze gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 LVO NRW n.F.
31
2.
32
Es greift jedoch der Ausnahmetatbestand des § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO NRW n.F.
zugunsten der Klägerin ein.
33
Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO NRW n.F. können Ausnahmen von dem Höchstalter
für die Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe nach § 52 Abs.
1 LVO NRW n.F. für einzelne Fälle zugelassen werden, wenn sich nachweislich der
berufliche Werdegang aus von dem Bewerber nicht zu vertretenden Gründen in einem
Maße verzögert hat, das die Anwendung der Höchstaltersgrenze unbillig erscheinen
ließe.
34
Dies ist nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen, der sich die Kammer angeschlossen hat, dann der Fall, wenn ein Antrag auf
Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe rechtswidrig unter Hinweis auf die - von
Anfang an unwirksame - Höchstaltersgrenze alten Rechts abgelehnt wurde, der
Bewerber hiergegen Rechtsmittel eingelegt hat und zwischenzeitlich die neue
Höchstaltersgrenze überschritten ist. Ein solcher Geschehensablauf, bei dem sich der
berufliche Werdegang des Bewerbers durch die behördliche Behandlung seines
Verbeamtungsantrages verzögert hat, lässt im Sinne der Verordnung die Anwendung
der Altersgrenze unbillig erscheinen. Die vorausgegangene rechtswidrige Behandlung
des Verbeamtungsantrages wirkt sich im Sinne einer Rechtspflicht des Landes zur
35
Beseitigung der Rechtsnachteile aus, die der Betroffene infolge der fehlerhaften
Sachbehandlung hat hinnehmen müssen. In dem so verstandenen Sinne kann von
einer im Rahmen des behördlichen Ermessens zu berücksichtigende
Folgenbeseitigungslast gesprochen werden, welche zu einer Reduzierung des durch §
84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO NRW n.F. eröffneten Ermessens zu Gunsten der Lehrkraft
führt.
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 27. Juli 2010 - 6 A 858/07 -, - 6 A 282/08 - und - 6 A
3302/08 -; jeweils unter www.nrwe.de, juris; Urteile der Kammer vom 22. September
2010 - 1 K 3022/09 -, - 1 K 5483/09 -, 1 K 3021/09 -, 1 K 4360/09 -, 1 K 4803/09 und - 1 K
3022/09 -.
36
Diese Ausführungen sind nach der Rechtsprechung der Kammer auf den Fall eines vor
den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 gestellten und von
der Behörde ohne Vorliegen eines zureichenden Grundes nicht innerhalb
angemessener Zeit beschiedenen Verbeamtungsantrages, zu übertragen.
37
Vgl. Urteil der Kammer vom 22. September 2010 - 1 K 4360/09 -.
38
Auch in einem solchen Fall sind - die fristgerechte Anfechtung eines etwaig verspätet
ergangenen ablehnenden Bescheides vorausgesetzt - die Folgen einer rechtswidrigen
Nichtbescheidung eines Antrags auf Einstellung und Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe durch die Zulassung einer Ausnahme vom Höchstalter mit
Wirkung für die Zukunft zu kompensieren. Denn die Nichtbescheidung eines vor den
Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 gestellten
Verbeamtungsantrages innerhalb einer angemessenen Frist führt in Anlehnung an den
Rechtsgedanken des § 75 VwGO - bei Fehlen eines zureichenden Grundes für die
Verzögerung - ebenso wie die rechtswidrige Ablehnung eines Antrags zu einer
Beeinträchtigung des Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG.
39
Nichts anderes gilt für den vorliegenden Fall, der sich insoweit von der zuvor
beschriebenen Fallkonstellationen unterscheidet, als die Klägerin den Antrag auf
Verbeamtung am 7. April 2009 und damit nach den Urteilen des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 gestellt hat. Auch in Fällen dieser Art
führte das in einem unangemessenen Zuwarten einer Entscheidung liegende
pflichtwidrige Unterlassen trotz der unter Höchstaltersgesichtspunkten bestehenden
rechtlichen Möglichkeit zur andauernden Nichtverbeamtung des jeweiligen
Antragstellers und damit zu einer Verletzung des Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG.
40
Die hiernach eine Folgenbeseitigungslast seitens des Beklagten auslösenden
Umstände sind im Fall der Klägerin gegeben. Die Klägerin hat ihre Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe mit Schreiben vom 2. April 2009, eingegangen bei der
Bezirksregierung N. am 7. April 2009, beantragt. Zu diesem Zeitpunkt hätte die
Bezirksregierung N. dem Begehren der Klägerin - ebenso wie zu einem früheren, vor
den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 liegenden Zeitpunkt
- entsprechen müssen. Die Überschreitung der Höchstaltersgrenze nach § 52 Abs. 1
LVO NRW a.F. von 35 Jahren hätte sie der Klägerin wegen der Unwirksamkeit dieser
Vorschrift nicht entgegenhalten dürfen. Die fortwährende Nichtbescheidung des
Verbeamtungsantrags durch die Bezirksregierung N. vor dem Inkrafttreten der LVO
NRW n.F. war auch rechtswidrig. Ausgehend von der Antragstellung am 7. April 2009
waren bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen LVO NRW n.F. am 18. Juli 2009
41
mehr als drei Monate verstrichen. Für eine über den Zeitraum von drei Monaten
hinausgehende Frist zur Bescheidung des Verbeamtungsantrages der Klägerin vom 7.
April 2009 fehlt es an einem zureichenden Grund. Maßgeblich ist insoweit nicht die
Frage, welche Zeit dem Verordnungsgeber für die Entscheidung über die Festsetzung
einer neuen Höchstaltersgrenze und deren konkrete Ausgestaltung eingeräumt werden
musste.
Vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Oktober 2010 - 6 A 1494/10 - (vorgehend
VG Köln, Urteil vom 19. Mai 2010 - 3 K 2394/09 -), und vom 26. Oktober 2010 - 6 A
1690/10 -; jeweils unter www.nrwe.de, juris, wonach der Zeitraum von nur etwas mehr
als drei Monaten zwischen der Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe Anfang April
2009 und dem Inkrafttreten der geänderten Laufbahnverordnung am 18. Juli 2009
angesichts des Umstandes, dass nicht nur eine politische Grundsatzentscheidung
bezüglich der Anhebung der Höchstaltersgrenze auf nunmehr 40 Jahre zu treffen war,
sondern auch die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts bei der Umsetzung dieser
Neuregelung insbesondere in Bezug auf die Ausnahmebestimmungen zu beachten
waren, nicht unangemessen lang war.
42
Der Vorwurf des pflichtwidrigen Unterlassens richtet sich vielmehr an die
Bezirksregierung N. , der eine unmittelbare Bescheidung des Verbeamtungsantrages
jedenfalls in der in Anlehnung an § 75 Satz 2 VwGO anzulegenden Dreimonatsfrist
möglich gewesen wäre. Das Fehlen einer inhaltlichen Auswertung und rechtlichen
Würdigung der Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts seitens der
beteiligten Ministerien, auf das sich die Bezirksregierung N. in ihren Schreiben vom 15.
April 2009, 18. Mai 2009 und 26. Mai 2009 beruft, stellt insoweit kein mit der
Rechtsordnung vereinbarer Verzögerungsgrund dar. Eine unklare Rechtslage hat nicht
bestanden. Dies war auch der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung aus der Z eit
zwischen dem 19. Februar 2009 und 18. Juli 2009 zu entnehmen, nach welcher den
Klägern die Überschreitung der Höchstaltersgrenze der LVO NRW a.F. nicht
entgegengehalten werden durfte und dem Begehren der Kläger auf Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe bzw. auf Neubescheidung stattgegeben worden war.
43
Vgl. Urteil der Kammer vom 10. Juni 2009 - 1 K 4663/08 -; VG Köln, Urteil vom 1. Juli
2009 - 3 K 3684/07 -; VG Minden, Urteil vom 28. Mai 2009 - 4 K 1781/08 -; jeweils unter
www.nrwe.de, juris.
44
Die Nichtbescheidung des Antrags der Klägerin innerhalb der Dreimonatsfrist des § 75
Satz 2 VwGO kann nicht mit Verwaltungsvorschriften und entsprechender
Verwaltungspraxis in dem Sinn gerechtfertigt werden, dass der Beklagte von seinem
grundsätzlich bestehenden Einstellungsermessen in der Zeit zwischen dem 19. Februar
2009 und 18. Juli 2009 in der Weise Gebrauch gemacht hat, dass er von einer
Verbeamtung überalterter Lehrer generell abgesehen hätte. In diesem Sinn zu
verstehende ministerielle Erlasse sind der Kammer - auch auf ausdrückliches Befragen
der Bezirksregierungen in mündlichen Verhandlungen vor der Kammer - nicht bekannt
geworden. Gegen die Annahme einer diesbezüglichen Verwaltungspraxis spricht der
Umstand, dass der Beklagte in dem vorgenannten Zeitraum von knapp fünf Monaten
jedenfalls solche überalterten Lehrer in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen
hat, die ein stattgebendes Urteil erstritten hatten. In solchen Konstellationen haben die
Bezirksregierungen - jedenfalls teilweise - von der Einlegung von Rechtsmitteln
abgesehen oder ein eingelegtes Rechtsmittel wieder zurückgenommen.
45
Die Nichtbescheidung des Antrags der Klägerin vor Inkrafttreten der LVO NRW n.F.
beruhte auch nicht auf von der Klägerin zu vertretenden Umständen. Von der Mitwirkung
der Klägerin abhängige Maßnahmen wie die Einholung eines amtsärztlichen
Gutachtens zur Frage der gesundheitlichen Eignung oder die im Hinblick auf die
charakterliche Eignung erforderliche Beantragung eines aktuellen Führungszeugnisses
hat die Bezirksregierung N. nicht eingeleitet. Die Klägerin hat sich auch nicht mit der
Nichtbescheidung ihres Antrages bis zum Inkrafttreten der LVO NRW n.F. einverstanden
erklärt. Zwar hat sie auf die Schreiben der Bezirksregierung N. vom 15. April 2009, 18.
Mai 2009 und 26. Mai 2009 zur vorläufigen Ruhendstellung nicht reagiert. Dieses
Schweigen ist jedoch nicht als Einverständnis im vorgenannten Sinne zu werten. Denn
die vorgenannten Schreiben der Bezirksregierung N. beziehen sich allein auf die
Abstimmung der beteiligten Ministerien hinsichtlich der Auswirkungen der Urteile des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 auf die Behandlung anderer Anträge
auf Verbeamtung und nicht auf das - für die Klägerin nachteilige - Inkrafttreten der neuen
Laufbahnverordnung.
46
Dass sich mit Inkrafttreten des § 52 Abs. 1 LVO NRW n.F. am 18. Juli 2009 die
Rechtslage zu Lasten der Klägerin verändert hat, darf der Klägerin demnach nicht zum
Nachteil gereichen.
47
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, §
711 der Zivilprozessordnung.
48
49