Urteil des VG Gelsenkirchen vom 04.01.2008
VG Gelsenkirchen: uvg, irak, häusliche gemeinschaft, gemeinsames ziel, ordre public, doppelehe, lebensgemeinschaft, visum, rückforderung, getrenntleben
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 15 K 2307/07
Datum:
04.01.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
15. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 K 2307/07
Schlagworte:
Rückforderung; Unterhaltsvorschuss; Doppelehe; Stellvertreterehe
Normen:
UVG § 1 Abs. 1 Nr. 2; UVG § 1 Abs. 2; EGBGB Art. 13 Abs. 1; EGBGB
Art. 11 Abs. 1
Leitsätze:
Zu den Auswirkungen einer durch einen Stellvertreter im Irak
geschlossenen Doppelehe auf Ansprüche nach dem
Unterhaltsvorschussgesetz.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben
werden, trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Aus der Ehe des Klägers mit Frau K. S. sind die Kinder Z. (geboren am 30. Dezember
1996) und Z1. S. (geboren am 12. Februar 1998) hervorgegangen. Seit 2002 lebt der
Kläger von Frau K. S. getrennt. Am 20. September 2004 heiratete der Kläger im Wege
einer im Irak geschlossenen Stellvertreterehe die irakische Staatsangehörige T. H1. .
Auch nach der Eheschließung mit dem Kläger lebte Frau T. H1. weiter im Irak.
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Am 22. August 2005 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Gewährung von
Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) für die Kinder Z. und Z1. S. . In
dem Antragsformular gab er an, seit 2002 von seiner Ehefrau getrennt zu leben. Die
Scheidung sei beantragt. Die Eheschließung mit der im Irak lebenden Frau T. H.
erwähnte der Kläger nicht.
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Am 19. September 2005 wurde der Kläger rechtskräftig von Frau K. S. geschieden
(Urteil des Amtsgerichts U. -L. vom 19. September 2005 - 138 F 11864/04 -).
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Mit Bescheid vom 20. Oktober 2005 gewährte der Beklagte für die Zeit ab dem 1. August
2005 für die Kinder Z. und Z1. S. Leistungen nach dem UVG. Bis einschließlich August
2006 wurden monatlich 170,00 EUR Unterhaltsvorschuss pro Kind gezahlt.
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Im August 2006 erfuhr der Beklagte von der im Irak geschlossenen Ehe des Klägers und
hörte diesen zu einer Einstellung der weiteren und zu einer Rückforderung der für die
Vergangenheit gewährten Leistungen nach dem UVG an. Der Kläger trat dem unter
Hinweis darauf, dass für Frau T. H. kein Visum zum Zwecke der
Familienzusammenführung erteilt worden sei und sie weiterhin im Irak lebe, entgegen.
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Mit dem angegriffenen Bescheid vom 30. August 2006 stellte der Beklagte die weitere
Gewährung von Leistungen nach dem UVG für die Kinder Z. und Z1. S. ab dem 1.
September 2006 ein und forderte den Kläger zur Rückzahlung des für die Zeit vom 1.
August 2005 bis zum 31. August 2006 gezahlten Unterhaltsvorschusses in Höhe von
insgesamt 4.420,00 EUR auf. Zur Begründung führte der Beklagte aus, aufgrund der im
Irak erfolgten Eheschließung des Klägers sei die Voraussetzung für die Gewährung von
Leistungen nach dem UVG, dass der Elternteil, bei dem das Kind lebe, ledig, verwitwet,
geschieden oder dauernd getrennt lebend sein müsse, nicht erfüllt gewesen.
Insbesondere lebe der Kläger nicht deshalb von Frau T. H. im Sinne des UVG getrennt,
weil dieser bislang kein Visum für die Bundesrepublik Deutschland erteilt worden sei.
Da der Kläger zumindest fahrlässig seinen Mitteilungspflichten nicht nachgekommen
sei, sei er zur Rückzahlung des für seine Kinder gewährten Unterhaltsvorschusses
verpflichtet.
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Der Kläger legte am 7. September 2006 Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.
August 2006 ein, zu dessen Begründung er vortrug, seine im Irak geschlossene Ehe sei
nicht schützenswert, weil es sich um eine Doppelehe handele. Angesichts dessen
könne sie Leistungen nach dem UVG nicht ausschließen.
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Mit am 16. Juli 2007 zugestelltem Bescheid vom 12. Juli 2007 wies die Bezirksregierung
°°°°°°° den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten vom 30.
August 2006 zurück. Zur Begründung führte sie in Ergänzung des Ausgangsbescheids
im Wesentlichen aus, eine Doppelehe werde von der deutschen Rechtsordnung als
wirksam betrachtet, bis sie aufgehoben werde. Solange dies nicht geschehen sei, stehe
die zweite Ehe der Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz
entgegen.
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Am 15. August 2007 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. In der mündlichen
Verhandlung hat der Beklagte für die Monate Mai und Juni 2007 für die Kinder Z. und
Z1. S. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von 14,37 EUR pro
Kind und für den Monat Juli 2007 in Höhe von 11,38 EUR pro Kind bewilligt.
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Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger in Ergänzung seines bisherigen
Vorbringens vor, eine Eheschließung könne nur dann Auswirkung auf Leistungen nach
dem UVG haben, wenn die Möglichkeit bestehe, dass die Ehe einmal im Bundesgebiet
gelebt werden könne. Die Bemühungen um eine Einreise von Frau T. H. seien
vergeblich gewesen. Seit Frau T. H. Ende April 2007 von der Deutschen Botschaft in B.
kein Visum erhalten habe, habe der Kläger keinen Kontakt mehr mit ihr. Er gehe davon
aus, dass sie die Hoffnung, nach Deutschland einreisen zu können, aufgegeben habe.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 30. August 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung °°°°°°° vom 12. Juli 2007 aufzuheben
und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. September 2006
bis zum 31. Juli 2007 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für die Kinder Z.
und Z1. S. in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung nimmt er Bezug auf die angegriffenen Bescheide.
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Das Integrationscenter für Arbeit H2. hat für die Kinder Z. und Z1. S. Leistungen nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 155,63 EUR pro Kind für die
Monate Mai und Juni 2007 und in Höhe von 156,62 EUR pro Kind für Juli 2007 erbracht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die
Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung für die Kinder Z. und Z1. S.
Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bewilligt hat (für die Monate Mai und
Juni 2007 in Höhe von 14,37 EUR pro Kind und für den Monat Juli 2007 in Höhe von
11,38 EUR pro Kind) ist die Klage unzulässig. Nachdem der Beklagte insoweit der
Klageforderung entsprochen hat, besteht für ihre gerichtliche Weiterverfolgung kein
Rechtsschutzbedürfnis mehr.
21
Im Übrigen ist die Klage zulässig aber unbegründet.
22
I.
23
Hinsichtlich der Rückforderung von für die Kinder Z. und Z1. S. für die Zeit von August
2005 bis August 2006 gewährten Leistungen nach dem UVG in Höhe von insgesamt
4.420,00 EUR ist der Bescheid des Beklagten vom 30. August 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung °°°°°°° vom 12. Juli 2007 rechtmäßig
und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
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Ermächtigungsgrundlage für die Rückforderung der von dem Beklagten erbrachten
Unterhaltsvorschussleistungen ist § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG. Nach dieser Vorschrift hat der
Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, den geleisteten Betrag insoweit zu ersetzen, als
die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für
den sie gezahlt worden ist, nicht vorgelegen haben und er die Zahlung dadurch
herbeigeführt hat, dass er vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige
Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 6 UVG unterlassen hat. Die
Tatbestandsmerkmale von § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG sind hier erfüllt.
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Zunächst haben die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung durch den
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Beklagten für sämtliche zurückgeforderten Beträge nicht vorgelegen. Einem Anspruch
auf Zahlung von Unterhaltsvorschuss für die Kinder Z. und Z1. S. stand § 1 Abs. 1 Nr. 2
UVG entgegen. Nach dieser Vorschrift hat ein Kind nur Anspruch auf Leistungen nach
dem UVG, wenn es bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet oder
geschieden ist oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebt. Dies traf im Zeitraum
von August 2005 bis August 2006 auf den Kläger aufgrund seiner Ehe mit der im Irak
lebenden Frau T. H. nicht zu.
Daran, dass diese Ehe nach irakischem Recht wirksam geschlossen wurde, besteht
kein Zweifel. Insbesondere gestattet das irakische Recht sowohl die Eheschließung
durch einen Vertreter,
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§ 4 des irakischen Gesetzes über das Personenstatut, abgedruckt bei Bergmann/Ferid,
Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht,
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als auch eine Doppelehe.
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§ 3 Abs. 4 des irakischen Gesetzes über das Personenstatut, a.a.O.
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Diese Ehe ist auch nach den Vorschriften des deutschen internationalen Privatrechts
anzuerkennen. Dem steht zunächst nicht entgegen, dass der Kläger sich bei der
Eheschließung hat vertreten lassen. Nach Art. 11 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum
Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ist für Formvorschriften das Recht des Staates
maßgeblich, in dem das Rechtsgeschäft vorgenommen wurde. Die Frage, ob bei der
Eheschließung eine Stellvertretung zulässig ist, ist eine Formvorschrift im Sinne des Art.
11 Abs. 1 EGBGB.
31
Von Bar/Mankowski, in: Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 13. Aufl. (1996),
Art. 13 EGBGB, Rn. 757; Heldrich, in: Palandt, BGB, 67. Aufl., Art. 13 EGBGB, Rn. 10.
32
Die Anerkennung der nach irakischem Recht im Irak wirksam unter Einschaltung eines
Vertreters geschlossenen Ehe verstößt nicht gegen den deutschen ordre public.
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der deutsche Gesetzgeber im Vorfeld der
Schaffung des BGB selbst die Einführung der Eheschließung durch Stellvertreter
erwogen hat und die Eheschließung von Abwesenden als Ferntrauung während des
Krieges nach deutschem Recht zulässig war.
33
Vgl. von Bar/Mankowski, in: Staudinger, BGB, 13. Aufl. (1996), Art. 13 EGBGB, Rn. 758
m.w.N.
34
Auch der Umstand, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Eingehung der Ehe mit der im
Irak lebenden Frau T. H. noch nicht rechtskräftig von Frau K. S.
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geschieden war, es sich also um eine Doppelehe handelte, macht die Ehe des Kläger
mit Frau T. H. nicht nach deutschem Recht unwirksam. Nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB
unterliegen die Voraussetzungen einer Eheschließung für jeden Verlobten dem Rechts
des Staates, dem er angehört. Dabei richten sich nicht nur die sachlichen
Voraussetzungen einer Eheschließung, sondern auch die rechtlichen Folgen ihres
Fehlens nach der von Art. 13 Abs. 1 EGBGB berufenen Rechtsordnung.
36
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 4. Oktober 1990 - XII ZB 200/87 -, NJW 1991, 3088;
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von Bar/Mankowski, in: Staudinger, BGB, 13. Aufl. (1996), Art. 13 EGBGB, Rn. 438
m.w.N.; Heldrich, in: Palandt, BGB, 67. Aufl., Art. 13 EGBGB, Rn. 11 m.w.N.
Für den Kläger, der deutscher Staatsangehöriger ist, richten sich die Folgen der
Eingehung einer Doppelehe mithin allein nach dem deutschen Familienrecht. Nach
diesem ist die Eingehung einer Doppelehe zwar unzulässig (§ 1306 BGB), eine
entgegen diesem Eheverbot geschlossene Ehe ist jedoch nach § 1314 Abs. 1 BGB
nicht von vornherein unwirksam, sondern lediglich aufhebbar. Solange die Ehe - wie im
Fall des Klägers - nicht durch gerichtliches Urteil aufgehoben wurde, ist sie wirksam.
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Der demnach im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG verheiratete Kläger lebte zwischen
August 2005 und August 2006 auch nicht von seiner im Irak lebenden Ehefrau dauernd
getrennt. Nach § 1 Abs. 2 UVG gilt ein Elternteil, bei dem das Kind lebt, als dauernd
getrennt lebend im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG, wenn im Verhältnis zum Ehegatten
ein Getrenntleben im Sinne des § 1567 BGB vorliegt oder wenn sein Ehegatte wegen
Krankheit oder Behinderung oder aufgrund gerichtlicher Anordnung für voraussichtlich
wenigstens sechs Monate in einer Anstalt untergebracht ist. Diese Voraussetzungen
lagen bei dem Kläger nicht vor.
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Zunächst lebte der Kläger von seiner im Irak lebenden Ehefrau nicht im Sinne des §
1567 BGB getrennt. Für ein Getrenntleben in diesem Sinne ist nicht jede räumliche
Trennung der Ehegatten ausreichend. Nach § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB ist vielmehr
erforderlich, dass zwischen den Ehegatten keine häusliche Gemeinschaft besteht und
ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche
Lebensgemeinschaft ablehnt. Der demnach erforderliche Trennungswillen mindestens
eines Ehegatten war hier zwischen August 2005 und August 2006 nicht gegeben.
Jedenfalls
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bis Ende April 2007 war gemeinsames Ziel des Klägers und seiner noch im Irak
lebenden Ehefrau, dass letztere zum Zwecke der Herstellung einer ehelichen
Lebensgemeinschaft in die Bundesrepublik Deutschland einreisen kann.
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Auch liegt keine Anstaltsunterbringung im Sinne des § 1 Abs. 2 UVG vor. Eine
erweiternde Auslegung der Vorschrift oder deren analoge Anwendung auf Fälle
ausländerrechtlicher Zuzugsbeschränkungen, in denen die Eheleute faktisch an einer
Herstellung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft über einen längeren Zeitraum
gehindert sind, kommt angesichts des eindeutigen Wortlautes der Vorschrift nicht in
Betracht.
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Verwaltungsgericht (VG) Aachen, Urteil vom 17. April 2007 - 2 K 588/06 -;
Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim, Urteile vom 2. Januar 2006 - 7 S 468/03 - und
vom 27. Juni 2005 - 7 S 1032/02 -; Bayerischer VGH, Urteile vom 25. April 2002 - 12 B
01.2987 - und vom 26. Mai 2003 - 12 B 03.43 -, FEVS 55, 171; Niedersächsisches
Oberverwaltungsgericht (OVG), Beschluss vom 11. November 2003 - 12 LA 400/03 -.
43
Insoweit ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass § 1 Abs. 2 UVG seine heute geltende
Fassung rückwirkend zum 1. Januar 2000 durch das Zweite Gesetz zur
Familienförderung vom 16. August 2001,
44
BGBl I, S. 2074, 2079,
45
erhalten hat. Der Gesetzgeber hat mit der Änderung des § 1 Abs. 2 UVG klargestellt,
dass der Begriff des dauernden Getrenntlebens im Unterhaltsvorschussgesetz in
gleicher Weise wie in § 1567 BGB auszulegen ist und darüber hinaus lediglich in den
genannten Fällen erweitert wird, d.h. im Übrigen abschließend ist. Dies kann der
Gesetzesbegründung entnommen werden, in der es heißt:
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„In der Rechtsprechung wurde verschiedentlich die Auffassung vertreten, dass im
Unterhaltsvorschussrecht ein anderer Begriff des dauernd Getrenntlebens als im
Bürgerlichen Gesetzbuch gelte. Die Vorschrift stellt daher klar, dass die Definition des
Bürgerlichen Gesetzbuches maßgebend und lediglich durch die in Absatz 2
ausdrücklich genannten Fallgestaltungen erweitert wird" (BT-Drs. 14/6160, S. 15).
47
Dem steht auch nicht die abweichende Entscheidung des Oberverwaltungsgericht für
das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) vom 5. Februar 2002,
48
- 16 A 376/01 -, NJW 2002, 3564,
49
entgegen, wonach bei der Bestimmung des Begriffes „Getrenntleben" nicht unbesehen
auf die Legaldefinition des § 1567 Abs. 1 BGB mit ihren subjektiven
Begriffskomponenten zurückgegriffen werden könne, sondern vielmehr auf die faktische
Situation des Kindes abzustellen sei und neben den Fällen einer im Sinne einer vis
absoluta schlechterdings unumgänglichen Trennung, etwa bei einer
Anstaltsunterbringung, auch solche Trennungsfälle einzubeziehen seien, in denen die
Möglichkeit des Zusammenlebens, obwohl theoretisch nicht ausgeschlossen, doch mit
erheblichen Erschwernissen verbunden ist und dem einvernehmlich gefassten
Lebensplan der Ehepartner in grundlegender Weise widerspricht (dort: Einreisesverbot
des Ehemannes).
50
Im Ergebnis ebenso Hessischer VGH, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 10 ZU 1167/01 -,
NDV-RD 2003, 134 sowie Niedersächsisches OVG, Urteil vom 10. März 1999 - 4 L
5154/98 -, NVwZ-RR 1999 S. 764.
51
Die genannte Rechtsprechung bezieht sich jeweils auf Fallgestaltungen, deren
streitgegenständlicher Zeitraum vor dem 1. Januar 2000 lag, und auf die die Vorschrift
des § 1 Abs. 2 UVG alte Fassung (der einen Verweis auf § 1567 BGB nicht enthielt)
anzuwenden war, die - wie oben dargelegt - durch den Gesetzgeber klarstellend
geändert worden ist. Sie setzt sich mit der ab dem 1. Januar 2000 geltenden Fassung
des § 1 Abs. 2 UVG nicht auseinander.
52
VG Aachen, Urteil vom 17. April 2007 - 2 K 588/06 -.
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Der Kläger ist zur Rückzahlung der zu Unrecht erbrachten Leistungen verpflichtet, weil
er die Zahlung des Unterhaltsvorschusses dadurch herbeigeführt hat, dass er zumindest
fahrlässig unvollständige Angaben gemacht hat. Er hat bei der Beantragung der
Unterhaltsleistungen am 22. August 2005 lediglich angegeben, von seiner Ehefrau
(Frau K. S. ) seit 2002 dauernd getrennt zu leben. Die zwischenzeitlich erfolgte
Eheschließung mit der im Irak lebenden Frau T. H. erwähnte der Kläger nicht. Insoweit
handelte er zumindest fahrlässig. Der Kläger hat zumindest die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt außer acht gelassen, als er auf die Frage nach seinem Familienstand die im
Irak geschlossene Ehe nicht erwähnte. Dass diese Eheschließung unmittelbare
Auswirkungen auf den Familienstand hatte, musste sich dem Kläger geradezu
54
aufdrängen. Zudem war es mehr als naheliegend, dass diese
Eheschließung für einen Anspruch auf Leistungen nach dem UVG zumindest
rechtserheblich sein konnte. Für den Zeitraum ab Erhalt des Bewilligungsbescheids
vom 20. Oktober 2005 folgt dies im Übrigen zusätzlich aus dem in dem Bescheid
enthaltenen Hinweis des Beklagten, als Änderung, die für die Gewährung der Leistung
von Bedeutung sein könne, sei insbesondere eine Heirat des Klägers mitzuteilen.
55
II.
56
Hinsichtlich der Ablehnung von Leistungen nach dem UVG für die Kinder Z. und Z1. S.
für die Zeit vom 1. September 2006 bis zum 31. Juli 2007 ist der Bescheid des
Beklagten vom 30. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der
Bezirksregierung °°°°°°° vom 12. Juli 2007, soweit er noch zulässigerweise
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO.
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Einem Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem UVG für die Kinder Z. und
Z1. S. für die Zeit vom 1. September 2006 bis zum 30. April 2007 steht § 1 Abs. 1 Nr. 2
UVG entgegen. Wie dargelegt, war der Kläger als der Elternteil, bei dem die Kinder
lebten, in dem genannten Zeitraum nicht im Sinne dieser Vorschrift ledig, verwitwet oder
geschieden und lebte nicht von seinem Ehegatten dauernd getrennt.
58
Für die Zeit vom 1. Mai 2007 bis zum 31. Juli 2007 besteht für die Kinder Z. und Z1. S.
jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über das in der
mündlichen Verhandlung Gewährte hinaus kein Anspruch (mehr) auf Leistungen nach
dem UVG. Dabei kann offen bleiben, ob auch für den Zeitraum vom 1. Mai 2007 bis zum
31. Juli 2007 § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG der Gewährung von Unterhaltsvorschuss entgegen
stand. Dies wäre nicht der Fall, wenn der Kläger nunmehr im Sinne des § 1567 Abs. 1
S. 1 BGB und damit auch im Sinne des § 1 Abs. 2 UVG von seiner im Irak lebenden
Ehefrau dauernd getrennt gelebt hätte. Wenn die Behauptung des Klägers zutrifft, er
habe zu Frau T. H. keinen Kontakt mehr, seit diese Ende April 2007 von der Deutschen
Botschaft in B. kein Visum erhalten habe, und diese habe offenbar die Hoffnung, nach
Deutschland einreisen zu können, aufgegeben, könnte seit diesem Zeitpunkt der Wille
von Frau T. H. , die eheliche Lebensgemeinschaft herzustellen, fehlen.
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Hierauf kommt es jedoch für die vorliegende Entscheidung nicht an, weil der eventuelle
Anspruch auf Leistungen nach dem UVG für die Kinder Z. und Z1. S. und die Zeit vom 1.
Mai 2007 bis zum 31. Juli 2007 zwischenzeitlich jedenfalls nach § 107 Zehntes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB X) untergegangen wäre. Nach dieser Vorschrift gilt ein
Anspruch des Berechtigten auf Unterhaltsvorschussleistungen gegen den Träger dieser
Leistungen als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Für den Fall, dass die
Nichtgewährung von Unterhaltsvorschussleistungen für die Kinder Z. und Z1. S. in dem
hier noch interessierenden Umfang (d.h. in Höhe der Differenz zwischen den in der
mündlichen Verhandlung von dem Beklagten gewährten Leistungen und dem sich aus §
2 Abs. 1 und Abs. 2 UVG ergebenden Umfang der Leistung in Höhe von 170,00 EUR
pro Kind und Monat für die Monate Mai und Juni 2007 und in Höhe von 168,00 EUR für
den Monat Juli 2007) rechtswidrig gewesen wäre, hätte das Integrationscenter für Arbeit
H2. einen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten erlangt, weil es als gegenüber
dem Beklagten nachrangiger Sozialhilfeträger Hilfeleistungen für die Kinder Z. und Z1.
S. erbracht hat. Die Höhe dieser Leistungen nach dem SGB II entsprach exakt den hier
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noch streitigen Beträgen (d.h. 155,63 EUR pro Kind für die Monate Mai und Juni 2007
und 156,62 EUR pro Kind für Juli 2007). Ein Anspruch auf Leistungen nach dem UVG
für die Kinder Z. und Z1. S. steht dem Kläger hiernach für die Zeit vom 1. Mai 2007 bis
zum 31. Juli 2007 in keinem Fall mehr zu. Vielmehr wäre der Anspruch im Rahmen
eines Erstattungsstreits zwischen den Leistungsträgern zu klären.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14. Oktober 1993 - 5 C 10.91 -, FEVS 44,
397.
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III.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 188 S. 2 VwGO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708
Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung.
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