Urteil des VG Gelsenkirchen vom 30.05.2007

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 L 401/07
Datum:
30.05.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 L 401/07
Schlagworte:
EU-FE, Aberkennung des Rechts, im Inland von EU-FE Gebrauch zu
machen
Normen:
§ 13 FeV
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird
abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 797/07 des Antragstellers gegen die
Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 17. Juli 2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung N. vom 21. Februar 2007
wiederherzustellen,
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ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig, aber
unbegründet. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende
Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Es spricht bei der gebotenen
summarischen Prüfung bereits vieles dafür, dass die angefochtene Ordnungsverfügung
rechtmäßig ist. Insoweit wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug
genommen auf die Gründe der Verfügung des Antragsgegners und des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung N. , denen die Kammer folgt (§ 117 Abs.
5 VwGO).
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Zur Vereinbarkeit der hier ausgesprochenen Aberkennung des Rechts, von einer EU-
ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, hat die Kammer mit
Beschluss vom 2. Juni 2006 - 7 L 621/06 - ergänzend Folgendes ausgeführt:
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„Es spricht im Lichte der Rechtsprechung des EuGH,
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vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - C-476/01 - (Fall Kapper), NJW 2004, 1725 ff;
EuGH, Beschluss vom 6. April 2006 - C-227/05 - (Fall Halbritter), zitiert nach juris,
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vieles dafür, dass die Entscheidung des Antragsgegners auch europarechtskonform ist.
Ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG, demzufolge die von den
Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anerkannt werden, ist nicht
ersichtlich. Denn die Fahrerlaubnisentziehung, die nach § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG und §
46 Abs. 5 Satz 2 FeV bei einer ausländischen Fahrerlaubnis die Wirkung einer
Aberkennung des Rechts hat, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen,
fußt auf der grundsätzlichen Anerkennung des tschechischen Führerscheins und greift
in das Recht, damit in den übrigen EU-Staaten uneingeschränkt und in anderen
Ländern nach internationalem und deren nationalem Recht Kraftfahrzeuge führen zu
dürfen, gerade nicht ein. Darüber hinaus spricht nach Ansicht der Kammer vieles dafür,
dass auch kein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie vorliegt, die es den
Mitgliedstaaten ausdrücklich erlauben, in ihrem Hoheitsgebiet ihre nationalen
Vorschriften über den Entzug, die Aussetzung und die Aufhebung der Fahrerlaubnis
anzuwenden. Der Europäische Gerichtshof hat betont, dass diese Norm als
Ausnahmevorschrift restriktiv auszulegen sei und dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf
sie berufen kann, um einer Person unbegrenzt die Anerkennung eines von einem
anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins unter Berufung auf seine nationalen
Vorschriften zu versagen,
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vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2004, a.a.O., Rdnrn. 76, 77.
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Weiterreichendes hat der EuGH auch nicht in seiner jüngsten Entscheidung „Halbritter"
ausgesprochen. Dies zeigt sich bereits an der Wahl des Beschlussverfahrens nach Art.
104 § 3 Abs. 1 der EuGH- Verfahrensordnung, welches gewählt wird, wenn die Antwort
auf die zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der bisherigen
Rechtsprechung (hier der Entscheidung „Kapper") abgeleitet werden kann. Eine
hinreichende Vorkehrung gegen eine zeitlich unbegrenzte Verweigerung der
Anerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis bietet aber schon § 28 Abs. 5 FeV,
dessen Rechtmäßigkeit der EuGH (a.a.O., Rdnr. 74) nicht in Abrede gestellt hat.
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Zu eng ist dagegen die Auslegung von Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie dahingehend, dass
nach Ablauf einer strafrechtlich gem. § 69 a StGB angeordneten Sperrfrist generell die
Befugnis der deutschen Behörden ausgeschlossen sei, wegen der aus dem früheren
Verstoß resultierenden Fahreignungszweifel aus Gründen der Gefahrprävention die
nachfolgend erlangte ausländische Fahrerlaubnis zu entziehen,
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so aber OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. August 2005 - 7 B 11021/05.OVG -,
NJW 2005, 3228, m.w.N.
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Eine solche generalisierende Aussage hat der EuGH nicht getroffen und sie lässt sich
auch nicht auf die vorliegende Fallkonstellation übertragen."
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Diese Maßstäbe, die durch den kürzlich ergangenen Beschluss des EuGH vom 28.
September 2006 - C- 340/05 - (Fall Kremer) nicht in Frage gestellt werden,
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so auch OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2007 - 16 B 178/07 -
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gelten auch im vorliegenden Fall. Im Gegensatz zu den vom EuGH zu entscheidenden
Sachverhalten bestehen nämlich beim Antragsteller nach wie vor ganz erhebliche
Bedenken gegen seine Kraftfahreignung insbesondere aufgrund seines wiederholt
festgestellten und in Strafverfahren auch von ihm eingeräumten langjährigen
Drogenkonsums.
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Der Antragsteller hat sich nach der Entziehung der Fahrerlaubnis durch Urteil des
Amtsgerichts S. vom 21. Januar 2004 (Urkundenfälschung, Führen eines nicht
pflichtversicherten Kraftfahrzeuges, Unfallflucht) und nachdem er wegen unerlaubten
BTM-Besitzes zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war (Urteil AG I. vom 8.
November 2005), der erforderlichen Eignungsüberprüfung nicht gestellt, sondern in
Tschechien am 10. März 2006 eine Fahrerlaubnis erworben. Nach der Aufforderung des
Antragsgegners von Mai 2006, ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen,
hat er dazu zwar sein Einverständnis erklärt, die Untersuchung aber nicht durchführen
lassen, nachdem die Untersuchungsstelle ihm unter Hinweis auf die mangelnden
Erfolgsaussichten geraten hatte, zunächst die Drogenproblematik aufzuarbeiten. Dies
hat er dem Antragsgegner bei einer persönlichen Vorsprache mitgeteilt.
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Unabhängig von allem Vorstehenden geht die Kammer in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des OVG NRW davon aus, dass auch eine von den Erfolgsaussichten
der Hauptsache unabhängige Interessenabwägung eindeutig zu Lasten des
Antragstellers ausfällt, weil der vorliegende Fall alle wesentlichen Merkmale des sog.
Führerscheintourismus aufweist und dem Betroffenen daher die Berufung auf
europarechtliche Freiheitsverbürgungen versagt ist.
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Vgl. zuletzt: OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2007 - 16 B 178/07 -, NRWE-Datei.
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Der Antragsteller hat sich nicht erkennbar wegen persönlicher oder beruflicher
Bindungen über einen längeren Zeitraum in Tschechien aufgehalten. Es spricht alles
dafür, dass er Gemeinschaftsrecht in missbräuchlicher oder betrügerischer Absicht
genutzt hat, um sich der Anwendung nationalen Rechts zu entziehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt
aus § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und entspricht der
Praxis bei Streitigkeiten um die Fahrerlaubnis der Klasse B.
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Rechtsmittelbelehrung:
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Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.
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Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses
schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879
Gelsenkirchen, einzulegen. Sie ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der
Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der
Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster einzureichen. Sie muss einen bestimmten
Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder
aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das
Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
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Im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss zu 1. muss sich jeder Beteiligte, soweit
er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder eine andere gemäß § 67 Abs. 1
der Verwaltungsgerichtsordnung vertretungsberechtigte Person vertreten lassen. Dies
gilt auch für die Einlegung der Beschwerde.
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Gegen den Beschluss zu 2. findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die
Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich
anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des
Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt.
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Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einzulegen. Über sie
entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen in Münster,
falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.
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