Urteil des VG Gelsenkirchen vom 02.11.2000

VG Gelsenkirchen: beförderung, bewährung, auflage, warnung, vergleich, ermessen, erlass, disziplinarverfahren, ausnahme, versicherung

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 1 L 2240/00
Datum:
02.11.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 2240/00
Schlagworte:
Stellenbesetzung, Beförderung, Disziplinarverfahren, Verweis, Eignung
Normen:
VwGO § 123, DO nW § 8, GG Art. 33 Abs. 2, LBG § 7
Tenor:
1. L. V. C. , F.-----straße 66, E. , wird zu diesem Verfahren beigeladen.
2. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung
untersagt, die dem Polizeipräsidium E. zum 1. Oktober 2000
zugewiesene Stelle der Besoldungsgruppe A 11 ​2.Säule" mit dem
Beigeladenen zu besetzen, bevor über die Bewerbung des
Antragstellers unanfechtbar entschieden worden ist. Der Antragsgegner
trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt.
3. Der Streitwert wird auf 4.000,00 DM festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Der unter Nr. 1 des Beschlussausspruchs genannte Beamte ist gemäß § 65 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - beizuladen, da er an dem streitigen
Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur
einheitlich ergehen kann. Gegenstand und Stand des Verfahrens ergeben sich im
Wesentlichen aus der Antragsschrift vom 9. Oktober 2000, der eidesstattlichen
Versicherung des Antragstellers vom 10. Oktober 2000, der Antragserwiderung vom 19.
Oktober 2000 und den Schriftsätzen des Antragstellers vom 27. Oktober 2000 und des
Antragsgegners vom 30. Oktober 2000.
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II.
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Der aus dem Tenor ersichtliche Antrag hat Erfolg, weil der Antragsteller einen
Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat (s. § 123 Abs.
3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2, § 294 ZPO).
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Der Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem von dem Antragsteller begehrten
Inhalt ist dann gerechtfertigt, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass eine rechtlich
fehlerfreie Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten ausfallen muss, oder wenn
(mindestens) zu besorgen ist, dass die Auswahlentscheidung in verfahrens- oder
materiellrechtlicher Hinsicht nicht fehlerfrei getroffen worden ist.
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Vgl. dazu im Einzelnen Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 4. Auflage, Rdnrn.
73 ff. mit weiteren Nachweisen.
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Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Bei summarischer Prüfung ist die Entscheidung des
Polizeipräsidiums E. , den Antragsteller nicht zu befördern, weil zum einen während
eines laufenden Disziplinarverfahrens der Dienstherr keine uneingeschränkt positive
Aussage über die Eignung eines Beamten treffen könne und zum anderen die
Regelbeurteilung zum Stichtag: 31 Mai 1996 „verwirkt" und die Regelbeurteilung zum
Stichtag: 31. Mai 1999 wegen des schwebenden Disziplinarverfahrens zurückgestellt
worden sei, offensichtlich rechtswidrig.
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Nach § 8 der Disziplinarordnung des Landes Nordrhein-Westfalen - DO NW - stehen
Warnung, Verweis und Geldbuße bei Bewährung einer Beförderung nicht entgegen.
Durch diese Bestimmung wird klargestellt, dass das Ermessen des Dienstherrn bei
einer Auswahlentscheidung dahin auszuüben ist, einen Beamten, der von einer
entsprechenden Disziplinarmaßnahme betroffen ist, nur bei mangelnder Bewährung von
einer Beförderungsmöglichkeit auszuschließen, wenn also eine Beförderung auch nach
allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen nicht in Betracht käme.
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Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarordnung, 8. Auflage, Erl. 1 zu § 8.
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Nachdem gegen den Antragsteller mit Disziplinarverfügung vom 5. Januar 2000 ein
Verweis verhängt worden war, hätte es daher dem Polizeipräsidium E. oblegen, darüber
zu befinden, ob der Antragsteller sich bewährt hat. Statt dessen hat der Antragsgegner
im Ergebnis nicht nur gegen das sich aus § 8 DO NW ergebende Verbot, allein die
Tatsache einer Disziplinierung durch Verweis ausreichend sein zu lassen, einen
Beamten nicht in eine Bewerberauswahl einzubeziehen, verstoßen. Auch geht es nicht
an - hierauf hat der Antragsteller in der Antragsschrift zutreffend hingewiesen -, einen
Beamten, der sich gegen eine der in § 8 DO NW genannten Maßnahmen mit einer
Beschwerde und einem Antrag auf Entscheidung der Disziplinarkammer wendet, für die
sich möglicherweise über mehrere Jahre erstreckende Dauer dieses Verfahrens wegen
einer vermeintlich nicht geklärten Schuldfrage von jeder Beförderungsmöglichkeit von
vornherein auszuschließen, obwohl in dem Verfahren vor der Disziplinarkammer eine
Verböserung der angegriffenen Disziplinarmaßnahme nicht möglich ist.
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Darüber hinaus ist die Auffassung des Antragsgegners, eine Beförderung sei wegen
gesetzlicher Vorgaben nicht möglich, auch deshalb unzutreffend, weil sich weder aus
den Beurteilungsrichtlinien zwingend ergibt noch sonst etwas dafür ersichtlich ist,
weshalb die Beurteilung des Antragstellers immer noch zurückgestellt wird. Auch die
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Annahme, die letzte Beurteilung des Antragstellers, in der ihm als Gesamturteil 3 Punkte
zuerkannt worden sind, sei wegen der neuen Vergleichsgruppe zum Stichtag 31. Mai
1999 verwirkt, ist so nicht haltbar. Dass die Beurteilung in erster Linie Aussagen darüber
enthält, welche Erkenntnisse aus dem Vergleich mit den anderen zu Beurteilenden,
bezogen auf den damaligen Beurteilungszeitraum, gewonnen wurden, bedeutet nicht,
dass die Beurteilung automatisch mit der nächsten Regelbeurteilung der Beamten der
Vergleichsgruppe gegenstandslos wird.
Somit ist nicht auszuschließen, dass zwischen Antragsteller und Beigeladenem, der in
seiner letzten Regelbeurteilung als Gesamturteil 3 Punkte erhalten hat, möglicherweise
von einem qualitativen Gleichstand auszugehen sein wird. Der Umstand, dass nach den
Angaben des Antragsgegners der Antragsteller in einem Beurteilungsentwurf nur mit 2
Punkten beurteilt worden ist, führt im vorliegenden Verfahren zu keiner anderen
Einschätzung. Es ist insoweit unklar, ob tatsächlich eine entsprechende Beurteilung
dem Kläger bekannt gegeben werden wird. Auch ist derzeit nicht absehbar, ob ein
solches Beurteilungsergebnis Bestand haben könnte.
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Da die Auswahlentscheidung unter Zugrundelegung der von dem Antragsgegner
herangezogenen Hilfskriterien zugunsten des Antragstellers ausgefallen wäre, ist die
aus dem Beschlusstenor ersichtliche Sicherungsanordnung das adäquate und
verfassungsrechtlich gebotene Mittel zur Sicherung des Rechts des Antragstellers auf
rechtsfehlerfreie Auswahl.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, die
Streitwertfestsetzung auf § 20 Abs. 3 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 2 des
Gerichtskostengesetzes.
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