Urteil des VG Gelsenkirchen vom 24.08.2009

VG Gelsenkirchen (aufschiebende wirkung, gesetzliche vermutung, antragsteller, antrag, verwaltungsgericht, entziehen, tag, entziehung, interesse, anordnung)

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 L 835/09
Datum:
24.08.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 L 835/09
Schlagworte:
Entziehung, Fahrerlaubnis, Punktesystem
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der sinngemäß gestellte Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums 7 K 3411/09 des Antragstellers
gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 29. Juli 2009 anzuordnen,
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ist gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, aber
unbegründet. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende
Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Das öffentliche Interesse an
der in § 4 Abs. 7 Satz 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) gesetzlich vorgesehenen
sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehungsverfügung überwiegt gegenüber
dem privaten Interesse des Antragstellers an einem Vollstreckungsaufschub, weil die
Ordnungsverfügung bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit
rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zunächst zur Vermeidung von
Wiederholungen auf die Ausführungen in der angefochtenen Verfügung, denen sie im
Grundsatz folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).
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Im Hinblick auf die Klage- und Antragsbegründung ist hinzuzufügen, dass gemäß § 4
Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG derjenige als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gilt,
für den sich im Verkehrszentralregister 18 oder mehr Punkte ergeben; in diesem Fall hat
die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, ohne dass ihr ein
Ermessensspielraum eingeräumt wäre. Diese gesetzliche Vermutung der fehlenden
Eignung ist auch nicht widerlegbar.
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vgl. Bouska/Laeverenz, Fahrerlaubnisrecht, 3. Auflage 2004, § 4 StVG, Anmerk. 19 a)
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Insbesondere ist nach den maßgeblichen Vorschriften ohne Belang, welche Strecken
ein Fahrerlaubnisinhaber in einer bestimmten Zeit zurücklegt und ob diese Fahrten
privat oder beruflich veranlasst sind. Da die Gefahren, die mit der Teilnahme am
motorisierten Straßenverkehr zwangsläufig verbunden sind, umso größer sind, je mehr
ein Kraftfahrer fährt, müssen gerade vielfahrende Berufskraftfahrer die Verkehrsregeln
strikt einhalten, um die von ihrer Verkehrsteilnahme ausgehenden Risiken zu
minimieren. Deshalb hat der Gesetzgeber aus guten Gründen und in
verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise im Rahmen der Punkteregelung nicht auf
die Fahrleistung der Betroffenen abgestellt. Weil es sich bei der Entziehung der
Fahrerlaubnis um eine gebundene Entscheidung handelt, ist es darüber hinaus weder
dem Antragsgegner noch dem Gericht möglich, etwaige berufliche oder sonstige
Schwierigkeiten des Antragstellers, die sich aus dem Verlust der Fahrerlaubnis
ergeben, zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen Grundrechte und
den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liegt auch darin nicht.
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Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 StVG ist die Fahrerlaubnisbehörde an die rechtskräftigen
Entscheidungen über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten gebunden. Hiervon
ausgehend sind gegen den Antragsteller von den im Verkehrszentralregister
eingetragenen 21 Punkten im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der
Entziehungsverfügung vom 29. Juli 2009 - spätere Veränderungen bleiben
unberücksichtigt -
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vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 21/07 -, juris -
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18 Punkte zu berücksichtigen. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
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Bei der Verwarnung gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG vom 12. März 2007 hatte der
Antragsteller nicht nur drei Verkehrsverstöße mit zusammen neun Punkten, die dem
Antragsgegner damals nur bekannt waren, sondern bereits vier Verkehrsverstöße
begangen, die sich auf insgesamt 12 Punkte summierten. Dies hatte jedoch auf seinen
Punktestand keinen Einfluss, da die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG für
eine Punktereduzierung nicht erfüllt waren.
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Bei der Anordnung des Aufbauseminars gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG am 2.
September 2008 hatte der Antragsteller bereits 6 Verkehrsverstöße mit 20 Punkten
begangen. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 2 StVG verringerte sich dieser Punktestand auf 17
Punkte, da der Antragsgegner vor Erreichen von 18 Punkten die Anordnung eines
Aufbauseminars nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG nicht verfügt hatte. Maßgeblich für
diese Betrachtung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
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- vgl. Urteile vom 25. September 2008 - 3 C 3/07 - und - 3 C 34/07 -, jeweils juris -,
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der die Kammer folgt, der Tag, an dem die Verkehrsverstöße begangen, und nicht der
Tag, an dem sie rechtskräftig geahndet worden sind (sog. Tattagsprinzip). Im Übrigen
bestand vorliegend hinsichtlich aller Verstöße auch Rechtskraft. An dem Aufbauseminar
nahm der Antragsteller dann vom 26. November bis zum 12. Dezem-ber 2008 teil.
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Daher hat der letzte, am 20. März 2009 begangene Verkehrsverstoß
(Geschwindigkeitsüberschreitung um 20 km/h), der mit 1 Punkt zu bewerten ist, das
Punktekonto des Antragstellers auf 18 Punkte erhöht. Bei diesem Punktestand ist, wie
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eingangs erwähnt, die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen.
Aus alledem folgt, dass die Entziehungsverfügung rechtmäßig sein dürfte. Der Antrag ist
deshalb mit der Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die
Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 des
Gerichtskostengesetzes und entspricht der neuen Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein- Westfalen bei Streitigkeiten um eine
Fahrerlaubnis eines Berufskraftfahrers in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren, vgl.
Beschluss vom 4. Mai 2009 - 16 E 550/09 -, nrwe.de.
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