Urteil des VG Gelsenkirchen vom 18.07.2003

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 19 K 906/02
Datum:
18.07.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
19. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 K 906/02
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des
gerichtskostenfreien Verfahrens. Das Urteil ist wegen der
Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte
zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
T a t b e s t a n d : Im Dezember 1998 starb der Sohn der Klägerin, Q. K. . Die Klägerin
hatte einen Bestattungsunternehmer mit der Bestattung des Sohnes beauftragt. Es
verblieben ungedeckte Restkosten in Höhe von 2.948,38 DM. Die Klägerin hatte ebenso
wie vier weitere Angehörige des Verstorbenen die Erbschaft ausgeschlagen.
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Mit Bescheid vom 18. Mai 1999 übernahm der Beklagte von den verbliebenen
Gesamtkosten einen auf die Klägerin entfallenen Anteil in Höhe von 20 % (596,87 DM).
Ein entsprechender Antrag des Sohnes V. K. ist im Hinblick auf dessen Einkommen
abgelehnt worden. Eine hiergegen erhobene Klage hat dieser zurückgenommen. Der
Beklagte hat bis auf einen von ihm übernommenen Betrag in Höhe von 16,31 DM auch
einen entsprechenden Antrag des Sohnes Thomas bestandskräftig abgelehnt. In Höhe
von jeweils 596,87 DM hat der Beklagte die auf die übrigen beiden Angehörigen
entfallenen anteiligen Bestattungskosten übernommen.
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Die Klägerin hat gegen den ihr bekanntgegebenen Bescheid vom 18. Mai 1999
Widerspruch nicht eingelegt.
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Mit Schreiben vom 18. Dezember 2001 beantragte die Klägerin beim Beklagten, weitere
1.342,69 DM im Hinblick auf die von ihr an den Bestattungsunternehmer zu zahlenden
Bestattungskosten zu übernehmen, nämlich die auf die Söhne V. und U. entfallenen
Anteile in Höhe von 596,88 DM bzw. 580,88 DM sowie die wegen ihrer
Inanspruchnahme zu zahlenden Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe von 164,93 DM.
Zur Begründung gab sie an, in der mündlichen Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht betreffend die Übernahme der auf den Sohn V. entfallenen
Bestattungskosten sei nicht dieser, sondern sie - die Klägerin - als zur Tragung der
gesamten Bestattungskosten Verpflichtete bezeichnet worden. Deshalb müssten
nunmehr auch noch die auf die Söhne V. und U. entfallenen Anteile übernommen
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werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05. Februar 2002 wies der Beklagte den Widerspruch -
so wertete er das Schreiben der Klägerin vom 18. Dezember 2001 - als unzulässig
zurück, weil dieser nach Ablauf der Widerspruchsfrist im Juni 1999 bestandskräftig
geworden sei.
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Die Klägerin hat am 04. März 2002 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf
Übernahme eines „Schadens" in Höhe von 1.349,69 DM wegen der nicht
übernommenen Bestattungskosten durch den Beklagten weiter verfolgt.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Mai 1999 in der Fassung des
Widerspruchsbescheid vom 05. Februar 2002 zu verpflichten, weitere 1.349,69 DM an
Bestattungskosten zu übernehmen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung nimmt er auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides Bezug und führt
ergänzend aus, dass die Klägerin einen vorrangigen privatrechtlichen Anspruch gegen
ihre Söhne auf Aufwendungsersatz gehabt hätte, durch den sie sich hätte selbst helfen
können.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte einschließlich der Akte 19 K 3111/00 sowie der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Gericht konnte nach § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in
Abwesenheit der Klägerin entscheiden.
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Die auf Gewährung weiterer Bestattungskosten gerichtete Klage bleibt ohne Erfolg.
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Soweit es sich um eine Klage handelt, die unter Abänderung des Bescheides vom 18.
Mai 1999 auf die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung weiterer
Bestattungskosten gerichtet ist, ist sie unzulässig, weil der Beklagte aus den Gründen
seines Widerspruchsbescheides vom 05. Februar 2002 zu Recht ausgeführt hat, dass er
durch seinen Bescheid vom 18. Mai 1999 unanfechtbar über die Übernahme des der
Klägerin zustehenden Anteils an den Bestattungskosten entschieden hat. Auf die
zutreffenden Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug
genommen.
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Soweit das Klagebegehren dahin ausgelegt werden kann, dass die Klägerin eine
Verpflichtung des Beklagten dahingehend begehrt, den Bescheid vom 18. Mai 1999
auch nach seiner Unanfechtbarkeit insoweit aufzuheben, als mit ihm weitergehende
Ansprüche -nach ihrer Ansicht - zu Unrecht abgelehnt worden seien und auf Grund einer
neuen Entscheidung zusätzliche Leistungen im Hinblick auf die Bestattungskosten zu
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erbringen, bleibt das Klagebegehren ebenfalls erfolglos.
Ein solches Klagebegehren kann - was allein in Betracht kommt - nicht auf § 44
Sozialgesetzbuch Teil 10 (SGB X) gestützt werden. Dem dürfte bereits - was letztlich
offen bleiben kann - entgegenstehen, dass diese Vorschrift im Leistungsrecht der
Sozialhilfe keine Anwendung findet, weil eine bestandskräftig abgelehnte
Sozialhilfeleistung für die Vergangenheit nach dem Strukturprinzip der Sozialhilfe als
einer Hilfe in gegenwärtiger Not ausscheidet.
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Vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 15. Dezember 1983 5 C
65.82 -, BVerwGE 68, 285.
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Letztlich geht es auch bei der Frage, ob der Sozialhilfeträger nach § 15 BSHG
Bestattungskosten zu übernehmen hat, um die Frage, ob einem Hilfeempfänger eine
entsprechende Sozialhilfeleistung zu bewilligen ist, weil ihm als Verpflichteten nach
sozialhilferechtlichen Maßstäben nicht zugemutet werden kann, die Kosten der
Bestattung zu tragen. Die - abweichend von sonstigen Sozialhilfeleistungen - auf die
Übernahme einer unzumutbaren Verbindlichkeit gerichtete Bedarfsstruktur des § 15
BSHG,
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vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 05. Juni 1997 - 5 C 13.96 -, BVerwGE 105, 51,
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ändert an dem letztlich sozialhilferechtlichen Leistungscharakter der Übernahme der
Bestattungskosten nichts. Auch insoweit geht es letztlich um eine sozialhilferechtliche
Unterstützungsleistung eines „Verpflichteten" durch Kostenentlastung, die sich an
Zumutbarkeitskriterien zu orientieren hat.
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Selbst wenn aber § 44 SGB X im vorliegenden Fall Anwendung fände, lägen die
Voraussetzungen für eine weitergehende Bewilligung nicht vor. Denn im Hinblick auf
die hier streitige Kostenbeteiligung der Söhne V. und U. hätte der Klägerin - auch wenn
sie insoweit Verpflichtete wäre - ein Anspruch nach § 15 BSHG nicht zugestanden. War
die Klägerin - was hier allein in Betracht kommt - verpflichtet, die Bestattungskosten
deshalb zu tragen, weil sie in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht
Zahlungsverpflichtungen gegenüber einem Bestattungsunternehmer eingegangen ist,
so kommt ein Kostenübernahmeanspruch nach § 15 BSHG nur insoweit in Betracht, als
sie als Verpflichtete nicht von einem anderen - Dritten - Ersatz ihrer Aufwendungen
verlangen kann.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. März
2000 - 22 A 3975/99 -.
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In Betracht kommen hier Aufwendungsersatzansprüche gegen ihre beiden Söhne aus
einer Geschäftsführung ohne Auftrag für diese (§§ 683, 679, 670 BGB). Denn diese
waren nach § 2 Abs. 1 der Leichenverordnung als Angehörige des Verstorbenen
ebenfalls zu dessen Bestattung verpflichtet, so dass die Klägerin (auch) deren Geschäft
mitbesorgt haben könnte, als sie den Bestattungsunternehmer beauftragte. Nach § 683
Satz 1 BGB kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen
verlangen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem
wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Es liegen
keine Anhaltspunkte dafür vor, warum die Söhne V. und U. nicht hätten ebenfalls für die
Bestattung sorgen können oder wollen. Aus den Berechnungen des Beklagten zum
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Einkommen der Söhne V. und U. ergibt sich auch, dass ein solcher Anspruch nicht von
vornherein im Hinblick auf fehlende finanzielle Mittel wertlos gewesen wäre. Es wäre
deshalb Sache der Klägerin gewesen, an ihre Söhne V. und U. heranzutreten, um von
diesen Ersatz der auf diese entfallenden Aufwendungen zu verlangen. Es liegen keine
Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin überhaupt ernsthaft versucht hat, Ansprüche
gegen ihre beiden Söhne durchzusetzen. Insoweit kommt es wegen der öffentlich-
rechtlichen Bestattungspflicht nicht darauf an, ob die Söhne das Erbe ausgeschlagen
haben. Wenn die Klägerin die danach bestehende Möglichkeit, ihre Söhne anteilig in
Anspruch zu nehmen, nicht genutzt hat, so hat sie damit gegen ihre vorrangige
Verpflichtung verstoßen, sich selbst zu helfen. Hierzu gehört auch die Verpflichtung,
Ansprüche gegenüber anderen zu verwirklichen, soweit dies zumutbar ist und nicht
ausgeschlossen ist, dass die Ansprüche realisiert werden können, wenn sie geltend
gemacht werden. Mangels rechtswidriger Bewilligung kommen auch weitergehende
Schadensersatz - oder Folgenbeseitigungsansprüche nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die
Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus §§ 167 Abs. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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