Urteil des VG Gelsenkirchen vom 01.09.2010

VG Gelsenkirchen (kläger, verfügung, tierhaltung, begründung, wegnahme, abschluss des vertrages, schwester, hof, bezug, betrieb)

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 K 1994/10
Datum:
01.09.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 1994/10
Schlagworte:
Tierschutz, Haltungsverbot
Tenor:
Ziffer IV der Ordnungsverfügung des Beklagten vom 8. April 2010 in
Gestalt des Schreibens vom 13. August 2010 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig
sind.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte zuvor in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages
Sicherheit leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger stammt aus einer landwirtschaftlichen Familie aus X. mit der Hofanschrift "J.
F. °°". Allerdings ist er nach eigenen Angaben seit vielen Jahren hauptberuflich
anderweitig tätig.
2
Im Februar 2003 wurde der Beklagte darüber informiert, dass bei im Schlachthof M. aus
dem Stall T. angelieferten 8 Bullen die Ketten am Hals eingewachsen gewesen seien.
Bei einer darauf hin erfolgten Kontrolle der Tierhaltung "V. 20" am 13. Februar 2003 in
Anwesenheit der Herren X1. (Vater des Klägers) und X2. T. (Bruder des Klägers) wurde
von diesen erklärt, dass der Kläger im Hof "J. F. 45" Milchkühe und Kälber halte, in dem
gepachteten Stall "V. 20" Bullen und Fresser. Bei diesen hatten die Ketten zum Teil
massive Scheuerstellen und auch tiefe Verletzungen verursacht, die auf nicht passende
Fixationen und unzureichende Überwachung des Gesundheitszustandes der Tiere
3
zurückzuführen seien. Zudem war der Stall wenig eingestreut und stark mit Kot
verschmutzt. Der anwesende Herr W. T. sicherte umgehend eine Änderung der
Haltungsbedingungen zu.
Da der Beklagte bei Überprüfungen der Rinderhaltung in einer weiteren Hofstelle der
Familie T. "V1. 2a" erhebliche Verstöße gegen § 2 des Tierschutzgesetzes (TierSchG)
festgestellt hatte, nahm er am 23. Oktober 2006 gemäß § 16a TierSchG dort 19 Rinder
und 3 Schafe fort und brachte sie anderweitig unter. Ein weiteres Rind musste auf Grund
seines schlechten Gesundheitszustandes eingeschläfert werden; der Kadaver wurde
beschlagnahmt und entsprechend gekennzeichnet, um seziert zu werden, war aber am
nächsten Tag bei dem Versuch einer Abholung nicht mehr vorhanden. Bei dieser
Maßnahme ging der Beklagte davon aus, dass die Tiere Frau H. T. (Schwester des
Klägers mit Wohnsitz in Berlin) gehörten und vom Kläger betreut wurden; dies bestätigte
der Kläger für beide Hofstellen laut Aktenvermerk des Beklagten bei einer Überprüfung
der Hofstelle "J. F. 45" am 25. Oktober 2006. Auch stellte der Kläger am 24. Oktober
2006 als Pächter der Stallungen "V1. 2a" einen Strafantrag wegen Einbruchsdiebstahl.
Die Wegnahme wurde durch Ordnungsverfügung vom 8. November 2006 schriftlich
bestätigt. Mit Verfügung vom 6. Februar 2007 wurde die Veräußerung angeordnet. Mit
Datum vom 12. April 2007 wurde gegen H. T. ein Halte- und Betreuungsverbot
ausgesprochen. Aus ihrem Widerspruchsschreiben ergibt sich, dass in der Hofstelle
"V1. 2a" seitdem keine Tiere der Familie T. mehr gehalten werden.
4
Wegen der mangelhaften Tierhaltung im Hof "V1. 2a" und entsprechender
Feststellungen auch im Hof "J. F. 45" - siehe Vermerke des Beklagten zu
Überprüfungen am 25. Oktober 2006 und 8. November 2006 - hörte er den Kläger mit
Schreiben vom 12. April 2007 zu der Absicht eines Haltungs- und Betreuungsverbots für
Rinder an. Dazu nahm der damals bevollmächtigte Rechtsanwalt mit Schreiben vom 20.
April 2007 Stellung und wies dabei darauf hin, dass der Kläger die Tiere im Auftrag der
Halterin H. T. ordnungsgemäß betreue, dies allerdings wegen erheblicher Differenzen
der beteiligten Parteien am Standort "V1. 2a" (Pächter, Verpächter, Eigentümer)
erschwert sei.
5
Bei einer weiteren Kontrolle der Rinderhaltung "J. F. 45" am 28. August 2007 - bei
dieser gab der die Kälber versorgende Kläger nach Aktenlage erstmals an, er sei weder
Halter noch im Moment für sie zuständig; sie gehörten Herrn X1. T. - wurden erneut
verschiedene tierschutzrechtliche Mängel (erkrankte Kälber, ungenügend gereinigte
Haltungseinrichtungen, verschmutzte Kühe, fehlendes Trinkwasser für die Kälber) sowie
eine nicht gemeldete Schweinehaltung festgestellt. Deshalb sah sich der Beklagte
veranlasst, mit Ordnungsverfügung vom 7. Sep-tember 2007 die Wasserversorgung der
Kälber in den Stallungen "J. F. 45" sicherzustellen; diese Verfügung wurde nicht
angefochten.
6
Mit Datum vom 15. Oktober 2007 untersagte dann der Beklagte dem Kläger das Halten
und Betreuen von Rindern; dabei ging er auf Grund der mündlichen Erklärung des
Klägers vom 25. Oktober 2006 davon aus, dass dieser von der Halterin der Tiere H. T.
mit der Betreuung der Rinder an beiden Standorten beauftragt worden sei. Bei mehreren
Überprüfungen der Rinderhaltung 2006 und 2007 seien erhebliche Verstöße gegen § 2
TierSchG festgestellt worden. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf die
umfangreiche Verfügung Bezug genommen. Gegen diese Verfügung legte der Kläger
Widerspruch ein, da die zitierten Vorfälle über ein Jahr alt seien und nicht Anlass für ein
Berufsverbot seien könnten. Diesen Widerspruch legte der Beklagte mit Schreiben vom
7
14. Dezember 2007 der Widerspruchsbehörde, dem Landesamt für Natur, Umwelt und
Verbraucherschutz (LANUV) vor. Hinsichtlich dieser Verfügung erhob der Kläger am 29.
Juni 2009 Klage - 7 K 2767/09 -; zu diesem Zeitpunkt war über den Widerspruch noch
nicht entschieden worden.
Anfang September 2009 ergaben sich wiederholt hygienische Probleme bei der
Milchproduktion im Betrieb "J. F. 45". Deshalb untersagte der Beklagte mit an den
Kläger, der sich auch insoweit für zuständig erklärte, gerichteter Ordnungsverfügung
vom 8. September 2009 die Abgabe der dort erzeugten Rohmilch als Lebensmittel.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf diese Verfügung Bezug genommen; sie wurde
nicht angefochten.
8
Bei einer unangemeldeten Überprüfung der Tierhaltung "J. F. 45" am 18. Sep-tember
2009 stellten die Amtstierärzte des Beklagten insbesondere bei der Kälberhaltung eine
solche Vielzahl an erheblichen Verstößen gegen den Tierschutz (betreffend Wasser-
und Futterversorgung; fehlende tierärztliche Versorgung; erhebliche und unbehandelte
Verletzungen mehrerer Tiere; unhaltbare sonstige Haltungsbedingungen) fest, dass auf
Grund einer mündlich erlassenen Verfügung zunächst eine sofortige Wegnahme von 17
Kälbern erfolgte. Hinsichtlich der Einzelheiten der festgestellten Mängel und des
Ablaufs der Kontrolle wird auf den Aktenvermerk der Amtstierärzte vom 28. September
2009 sowie auf die am 18. September 2009 gefertigten zahlreichen Bilder Bezug
genommen. Unmittelbar im Anschluss an die Wegnahme der Tiere ergab sich die
Notwendigkeit, ein Kalb zu töten. Außerdem wurden fünf verendete, dort aufgefundene
Kälber zur Abklärung der Todesursachen einer Sektion zugeführt.
9
Auf Grund nachfolgender Feststellungen von Salmonellose im dortigen Bestand wurde
mit Datum vom 30. September 2009 eine tierseuchenrechtliche Sperrverfügung
ebenfalls gegen den Kläger erlassen, die nicht angefochten wurde. Außerdem mussten
2 Kälber getötet werden; dazu teilte das LANUV dem Beklagten mit Schreiben vom 6.
Oktober 2009 mit, dass diese Tiere nicht auf den Kläger registriert seien, sondern auf E.
T. . Eine Umschreibung von ihr auf E. hatte H. T. bei der Tierseuchenkasse mit
Schreiben vom 22. September 2009 beantragt. Diese Sperrverfügung wurde am 8. April
2010 wieder aufgehoben.
10
Am 8. Oktober 2009 veranlasste der Kläger eine örtliche Bauberatung durch die
Landwirtschaftskammer zu den bestehenden Kälber- und Jungviehstallungen des Hofes
"J. F. 45"; in ihrer Stellungnahme vom 9. Oktober 2009 kommt die
Landwirtschaftskammer zu dem Ergebnis, dass die baulichen Rahmenbedingungen
gemäß Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung im Wesentlichen eingehalten werden.
11
Mit Datum vom 30. Oktober 2009 erließ der Beklagte eine schriftliche Bestätigung seiner
mündlichen Ordnungsverfügung vom 18. September 2009. Gemäß dieser wurden dem
Kläger auf der Grundlage von § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG die 17 Kälber fortgenommen
und auf seine Kosten anderweitig pfleglich untergebracht; die sofortige Vollziehung
wurde bestätigt bzw. angeordnet. Hinsichtlich der Einzelheiten der Feststellungen -
auch zu einer tierschutzwidrigen Haltung von Schweinen - und der Begründung wird auf
die umfangreiche Verfügung verwiesen. Zusätzlich wurde der Kläger zu der
beabsichtigten Veräußerung der Kälber wie zu einem geplanten Haltungsverbot von
Tieren angehört. Gegen diese Verfügung erhob der Kläger Klage (7 K 5302/09) und
beantragte vorläufigen Rechtsschutz. Diesen Antrag lehnte das erkennende Gericht mit
Beschluss vom 8. Februar 2010 ab (7 L 1294/09); die dagegen eingelegte Beschwerde
12
verwarf das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) mit
Beschluss vom 16. März 2010 als unzulässig (20 B 283/10).
Mit weiterer, für sofort vollziehbar erklärter Verfügung vom 4. Dezember 2009 ordnete
der Beklagte die Veräußerung der weggenommenen Tiere an. Da ein Kalb nach der
Wegnahme verendet war und vier Kälber hatten getötet werden müssen, handelte es
sich um noch 12 Tiere. Auch hier wird hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung auf
diese Verfügung Bezug genommen. Auch insoweit erhob der Kläger Klage (7 K 286/10)
und beantragte vorläufigen Rechtsschutz. Diesen Antrag lehnte das erkennende Gericht
mit Beschluss vom 8. Februar 2010 ab (7 L 57/10); die dagegen eingelegte Beschwerde
verwarf das OVG NRW mit Beschluss vom 16. März 2010 als unzulässig (20 B 284/10).
13
Mit der hier streitigen Ordnungsverfügung vom 8. April 2010 untersagte der Beklagte
dem Kläger sofort vollziehbar das Halten und Betreuen von Tieren. Der in seiner Obhut
befindliche Tierbestand unter der Anschrift "J. F. 45" solle bis zum 31. Mai 2010 - diese
Frist hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 1. September 2010 auf den
31. Oktober 2010 abgeändert - aufgelöst und entsprechende Nachweise des Verbleibs
der Tiere vorgelegt werden; dabei sei eine Übergabe an Personen unter dieser Anschrift
nicht zulässig. Soweit nach diesem Datum dort Tiere von ihm gehalten würden, werde
das Zwangsmittel des unmittelbaren Zwanges in Gestalt der Wegnahme und
Verwertung der Tiere angedroht. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf
die umfangreiche Verfügung Bezug genommen. Mit Schreiben vom 13. August 2010
ergänzte der Beklagte seine Verfügung um eine Begründung hinsichtlich der
Zwangsmittelandrohung.
14
Am 10. Mai 2010 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
15
Zur Begründung trägt er zusammengefasst vor, dass das Tierhaltungsverbot zu Unrecht
gegen ihn ausgesprochen worden sei. Denn er sei weder Halter noch Betreuer der Tiere
gewesen und er führe auch selbst keinen landwirtschaftlichen Betrieb. Eigentümerin des
Betriebes sei vielmehr seine Schwester H. T. , die seinen beigeladenen Neffen E. T. mit
der Betreuung der Tiere beauftragt habe. Dies ergebe sich zum einen aus den
entsprechenden Erklärungen seiner Schwester und zum anderen aus der Tatsache,
dass die Tiere bei der Seuchenkasse zunächst auf seine Schwester und seit September
2009 auf E. T. gemeldet seien. Der Betriebsüberlassungsvertrag aus dem Jahre 2005
sei durch den Tod seines Vaters Anfang 2008 gegenstandslos geworden; im Übrigen
sei der Betrieb schon vor Abschluss des Vertrages von seinem Vater auf seine
Schwester übertragen worden. Er beantrage und erhalte die landwirtschaftlichen
Prämien auch nicht in eigenem Namen; vielmehr seien diese an seine Schwester als
Betriebsinhaberin abgetreten, wie der Landwirtschaftskammer seit 2005 bekannt sei.
16
Im Übrigen habe die Tierhaltung auch nie einen derart schlechten Zustand
aufgewiesen, dass ein solches generelles Tierhaltungsverbot gerechtfertigt sei. So habe
der amtliche Tierarzt B. des Beklagten selbst bei Kontrollen im März 2010 festgestellt,
dass die Tierhaltung nicht zu beanstanden sei, wie die entsprechenden
Bestätigungsschreiben vom 1. und 19. März 2010 belegten. Auch werde die Einholung
eines Gutachtens unter Auswertung der Akten und der vorhandenen Bilder bestätigen,
dass die behaupteten Verstöße gegen eine tierschutzgemäße Haltung nicht so
schwerwiegend gewesen seien, dass ein Haltungsverbot gerechtfertigt sei. Die
Verfügung verstoße deshalb auch gegen das Übermaßverbot. Soweit der Beklagte mit
Schreiben vom 13. August 2010 eine Begründung für die Androhung unmittelbaren
17
Zwangs nachgeholt habe, sei dies unzulässig.
Der Kläger beantragt,
18
die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 8. April 2010 einschließlich des
Ergänzungsschreibens vom 13. August 2010 aufzuheben.
19
Der Beklagte beantragt,
20
die Klage abzuweisen.
21
Er bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Gründe der hier angefochtenen
Verfügung und verweist hinsichtlich der langjährigen tierschutzwidrigen Verhältnisse auf
die Vermerke zu den Kontrollen und die Begründungen der hinsichtlich der Wegnahme
der Tiere 2006 und 2009 erlassenen Verfügungen. Der Kläger selbst sei immer als
Verantwortlicher für die Tierhaltung aufgetreten, sowohl ihm gegenüber als auch bei der
Milchproduktion. Da gegen Frau T. bestandskräftig ebenfalls ein Tierhaltungsverbot
verfügt worden sei, komme sie als Halterin bzw. Betreuerin nicht in Betracht. Als
Zwangsmittel käme nur die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Betracht, andere
Zwangsmittel seien zum Schutz der Tiere untunlich.
22
Der Beigeladene, der ebenfalls auf dem Hof lebende Neffe des Klägers, trägt mit nicht
unterschriebenem Schriftsatz vom 14. August 2010 vor, dass die am 18. Sep-tember
2009 weggenommenen Tiere als magerfleischig erworben worden seien; auch hätten
sie keine Salmonellose gehabt. Eine Kontrolle am 15. Oktober 2009 habe keine
Beanstandungen ergeben.
23
Am 28. Juli 2010 sind die oben genannten Klageverfahren hinsichtlich der Wegnahme
(7 K 5302/09) und der Veräußerung der Kälber (7 K 286/10) wegen des inzwischen am
23. Februar 2010 erfolgten Verkaufs der noch lebenden Tiere in der Hauptsache für
erledigt erklärt worden; die Kosten der Verfahren sind durch Beschlüsse vom selben
Tage dem Kläger auferlegt worden, da die Verfügungen zu Recht gegen den Kläger
gerichtet worden und in der Sache offensichtlich rechtmäßig gewesen seien. Auch das
Verfahren wegen des Verbots der Rinderhaltung (7 K 2767/09) ist in der Hauptsache für
erledigt erklärt worden, nachdem der Beklagte die Verfügung im Hinblick auf das in
diesem Klageverfahren streitige Verbot des Haltens und Betreuens aller Tiere
aufgehoben hatte; auch insoweit sind dem Kläger die Kosten auferlegt worden. In
diesen Verfahren hatte zuvor das Gericht anhängige bzw. anhängig gewesene
Klageakten des Klägers hinsichtlich landwirtschaftlicher Prämien beigezogen und
ausgewertet. Dabei ergab sich, dass auf Grund eines im Jahre 2005 abgeschlossenen
Betriebsüberlassungsvertrages (17 K 3844/07 Blatt 13 ff) der Vater des Klägers diesem
seinen landwirtschaftlichen Betrieb für 15 Jahre überlassen hatte. Weiter ergab sich,
dass der Kläger im eigenen Namen mindestens für die Jahre 2005 - 2010
landwirtschaftliche Prämien bei der Landwirtschaftskammer beantragt und erhalten hat
(7 K 2767/09 Blatt 105 ff und Protokoll Blatt 116 R). Entsprechend hatte die
Landwirtschaftskammer bereits auf Bitten des Beklagten im Oktober 2006 Unterlagen
übersandt, nach denen der Kläger in den Jahren 2005 und 2006 landwirtschaftliche
Flächen bewirtschaftete und Betriebsprämien beantragt hatte.
24
Wegen der tierschutzwidrigen Zustände der Rinderhaltung im Hof "V1. 2a", die am 23.
Oktober 2006 zur Wegnahme der Rinder und Schafe geführt hatte, wurde der Kläger mit
25
Urteil des Amtsgerichts S. vom 10. September 2007 (26b Ls 11 Js 303/05 (14/07)) u.a.
wegen Vergehens gegen das Tierschutzgesetz zu einer Geldstrafe von 300
Tagessätzen à 15 EUR verurteilt, da nach den Feststellungen des Gerichts der Kläger
für die Tierhaltung verantwortlich war. Weitere durch Strafanzeigen des Beklagten
eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen der Tierhaltung, die zur Wegnahme der Kälber
im September 2009 geführt hatte, bzw. wegen des Verdachts der Urkundenfälschung
hinsichtlich der Bescheinigungen des amtlichen Tierarztes B. vom 1. und 19. März 2010
(vgl. dazu die Zeugenvernehmung des Herrn B. in der mündlichen Verhandlung vom 28.
Juli 2010 in den erledigten Verfahren) sind noch nicht abgeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf diese
Gerichtsakte sowie auf die Gerichtsakten 17 K 3844/07, 7 K 2767/09, 7 K 5302/09 sowie
7 L 1294/09 und 7 K 286/10 sowie 7 L 57/10 und die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten 1 - 4 und 6 + 7) und des LANUV
(Beiakte 5) Bezug genommen.
26
Entscheidungsgründe:
27
Die zulässige Anfechtungsklage (§ 42 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) ist
nur hinsichtlich Ziffer IV der Verfügung des Beklagten vom 8. April 2010
(Zwangsmittelandrohung) begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.
28
Die streitige Verfügung des Beklagten vom 8. April 2010 ist hinsichtlich ihrer Ziffern I
(Haltungs- und Betreuungsuntersagung) und II (Tierbestandsauflösung) rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29
Die Verfügung findet insoweit ihre Rechtsgrundlage in § 16a Sätze 1 und 2 Nr. 3
TierSchG. Danach hat die zuständige Behörde zur Beendigung festgestellter Verstöße
und zur Verhütung künftiger Verstöße gegen Tierschutzbestimmungen die notwendigen
Anordnungen zu treffen; sie kann insbesondere demjenigen, der den allgemeinen
Vorschriften zur Tierhaltung (§ 2 TierSchG) wiederholt oder grob zuwiderhandelt und
dadurch den Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden zufügt
oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten und Betreuen von Tieren untersagen,
wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige
Zuwiderhandlungen begehen wird.
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Diese Voraussetzungen waren und sind hier erfüllt. Zur Begründung wird zur
Vermeidung von Wiederholungen auf die umfangreiche Begründung der
Ordnungsverfügung des Beklagten Bezug genommen, die sich das Gericht zu eigen
macht, § 117 Abs. 5 VwGO. Die dortigen Ausführungen werden durch die
Aktenvermerke der Amtstierärzte zu den Verfügungen der Wegnahme der Rinder 2006
und der Kälber 2009 sowie durch die in den Akten befindlichen Bilder, auf denen der
Zustand der Tiere festgehalten ist, eindrucksvoll bestätigt. Der Einholung eines
zusätzlichen Gutachtens dazu, wie vom Kläger angeregt, bedarf es nach Auffassung der
Kammer nicht, weil es sich bei der Frage, ob die Haltung tierschutzgerecht ist, um eine
rechtliche Beurteilung handelt.
31
Soweit der Kläger vorträgt, er selbst halte seit Jahren keine Tiere und sei deshalb für
den Zustand der Tierhaltung nicht verantwortlich, vielmehr gehöre der Betreib seiner
Schwester H. und für die Tierhaltung auf dem Hof "J. F. 45" sei in ihrem Auftrag sein
Neffe E. - der Beigeladene - verantwortlich, ist dies offenkundig falsch und als
32
Schutzbehauptung zu bewerten. Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass allein
der Kläger der Halter bzw. Betreuer der Tiere war und ist, sowohl auf dem Hof "J. F. 45"
wie früher auch "V. 20" im Jahre 2003 und "V. 2a" im Jahre 2006.
Zunächst ist nicht erkennbar, warum bei der Überprüfung der Tierhaltung "V. 20" im
Februar 2003 die anwesenden Vater und Bruder des Klägers insoweit dem
überprüfenden Amtstierarzt des Beklagten gegenüber unrichtige Angaben gemacht
haben sollen oder dieser Falsches protokoliert haben sollte. Insbesondere gab es nach
Aktenlage zum damaligen Zeitpunkt keine schon länger andauernde Konfliktsituation
hinsichtlich der Tierhaltung zwischen der Familie T. bzw. einzelnen Familienmitgliedern
und den Amtstierärzten des Beklagten, auf die irgendwelche "falsche" Angaben zurück
zu führen seien könnten.
33
Auch bei der Wegnahme der Rinder "V. 2a" im Oktober 2006 hat der Kläger sich selbst
gegenüber den Tierärzten der Beklagten als Betreuer der Tiere ausgegeben und als
Pächter der Stallungen Strafanzeige erstattet. Hinzu kommt, dass sein bevollmächtigter
Rechtsanwalt noch im April 2007 auf die Anhörung zum beabsichtigten Haltungs- und
Betreuungsverbot erklärt hat, dass der Kläger die Tiere im Auftrag seiner Schwester
sowohl "V. 2a" wie "J. F. 45" betreue. Auch die Tatsachen, dass sein Vater mit
Betriebsüberlassungsvertrag ihm 2005 den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb für 15
Jahre überlassen hat (und nicht etwa zuvor der Schwester H. ), der Kläger seit 2005 bei
der Landwirtschaftskammer Betriebsprämien im eigenen Namen und nicht etwa für die
angebliche Betriebsinhaberin H. T. beantragt und erhalten hat und in mehreren
Klageverfahren wegen dieser Prämien beim erkennenden Gericht im eigenen Namen
geklagt hat und klagt, bestätigen, dass allein der Kläger der tatsächliche und
wirtschaftliche Tierhalter ist und andere Familienmitglieder nur vorgeschoben werden.
So hat auch nur der Kläger sich gegen die Wegnahme der Kälber 2009 tatsächlich und
rechtlich zu wehren versucht. Der angebliche Betreuer der Tiere, der in diesem
Verfahren beigeladene E. T. , ist weder gegen die Wegnahme der Kälber noch deren
Veräußerung vorgegangen und ist auch in diesem Verfahren, in dem es neben dem
Betreuungs- und Haltungsverbot des Klägers auch um die Auflösung des angeblich von
ihm, dem Beigeladenen, betreuten Tierbestandes geht, nicht einmal zur mündlichen
Verhandlung erschienen oder hat sonst Substanzielles vorgetragen. Nur der Kläger
klagt und kümmert sich um die Tierhaltung und deren Bestand. Auf die Frage, auf
welche Person die Tiere bei der Seuchenkasse (fälschlicherweise) registriert sind,
kommt es eben so wenig an wie auf die behauptete Abtretung der Prämienansprüche an
die Schwester. Jedenfalls tritt der Kläger gegenüber der Landwirtschaftskammer wie
auch in den gerichtlichen Verfahren als Prämienberechtigter im eigenen Namen auf.
34
Deshalb ist es auch der Kläger selbst, der im Oktober 2009 eine örtliche Bauberatung
durch die Landwirtschaftskammer beantragt und die Zertifizierung im Januar 2010
gegenzeichnet.
35
Ist damit allein der Kläger derjenige, der für den Zustand der Tierhaltung seit Jahren
verantwortlich ist, so dauern die festgestellten Mängel der Tierhaltung - wie ebenfalls in
der Verfügung ausführlich dargestellt - auch schon längere Zeit (seit 2003) an, und es ist
angesichts der Uneinsichtigkeit des Klägers auch nicht zu erwarten, dass sich daran in
absehbarer Zukunft etwas Entscheidendes ändern könnte. Dies gilt unbeschadet der -
wie nunmehr vorgetragen wird - zum Januar 2010 erfolgten Zertifizierung des Hofes, da
diese erkennbar anderen Zwecken dient und tierschutzrechtliche Haltungsgrundsätze
dabei nicht ausschlaggebende Bedeutung haben. Dabei kommt es ohnehin nicht auf die
36
äußeren Gegebenheiten wie die grundsätzliche Eignung der Stallungen an, sondern auf
die persönliche Einsicht und daraus folgende Handlungsweise des jeweiligen
Tierhalters. Solange der Kläger schon jede Verantwortung für die Tierhaltung verbal
verneint, kann eine Veränderung zu einer tierschutzgerechten Tierhaltung nicht erwartet
werden. Deshalb ist die Untersagung jeder Tierhaltung auch nicht unverhältnismäßig,
da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger bestimmte Tiere oder Tierarten
anders behandeln würde.
Im Übrigen ist es allein Sache des Klägers, ggfs. durch Einsicht und Änderung seines
Verhaltens die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Halteverbotes gemäß § 16a
Satz 2 Nr. 3 letzter Halbsatz TierSchG zu ermöglichen.
37
Das Gericht hat nicht unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger bisher für die
Bestreitung seines Lebensunterhaltes - obwohl er weiterhin behauptet, er halte keine
Tiere und führe keinen landwirtschaftlichen Betrieb -offenbar auch auf die
Nutztierhaltung angewiesen war und das Tierhaltungsverbot daher für ihn als
(nebenberuflichem) Landwirt einen erheblichen Eingriff in seine Erwerbsmöglichkeiten
darstellt. Dies muss der Kläger aber hinnehmen, weil die Schaffung tierschutzgerechter
Bedingungen allein in seiner Sphäre liegt. Der respektvolle, tierschutzgerechte Umgang
mit Tieren ist durch Art. 20a des Grundgesetzes und Art. 29a der Landesverfassung
Nordrhein-Westfalen zum Staatsziel erhoben. Dem ist der Einzelne durch Einhaltung
der tierschutzrechtlichen Bestimmungen verpflichtet, auch wenn er Tiere zu rein
erwerbswirtschaftlichen Zwecken hält.
38
Aus alledem ergibt sich, dass der Beklagte zu Recht gegenüber dem Kläger ein
Haltungs- und Betreuungsverbot aller Tiere sowie die Auflösung des vorhandenen
Tierbestandes im Hof "J. F. 45" verfügt hat.
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Die Klage ist aber hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwanges bezüglich der
Auflösung des Tierbestandes "J. F. 45" und deren Verwertung im Wege des
freihändigen Verkaufs begründet (Ziffer IV der Verfügung), da diese rechtswidrig und der
Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
40
Die Androhung eines Zwangsmittels gemäß § 63 des
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes NRW (VvVG NRW) ist ein Verwaltungsakt i.S. § 35
des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW (VwVfG NRW), wobei die Auswahl der
möglichen Zwangsmittel gemäß § 57 VvVG NRW im Ermessen der Behörde steht. Für
einen solchen Verwaltungsakt ist gemäß § 39 Abs. 1 VwVfG NRW eine Begründung
erforderlich, da die Voraussetzungen, unter denen gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift eine
Begründung entbehrlich ist, ersichtlich nicht vorliegen. Eine Begründung für die
Zwangsmittelandrohung enthält die Verfügung vom 8. April 2010 aber nicht. Soweit der
Beklagte mit seinem Schreiben vom 13. August 2010 im schon anhängigen
Klageverfahren eine Begründung nunmehr nachgeholt hat, ist dies nicht
ausschlaggebend. Denn die Voraussetzungen von § 114 Satz 2 VwGO zur Heilung bei
unzureichenden Ermessenserwägungen sind nicht gegeben, da im gerichtlichen
Verfahren unvollständige Ermessenserwägungen nicht ergänzt, sondern erstmalig
vorgetragen worden sind.
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So: Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage, § 114, Rdnr. 49 ff mit weiteren Nachweisen; vgl.
auch OVG NRW, Urteil vom 29. Juni 2010 - 18 A 1450/09 -, juris.
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Da die Zwangsmittelandrohung hinsichtlich der Anwendung unmittelbaren Zwangs
schon wegen fehlender Begründung rechtswidrig und deshalb aufzuheben ist, bedarf es
keines Eingehens mehr auf die Frage, ob neben der Wegnahme der Tiere auch deren
Verwertung im Wege des freihändigen Verkauf durch die Festsetzung unmittelbaren
Zwangs erreichbar oder dazu eine weitere entsprechende Anordnung erforderlich ist,
die vorliegend fehlt.
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Vgl. dazu: VG Aachen, Beschluss vom 9. Dezember 2003 - 6 L 890/03 - und VGH
Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. März 2005 - 1 S 381/05 -, jeweils juris
44
Die Kostenentscheidung folgt zunächst aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die
Zwangsmittelandrohung keinen Einfluss auf den Streitwert hat (s.u.), ist eine teilweise
Kostenbelastung des Beklagten nicht angezeigt (vgl. auch § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).
Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, können ihm Kosten nicht auferlegt
werden (§ 154 Abs. 3 VwGO); deshalb entspricht es der Billigkeit i.S. § 162 Abs. 3
VwGO, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
45
Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf §
167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
46
47