Urteil des VG Gelsenkirchen vom 16.09.2009

VG Gelsenkirchen (kläger, haftung, höhe, miteigentümer, kag, grundstück, teil, eigentümer, stadt, verwaltungsgericht)

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 13 K 711/08
Datum:
16.09.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 711/08
Schlagworte:
Benutzungsgebühren; Wohnungseigentümer; Außenhaftung;
Gesamtschuldner; Teil-Rechsfähigkeit;
Wohnungseigentümergemeinschaft; Haftung; Quote
Normen:
KAG NRW § 6; AO § 44 Abs 1; WEG § 10 Abs 8
Leitsätze:
Die (nur) quotale Haftung des einzelnen Wohnungseigentümers gemäß
§ 10 Abs. 8 WEG greift nicht bei durch das KAG NRW i.V.m. dem
jeweiligen Ortsrecht begründeten persönlichen grundstücksbezogenen
Benutzungsgebührenschulden des Grundstücks-Miteigentümers ein.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger
bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Eigentümer einer Eigentumswohnung im Erdgeschoß in der
Wohnungseigentumsanlage auf dem Grundstück E.-----straße 1 und 3 in E1. . Sein
Miteigentumsanteil beträgt 61,8616/1000. Die Wohnungseigentümergemeinschaft
besteht im Übrigen aus Frau I. , M. , M1. , T. und Frau C. - der Klägerin des Verfahrens
13 K 710/08. Außerdem ist der Kläger Verwalter dieser Eigentümergemeinschaft.
2
Wegen der Abwasser-, Straßenreinigungs- und Abfallbeseitigungsgebühren für den
Zeitraum von Oktober 2000 bis zum 3. Quartal 2007 bestanden im Oktober 2007
Rückstände der Eigentumswohnanlage E.-----straße 1 bis 3 i.H.v. 25.023,83 EUR
3
zuzüglich Mahngebühren, Auslagen und Säumniszuschlägen von 2.202,20 EUR,
insgesamt 27.226,03 EUR.
Mit Bescheid vom 21. Januar 2008 zog der Beklagte den Kläger neben den namentlich
bezeichneten weiteren abgabenpflichtigen Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft
unter Hinweis auf die jeweils gültigen Satzungen und § 44 der Abgabenordnung (AO)
i.V.m. § 421 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als Gesamtschuldner für das
Veranlagungsjahr 2008 zu den Grundbesitzabgaben für Abwasser i.H.v. 1.328,48 EUR,
Straßenreinigung i.H.v. 564,30 EUR und Abfallentsorgung i.H.v. 2.463,20 EUR,
insgesamt 4.355,98 EUR, heran.
4
Daneben erging unter demselben Datum ein im Übrigen inhaltsgleicher Bescheid an
den Kläger als Verwalter der Eigentümergemeinschaft.
5
Der Kläger hat am 8. Februar 2008 Klage gegen den an ihn als Wohnungseigentümer
und Gesamtschuldner adressierten Bescheid erhoben und einen Antrag auf Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.
6
Zur Begründung trägt er vor:
7
Seine Inanspruchnahme als Gesamtschuldner auf die gesamten Grundbesitzabgaben
für das Jahr 2008 sei unzulässig. Gemäß § 10 Abs. 8 des Wohnungseigentumsgesetzes
(WEG) hafte der einzelne Wohnungseigentümer nicht mehr für die Verbindlichkeiten der
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sondern nur noch in Höhe des jeweiligen
Miteigentumsanteils als Teilschuld. Diese gesetzliche Neuregelung sei für das Jahr
2008 maßgeblich, so dass es dem Beklagten verwehrt sei, sie auch als
Gesamtschuldner für die Verbindlichkeiten der anderen Wohnungseigentümer,
insbesondere des Herrn M. , der Eigentümer eines Großteils der Wohnungen sei, in
Anspruch zu nehmen.
8
Der Kläger beantragt (schriftsätzlich),
9
den Bescheid des Beklagten vom 21. Januar 2008 aufzuheben.
10
Der Beklagte beantragt (schriftsätzlich) sinngemäß,
11
die Klage abzuweisen.
12
Er ist der Auffassung, dass auch unter der Geltung des geänderten
Wohnungseigentumsgesetzes die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme des
einzelnen Wohnungseigentümers in voller Höhe der Gebührenschulden rechtmäßig sei.
Er verweist darauf, dass wegen der Veranlagung für das Jahr 2008 gegen sämtliche
Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft E.-----straße 1 bis 3
Heranziehungsbescheide erlassen worden seien, von denen einzelne bestandskräftig
geworden seien. Die Abgabenschuld sei jedoch noch nicht erfüllt worden.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten - einschließlich der Verfahrensakten 13 L 173/08 und der die
Miteigentümerin C. betreffenden Verfahrensakten 13 K 710/08 und 13 L 172/08 - sowie
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
14
Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung durch den
Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
15
Entscheidungsgründe:
16
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Berichterstatter ohne mündliche
Verhandlung (§§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO
-).
17
Die als Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1, 1. Fall VwGO zulässige Klage ist
nicht begründet. Der angefochtene Jahresveranlagungsbescheid des Beklagten vom
21. Januar 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1 VwGO).
18
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 6 des
Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) i.V.m. den
folgenden Satzungen der Stadt E1. über die Erhebung von Abwasser-,
Straßenreinigungs- und Abfallentsorgungsgebühren im Veranlagungsjahr 2008:
19
Abwassergebührensatzung der Stadt E1. vom 14.12.2007 (AbwGS),
20
Satzung über die Straßenreinigung und die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren
in der Stadt E1. (Straßenreinigungs- und Gebührensatzung) vom 23.11.2007 (StrRGS)
und Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Abfallentsorgung in der Stadt E1.
(Abfallgebührensatzung - AbfGS) vom 23.11.2007.
21
Bedenken hinsichtlich des ordnungsgemäßen Zustandekommens der den drei
streitbefangenen Abgabenarten zu Grunde liegenden Satzungen sind weder
vorgetragen worden noch ersichtlich.
22
Der Bescheid vom 21. Januar 2008 ist auch in nicht zu beanstandender Weise
jedenfalls auch an den Kläger als Eigentümer adressiert und diesem bekannt gegeben
worden. Dem Inhalt des Bescheides ist zu entnehmen und von dem Kläger auch so
verstanden worden, dass er mit nur diesem streitbefangenen Bescheid persönlich als
Gesamtschuldner in voller Höhe der festgesetzten Benutzungsgebühren von dem
Beklagten in Anspruch genommen wird.
23
Der Kläger war im Zeitpunkt der Bekanntgabe des angefochtenen Jahres-
Veranlagungsbescheides Miteigentümer des von den Grundbesitzabgaben für das Jahr
2008 betroffenen Grundstücks E.-----straße 1 bis 3 in E1. .
24
Zwar enthält das Kommunalabgabengesetz NRW keine ausdrückliche Regelung
darüber, in welchem Umfang mehrere Miteigentümer eines Grundstücks oder mehrere
Grundstückseigentümer zur gesamten Hand für eine Abgabenschuld einzustehen
haben, ob also jeder die gesamte Forderung schuldet oder nur einen Teil der Abgabe,
der der Höhe seines Anteils entspricht. Viele Satzungen - so vorliegend die o.g.
Gebührensatzungen der Stadt E1. mit den Regelungen in § 7 Abs. 2 Satz 3 AbwGS (mit
einer speziellen Regelung für Gebäude mit Wohnungseigentum), § 9 Abs. 1 Satz 2
StrRGS und § 5 Abs. 2 AbfGS - enthalten die Bestimmung, dass mehrere
Gebührenpflichtige als Gesamtschuldner haften, also jeder Mit- oder
Gesamthandseigentümer für den gesamten Betrag in Anspruch genommen werden
25
kann. Unabhängig von einer solchen Satzungsregelung ergibt sich die Gesamtschuld
mehrerer Miteigentümer oder Gesamthandseigentümer unmittelbar aus dem Gesetz,
nämlich aus § 12 Abs. 1 Nr. 2 b) KAG NRW i.V.m. § 44 Abs. 1 S. 1 AO.
Vgl. Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des
Kommunalabgabengesetzes NRW, 6. Auflage 2006, Rn. 207 unter Bezugnahme auf
OVG NRW, Urteil vom 31. Mai 1988 - 2 A 2265/84 -, OVGE 40, 91 = KStZ 1989, 75
sowie Beschluss vom 20. Juli 1988 - 2 A 2634/86 -.
26
Besteht - wie hier - Wohnungseigentum, sind die einzelnen Wohnungseigentümer nach
§ 1 Abs. 2 WEG Sondereigentümer der einzelnen Wohnungen und Miteigentümer des
gemeinsamen Grundstücks. Liegt eine grundstücksbezogene Inanspruchnahme der
gemeindlichen Einrichtung und daraus folgende Gebührenpflicht vor, sind die
Miteigentumsanteile am gemeinschaftlichen Grundstück, also mehrere
Grundstückseigentümer hinsichtlich ihres Wohnungseigentums betroffen. Auch diese
schulden die Gebühren als Gesamtschuldner i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 2 b KAG NRW i.V.m.
§§ 44 Abs. 1 Satz 1 AO nebeneinander.
27
Vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 4. Oktober 2005 - 2 S 995/05 -, in: Zeitschrift für
Miet- und Raumrecht (ZMR) 2006, S. 818.
28
Eine Gebührenpflicht der Wohnungseigentümergemeinschaft als solche sehen die
einschlägigen Satzungsbestimmungen - unabhängig von der Frage der (Teil-
)Rechtsfähigkeit einer solchen Gemeinschaft - nicht vor.
29
Ist der Kläger hiernach als Miteigentümer für die streitigen Gebühren gebührenpflichtig,
konnte er gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 b KAG i.V.m. § 44 Abs. 1 S. 1 AO als
Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden. Soweit nichts anderes bestimmt ist,
schuldet jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung - § 44 Abs. 1 Satz 2 AO). Dem
Wesen der Gesamtschuld entsprechend - § 44 AO übernimmt den Rechtsgedanken des
§ 421 BGB - steht es allerdings im Ermessen des Gläubigers, die Leistung ganz oder
auch nur zu einem Teil von dem einen oder dem anderen oder von allen Schuldnern zu
fordern.
30
Vgl. auch Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 10. April 1997 - IV R 73/94 -,
Bundessteuerblatt (BStBl.) 1997, S. 569,573 m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 18.
Oktober 2000 - 15 A 4770/00 -.
31
Eine anderweitige Bestimmung über die Gebührenpflicht mehrerer Eigentümer enthält
das einschlägige Ortsrecht, insbesondere auch für Wohnungs- und Teileigentümer,
nicht. Infolgedessen war der Beklagte grundsätzlich nicht gehindert, den Kläger in Höhe
des auf das Grundstück E.-----straße 1 bis 3 entfallenden vollen Gebührenbetrages
heranzuziehen. Dass der Kläger - wie jeder seiner Miteigentümer - nach dem Inhalt des
angefochtenen Festsetzungsbescheides in voller Höhe und nicht nur anteilig
entsprechend seinen Miteigentumsanteilen herangezogen wird, was allerdings vorläufig
vom Beklagten tatsächlich praktiziert wird, lässt weder Ermessensfehler noch eine
sonstige Rechtsverletzung erkennen. Die Gemeinde bestimmt nach ihrem Ermessen,
welchen Gesamtschuldner sie heranzieht. Maßstab hierfür sind Zweckmäßigkeit und
Billigkeit.
32
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Juni 1988 - 2 A 2634/86 -.
33
Anhaltspunkte für eine willkürliche oder unbillige Auswahlentscheidung bezüglich des
auch zum Verwalter bestellten Klägers sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst
ersichtlich.
34
Die gesetzliche Anordnung der Gesamtschuldnerschaft bezweckt
Verwaltungsvereinfachung und Effizienz des Gesetzesvollzuges, nicht aber
Schuldnerschutz.
35
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. März 1996 - 15 B 3424/95 -.
36
Hiernach erscheint es unter Berücksichtigung der seit Herbst 2000 aufgelaufenen
Rückstände sachgerecht, dass der Beklagte Festsetzungsbescheide gegenüber jedem
der betroffenen Miteigentümer erlässt, um zumindest die laufenden
Abgabenforderungen für das Grundstück E2.-----straße 1 und 3 nunmehr möglichst
zeitnah realisieren zu können.
37
Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides wird auch nicht durch die
Rechtsprechung zur (Teil-)Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft in
Zweifel gezogen. Diese betrifft zumeist allein die Teilnahme der Gemeinschaft bei der
Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr und eine
akzessorische gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer neben der
Haftung der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft
38
Vgl. etwa: Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 2. Juni 2005 - V ZB 32/05 - , in:
Zeitschrift für Miet- und Raumrecht - ZMR - 2005, S. 547 ff, insbesondere Leitsatz 17 a
und b.
39
Demgegenüber ist die Wohnungseigentümergemeinschaft keinesfalls
Zuordnungsobjekt für das gemeinschaftliche Eigentum, das ebenso wie das
Sondereigentum den Eigentümern persönlich zugeordnet ist. So trifft die aus dem
Grundeigentum resultierende Haftung grundsätzlich die Eigentümer in persona.
40
Vgl. Häublein, Anmerkung zu der vorstehenden Entscheidung des BGH, in: ZMR 2005,
S. 557, 558.
41
Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits mit
42
Beschluss vom 11. November 2005 - BVerwG 10 B 65.05 - KStZ 2006, S. 75 ff.
43
in dem Verfahren auf Zulassung der Revision gegen den Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Juni 2005 - 9 A
1150/03 - klargestellt, dass die Teilrechtsfähigkeit der
Wohnungseigentümergemeinschaft im Sinne der BGH-Entscheidung vom 2. Juni 2005
die Geltung einer im kommunalen Abgabenrecht statuierten gesamtschuldnerischen
Haftung der Wohnungseigentümer für Grundbesitzabgaben nicht hindere. Zur
Begründung verweist das Bundesverwaltungsgericht darauf, dass der
Bundesgerichtshof für die Begründung einer Haftung neben dem Verband entweder die
Übernahme einer persönlichen Schuld oder „eine ausdrückliche Anordnung des
Gesetzgebers" verlange, was gerade einer Veranlagung der einzelnen
Wohnungseigentümer, die im kommunalen Abgabenrecht verankert sei, nicht
44
entgegenstehe.
Es ist allgemein anerkannt, dass das Grundstück einer Eigentümergemeinschaft nicht
zu deren Verwaltungsvermögen gehört. Der Verband ist weder Mitglied der
Eigentümergemeinschaft noch Miteigentümer des Grundstücks.
45
BGH, Beschluss vom 30. März 2006 - V ZB 17/06 -, in: Neue Juristische Wochenschrift
(NJW) 2007, S. 2187.
46
Da jedoch dem Verband der Wohnungseigentümer das jeweilige Grundstück nicht
zugeordnet ist, schuldet insoweit nicht der (teil-)rechtsfähige Verband
„Wohnungseigentümergemeinschaft" gemäß § 6 KAG NRW und den hier einschlägigen
ortsrechtlichen Satzungsvorschriften Benutzungsgebühren, sondern sind die einzelnen
Wohnungseigentümer als Bruchteilsgemeinschaft Abgabepflichtige.
47
In diesem Sinne hat auch das Verwaltungsgericht Göttingen
48
Beschluss vom 27. Juni 2007 - 3 B 84/07 -, in: NJW 2008, S. 252
49
ausgeführt, dass für grundstücksbezogene Benutzungsgebühren bei entsprechender
satzungsrechtlicher Grundlage weiterhin (ungeachtet der vom BGH angenommenen
Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft) die einzelnen Mitglieder der
Wohnungseigentümergemeinschaft als Gesamtschuldner herangezogen werden
können.
50
Auch in der neueren wohnungseigentumsrechtlichen Rechtsprechung wird für die
Erhebung von öffentlich-rechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnissen die
Auffassung bestätigt, dass die auf der Grundlage des § 6 KAG NRW erlassenen
kommunalen Satzungen über Benutzungsgebühren für Abfallentsorgung,
Straßenreinigung und Abwasserentsorgung die Gebührenpflicht an das Eigentum des
Grundstücks anknüpfen und damit eine Haftung der einzelnen Wohnungseigentümer,
nicht aber der teil-rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft begründen.
51
OLG Hamm, Beschluss vom 20. Januar 2009 - 15 Wx 164/08 -, in: Justizministerialblatt
NRW (JMBl. NRW) 2009, Seite 98 ff.
52
Schließlich verstößt auch die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme des Klägers in
voller Höhe der auf das Grundstück entfallenden Gebühren nicht gegen eine
anderweitig gesetzlich angeordnete Haftungsbeschränkung.
53
Entsprechend § 44 Abs. 1 Satz 2 AO schuldet - mangels entgegenstehender
Bestimmung - grundsätzlich jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung.
54
Soweit in der seit dem 1. Juli 2007 geltenden Neufassung des § 10 Abs. 8 WEG
bestimmt wird, dass jeder Wohnungseigentümer einem Gläubiger nach dem Verhältnis
seines Miteigentumsanteils für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer haftet, die während seiner Zugehörigkeit zur Gemeinschaft
entstanden oder während dieses Zeitraums fällig geworden sind, begegnet es bereits
erheblichen Bedenken, ob diese Bestimmung auch auf kommunale
Benutzungsgebühren anwendbar ist. Anzumerken ist insoweit lediglich, dass das
Wohnungseigentumsgesetz, das in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fällt,
55
möglicherweise allein die zivilrechtlichen Verhältnisse der Wohnungseigentümer bzw.
ihrer Wohnungseigentumsgemeinschaft regelt. Soweit im Außenverhältnis kommunale
Benutzungsgebühren betroffen sind, steht die Gesetzgebungskompetenz allein den
Ländern zu, so dass schon deshalb ohne ausdrückliche gesetzliche Verweisung im
Landesrecht eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmungen für öffentliche
kommunale Abgaben ausscheiden dürfte.
Vgl. VG Göttingen, Beschluss vom 27. Juni 2007 - 3 B 84/07 -, juris.
56
Die teilschuldnerische Außenhaftung eines Wohnungseigentümers gemäß § 10 Abs. 8
Satz 1 Halbsatz 1 WEG n.F. ist zur Sicherung der Gläubiger nur neben der vollen
Haftung der Gemeinschaft begründet worden.
57
Vgl. Pick, Kommentar zum Wohnungseigentumsgesetz, 18. Aufl. 2007, Einleitung F.n.
26 und 36.
58
Eine solche Haftung der Gemeinschaft für grundstücksbezogene Gebühren ist jedoch im
nordrhein-westfälischen Abgabenrecht gerade nicht statuiert worden.
59
§ 10 Abs. 8 WEG ist vorliegend nicht einschlägig, weil es sich nicht um eine Haftung der
Wohnungseigentümer für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft handelt, d.h. der
teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese ist nicht Schuldnerin der
streitigen Verbindlichkeiten. Es geht vielmehr - wie dargelegt - um eine Begleichung
einer in der Person des Klägers als Gebührenpflichtigem entstandenen eigenen
Gebührenschuld. Soweit - wie hier - öffentlich-rechtliche Normen eine (Gebühren-)
Verbindlichkeit an die Stellung als Wohnungseigentümer anknüpfen, kommt eine
Inanspruchnahme der Wohnungseigentümer abweichend von § 10 Abs. 8 WEG in
Betracht.
60
Vgl. Lafontaine, in: jurisPK-BGB, 4. Aufl. 2008, § 10 WEG, Rn. 231 m.w.N.
61
Sind persönliche Verbindlichkeiten - wie hier - durch Gesetz begründet worden, greift
die quotale Haftung gemäß § 10 Abs. 8 WEG zugunsten des einzelnen
Wohnungseigentümers als Miteigentümer des Grundstücks nicht.
62
So nunmehr auch: BGH, Urteil vom 18. Juni 2009 - VII ZR 196/08 (KG) -, in: NJW 2009,
S. 2521 f.
63
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Heranziehungsbescheides im
Übrigen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
64
Insbesondere sind entscheidungserhebliche Satzungsmängel auch nicht offensichtlich,
so dass für die Kammer unter Berücksichtigung des Rechtsschutzbegehrens des
Klägers im Rahmen der sachgerechten Handhabung der gerichtlichen Kontrolle der
Abgabenfestsetzung
65
Vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 -
66
und unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes
67
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. November 2006 - 9 A 1030/04 -
68
keine Veranlassung zu einer weitergehenden detaillierten Überprüfung besteht.
69
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
70
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich
aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Abs. 11, 711, 709 Satz 2 der
Zivilprozessordnung.
71
72
73