Urteil des VG Gelsenkirchen vom 24.01.2003

VG Gelsenkirchen: ausführung, gemeindeordnung, stadt, rückgriff, rechtsschutz, kontrolle, verwaltung, passivlegitimation, vollziehung, fax

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 15 L 3150/02
Datum:
24.01.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
15. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 L 3150/02
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragsteller tragen die Kosten des
Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt. Der Beschluß soll den
Beteiligten vorab per Fax übermittelt werden.
G r ü n d e:
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Der Antrag nach § 123 VwGO,
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eine einstweilige Anordnung dahingehend zu treffen, daß die Vollziehung des
Beschlusses des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Drucksache Nr. 1080/2002 bis zu
einer Entscheidung in der Hauptsache (15 K 6509/02) unterlassen wird,
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hat keinen Erfolg.
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Dies ergibt sich schon daraus, daß der Antragsgegner für ein solches Begehren nicht
passivlegitimiert ist. Wird um Rechtsbeziehungen gestritten, die im
Innenrechtsverhältnis der Gemeinde zwischen gemeindlichen Organen und Organteilen
(Mitgliedern) bestehen, so richtet sich die Passivlegitimation nach der für den streitigen
Anspruch oder die sonstige streitige Rechtsfolge jeweils geltenden
innerorganisatorischen Kompetenz- und Pflichtenzuordnung.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. September 1982 - 15 A 1223/80 -, DVBl. 1983, 53.
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Die Antragsteller wollen verhindern, daß der Ratsbeschluß
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„I. Der Rat beauftragt die Verwaltung, eine V. D. C. M. U. für das Kanalnetz der Stadt auf
der Grundlage der als Anlage 1 dieser Vorlage bei- gefügten Transaktionsbeschreibung
abzuschließen und die in der Transaktionsbeschreibung genannten sowie ggf. sonstige
mit der U. im Zusammenhang stehende Verträge zu unterzeichnen. Die erforderlichen
Dienstreisen für den Bürgermeister werden bewilligt. II. Der Barwertvorteil wird zur
Haushaltskonsolidierung ein- gesetzt. Insoweit wird die Ratspetition Nr. XII/77 zur
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Kenntnis ge- nommen, ihr aber nicht gefolgt".
durch den Abschluß von Verträgen umgesetzt wird.
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Die Ausführung eines Ratsbeschlusses ist jedoch keine Aufgabe des Rates selbst,
sondern des Bürgermeisters (§ 62 Abs. 2 Satz 2 GO NRW).
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Dem Rat kommen insoweit nur die Kontrolle (§ 62 Abs. 2 Satz 2 GO NRW) und
Überwachung (§ 55 Abs. 3 Satz 1 GO NRW) hinsichtlich der Durchführung seiner
Beschlüsse zu. Diese Rechte verleihen bezüglich der Umsetzung der Beschlüsse keine
eigenen Entscheidungsbefugnisse.
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Vgl. Rehn/Cronauge/von Lennep, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen,
Kommentar, Erläuterung IV.2 zu § 55; Kirchhof in Kommunalverfassungsrecht Nordhein-
Westfalen, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar,
Erläuterung 3.2 zu § 55.
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Zudem haben die Antragsteller keinen Anspruch darauf, daß die Ausführung des
Ratsbeschlusses vom 16. Dezember 2002 unterbleibt.
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Ein solcher Anspruch ist in der Gemeindeordnung nicht enthalten.
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Die Antragsteller können ihn auch nicht aus der von ihnen behaupteten und in den
Vordergrund ihres Vorbringens gestellten Verletzung ihres Anspruchs auf umfassende
Information bezüglich des Beschlußgegenstandes ableiten.
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Selbst wenn sie - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - unzureichend
informiert gewesen sein sollten und der Beschluß vom 16. Dezember 2002 insoweit
unter Beeinträchtigung ihrer organschaftlichen Befugnisse zustande gekommen wäre,
resultiert daraus nicht die Möglichkeit, die Unterlassung der Umsetzung des
Beschlusses zu erreichen.
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Dies folgt schon daraus, daß hinsichtlich der Ausführung des Beschlusses
Rechtsbeziehungen nur zwischen dem Beschlußorgan insgesamt, dem Rat, und dem
Ausführungsorgan, dem Bürgermeister, bestehen.
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Einzelne Organmitglieder - wie die Antragsteller - sind nicht befugt, - gewissermaßen als
„selbst ernannte Prozeßstandschafter" - die materiellen oder formellen Rechte des
Gesamtorgans, dem sie angehören, gegenüber anderen Organen gerichtlich geltend zu
machen.
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Vgl. VGH Mannheim, Beschluß vom 17. September 1984 - 9 S. 1076/84 - in NVwZ
1985, 284, 285.
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Die (behauptete) Verletzung von Mitgliedsschaftsrechten durch (angeblich)
unzureichende Informationen berührt allein den innerorganisatorischen Bereich der
Gemeinde. Nur in diesem Bereich besteht gegebenenfalls die Möglichkeit, um
Rechtsschutz nachzusuchen, wie dies die Antragsteller bereits in dem Klageverfahren
15 K 6509/02 eingeleitet haben.
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Soweit der Außenrechtskreis der Gemeinde betroffen ist - Umsetzung des
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Ratsbeschlusses durch Abschluß von Verträgen durch den Bürgermeister - entzieht sich
dieser dem Rechts- und Pflichtenkreis des einzelnen Ratsmitgliedes.
Vgl. zu Vorstehendem: OVG NRW, Beschlüsse vom 14. März 1986 - 15 B 13/86 - und
10. November 1987 - 15 B 2257/87 -, Fehrmann, Rechtsfragen des Organstreits,
NWVBl. 1989, 303, 310.
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Etwas anderes folgt auch nicht aus der Befürchtung der Antragsteller, gegen sie könnten
Amtshaftungsansprüche geltend gemacht werden.
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Abgesehen davon, daß damit wenig substantiiert ganz fernliegende Möglichkeiten
aufgezeigt werden, so ist überdies darauf hinzuweisen, daß im Außenverhältnis die
Gemeinde haftet (§ 839 BGB, Art. 34 GG). Für eine vorsätzliche oder grob fahrlässige
Verletzung von Pflichten - danach wäre gemäß § 43 Abs. 4 Buchstabe a GO NRW ein
Rückgriff der Gemeinde bei Ratsmitgliedern möglich - fehlt jeder Anhaltspunkt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes beruht auf § 13 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 20 Abs. 3 GKG und geht -
bezogen auf jeden Antragsteller - jeweils von der Hälfte des Ersatzstreitwertes aus.
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