Urteil des VG Gelsenkirchen vom 07.11.2007

VG Gelsenkirchen: kinderbetreuung, legasthenie, beamtenverhältnis, probe, teilzeitbeschäftigung, geburt, berufsausbildung, wochenende, lehrer, angestelltenverhältnis

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 1 K 4551/04
Datum:
07.11.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 4551/04
Schlagworte:
Alter, Höchstalter, Kinderbetreuung, Beamter, Einstellung
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2, LBG § 5, LBG § 7, LVO § 6, LVO § 52
Tenor:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der
Bezirksregierung N. vom 3. März 2004 und des
Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2004 verpflichtet, über die
Einstellung des Klägers in das Beamtenverhältnis auf Probe unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der am 31. Oktober 1966 geborene Kläger steht als Lehrer im Angestelltenverhältnis an
der Q. -E. -Schule in X. im Dienst des Beklagten. Er hat zwei Kinder: den am 11. Juli
1994 geborenen Sohn U. C. und den am 24. Januar 2002 geborenen Sohn N1. K. .
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Nach dem Abitur im Jahr 1987 absolvierte der Kläger von Dezember 1987 bis Juli 1989
den Zivildienst. In den Jahren 1989 und 1990 machte der Kläger mehrere
Auslandsreisen, die er durch eine Beschäftigung in einem Heim für geistig behinderte
Kinder in C1. finanzierte.
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Im Oktober 1990 nahm der Kläger das Studium der Sonderpädagogik an der Universität
E1. auf. Von Juli 1994 bis März 1997 unterbrach der Kläger sein Studium, um seinen
Sohn U. C. zu betreuen und einer Teilzeitbeschäftigung bei dem Legasthenie-Zentrum
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in E1. nachzugehen. Am 8. November 2000 bestand er die Erste Staatsprüfung und am
31. Januar 2003 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für Sonderpädagogik.
Am 31. Januar 2003 schlossen der Kläger und der Beklagte einen Arbeitsvertrag über
die Beschäftigung des Klägers als vollbeschäftigter Lehrer im Angestelltenverhältnis
(BAT IIa) an der Q. -E. -Schule in X. ; die Beschäftigung erfolgte zunächst als Aushilfe
für eine beurlaubte Lehrkraft für die Zeit vom 1. Februar 2003 bis zum 31. Januar 2004.
Seit dem 15. September 2003 erfolgt die Beschäftigung auf der Grundlage eines
Arbeitsvertrages vom 12. September 2003 unbefristet.
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Den Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis begründete der Kläger mit
Schreiben vom 24. November 2003 wie folgt: Nach der Geburt seines ersten Sohnes am
11. Juli 1994 sei er gezwungen gewesen, sein Studium zu unterbrechen. Er habe sich
die Erziehung des Kindes mit der Mutter teilen müssen. Nach einer mit der Mutter
getroffenen Vereinbarung sollte er bis Oktober 1995 zu etwa 50 % an der Erziehung des
Sohnes beteiligt sein. Die anschließende Vereinbarung vom Oktober 1995, die bis zum
Frühjahr 1997 eingehalten worden sei, habe vorgesehen, dass der Kläger den Sohn an
den Wochentagen Donnerstag, Freitag und Samstag betreuen sollte. Nach
Wiederaufnahme des Studiums im Sommersemester 1997 habe er den Sohn an neun
Tagen im Monat betreut. Die Unterbrechung des Studiums sei erforderlich gewesen,
weil er keinerlei finanzielle Unterstützung für den Lebensunterhalt erhalten habe. Er
habe seinen Lebensunterhalt im Legasthenie-Zentrum verdient. Die
Teilzeitbeschäftigung habe drei Arbeitstage umfasst, an denen er 6 bis 7 Stunden, d. h.
ca. 16 - 20 Stunden wöchentlich gearbeitet habe. Er bitte, die Erziehungszeiten bei der
Übernahme in das Beamtenverhältnis zu berücksichtigen.
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Durch Bescheid vom 3. März 2004 lehnte die Bezirksregierung N. die Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe ab. Sie führte zur Begründung aus, die Anrechnung von
Kindererziehungszeiten nach § 6 Abs. 1 LVO setze voraus, dass der Kläger
überwiegend die Betreuung des Sohnes ausgeübt habe und dass die Berufstätigkeit
weniger als die Hälfte der Stundenzahl eines Vollbeschäftigten umfasst habe. Der
Kläger habe die hierzu von ihm verlangten Nachweise nicht beigebracht.
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Den Widerspruch des Klägers vom 29. März 2004 wies die Bezirksregierung N. durch
Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2004, zugestellt am 23. Juli 2004, zurück.
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Der Kläger hat am 6. August 2004 Klage erhoben. Er trägt vor, er habe seinen Sohn
auch an zwei bis drei Sonntagen im Monat sowie zu einem wesentlichen Teil auch
während der Schulferien sowie bei Erkrankungen und anderen Verhinderungen der
Mutter betreut.
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Der Kläger hat dazu eine Bescheinigung der Mutter vom 11. März 2005 vorgelegt. Eine
ebenfalls vorgelegte Bescheinigung des Legasthenie- Zentrums vom 19. Juli 2004 hat
folgenden Wortlaut: „Herr K1. T. war in der Zeit vom 01.01.1994 bis 7/96 in unserer
Praxis mit 19 Stunden wöchentlich beschäftigt."
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Außerdem habe er bei zwei weiteren Firmen gearbeitet:
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etwa von August 1996 bis zum Beginn des Sommersemesters 1997 für 2 - 3
Nachmittage pro Woche als Auslieferungsfahrer bei dem Sanitär- und
Installationsgroßhandel Held in E1. (Monatsverdienst zwischen 600 DM und 892,50
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DM) und
im Frühjahr 1997 zwei- bis dreimal wöchentlich bei der Tennisplatzbaufirma I.
(Monatsverdienst zwischen 931,30 DM und 1.251,47 DM). Die Tätigkeiten bei diesen
beiden Firmen hätten sich nicht überlappt.
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Studienleistungen habe er in der Zeit von Juli 1994 bis März 1997 nicht erbracht.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung N. vom 3. März
2004 und des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2004 zu verpflichten, über seinen
Antrag auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor, eine überwiegende Kinderbetreuung liege nicht vor. Die Betreuung am
Wochenende könne auch von einem hauptberuflich tätigen oder in der
Berufsausbildung stehenden Elternteil erwartet werden. Wenn der Kläger abgesehen
vom Wochenende den Sohn nur an zwei Tagen betreut habe, sei dies keine
überwiegende Betreuung. Ursache für die Überschreitung der Höchstaltersgrenze sei
daher nicht die Betreuung des Sohnes, sondern die notwendige Arbeit zum Bestreiten
des Lebensunterhalts gewesen.
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Die Kammer hat eine Auskunft des Legasthenie-Zentrums E1. eingeholt; auf die
Auskunft vom 9. August 2007, die die Arbeitszeit - einschließlich der Vor- und
Nachbereitung - mit 19 Wochenstunden zu je 60 Minuten an drei Nachmittagen -
Montag, Dienstag und Mittwoch - im Zeitraum Januar 1994 bis Juli 1996 angibt, wird
wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Personalakte des Klägers.
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Entscheidungsgründe:
22
Die zulässige Klage ist begründet.
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf Einstellung in
das Beamtenverhältnis auf Probe. Die Ablehnung seiner Einstellung in das
Beamtenverhältnis auf Probe durch den Bescheid der Bezirksregierung N. vom 3. März
2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2004 ist rechtswidrig und
verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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Der Neubescheidungsanspruch folgt aus Art. 33 Abs. 2 GG, § 5 Abs. 1 Nr. 3 a und § 7
LBG. Nach diesen Vorschriften ist über die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf
Probe nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu entscheiden. Darüber,
dass der Kläger diese fachlichen Anforderungen einschließlich der Befähigung für das
Lehramt für die Sonderpädagogik dem Grunde nach erfüllt, besteht zwischen den
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Beteiligten kein Streit. Der Beklagte hat seine ablehnende Entscheidung lediglich
darauf gestützt, dass der Kläger die gemäß § 52 Abs. 1 LVO maßgebliche
Höchstaltersgrenze von 35 Lebensjahren am 31. Oktober 2001 überschritten hat. Diese
Höchstaltersgrenze, die mit höherrangigem Recht - insbesondere dem Grundgesetz und
dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006 ( - AGG -, BGBl. I S.
1897) - vereinbar ist,
OVG NRW, Urteile vom 18. Juli 2007 - 6 A 4436/05, 6 A 4680/04 und 6 A 4770/04 -,
nrwe, mit weiteren Nachweisen;
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steht der Einstellung des Klägers in das Probebeamtenverhältnis jedoch nicht entgegen,
weil eine Ausnahmevorschrift zu Gunsten des Klägers eingreift.
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Wenn sich die Einstellung wegen der Geburt eines Kindes oder wegen der
tatsächlichen Betreuung eines Kindes unter 18 Jahren verzögert hat, darf die
Altersgrenze gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 LVO im Umfang der Verzögerung, höchstens um
drei, bei mehreren Kindern höchstens um sechs Jahre, überschritten werden. Der
Einstellungsbewerber muss sich anstelle der Berufsausbildung oder Berufsausübung
ganz oder überwiegend der Kinderbetreuung gewidmet haben. Bei Ausübung einer
Teilzeitbeschäftigung kommt es auf die nähere zeitliche Einteilung und Verteilung der
Arbeitszeit und der Kinderbetreuung nicht an. Die Übernahme der Kinderbetreuung
lediglich in der Freizeit, wie sie auch von einem hauptberuflich tätigen oder in der
Berufsausbildung stehenden Elternteil erwartet werden kann, reicht nicht aus.
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BVerwG, Urteile vom 18. Januar 1996 - 2 C 41.94 - ZBR 1996, 261; vom 18. Juni 1998 -
2 C 6.98 - ZBR 1998, 419; vom 20. Januar 2000 - 2 C 13.99 - ZBR 2000, 305; vom 13.
Juli 2000 - 2 C 21.99 - ZBR 2001, 32; vom 13. Juli 2000 - 2 C 17.99 - ZBR 2001, 33.
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Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 3 LVO sind hier erfüllt. Der Kläger hat im
Anschluss an die Geburt seines ersten Kindes (11. Juli 1994) eine Kinderbetreuungszeit
von zwei Jahren, 8 Monaten und 20 Tagen bis zum 31. März 1997 aufzuweisen. Bis zur
erneuten Aufnahme seines Studiums mit dem Sommersemester 1997 (1. April 1997)
betreute er tatsächlich seinen Sohn U. C. . Die Betreuung erfolgte überwiegend; das
heisst, im Verhältnis zu den sonstigen Tätigkeiten des Klägers überwog die Betreuung
des Kindes. Auch wenn der Kläger weder exmatrikuliert noch beurlaubt war, hatte er
faktisch sein Studium unterbrochen. Er hat in der Zeit von Juli 1994 bis März 1997 keine
Studienleistungen erbracht. Die Erwerbstätigkeiten, die der Kläger in diesem Zeitraum
ausübte, stellen die überwiegende Kinderbetreuung nicht in Frage. Im Legasthenie-
Zentrum in E1. war er lediglich unterhälftig, nämlich im Umfang von 19 Wochenstunden
(zu je 60 Minuten) an drei Nachmittagen (Montag, Dienstag, Mittwoch) beschäftigt. Die
nach dem Ende der Beschäftigung im Legasthenie-Zentrum (Juli 1996) ausgeübten
Tätigkeiten bei den Firmen Held und I. bleiben ebenfalls in diesem unterhälftigen
Rahmen. Die Betreuung des Kindes leistete der Kläger - neben der Kindesmutter - an
Donnerstagen, Freitagen, Samstagen und einem wesentlichen Teil der Sonntage und
Ferienzeiten sowie weiteren Zeiten, in denen die Mutter verhindert war. Der vom
Beklagten insoweit geltend gemachte Einwand, dass die Betreuung an Wochenenden
auch von einem Vollbeschäftigten zu erwarten sei und deshalb der verbleibende Teil
der Kinderbetreuung nicht mehr die Berufstätigkeit überwiege, greift nicht durch. Die
Verteilung der Arbeits- und Betreuungszeiten auf die Woche ist nicht maßgeblich. Die
Festlegung der Arbeitszeit auf die Tage von Montag bis Freitag entspricht zwar der
regelmäßigen Arbeitzeitgestaltung bei der Mehrheit der Beschäftigten. Aber eine
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Vollzeitbeschäftigung wie auch eine Teilzeitbeschäftigung kann sich auch auf das
Wochenende erstrecken; für einige bestimmte Berufe - etwa in Dienstleistungsbereichen
wie der Gastronomie und des Verkehrswesens - ist gerade eine solche Verteilung von
Arbeitszeit und Freizeit typisch. Maßgeblich ist hier, dass der Kläger durch die
erheblichen Betreuungszeiten an der Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung gehindert
war. Dies gilt zumal, wenn die sonstigen Pflichten des Klägers, z. B. im Rahmen der
Haushaltsführung, berücksichtigt werden. Üblicherweise verrichtete der Kläger am
Mittwoch Vormittag Arbeiten im Haushalt und an zahlreichen Montagen mußte er
vormittags seinen Sohn zur Mutter zurückbringen. Die konkrete Ausgestaltung seiner
Beschäftigungsverhältnisse war unterhälftig, so dass die Kinderbetreuung überwog.
Die Sachverhaltsfeststellungen zu den Beschäftigungs- und Betreuungsverhältnissen
beruhen auf den - allerdings nicht immer gleich bleibenden - Angaben des Klägers, den
Bescheinigungen des Legasthenie- Zentrums und der Bescheinigung der Kindesmutter.
Angesichts der vom Kläger glaubhaft geschilderten Schwierigkeiten, überhaupt eine
Bescheinigung des Legasthenie-Zentrums zu erhalten, ist es auszuschließen, dass es
sich insoweit um Gefälligkeitsbescheinigungen handelt. Außerdem wird der begrenzte
Umfang der Beschäftigungen im Legasthenie-Zentrum und bei den beiden weiteren
Firmen bestätigt durch die Nachweise über die Arbeitsentgelte, deren Höhe auf eine
sehr beschränkte Teilzeitbeschäftigung schließen läßt. Letztlich ist auch der Beklagte
den tatsächlichen Angaben des Klägers zu den Beschäftigungs- und Betreuungszeiten
nicht mehr entgegengetreten.
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Bei Wirksamwerden des unbefristeten Arbeitsvertrags zum 15. September 2003 hatte
der Kläger die Höchstaltersgrenze nur um 1 Jahr, 11 Monate und 15 Tage überschritten.
Die Überschreitung beträgt damit weniger als die Kinderbetreuungszeit und deutlich
weniger als die eventuell maßgeblichen vollen drei Jahre des § 6 Abs. 1 Satz 3 LVO.
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vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 5. Januar 2007 - 6 A 2147/04 -.
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Die durch die Kinderbetreuung entstandene Verzögerung war auch kausal für die
verspätete Einstellung des Klägers in den Schuldienst. Die betreuungsbedingte
Verzögerung muss nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein - Westfalen,
34
Urteile vom 28. Mai 2003 - 6 A 510 / 01 - und vom 7. September 1994 - 6 A 3377 / 93 -,
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die entscheidende unmittelbare Ursache dafür gewesen sein, dass der Bewerber nicht
schon vor der Vollendung des 35. Lebensjahres, sondern erst danach in den
öffentlichen Dienst eingestellt wurde.
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Die erforderliche Kausalität setzt nicht nur voraus, dass die Geburt oder die Betreuung
von Kindern die Einstellung verzögert hat, sondern verlangt darüber hinaus, dass die
ohne die Kinderbetreuung mögliche frühere Bewerbung um Einstellung hätte Erfolg
haben können. Außerdem ist erforderlich, dass nach der Zeit einer Kinderbetreuung
nicht andere von dem Bewerber zu vertretende Umstände hinzugekommen sind, die
unabhängig von der Kinderbetreuung erst den Zeitpunkt der Einstellung über die
Höchstaltersgrenze hinausgeschoben haben.
37
vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juli 2000 - 2 C 21.99 -; OVG NRW, Urteil vom 28. Mai 2003
- 6 A 510 / 01 - .
38
Vermeidbare Verzögerungen nach Zeiten der Kinderbetreuung unterbrechen den
Kausalzusammenhang zwischen der Kinderbetreuung und der Verzögerung der
Einstellung.
39
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 28. Mai 2003 - 6 A 510 / 01 - und vom 7. September 1994 -
6 A 3377 / 93 - .
40
Der Kläger hat keine Zeiten aufzuweisen, die den Kausalzusammenhang zwischen
Kinderbetreuung und verzögerter Einstellung unterbrochen haben könnten. Nach der
Kinderbetreuung hat er zügig sein Studium fortgesetzt und die beiden Staatsexamina
abgelegt. Auf das zweite Examen folgte zum nächsten Haupteinstellungstermin - nach
den Sommerferien 2003 - die unbefristete Beschäftigung als angestellter Lehrer.
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Ob eine ohne die Kinderbetreuung mögliche frühere Bewerbung des Klägers um eine
Einstellung nach Erlangen der Laufbahnbefähigung und vor Vollendung des 35.
Lebensjahres zu den Einstellungsterminen in den Jahren 2000 und 2001 Erfolg gehabt
hätte, ist nicht mehr aufzuklären. Der Beklagte hat eine eigene Aufklärungsmöglichkeit
bei der Bezirksregierung N. verneint, da die einschlägigen Unterlagen bereits vernichtet
wurden. Er sieht allenfalls die Chance, auf dem Computer eines Mitarbeiters der
Bezirksregierung B. noch Recherchen anzustellen; auf diesem Computer sollen Daten
früherer landesweiter Bewerbungsverfahren noch gespeichert sein. Ob gerade für die
hier maßgeblichen Bewerbungsverfahren der Jahre 2000 und 2001 noch Daten
vorhanden sind, erscheint zweifelhaft. Der Beklagte hat von einer eigenen Mitwirkung
an der weiteren Aufklärung dieses Sachverhaltskomplexes ausweislich seiner
Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2007 ausdrücklich
abgesehen. Angesichts dieser Erklärung des Beklagten besteht für das Gericht keine
Pflicht zur weiteren Aufklärung dieses in der Sphäre des Beklagten liegenden
Sachverhalts. Nach ständiger höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung
hat der Beklagte die prozessualen Folgen der Unerweislichkeit zu tragen.
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BVerwG, Urteile vom 20. Januar 2000 - 2 C 13.99 - , ZBR 2000, 305, und vom 13. Juli
2000 - 2 C 21.99 - , ZBR 2001, 32; OVG NRW, Urteile vom 19. Dezember 2001 - 6 A
693/96 - , DÖD 2002, 262, und vom 28. Mai 2003 - 6 A 510/01 - .
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Deshalb ist für die vorliegende Entscheidung davon auszugehen, dass der Kläger mit
einer Bewerbung in den Jahren 2000 und 2001 vor Vollendung seines 35. Lebensjahres
Erfolg gehabt hätte.
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Dass der Kläger im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die zulässige
Höchstaltersgrenze bereits um mehr als sechs Jahre und damit um einen größeren als
den nach § 6 Abs. 1 Satz 3 LVO höchstzulässigen Verzögerungsumfang überschritten
hat, steht dem Klagebegehren nicht entgegen. Denn sofern dem Kläger im Zeitpunkt
seiner Einstellung in ein unbefristetes Angestelltenverhältnis am 15. September 2003
der geltend gemachte Anspruch auf Verbeamtung zustand, kann dem über die
Ausnahmeregelung des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO auch heute noch Rechnung
getragen werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
47
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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