Urteil des VG Gelsenkirchen vom 19.04.2002

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 L 645/02
Datum:
19.04.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 L 645/02
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Gesellschafter der Antragstellerin
als Gesamtschuldner. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen
sind nicht erstattungsfähig. Der Streitwert wird auf 2.000,00 ( festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der sinngemäß gestellte Antrag,
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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die der
Beigeladenen erteilte einstweilige Erlaubnis nach § 20 des
Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) vom 22. März 2002 zum Betreiben eines
Pendelbusverkehrs zwischen dem Flughafen Dortmund und dem Bahnhof Holzwickede
wiederherzustellen,
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hat keinen Erfolg. Das gilt jedenfalls deshalb, weil das öffentliche Interesse an der
sofortigen Einrichtung und Aufrechterhaltung des umstrittenen Flughafentransfers durch
die Beigeladene größer ist als das private Interesse der Antragstellerin an dessen
Verhinderung.
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Offen bleiben kann unter diesen Umständen, ob die Antragstellerin überhaupt
antragsbefugt ist. Sie ist nämlich in Bezug auf diesen Verkehr nicht „vorhandene
Unternehmerin" im Sinne von § 13 Abs. 2 PBefG; die Antragsbefugnis solcher
Unternehmer gegen die einem anderen Unternehmer erteilte einstweilige Erlaubnis
nach § 20 PBefG ist unstreitig.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. Oktober 1968 - VII C 90.66 -,
BVerwGE 30, 347; Oberverwaltungsgericht Mecklenburg- Vorpommern (OVG MV),
Beschluss vom 23. Januar 1996 - 1 M 1/96 -, NVwZ - RR 97, 139.
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Vorhandene Unternehmerin ist die Antragstellerin, ungeachtet des Umstandes, dass die
Genehmigung, auf die sie sich insoweit beruft, nicht ihr, sondern nur ihrer
Gesellschafterin erteilt worden ist, deshalb nicht, weil mit der ihrer Gesellschafterin
erteilten Genehmigung nicht die Verkehrsaufgaben wahrgenommen werden können, die
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der umstrittene Verkehr übernehmen soll (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b) PBefG) und
weil weder der Gesellschafterin noch der Antragstellerin in Bezug auf diesen Verkehr
ein Ausgestaltungsrecht gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c) PBefG zusteht. Die
Gesellschafterin der Antragstellerin besitzt eine Genehmigung für die Einrichtung und
den Betrieb eines Flughafen-Zubringer-Verkehrs als Sonderform des Linienverkehrs mit
Personenkraftwagen nach § 43 i. V. m. § 2 Abs. 6 PBefG; diese Vorschriften liegen auch
dem umstrittenen Verkehr zugrunde. Danach ist es ihr gestattet, Fluggäste, die eine
Flugreise an den Flughäfen Düsseldorf, Köln/Bonn, Paderborn/Lippstadt,
Münster/Osnabrück und Dortmund antreten oder beenden wollen, dorthin oder von dort
zu oder aus den Städten Arnsberg, Bochum, Dortmund, Schwerte, Unna, Lünen und
Kamen zu befördern. Dabei ist der Sammeltransfer ab bestimmten Zustiegsstellen
(Haltestellen) untersagt; die Fahrgäste dürfen vielmehr nur von oder zu ihren
Wohnungen von oder zu den genehmigten Flughäfen befördert werden. Auch eine
darüber hinausgehende Unterwegsbedienung ist untersagt. Für die Fahrt müssen die
Fahrgäste ein Entgelt entrichten.
Im Vergleich hierzu stellt sich der umstrittene Pendelbusverkehr der Beigeladenen
zwischen dem Bahnhof Holzwickede und dem Flughafen Dortmund als etwas völlig
anderes dar. Der eingesetzte Pendelbus verkehrt nach einem festen Fahrplan viermal
pro Stunde in jede Richtung. Die Benutzer brauchen die Fahrt daher nicht vorher zu
bestellen. Sie werden auch unentgeltlich befördert. Schließlich ist der Benutzerkreis
nicht auf die Bewohner von Holzwickede beschränkt, sondern Ziel der neuen Linie ist es
gerade, Fluggäste unabhängig von ihrem Wohnort zwischen dem Bahnhof Holzwickede
und dem Flughafen Dortmund zu befördern, damit sie von ihrem Wohnort aus mit der
Bahn anreisen oder mit der Bahn dorthin zurückkehren können. Es handelt sich daher
bei dem umstrittenen Linienverkehr um eine neue Sonderlinie und nicht um eine
Verbesserung oder Vervollständigung des Verkehrsangebots der Gesellschafterin der
Antragstellerin. Gegen die Einrichtung neuer Verkehre sind aber vorhandene
Unternehmer nicht geschützt.
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Vgl. Fielitz-Grätz, Personenbeförderungsgesetz, Kommentar, Rdnr. 16 zu § 13 mit
weiteren Nachweisen; Biedinger, Personenbeförderungsrecht, Kommentar, § 13 PBefG,
Anmerkung 47.
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Die Antragstellerin ist daher nur als einfacher Konkurrent in Bezug auf den der
Beigeladenen vorläufig genehmigten Flughafenzubringerdienst anzusehen. Bloße
Konkurrenten sind aber in einem Rechtsstreit gegen die einem Dritten erteilte
einstweilige Erlaubnis gemäß § 20 PBefG anders als in einem Rechtsstreit um die
gemäß § 15 PBefG erteilte endgültige Genehmigung mit großer Wahrscheinlichkeit
nicht klage- oder antragsbefugt.
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Vgl. OVG MV, a. a. O.
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Diese Frage braucht hier jedoch nicht weiter vertieft zu werden. Der Antrag der
Antragstellerin könnte nämlich in der Sache nur dann Erfolg haben, wenn die
angefochtene einstweilige Erlaubnis der Beigeladenen offensichtlich rechtswidrig wäre
oder aus anderen Gründen das private Interesse der Antragstellerin, den der
Beigeladenen einstweilen erlaubten und inzwischen von ihr aufgenommenen Verkehr
zu verhindern, größer wäre als das öffentliche Interesse an der vorläufigen
Aufrechterhaltung dieses Verkehrs. Beides ist nicht der Fall. Es spricht nämlich viel
dafür, dass die angefochtene Erlaubnis rechtmäßig ist. Bei der Bewertung von
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Verkehrsbedürfnissen und ihrer befriedigenden Bedienung steht der zuständigen
Behörde im Rahmen des § 13 Abs. 2 PBefG ein gerichtlich nur eingeschränkt zu
überprüfenden Beurteilungsspielraum zu.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 1989 - 7 C 39.87 -, NZV 90, 206.
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Dies kann bei der Frage, ob öffentliche Verkehrsinteressen gemäß § 20 PBefG die
sofortige Einrichtung eines Linienverkehrs mit Kraftfahrzeugen rechtfertigen, nicht
anders sein. Unter diesen Umständen ist die Entscheidung der Antragsgegnerin, ein
öffentliches Verkehrsinteresse daran zu bejahen, dass mit dem Zubringerdienst
zwischen Flughafen Dortmund und Bahnhof Holzwickede pünktlich mit Inkrafttreten des
Sommerflugplans am 24. März 2002 begonnen werden konnte, wahrscheinlich rechtlich
nicht zu beanstanden. Die Aufnahme des neuen Angebots zum Erreichen des
Flughafens mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einem unbestimmten späteren Zeitpunkt
hätte dessen Akzeptanz auch erheblich beeinträchtigt, zumal dann auf diese Möglichkeit
nicht erfolgreich hätte werbend hingewiesen werden können.
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Andere Gesichtspunkte, die offensichtlich durchschlagende Bedenken an der
Rechtmäßigkeit der der Beigeladenen erteilten einstweiligen Erlaubnis begründen, sind
nicht ersichtlich. So hat die Schwerbehinderung des Gesellschafters der Antragstellerin
für die Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis gemäß § 20 PBefG schon deshalb keine
Bedeutung, weil diese Erlaubnis befristet und widerruflich ist und keinen gesicherten
Status vermittelt, der einem Schwerbehinderten den Schritt in die Selbständigkeit
erleichtert. Ob und ggfs. wie die Schwerbehinderung des Gesellschafters der
Antragstellerin bei der Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung nach § 15
PBefG zu berücksichtigen ist, ist hier nicht zu erörtern. Auch die von der Antragstellerin
angesprochene Frage der Verpflichtung der Antragsgegnerin, gemäß § 8 Abs. 3 PBefG
auf Verkehrskooperationen hinzuwirken, spielt im Zusammenhang mit der Entscheidung
nach § 20 PBefG keine Rolle. Hinzu kommt, dass § 8 PBefG nicht auf den Schutz
bestehender Unternehmer abstellt, sondern auf die Interessen der Verkehrsbenutzer.
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Vgl. Fielitz-Grätz, a. a. O., Rdnr. 13 zu § 13.
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Bei der nach alledem notwendigen Abwägung der öffentlichen Interessen und der
privaten Interessen der Antragstellerin gemäß § 80 a Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 5 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) überwiegen die öffentlichen Interessen deutlich.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die einstweilige Erlaubnis gemäß § 20 PBefG keine
vollendeten Tatsachen schafft und die Konkurrenzsituation zwischen Antragstellerin und
Beigeladener nicht zu Gunsten der Beigeladenen verbessert, soweit es um die
endgültige Genehmigung nach § 15 PBefG geht. Gemäß § 20 Abs. 3 Satz 2 PBefG
begründet die einstweilige Erlaubnis nämlich keinen Anspruch auf Erteilung einer
Genehmigung. Sie vermittelt daher auch keine Rechtsstellung als vorhandener
Unternehmer.
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Vgl. OVG MV, a. a. O.
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Andererseits bestand ein großes Interesse an der Aufnahme des umstrittenen
Flughafentransfers mit Inkrafttreten des Sommerflugplans am 24. März 2002. Zu diesem
Zeitpunkt war erkennbar nur die Beigeladene auf Grund ihrer Vereinbarungen mit der
Flughafen GmbH und der Firma Taxi E. e. G. bereit, den Verkehr aufzunehmen.
Demgegenüber hatte die Antragstellerin dem Antragsgegner nicht nachgewiesen und
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hat auch im vorliegenden Verfahren nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht , dass sie
ebenfalls in der Lage gewesen wäre, mit dem Flughafentransfer so, wie sie ihn in ihrem
Genehmigungsantrag und den zahlreichen Eingaben beschrieben hatte, rechtzeitig zu
beginnen. Ihre Absicht war es, Busse bereitzuhalten, die die Beförderung der am
Flughafen E. oder Bahnhof Holzwickede ankommenden Fluggäste jeweils auf
Bestellung durchführen sollten. Zumindest an den dafür notwendigen Rufsäulen am
Bahnhof und am Flughafen hätte es gefehlt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Dabei sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht der Antragstellerin
aufzuerlegen, weil die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich deshalb nicht selbst
einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
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Die Streitwertentscheidung beruht auf § 20 Abs. 3 i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 2 des
Gerichtskostengesetzes.
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