Urteil des VG Gelsenkirchen vom 04.06.2003

VG Gelsenkirchen: rücknahme der klage, sonderschule, behinderung, lehrer, schüler, fortbewegung, hemiplegie, aufwand, zuwendung, sportunterricht

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 4 K 6065/00
Datum:
04.06.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 6065/00
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage
zurückgenommen hat. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die
Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der
Kosten vorläufig vollstreckbar, soweit diese nicht auf der
Klagerücknahme beruhen. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung entsprechend Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d :
Die Tochter ........der Klägerin wurde am 7. Juli 1987 geboren. Sie ist u.a.
aufgrund einer spastischen Hemiplegie links und einer Fehlstellung der
Füße gehbehindert. Zur Fortbewegung benötigt .........beidhändig
Vierpunkt-Gehhilfen.
Im Schuljahr 1994/95 wurde ........schulpflichtig, jedoch für ein Jahr vom
Schulbesuch zurückgestellt. In der Folgezeit wurde ein Verfahren zur
Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs im Hinblick auf
eine Körperbehinderung .........eingeleitet. Das sonderpädagogische
Gutachten vom 3. Juli 1995 kam zusammenfassend zu dem Ergebnis,
dass unter Berücksichtigung der verzögerten Entwicklung und der
motorischen Behinderung von einer sonderschulbedürftigen
Körperbehinderung entsprechend Ziffer 2.5 SAV auszugehen sei.
Empfohlen wurde die Einschulung in die integrative Klasse 1 der
Grundschule an der ................ Mit Bescheid vom 5. Juli 1995 stellte der
Beklagte fest, dass bei ........eine Körperbehinderung gemäß Ziffer 2.5
SAV vorliege und setzte als Förderort eine Schule für Körperbehinderte
fest. Aufgrund des gestellten Antrags könne ......aber auch am
gemeinsamen Unterricht zur Integration Behinderter in Regelklassen an
der Katholischen Grundschule ...........teilnehmen.
Ab dem Schuljahr 1995/96 besuchte ..........die Grundschule an der
.............in ......; dort nahm sie am gemeinsamen Unterricht teil und wurde
sonderpädagogisch gefördert. In einem Protokoll der Zeugniskonferenz
der Klasse 3 A vom 10. Juni 1998 wurde ausgeführt, dass bei ........eine
Körperbehinderung und eine Lernbehinderung vorlägen. Aus einer
Stellungnahme der damaligen Klassenlehrerin ........vom 19. April 1999
geht ferner hervor, dass ........ in der Klasse 4 nach den Grundlagen des
2. Schuljahres bzw. nach den Richtlinien für Lernbehinderte der
Klassenstufe 4 unterrichtet wurde. Im Schuljahr 1999/2000 verblieb.........,
die aufgrund von Fehlzeiten im letzten Schuljahr nicht regelmäßig am
Unterricht teilgenommen hatte, weiter in der 4. Klasse der Grundschule.
Im Rahmen der jährlichen Überprüfung des sonderpädagogischen
Förderbedarfs und des Förderortes nach § 14 VO-SF beschloss die
Versetzungskonferenz der o.g. Grundschule am 21. Mai 2000 nach
Einholung eines sonderpädagogischen Gutachtens, dass bei ........weiter
ein sonderpädagogischer Förderbedarf gemäß § 14 VO-SF bestehe und
ein Schulwechsel zu einer Schule für Körperbehinderte erfolgen solle.
Nach dem Inhalt des Gutachtens seien ........schulische Leistungen eher
dem Leistungsniveau lernbehinderter Schüler zuzuordnen. Aufgrund der
Einschränkungen der Wahrnehmung und der Motorik liege der
schwerpunktmäßige Förderbedarf aber im Bereich der
Körperbehinderung.
Nach Anberaumung eines Gesprächstermins mit der Klägerin, den diese
nicht wahrnahm, entschied der Beklagte mit Bescheid vom 28. Juli 2000,
dass bei ......ab dem 14. August 2000 eine sonderpädagogische
Förderung an einer Schule für Körperbehinderte notwendig sei.
Nächstgelegene Schule dieses Schultyps sei die ............. Dabei wurde
darauf hingewiesen, dass ein gemeinsamer Unterricht für behinderte
und nicht behinderte Kinder, die zieldifferenziert unterrichtet werden
müssten, in Gelsenkirchen in der Sekundarstufe I nicht angeboten
werde. Aufgrund der mit Bescheid vom 5. Juli 1995 festgestellten und
nach dem Ergebnis der jährlichen Überprüfung nach § 14 VO-SF auch
weiterhin vorliegenden Körperbehinderung und der Lernbehinderung
könne eine angemessene sonderpädagogische Förderung
zieldifferenziert nur an einer Schule für Körperbehinderte erfolgen.
Zugleich ordnete der Beklagte die sofortige Vollziehung des Bescheides
an.
Hiergegen erhob die Klägerin am 14. August 2000 Widerspruch......... sei
zwar körperbehindert, indessen liege aber eine Lernbehinderung, die
eine zieldifferenzierte sonderpädagogische Förderung erfordere, nicht
vor. Das Kinderzentrum München sei in seiner ärztlichen Stellungnahme
vom 3. September 2000 zu der Bewertung gekommen, dass bei einem
im Durchschnitt liegenden Ergebnis einer ausführlichen
psychologischen Testung .......nicht unbedingt in eine Schule für
Körperbehinderte eingeschult werden müsse. Die Klägerin hat darüber
hinaus eine ärztliche Stellungnahme des Herrn Dr. ........von der
Abteilung für Kinderorthopädie des Marienstifts .........vom 13. März 2000
vorgelegt, nach der bei ......durch die Cerebralparese mit spastischer
Diparese und durch die zusätzliche Hüftkopfnekrose eine erhebliche
Körperbehinderung vorliege.
Den von der Klägerin gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes - 4 L 1735/00 - hat die Kammer mit Beschluss vom 24.
August 2000 abgelehnt. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2000
wies auch die Bezirksregierung Münster den Widerspruch als
unbegründet zurück. Als Folge der Entscheidungen besucht .........seit
dem Schuljahr 2000/01 die .................. Die Klägerin hat am 26. Oktober
2000 Klage erhoben. Das Gericht hat über Art und Umfang des
sonderpädagogischen Förderbedarfs für die Tochter der Klägerin
Beweis erhoben durch Einholung dienstlicher Stellungnahmen der
früheren Klassenlehrerin an der Grundschule, der unterrichtenden
Lehrer an der ........sowie durch Erstellung eines sonderpädagogischen
Gutachtens entsprechend § 11 Abs. 1 Satz 1 VO-SF. Den
Stellungnahmen der Lehrer vom 21. Januar 2001 und 1. Februar 2001
ist zu entnehmen, dass sich .......aufgrund ihrer Behinderung nur in
einem sehr langsamen Gehtempo bewege. Beim Transportieren von
Gegenständen und Arbeitsmaterialien sei sie stark eingeschränkt.
Klassen- und Fachraumwechsel über zwei Ebenen seien mit einem
großen zeitlichen Aufwand verbunden, wobei .........Treppen nicht allein
bewältigen könne. Die Lehrer der ......... kommen in ihrer Stellungnahme
vom 1. Februar 2001 zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass .........auf
jeden Fall innerhalb der Unterrichtsstunden eine erhöhte personelle
Zuwendung benötige, um die an sie gestellten organisatorischen
Aufgaben zeitangemessen zu bewältigen, eine erhöhte personelle
Zuwendung benötige, um Raumwechsel mit und ohne
Arbeitsmaterialien in einem gesteigerten Tempo zu gewährleisten,
umfangreiche, zeitliche Zugeständnisse benötige, die von der
eigentlichen Unterrichtszeit abgezogen werden müssten, um ihren
Arbeitsplatz möglichst eigenständig einzurichten, Unterrichtsstunden in
anderen Räumen pünktlich zu erreichen oder sich für den Sportunterricht
umzukleiden, räumliche Voraussetzungen benötige, die von ihr keine
Stockwerkwechsel über Treppen verlangten und kurze Wege zwischen
den einzelnen Fachräumen sowie ebene Eingänge ins Schulgebäude
gewährleisteten, für den Schulweg einen Fahrdienst o.ä. benötige für die
Teilnahme an Unterrichtsgängen und Ausflügen ein Rollstuhl notwendig
wäre. Das sonderpädagogische Gutachten vom 31. Januar 2001 kommt
darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass ........intellektuelle Leistungen
sämtlich im Bereich unterdurchschnittlicher bis extrem
unterdurchschnittlicher Intelligenz mit einem gemessenen IQ-Wert von
54 (AID) lägen. Ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten entsprächen nicht den
Anforderungen zum Ende der Grundschulzeit. Eine Aufnahme und
Weiterführung der Kenntnisse in der weiterführenden Schule sei nicht
möglich. Bei ......liege eine Lernbehinderung im Sinne des § 5 Abs. 1
VO-SF vor. Eine Förderung an einer Schule für Lernbehinderte komme
nicht in Frage, da .....Wege, Treppen etc. nicht oder nicht in
angemessener Zeit bewältigen könne. Zudem ginge für sie eine starke
Gefährdung von der für Schüler der Schule für Lernbehinderte typischen
Bewegungsintensität und mangelnden Bewegungskoordination aus.
Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Juli 2001 fest, dass
bei .........auch eine Lernbehinderung gemäß § 5 Abs. 1 VO-SF vorliege
und eine entsprechende sonderpädagogische Förderung an einer
Schule für Körperbehinderte erteilt werde. Der Besuch einer Schule für
Körperbehinderte sei notwendig, da neben der Körperbehinderung auch
eine Lernbehinderung vorliege. Den hiergegen erhobenen Widerspruch
wies die Bezirksregierung Münster mit Widerspruchsbescheid vom 23.
Juli 2001 zurück. Dagegen hat die Klägerin am 10. August 2001 Klage
erhoben. Zunächst hat die vorgetragen, dass ......zwar körperbehindert,
nicht aber lernbehindert sei. Insgesamt lägen die Voraussetzungen für
eine sonderpädagogische Förderung an einer Schule für
Körperbehinderte nicht vor. Die Klägerin hat während des
Klageverfahrens einen Bericht des Schulpsychologen Dr. phil. ......von
der Schulberatungsstelle der Stadt ........vom 26. August 2002 vorgelegt,
in dem ausgeführt wird, dass bei ........eine nonverbale Lernstörung
vorliege. Es träten gravierende Lernprobleme vorwiegend im Bereich
Mathematik auf. Da die Körperbehinderung eher geringfügig sei und den
Bewegungsspielraum nicht übermäßig einschränke, werde ein Wechsel
auf eine Schule für Lernbehinderte empfohlen. Nachdem die Klägerin in
der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass die Feststellung der
Lernbehinderung nicht mehr angefochten wird, beantragt sie nunmehr
unter diesbezüglicher Rücknahme der Klage,
den Beklagten unter entsprechender Aufhebung seiner Bescheide vom
28. Juli 2000 und 4. Juli 2001 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide
der Bezirksregierung Münster vom 5. Oktober 2000 und 23. Juli 2001 zu
verpflichten, als Förderort eine Schule für Lernbehinderte zu bestimmen
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dem Gericht liegen weitere Berichte zum Förderbedarf der
Klassenlehrerin Frau .......vom 30. Oktober 2001, 14. Juni 2002 und 28.
Februar 2003 vor, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf
den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der Bezirksregierung
Münster Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung durch die Stellung
des reduzierten Klageantrags die Klage insoweit zurückgenommen hat,
als es um die mit Bescheid vom 4. Juli 2001 erfolgte Feststellung des
Vorliegens einer Lernbehinderung bei ihrer Tochter ......geht, ist das
Klageverfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - einzustellen.
II. Im Übrigen ist die mit Bescheiden des Beklagten vom 28. Juli 2000
und 4. Juli 2001 jeweils in der Gestalt der Widerspruchsbescheide der
Bezirksregierung Münster vom 5. Oktober 2000 und 23. Juli 2002
erfolgte Einweisung der Tochter ......der Klägerin in die Sonderschule für
Körperbehinderte rechtmäßig, so dass die Klägerin keinen Anspruch
darauf hat, dass als Förderort eine Sonderschule für Lernbehinderte
bestimmt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
Die Einweisung in die Sonderschule richtet sich nach § 7 Abs. 1 des
Schulpflichtgesetzes - SchPflG -. Danach werden Schulpflichtige, die
wegen körperlicher, seelischer oder geistiger Behinderung oder wegen
erheblicher Beeinträchtigung des Lernvermögens im Unterricht einer
Grundschule oder einer weiterführenden allgemeinen Schule nicht
hinreichend gefördert werden können, ihrem individuellen Förderbedarf
entsprechend sonderpädagogisch gefördert. Sie erfüllen die Schulpflicht
durch den Besuch einer allgemeinen Schule oder - wie hier - einer
Sonderschule. Nach § 7 Abs. 4 SchPflG entscheidet über den
sonderpädagogischen Förderbedarf und den Förderort die
Schulaufsichtsbehörde. Vor der Entscheidung sind die Zustimmung des
Schulträgers, ein sonderpädagogisches Gutachten und ein Gutachten
des Gesundheitsamtes einzuholen; ferner sind die
Erziehungsberechtigten zu beteiligen. Die Einzelheiten des Verfahrens
regelt die ​Verordnung über die Feststellung des sonderpädagogischen
Förderbedarfs und die Entscheidung über den schulischen Förderort"
(VO-SF) - nebst den zugehörigen Verwaltungsvorschriften - (BASS 14-
03 Nr. 2.1 und 2.2).
Im Hinblick auf das nach den vorbezeichneten Vorschriften
einzuhaltende Verfahren (vgl. namentlich § 11 VO-SF) ist die
Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden.
Bezüglich der materiellen Voraussetzungen der angefochtenen
Bescheide ist bei der gerichtlichen Überprüfung der behördlichen
Entscheidung mit Rücksicht auf deren Dauerwirkung die Entwicklung
des betroffenen Schülers bis zum Zeitpunkt der letzten
tatsacheninstanzlichen Entscheidung zu berücksichtigen.
Ständige Rechtsprechung; vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 4. November 1988 - 19 A
881/88 - Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Rechtsprechungsreport
(NVwZ-RR) 1989, 303 (304).
1. Bei der Tochter ......der Klägerin liegt zunächst eine
sonderschulbedürftige Körperbehinderung i.S.d. Ziffer 2.5 SAV bzw. § 7
VO-SF vor. Die entsprechende Feststellung hat der Beklagte bereits mit
dem bestandskräftigen Bescheid vom 5. Juli 1995 getroffen. Der
streitgegenständliche Bescheid vom 28. Juli 2000 geht insoweit nach
dem Ergebnis der jährlichen Überprüfung nach § 14 VO-SF vom
Fortbestand dieser Körperbehinderung aus und enthält als Regelung
allein die Bestimmung über den weiteren Förderort nach Abschluss der
Grundschulzeit. Der damit bestandskräftigen Feststellung der
Körperbehinderung steht nicht entgegen, dass nach § 14 Abs. 3 VO-SF
bei einem Schulwechsel die §§ 12 und 13 entsprechende Anwendung
finden; der Regelung ist nach dem Sinn und Zweck jedenfalls nicht zu
entnehmen, dass bei einem Schulwechsel erneut über den
sonderpädagogischen Förderbedarf als solchen zu entscheiden wäre,
die entsprechende Feststellung bei einem Schulwechsel also ​enden"
würde. Die entsprechende Anwendung der §§ 12 und 13 VO-SF bezieht
sich auf den künftigen Förderort, der namentlich die Voraussetzungen
nach § 12 Abs. 2 VO-SF zu erfüllen hat. Dabei kann hier dahinstehen,
ob insoweit über diesen weiteren Förderort eine erneute Entscheidung
zu ergehen hat.
2. Darüber hinaus liegt bei .....auch eine Lernbehinderung vor, die erst im
Laufe des gerichtlichen Verfahrens durch den Beklagten mit Bescheid
vom 4. Juli 2001 förmlich festgestellt worden ist. Hiergegen wendet sich
die Klägerin im vorliegenden Klageverfahren auch nicht mehr, wie sie in
der mündlichen Verhandlung erklärt hat, so dass diese Feststellung
nunmehr bestandskräftig ist.
3. Die Bescheide des Beklagten vom 28. Juli 2000 und 4. Juli 2001 sind
auch nicht insoweit ganz oder teilweise aufzuheben, als sie als
gesondert zu beurteilendes Regelungselement die Festlegung des
Förderortes in Form der Entscheidung enthalten, dass die Tochter der
Klägerin eine Schule für Körperbehinderte zu besuchen habe. Die
Klägerin hat demzufolge keinen Anspruch darauf, dass als Förderort
eine Schule für Lernbehinderte bestimmt wird.
Die Festlegung der Schule für Körperbehinderte als Förderort für die
Tochter der Klägerin war im Zeitpunkt des Abschlusses der
Verwaltungsverfahren durch Erlass der jeweiligen
Widerspruchsbescheide vom 5. Oktober 2000 und 23. Juli 2001
rechtmäßig und ist es auch im gegenwärtigen Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung.
Vor der Feststellung, dass bei .......auch eine Lernbehinderung vorliegt,
folgte allein schon aus der bestandskräftigen Feststellung der
Sonderschulbedürftigkeit von ..... im Hinblick auf eine
Körperbehinderung nach § 12 Abs. 2, 4 VO-SF ihre grundsätzliche
Verpflichtung, ihre Schulpflicht an einer Sonderschule für
Körperbehinderte oder an einer allgemeinen Schule, die eine
entsprechende sonderpädagogische Förderung gewährleistet, zu
erfüllen. Da es im Zuständigkeitsbereich des Beklagten unstreitig keine
allgemeine Schule der Sekundarstufe I mit entsprechender
sonderpädagogischer Förderungsmöglichkeit gab und gibt, blieb danach
nur die Möglichkeit des Besuchs der Sonderschule für Körperbehinderte,
die auch schon in dem bestandskräftigen Bescheid vom 5. Juli 1995 als
Förderort festgelegt worden war.
Nachdem nunmehr mit Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2001 auch
das Vorliegen einer Lernbehinderung festgestellt worden ist, mithin eine
doppelte Behinderung gegeben ist, kommt angesichts der oben
aufgezeigten tatsächlichen Gegebenheiten im Bereich des Beklagten
als Förderort grundsätzlich eine Schule für Körperbehinderte oder eine
Schule für Lernbehinderte in Betracht. Die Entscheidung ist regelmäßig
nach dem Förderschwerpunkt zu treffen sein bzw. danach, welche
Sonderschule dem Förderbedarf bei einer Mehrfachbehinderung
umfänglich Rechnung tragen kann,
vgl. auch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen -
OVG NRW -, Urteil vom 19. August 1996 - 19 A 1843/96 -, S. 12/13 des
Urteilsabdrucks.
Danach ist hier die Bestimmung der Schule für Körperbehinderte als
Förderort nicht zu beanstanden. Unabhängig von der Frage, ob bei
.......der Förderschwerpunkt im Bereich der Körperbehinderung liegt, trägt
allein diese Sonderschule angesichts ihrer personellen und sächlichen
Ausstattung beiden Behinderungen und dem daraus jeweils
resultierenden Förderbedarf Rechnung. So werden an der Schule für
Körperbehinderte - wie der Kammer bekannt ist - eine Vielzahl von
Kindern mit einer Doppelbehinderung unterrichtet; die Schule ist also
ohne weiteres darauf eingerichtet, etwa nach den Richtlinien der Schule
für Lernbehinderte zu unterrichten. Darüber hinaus trägt die Schule für
Körperbehinderte den spezifischen Bedürfnissen körperbehinderter
Schüler in personeller Hinsicht sowie nach den baulichen und weiteren
sächlichen Gegebenheiten Rechnung und gewährleistet dadurch eine
bestmögliche Förderung dieser Schüler und einen möglichst
reibungslosen Unterrichtsablauf, namentlich ohne zeitliche Verluste bei
Raum- und Etagenwechseln. Für .......bedeutet dies, dass sie an einer
Schule für Körperbehinderung - anders als an einer Schule für
Lernbehinderte - Gegebenheiten vorfindet, die es ihr trotz ihrer
Behinderung zum einen ermöglichen, den Schulalltag möglichst
eigenständig zu bewältigen, z. B. durch ebenerdige Eingänge und
Aufzüge; zum anderen können aber die dennoch erforderlichen
Hilfeleistungen aufgrund der personellen Situation ohne weiteres
erbracht werden, hierauf ist die Schule für Körperbehinderte gerade
eingerichtet. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ......angesichts ihrer
Körperbehinderung keine personelle Hilfe bzw. sächlichen
Gegebenheiten benötigen würde, wobei dahinstehen mag, ob sich die
dahingehende Erforderlichkeit nicht schon aus der bestandskräftigen
Feststellung des Vorliegens einer sonderschulbedürftigen
Körperbehinderung in dem Bescheid vom 5. Juli 1995 ergibt. Insoweit ist
den im Rahmen der Beweisaufnahme und danach vorgelegten
Stellungnahmen der Lehrer vom 1. Februar 2000 (BA Heft 3), 30.
Oktober 2001 (GA Bl. 54), 14. Juni 2002 (GA Bl. 75) und zuletzt noch
vom 28. Februar 2003 (GA Bl. 84) zu entnehmen, dass .......aufgrund
ihrer spastischen Hemiplegie links mit einer Fehlstellung beider Füße
zur Fortbewegung beidseitig Vierpunkt-Gehhilfen benötigt. Ihre
Fortbewegung ist danach sehr langsam. Beim Transportieren von
Gegenständen und Arbeitsmaterialien ist ......stark eingeschränkt.
Einzelne Gegenstände kann sie zwar über kurze Strecken selbst
transportieren, in der Regel benötigt sie aber insoweit Hilfe.
Klassenraumwechsel - selbst ohne Etagenwechsel - sind mit einem
hohen zeitlichen Aufwand verbunden. Bei einem Etagenwechsel
benötigt sie sehr viel Zeit, wobei sie in der von ihr zurzeit besuchten
Schule für Körperbehinderte hierfür ausschließlich den vorhandenen
Fahrstuhl benutzt. Demgegenüber kann sie Treppen nicht eigenständig
bewältigen. Hier benötigt sie die Hilfe erwachsener Personen, die
unterstützen, absichern und die Gehhilfen tragen. Wege von längerem
Ausmaß kann .......auch mit ihren Gehhilfen nicht in einem
angemessenen Zeitumfang bewältigen. Hierfür würde sie etwa einen
Rollstuhl benötigen, dessen Benutzung aber von der Klägerin abgelehnt
wird. Stattdessen lässt die Klägerin ......an entsprechenden
Unterrichtsgängen tatsächlich nicht teilnehmen. Darüber hinaus benötigt
........grundsätzlich auch zeitliche Zugeständnisse bei der eigenständigen
Einrichtung des Arbeitsplatzes und beim Umkleiden für den
Sportunterricht, an dem sie aber jedenfalls zuletzt nicht teilgenommen
hat. Insgesamt ist den Stellungnahmen der Lehrer zu entnehmen, dass
die von ......benötigten Hilfestellungen in der Schule in einem nicht
unerheblichen Umfang den Einsatz zusätzlicher personeller Hilfe
erfordern. Dem steht auch die pauschale, durch nichts konkretisierte und
so nicht nachvollziehbare Bewertung des Schulpsychologen Dr.
phil........ vom 26. August 2002, dass die Körperbehinderung eher
geringfügig sei und den Bewegungsspielraum des Kindes nicht
übermäßig einschränke, nicht entgegen. Schließlich geht auch Herr Dr.
phil. ......von einer Körperbehinderung und einer
Bewegungseinschränkung aus, ohne sich aber mit den konkreten
Auswirkungen auf den Schulalltag überhaupt zu beschäftigen.
Darüber hinaus sind gemäß § 9 VO-SF Förderschwerpunkte im Falle
der Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs wegen
einer Körperbehinderung im Sinne des § 7 VO-SF u.a. Hilfen zur
Verbesserung der Motorik, zur Erweiterung eigener
Handlungsmöglichkeiten, zur Nutzung spezifischer Hilfsmittel und zum
möglichst selbständigen Bewältigen alltäglicher Verrichtungen.
Außerdem sollen die Schüler Hilfen zur Akzeptanz der eigenen
Behinderung sowie zum Aufbau sozialer Beziehungen und zu einer
realistischen Selbsteinschätzung ihrer Leistungsmöglichkeiten erhalten.
Diese Hilfen, die auch .......aufgrund ihrer spastischen Hemiplegie links
mit einer Fehlstellung beider Füße benötigt, kann die Schule für
Körperbehinderte ihr geben. Demgegenüber ist die Schule für
Lernbehinderte auf die Erbringung derartige Hilfestellungen weder nach
ihrer sächlichen noch nach ihrer personellen Situation ausgerichtet.
Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO;
die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167
VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat. Im
übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das
Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, soweit diese nicht auf der
Klagerücknahme beruhen. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht
der Beklagte vor der Vollstreckung entsprechend Sicherheit leistet.
1
T a t b e s t a n d :
2
Die Tochter ........der Klägerin wurde am 7. Juli 1987 geboren. Sie ist u.a. aufgrund einer
spastischen Hemiplegie links und einer Fehlstellung der Füße gehbehindert. Zur
Fortbewegung benötigt .........beidhändig Vierpunkt-Gehhilfen.
3
Im Schuljahr 1994/95 wurde ........schulpflichtig, jedoch für ein Jahr vom Schulbesuch
zurückgestellt. In der Folgezeit wurde ein Verfahren zur Feststellung eines
sonderpädagogischen Förderbedarfs im Hinblick auf eine Körperbehinderung
.........eingeleitet. Das sonderpädagogische Gutachten vom 3. Juli 1995 kam
zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der verzögerten
Entwicklung und der motorischen Behinderung von einer sonderschulbedürftigen
Körperbehinderung entsprechend Ziffer 2.5 SAV auszugehen sei. Empfohlen wurde die
Einschulung in die integrative Klasse 1 der Grundschule an der ................ Mit Bescheid
vom 5. Juli 1995 stellte der Beklagte fest, dass bei ........eine Körperbehinderung gemäß
Ziffer 2.5 SAV vorliege und setzte als Förderort eine Schule für Körperbehinderte fest.
Aufgrund des gestellten Antrags könne ......aber auch am gemeinsamen Unterricht zur
Integration Behinderter in Regelklassen an der Katholischen Grundschule
...........teilnehmen.
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Ab dem Schuljahr 1995/96 besuchte ..........die Grundschule an der .............in ......; dort
nahm sie am gemeinsamen Unterricht teil und wurde sonderpädagogisch gefördert. In
einem Protokoll der Zeugniskonferenz der Klasse 3 A vom 10. Juni 1998 wurde
ausgeführt, dass bei ........eine Körperbehinderung und eine Lernbehinderung vorlägen.
Aus einer Stellungnahme der damaligen Klassenlehrerin ........vom 19. April 1999 geht
ferner hervor, dass ........ in der Klasse 4 nach den Grundlagen des 2. Schuljahres bzw.
nach den Richtlinien für Lernbehinderte der Klassenstufe 4 unterrichtet wurde. Im
Schuljahr 1999/2000 verblieb........., die aufgrund von Fehlzeiten im letzten Schuljahr
5
nicht regelmäßig am Unterricht teilgenommen hatte, weiter in der 4. Klasse der
Grundschule.
Im Rahmen der jährlichen Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs und
des Förderortes nach § 14 VO-SF beschloss die Versetzungskonferenz der o.g.
Grundschule am 21. Mai 2000 nach Einholung eines sonderpädagogischen Gutachtens,
dass bei ........weiter ein sonderpädagogischer Förderbedarf gemäß § 14 VO-SF bestehe
und ein Schulwechsel zu einer Schule für Körperbehinderte erfolgen solle. Nach dem
Inhalt des Gutachtens seien ........schulische Leistungen eher dem Leistungsniveau
lernbehinderter Schüler zuzuordnen. Aufgrund der Einschränkungen der Wahrnehmung
und der Motorik liege der schwerpunktmäßige Förderbedarf aber im Bereich der
Körperbehinderung.
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Nach Anberaumung eines Gesprächstermins mit der Klägerin, den diese nicht
wahrnahm, entschied der Beklagte mit Bescheid vom 28. Juli 2000, dass bei ......ab dem
14. August 2000 eine sonderpädagogische Förderung an einer Schule für
Körperbehinderte notwendig sei. Nächstgelegene Schule dieses Schultyps sei die
............. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass ein gemeinsamer Unterricht für
behinderte und nicht behinderte Kinder, die zieldifferenziert unterrichtet werden
müssten, in Gelsenkirchen in der Sekundarstufe I nicht angeboten werde. Aufgrund der
mit Bescheid vom 5. Juli 1995 festgestellten und nach dem Ergebnis der jährlichen
Überprüfung nach § 14 VO-SF auch weiterhin vorliegenden Körperbehinderung und der
Lernbehinderung könne eine angemessene sonderpädagogische Förderung
zieldifferenziert nur an einer Schule für Körperbehinderte erfolgen. Zugleich ordnete der
Beklagte die sofortige Vollziehung des Bescheides an.
7
Hiergegen erhob die Klägerin am 14. August 2000 Widerspruch......... sei zwar
körperbehindert, indessen liege aber eine Lernbehinderung, die eine zieldifferenzierte
sonderpädagogische Förderung erfordere, nicht vor. Das Kinderzentrum München sei in
seiner ärztlichen Stellungnahme vom 3. September 2000 zu der Bewertung gekommen,
dass bei einem im Durchschnitt liegenden Ergebnis einer ausführlichen
psychologischen Testung .......nicht unbedingt in eine Schule für Körperbehinderte
eingeschult werden müsse. Die Klägerin hat darüber hinaus eine ärztliche
Stellungnahme des Herrn Dr. ........von der Abteilung für Kinderorthopädie des
Marienstifts .........vom 13. März 2000 vorgelegt, nach der bei ......durch die
Cerebralparese mit spastischer Diparese und durch die zusätzliche Hüftkopfnekrose
eine erhebliche Körperbehinderung vorliege.
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Den von der Klägerin gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - 4 L
1735/00 - hat die Kammer mit Beschluss vom 24. August 2000 abgelehnt. Mit
Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2000 wies auch die Bezirksregierung Münster
den Widerspruch als unbegründet zurück. Als Folge der Entscheidungen besucht
.........seit dem Schuljahr 2000/01 die .................. Die Klägerin hat am 26. Oktober 2000
Klage erhoben. Das Gericht hat über Art und Umfang des sonderpädagogischen
Förderbedarfs für die Tochter der Klägerin Beweis erhoben durch Einholung dienstlicher
Stellungnahmen der früheren Klassenlehrerin an der Grundschule, der unterrichtenden
Lehrer an der ........sowie durch Erstellung eines sonderpädagogischen Gutachtens
entsprechend § 11 Abs. 1 Satz 1 VO-SF. Den Stellungnahmen der Lehrer vom 21.
Januar 2001 und 1. Februar 2001 ist zu entnehmen, dass sich .......aufgrund ihrer
Behinderung nur in einem sehr langsamen Gehtempo bewege. Beim Transportieren von
Gegenständen und Arbeitsmaterialien sei sie stark eingeschränkt. Klassen- und
9
Fachraumwechsel über zwei Ebenen seien mit einem großen zeitlichen Aufwand
verbunden, wobei .........Treppen nicht allein bewältigen könne. Die Lehrer der .........
kommen in ihrer Stellungnahme vom 1. Februar 2001 zusammenfassend zu dem
Ergebnis, dass .........auf jeden Fall ? innerhalb der Unterrichtsstunden eine erhöhte
personelle Zuwendung benötige, um die an sie gestellten organisatorischen Aufgaben
zeitangemessen zu bewältigen, ? eine erhöhte personelle Zuwendung benötige, um
Raumwechsel mit und ohne Arbeitsmaterialien in einem gesteigerten Tempo zu
gewährleisten, ? umfangreiche, zeitliche Zugeständnisse benötige, die von der
eigentlichen Unterrichtszeit abgezogen werden müssten, um ihren Arbeitsplatz
möglichst eigenständig einzurichten, Unterrichtsstunden in anderen Räumen pünktlich
zu erreichen oder sich für den Sportunterricht umzukleiden, ? räumliche
Voraussetzungen benötige, die von ihr keine Stockwerkwechsel über Treppen
verlangten und kurze Wege zwischen den einzelnen Fachräumen sowie ebene
Eingänge ins Schulgebäude gewährleisteten, ? für den Schulweg einen Fahrdienst o.ä.
benötige ? für die Teilnahme an Unterrichtsgängen und Ausflügen ein Rollstuhl
notwendig wäre. Das sonderpädagogische Gutachten vom 31. Januar 2001 kommt
darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass ........intellektuelle Leistungen sämtlich im
Bereich unterdurchschnittlicher bis extrem unterdurchschnittlicher Intelligenz mit einem
gemessenen IQ-Wert von 54 (AID) lägen. Ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten entsprächen
nicht den Anforderungen zum Ende der Grundschulzeit. Eine Aufnahme und
Weiterführung der Kenntnisse in der weiterführenden Schule sei nicht möglich. Bei
......liege eine Lernbehinderung im Sinne des § 5 Abs. 1 VO-SF vor. Eine Förderung an
einer Schule für Lernbehinderte komme nicht in Frage, da .....Wege, Treppen etc. nicht
oder nicht in angemessener Zeit bewältigen könne. Zudem ginge für sie eine starke
Gefährdung von der für Schüler der Schule für Lernbehinderte typischen
Bewegungsintensität und mangelnden Bewegungskoordination aus. Daraufhin stellte
der Beklagte mit Bescheid vom 4. Juli 2001 fest, dass bei .........auch eine
Lernbehinderung gemäß § 5 Abs. 1 VO-SF vorliege und eine entsprechende
sonderpädagogische Förderung an einer Schule für Körperbehinderte erteilt werde. Der
Besuch einer Schule für Körperbehinderte sei notwendig, da neben der
Körperbehinderung auch eine Lernbehinderung vorliege. Den hiergegen erhobenen
Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli
2001 zurück. Dagegen hat die Klägerin am 10. August 2001 Klage erhoben. Zunächst
hat die vorgetragen, dass ......zwar körperbehindert, nicht aber lernbehindert sei.
Insgesamt lägen die Voraussetzungen für eine sonderpädagogische Förderung an einer
Schule für Körperbehinderte nicht vor. Die Klägerin hat während des Klageverfahrens
einen Bericht des Schulpsychologen Dr. phil. ......von der Schulberatungsstelle der Stadt
........vom 26. August 2002 vorgelegt, in dem ausgeführt wird, dass bei ........eine
nonverbale Lernstörung vorliege. Es träten gravierende Lernprobleme vorwiegend im
Bereich Mathematik auf. Da die Körperbehinderung eher geringfügig sei und den
Bewegungsspielraum nicht übermäßig einschränke, werde ein Wechsel auf eine Schule
für Lernbehinderte empfohlen. Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung
erklärt hat, dass die Feststellung der Lernbehinderung nicht mehr angefochten wird,
beantragt sie nunmehr unter diesbezüglicher Rücknahme der Klage,
den Beklagten unter entsprechender Aufhebung seiner Bescheide vom 28. Juli 2000
und 4. Juli 2001 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide der Bezirksregierung
Münster vom 5. Oktober 2000 und 23. Juli 2001 zu verpflichten, als Förderort eine
Schule für Lernbehinderte zu bestimmen
10
Der Beklagte beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Dem Gericht liegen weitere Berichte zum Förderbedarf der Klassenlehrerin Frau
.......vom 30. Oktober 2001, 14. Juni 2002 und 28. Februar 2003 vor, auf deren Inhalt
Bezug genommen wird.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten
sowie der Bezirksregierung Münster Bezug genommen.
14
Entscheidungsgründe:
15
I. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung durch die Stellung des
reduzierten Klageantrags die Klage insoweit zurückgenommen hat, als es um die mit
Bescheid vom 4. Juli 2001 erfolgte Feststellung des Vorliegens einer Lernbehinderung
bei ihrer Tochter ......geht, ist das Klageverfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - einzustellen.
16
II. Im Übrigen ist die mit Bescheiden des Beklagten vom 28. Juli 2000 und 4. Juli 2001
jeweils in der Gestalt der Widerspruchsbescheide der Bezirksregierung Münster vom 5.
Oktober 2000 und 23. Juli 2002 erfolgte Einweisung der Tochter ......der Klägerin in die
Sonderschule für Körperbehinderte rechtmäßig, so dass die Klägerin keinen Anspruch
darauf hat, dass als Förderort eine Sonderschule für Lernbehinderte bestimmt wird (§
113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
17
Die Einweisung in die Sonderschule richtet sich nach § 7 Abs. 1 des
Schulpflichtgesetzes - SchPflG -. Danach werden Schulpflichtige, die wegen
körperlicher, seelischer oder geistiger Behinderung oder wegen erheblicher
Beeinträchtigung des Lernvermögens im Unterricht einer Grundschule oder einer
weiterführenden allgemeinen Schule nicht hinreichend gefördert werden können, ihrem
individuellen Förderbedarf entsprechend sonderpädagogisch gefördert. Sie erfüllen die
Schulpflicht durch den Besuch einer allgemeinen Schule oder - wie hier - einer
Sonderschule. Nach § 7 Abs. 4 SchPflG entscheidet über den sonderpädagogischen
Förderbedarf und den Förderort die Schulaufsichtsbehörde. Vor der Entscheidung sind
die Zustimmung des Schulträgers, ein sonderpädagogisches Gutachten und ein
Gutachten des Gesundheitsamtes einzuholen; ferner sind die Erziehungsberechtigten
zu beteiligen. Die Einzelheiten des Verfahrens regelt die „Verordnung über die
Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs und die Entscheidung über den
schulischen Förderort" (VO-SF) - nebst den zugehörigen Verwaltungsvorschriften -
(BASS 14-03 Nr. 2.1 und 2.2).
18
Im Hinblick auf das nach den vorbezeichneten Vorschriften einzuhaltende Verfahren
(vgl. namentlich § 11 VO-SF) ist die Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden.
19
Bezüglich der materiellen Voraussetzungen der angefochtenen Bescheide ist bei der
gerichtlichen Überprüfung der behördlichen Entscheidung mit Rücksicht auf deren
Dauerwirkung die Entwicklung des betroffenen Schülers bis zum Zeitpunkt der letzten
tatsacheninstanzlichen Entscheidung zu berücksichtigen.
20
Ständige Rechtsprechung; vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
21
Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 4. November 1988 - 19 A 881/88 - Neue Zeitschrift für
Verwaltungsrecht - Rechtsprechungsreport (NVwZ-RR) 1989, 303 (304).
1. Bei der Tochter ......der Klägerin liegt zunächst eine sonderschulbedürftige
Körperbehinderung i.S.d. Ziffer 2.5 SAV bzw. § 7 VO-SF vor. Die entsprechende
Feststellung hat der Beklagte bereits mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 5. Juli
1995 getroffen. Der streitgegenständliche Bescheid vom 28. Juli 2000 geht insoweit
nach dem Ergebnis der jährlichen Überprüfung nach § 14 VO-SF vom Fortbestand
dieser Körperbehinderung aus und enthält als Regelung allein die Bestimmung über
den weiteren Förderort nach Abschluss der Grundschulzeit. Der damit bestandskräftigen
Feststellung der Körperbehinderung steht nicht entgegen, dass nach § 14 Abs. 3 VO-SF
bei einem Schulwechsel die §§ 12 und 13 entsprechende Anwendung finden; der
Regelung ist nach dem Sinn und Zweck jedenfalls nicht zu entnehmen, dass bei einem
Schulwechsel erneut über den sonderpädagogischen Förderbedarf als solchen zu
entscheiden wäre, die entsprechende Feststellung bei einem Schulwechsel also
„enden" würde. Die entsprechende Anwendung der §§ 12 und 13 VO-SF bezieht sich
auf den künftigen Förderort, der namentlich die Voraussetzungen nach § 12 Abs. 2 VO-
SF zu erfüllen hat. Dabei kann hier dahinstehen, ob insoweit über diesen weiteren
Förderort eine erneute Entscheidung zu ergehen hat.
22
2. Darüber hinaus liegt bei .....auch eine Lernbehinderung vor, die erst im Laufe des
gerichtlichen Verfahrens durch den Beklagten mit Bescheid vom 4. Juli 2001 förmlich
festgestellt worden ist. Hiergegen wendet sich die Klägerin im vorliegenden
Klageverfahren auch nicht mehr, wie sie in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, so
dass diese Feststellung nunmehr bestandskräftig ist.
23
3. Die Bescheide des Beklagten vom 28. Juli 2000 und 4. Juli 2001 sind auch nicht
insoweit ganz oder teilweise aufzuheben, als sie als gesondert zu beurteilendes
Regelungselement die Festlegung des Förderortes in Form der Entscheidung enthalten,
dass die Tochter der Klägerin eine Schule für Körperbehinderte zu besuchen habe. Die
Klägerin hat demzufolge keinen Anspruch darauf, dass als Förderort eine Schule für
Lernbehinderte bestimmt wird.
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Die Festlegung der Schule für Körperbehinderte als Förderort für die Tochter der
Klägerin war im Zeitpunkt des Abschlusses der Verwaltungsverfahren durch Erlass der
jeweiligen Widerspruchsbescheide vom 5. Oktober 2000 und 23. Juli 2001 rechtmäßig
und ist es auch im gegenwärtigen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
25
Vor der Feststellung, dass bei .......auch eine Lernbehinderung vorliegt, folgte allein
schon aus der bestandskräftigen Feststellung der Sonderschulbedürftigkeit von ..... im
Hinblick auf eine Körperbehinderung nach § 12 Abs. 2, 4 VO-SF ihre grundsätzliche
Verpflichtung, ihre Schulpflicht an einer Sonderschule für Körperbehinderte oder an
einer allgemeinen Schule, die eine entsprechende sonderpädagogische Förderung
gewährleistet, zu erfüllen. Da es im Zuständigkeitsbereich des Beklagten unstreitig
keine allgemeine Schule der Sekundarstufe I mit entsprechender sonderpädagogischer
Förderungsmöglichkeit gab und gibt, blieb danach nur die Möglichkeit des Besuchs der
Sonderschule für Körperbehinderte, die auch schon in dem bestandskräftigen Bescheid
vom 5. Juli 1995 als Förderort festgelegt worden war.
26
Nachdem nunmehr mit Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2001 auch das Vorliegen
einer Lernbehinderung festgestellt worden ist, mithin eine doppelte Behinderung
27
gegeben ist, kommt angesichts der oben aufgezeigten tatsächlichen Gegebenheiten im
Bereich des Beklagten als Förderort grundsätzlich eine Schule für Körperbehinderte
oder eine Schule für Lernbehinderte in Betracht. Die Entscheidung ist regelmäßig nach
dem Förderschwerpunkt zu treffen sein bzw. danach, welche Sonderschule dem
Förderbedarf bei einer Mehrfachbehinderung umfänglich Rechnung tragen kann,
vgl. auch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - OVG NRW -,
Urteil vom 19. August 1996 - 19 A 1843/96 -, S. 12/13 des Urteilsabdrucks.
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Danach ist hier die Bestimmung der Schule für Körperbehinderte als Förderort nicht zu
beanstanden. Unabhängig von der Frage, ob bei .......der Förderschwerpunkt im Bereich
der Körperbehinderung liegt, trägt allein diese Sonderschule angesichts ihrer
personellen und sächlichen Ausstattung beiden Behinderungen und dem daraus jeweils
resultierenden Förderbedarf Rechnung. So werden an der Schule für Körperbehinderte -
wie der Kammer bekannt ist - eine Vielzahl von Kindern mit einer Doppelbehinderung
unterrichtet; die Schule ist also ohne weiteres darauf eingerichtet, etwa nach den
Richtlinien der Schule für Lernbehinderte zu unterrichten. Darüber hinaus trägt die
Schule für Körperbehinderte den spezifischen Bedürfnissen körperbehinderter Schüler
in personeller Hinsicht sowie nach den baulichen und weiteren sächlichen
Gegebenheiten Rechnung und gewährleistet dadurch eine bestmögliche Förderung
dieser Schüler und einen möglichst reibungslosen Unterrichtsablauf, namentlich ohne
zeitliche Verluste bei Raum- und Etagenwechseln. Für .......bedeutet dies, dass sie an
einer Schule für Körperbehinderung - anders als an einer Schule für Lernbehinderte -
Gegebenheiten vorfindet, die es ihr trotz ihrer Behinderung zum einen ermöglichen, den
Schulalltag möglichst eigenständig zu bewältigen, z. B. durch ebenerdige Eingänge und
Aufzüge; zum anderen können aber die dennoch erforderlichen Hilfeleistungen
aufgrund der personellen Situation ohne weiteres erbracht werden, hierauf ist die
Schule für Körperbehinderte gerade eingerichtet. Es ist auch nicht ersichtlich, dass
......angesichts ihrer Körperbehinderung keine personelle Hilfe bzw. sächlichen
Gegebenheiten benötigen würde, wobei dahinstehen mag, ob sich die dahingehende
Erforderlichkeit nicht schon aus der bestandskräftigen Feststellung des Vorliegens einer
sonderschulbedürftigen Körperbehinderung in dem Bescheid vom 5. Juli 1995 ergibt.
Insoweit ist den im Rahmen der Beweisaufnahme und danach vorgelegten
Stellungnahmen der Lehrer vom 1. Februar 2000 (BA Heft 3), 30. Oktober 2001 (GA Bl.
54), 14. Juni 2002 (GA Bl. 75) und zuletzt noch vom 28. Februar 2003 (GA Bl. 84) zu
entnehmen, dass .......aufgrund ihrer spastischen Hemiplegie links mit einer Fehlstellung
beider Füße zur Fortbewegung beidseitig Vierpunkt-Gehhilfen benötigt. Ihre
Fortbewegung ist danach sehr langsam. Beim Transportieren von Gegenständen und
Arbeitsmaterialien ist ......stark eingeschränkt. Einzelne Gegenstände kann sie zwar über
kurze Strecken selbst transportieren, in der Regel benötigt sie aber insoweit Hilfe.
Klassenraumwechsel - selbst ohne Etagenwechsel - sind mit einem hohen zeitlichen
Aufwand verbunden. Bei einem Etagenwechsel benötigt sie sehr viel Zeit, wobei sie in
der von ihr zurzeit besuchten Schule für Körperbehinderte hierfür ausschließlich den
vorhandenen Fahrstuhl benutzt. Demgegenüber kann sie Treppen nicht eigenständig
bewältigen. Hier benötigt sie die Hilfe erwachsener Personen, die unterstützen,
absichern und die Gehhilfen tragen. Wege von längerem Ausmaß kann .......auch mit
ihren Gehhilfen nicht in einem angemessenen Zeitumfang bewältigen. Hierfür würde sie
etwa einen Rollstuhl benötigen, dessen Benutzung aber von der Klägerin abgelehnt
wird. Stattdessen lässt die Klägerin ......an entsprechenden Unterrichtsgängen
tatsächlich nicht teilnehmen. Darüber hinaus benötigt ........grundsätzlich auch zeitliche
Zugeständnisse bei der eigenständigen Einrichtung des Arbeitsplatzes und beim
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Umkleiden für den Sportunterricht, an dem sie aber jedenfalls zuletzt nicht
teilgenommen hat. Insgesamt ist den Stellungnahmen der Lehrer zu entnehmen, dass
die von ......benötigten Hilfestellungen in der Schule in einem nicht unerheblichen
Umfang den Einsatz zusätzlicher personeller Hilfe erfordern. Dem steht auch die
pauschale, durch nichts konkretisierte und so nicht nachvollziehbare Bewertung des
Schulpsychologen Dr. phil........ vom 26. August 2002, dass die Körperbehinderung eher
geringfügig sei und den Bewegungsspielraum des Kindes nicht übermäßig einschränke,
nicht entgegen. Schließlich geht auch Herr Dr. phil. ......von einer Körperbehinderung
und einer Bewegungseinschränkung aus, ohne sich aber mit den konkreten
Auswirkungen auf den Schulalltag überhaupt zu beschäftigen.
Darüber hinaus sind gemäß § 9 VO-SF Förderschwerpunkte im Falle der Feststellung
eines sonderpädagogischen Förderbedarfs wegen einer Körperbehinderung im Sinne
des § 7 VO-SF u.a. Hilfen zur Verbesserung der Motorik, zur Erweiterung eigener
Handlungsmöglichkeiten, zur Nutzung spezifischer Hilfsmittel und zum möglichst
selbständigen Bewältigen alltäglicher Verrichtungen. Außerdem sollen die Schüler
Hilfen zur Akzeptanz der eigenen Behinderung sowie zum Aufbau sozialer
Beziehungen und zu einer realistischen Selbsteinschätzung ihrer
Leistungsmöglichkeiten erhalten. Diese Hilfen, die auch .......aufgrund ihrer spastischen
Hemiplegie links mit einer Fehlstellung beider Füße benötigt, kann die Schule für
Körperbehinderte ihr geben. Demgegenüber ist die Schule für Lernbehinderte auf die
Erbringung derartige Hilfestellungen weder nach ihrer sächlichen noch nach ihrer
personellen Situation ausgerichtet.
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Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO; die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11,
711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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