Urteil des VG Gelsenkirchen vom 30.01.2008

VG Gelsenkirchen: gewerbe, bevölkerung, anfechtungsklage, rechtsschutz, ersatzvornahme, landrat, gefahr, vollstreckbarkeit, zivilprozessordnung, ermessensfehler

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 K 2826/06
Datum:
30.01.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 2826/06
Schlagworte:
Gewerbeuntersagung, Verkehrsgefährdung, Alkohol, Tankstelle
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte zuvor in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden
Betrages Sicherheit leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger betrieb in D. -S. , E. Straße 398 eine Tankstelle. Auslöser der angefochtenen
Gewerbeuntersagungsverfügung sind vor allem Vorfälle, die sich am Wochenende 2.
und 3. April 2005 ereignet haben. Schon zuvor war es zu zahlreichen Einsätzen und
Vorgängen bei Polizei und Ordnungsamt gekommen. Dabei ging es u. a. um
unterschiedliche Preisauszeichnungen auf der Anzeigetafel der Tankstelle und an den
Zapfsäulen. In diesem Zusammenhang beschuldigte der Kläger Einsatzkräfte und
Kunden als Faschisten und Rassisten. Die Betroffenen hatten häufig den Eindruck, dass
der Kläger alkoholisiert war. Am 24. Januar 2005 wurde eine Blutalkoholkonzentration
von 1,75 ‰ festgestellt.
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Am 2. und 3. April 2005 bot der Kläger wiederum Kraftstoff deutlich unter Marktpreis an.
Wegen der Preisauszeichnung an der Anzeigentafel kam es zu erhöhtem
Verkehrsaufkommen und Staus und, da die an den Zapfsäulen ausgewiesenen Preise
höher lagen, zu Auseinandersetzungen mit den Kunden. Dies alles führte schließlich zu
mehreren Polizeieinsätzen. Dabei wurde festgestellt, dass der Kläger am 2. April 2005
in der Atemluft 1,0 mg/l Alkohol und am 3. April 2005 0,96 mg/l Alkohol hatte. Deshalb
wurde die Tankstelle an beiden Tagen geschlossen und der Kläger am 3. April 2005 in
polizeilichen Gewahrsam genommen. Wegen der aus ihrer Sicht unhaltbaren Zustände
auf der Tankstelle baten Anwohner den Beklagten eindringlich darum, umgehend
Sicherungsmaßnahmen zu treffen.
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Daraufhin untersagte der Beklagte mit Ordnungsverfügung vom 6. April 2005 dem
Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die weitere selbständige Ausübung
seines Gewerbes sowie die Ausübung eines jeden anderen selbständigen Gewerbes,
der Tätigkeit als Vertretungsberechtiger eines Gewerbetreibenden und die Leitung eines
Gewerbebetriebes als beauftragte Person und gab ihm auf, die Tankanlage zu sichern
und die Preisauszeichnungen zu entfernen. Außerdem drohte er für den Fall der
Zuwiderhandlung bzgl. der Gewerbeuntersagung ein Zwangsgeld in Höhe von
10.000,00 EUR und bzgl. der weiteren Anordnungen unmittelbaren Zwang bzw. die
Ersatzvornahme an.
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Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht
vorläufigen Rechtsschutz. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss
vom 4. Mai 2005 (7 L 467/05) ab; die Beschwerde des Antragstellers wies das
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 6. Juli
2005 (4 B 843/05) zurück. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2006 wies der
Landrat des Kreises S1. den Widerspruch des Klägers zurück.
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Am 15. September 2006 hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Zur Begründung hat
er in der mündlichen Verhandlung sinngemäß vorgetragen, er habe durch seine
Aktionen darauf aufmerksam machen wollen, dass die deutsche Bevölkerung und die
deutschen Behörden immer noch rassistisch und faschistisch seien.
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Der Kläger beantragt,
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die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 6. April 2005 und den
Widerspruchsbescheid des Landrats des Kreises S1. vom 16. August 2006 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten einschließlich 7 L 467/05 und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten
und des Landrats des Kreises S1. Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Anfechtungsklage (§ 42 VwGO) ist nicht begründet, da die angefochtenen
Bescheide rechtmäßig sind und den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten verletzen
(§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise
zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des
Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum
Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Nach Satz 2
dieser Vorschrift kann die Untersagung u.a. auch auf einzelne andere oder auf alle
Gewerbe erstreckt werden.
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Alle diese Voraussetzungen waren in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage
maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung
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- vgl. hierzu: Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Beschluss vom 23. November 1990
- 1 B 155.90 -, Gewerbearchiv - GewA - 1991, 110 -
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bei Erlass des Widerspruchsbescheides im August 2006 erfüllt. Insoweit folgt das
Gericht der Begründung der angefochtenen Bescheide und kann daher von einer
weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Bereits
im zugehörigen Eilverfahren ist in beiden Instanzen in den angeführten Entscheidungen
dargelegt worden, dass und warum der Kläger gewerberechtlich unzuverlässig war und
der weitere Betrieb seiner Tankstelle eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet hätte.
Es gibt keinen Grund, von dieser Beurteilung abzuweichen. Das OVG NRW hat sich in
seinem Beschluss auch mit der Behauptung des Klägers auseinandergesetzt, er sei
während der Öffnungszeiten der Tankstelle nie betrunken gewesen. Allein die am 2. und
3. April 2005 getroffenen Feststellungen belegen das Gegenteil. Der Einwand des
Klägers, er habe mit seinen Aktionen seine politische Überzeugung kundtun wollen,
liegt neben der Sache. Mit der von ihm verursachten Verkehrsgefährdung hat das alles
nichts zu tun.
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Auch hinsichtlich der auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO gestützten Ausdehnung der
Gewerbeuntersagung auf alle anderen Gewerbe und die Tätigkeit als
Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines
Gewerbebetriebes beauftragten Person sind Rechts- oder Ermessensfehler weder
vorgetragen noch ersichtlich. Die weiteren Anordnungen betreffen Modalitäten der
Schließung des Tankstellenbetriebs und sind zum Schutz der Allgemeinheit
erforderlich.
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Daher ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen; die
Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11,
§ 711 der Zivilprozessordnung.
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