Urteil des VG Gelsenkirchen vom 22.10.2010

VG Gelsenkirchen (aufschiebende wirkung, antragsteller, verwaltungsgericht, antrag, lasten, interesse, fahrer, unrichtigkeit, entziehung, stadt)

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 L 1192/10
Datum:
22.10.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 L 1192/10
Schlagworte:
Fahrerlaubnis, Entziehung, Punkte
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der sinngemäß gestellte Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 4303/10 des Antragstellers gegen die
Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 25. August 2010 anzuordnen,
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ist gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig, aber
unbegründet. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende
Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Das öffentliche Interesse an
der in § 4 Abs. 7 Satz 2 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - gesetzlich vorgesehenen
sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehungsverfügung überwiegt gegenüber
dem privaten Interesse des Antragstellers an einem Vollstreckungsaufschub, weil die
Ordnungsverfügung bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit
rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zunächst zur Vermeidung von
Wiederholungen auf die Ausführungen in der angegriffenen Verfügung, denen sie im
Grundsatz folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).
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Entscheidend ist, dass der Antragsteller zwischenzeitlich mit mindestens 18 Punkten im
Verkehrszentralregister eingetragen ist, nachdem zuvor die erforderlichen vorrangigen
Maßnahmen nach dem sog. Punktesystem ergriffen worden waren (Verwarnung bei 8
Punkten durch Mitteilung vom 24. Januar 2005, Anordnung zur Teilnahme an einem
Aufbauseminar bei 15 Punkten durch Bescheid vom 7. Dezember 2006, § 4 Abs. 3 Satz
1 Nr. 1 und 2 StVG).
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Der Antragsteller ist nach dem Seminarbesuch (März/April 2007) zwischen Juni 2007
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und April 2010 mit sieben weiteren Verstößen gegen Verkehrsvorschriften aufgefallen,
die mit zusammen 11 Punkten zu bewertet waren. Dabei schwankte seine Punktzahl
jedoch auf Grund von zwischenzeitlichen Tilgungen von Eintragungen wegen
Ordnungswidrigkeiten (§ 29 Abs. 6 Satz 4 StVG) zwischen 16 und 20 Punkten, so dass
weder eine erneute Maßnahme nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG noch eine
Punktereduzierung gemäß § 4 Abs. 5 StVG in Betracht kam.
Da das Punktekonto des Antragstellers nunmehr mindestens 18 Punkte aufweist, war
ihm die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG).
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Der Antragsteller macht mit dem vorliegenden Antrag und der Klage ohne Erfolg
geltend, er habe die durch rechtskräftigen Bußgeldbescheid der Stadt E. vom 4. Mai
2010 geahndete Zuwiderhandlung am 22. März 2010 (Geschwindigkeitsüberschreitung
um 30 km/h - 3 Punkte) nicht begangen. Denn gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 StVG ist die
Fahrerlaubnisbehörde zwingend an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat
oder die Ordnungswidrigkeit gebunden. Ob hiervon in Fällen einer evidenten
Unrichtigkeit der straf- oder bußgeldrechtlichen Entscheidung eine Ausnahme in
Betracht kommt
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vgl. zu der wortgleichen Vorschrift des § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG: Oberverwaltungsgericht
für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 2. März 2010 - 16 B 1316/09 -, vom
31. Juli 2009 - 16 B 815/09 -, vom 15. Dezember 2008 - 16 B 1499/08 - und vom 2. Mai
2005 - 16 B 2615/04 -, sowie OVG Hamburg, Beschlüsse vom 3. Dezember 1999 - 3 Bs
250/99 - und vom 18. September 2006 - 3 Bs 298/05 -,
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kann offen bleiben, weil keine evidente Unrichtigkeit des vom Antragsteller nicht
angefochtenen Bußgeldbescheides der Stadt E. vorliegt.
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So ist zunächst festzustellen, dass der Antragsteller trotz (ggfs. verspäteter) Kenntnis
des Bußgeldbescheides sich auf den Hinweis, er sei nicht der Fahrer gewesen,
beschränkt hat, ohne bisher ein Wiederaufnahmeverfahren auch nur beantragt zu
haben. Außerdem hat er - wie sich aus der beigezogenen Bußgeldakte ergibt - auch
frühere Bußgeldbescheide akzeptiert, die unter der Firmenanschrift in Bochum
zugestellt worden sind.
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Weiter ist anzumerken, dass der Antragsteller nunmehr schon den 3. (!) angeblichen
Fahrer benennt: Im Bußgeldverfahren mit Schreiben vom 7. Juli 2010 einen Herrn Iman
Cafer S., mit der Antragsschrift im vorliegenden Verfahren Herrn Mehmet Emin Ö. und
nunmehr unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung Herrn Turan I.
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Letztlich ist anzumerken, dass auch ein Vergleich der zur Gerichtsakte gereichten Bilder
des Antragstellers und des (angeblichen) Fahrers Herrn I. mit dem Blitzfoto aus der
beigezogenen Bußgeldakte keine zweifelsfreie Identifizierung zu Gunsten oder zu
Lasten des Antragstellers durch das Gericht ermöglicht.
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Nach alledem sieht das Gericht keinen ausreichenden Anlass, ausnahmsweise von der
gesetzlichen Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 2 StVG abzuweichen.
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Weil es sich bei der Entziehung der Fahrerlaubnis um eine gebundene Entscheidung
handelt, ist es darüber hinaus weder dem Antragsgegner noch dem Gericht möglich, die
dargestellten beruflichen Schwierigkeiten des Antragstellers, die sich aus dem Verlust
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der Fahrerlaubnis ergeben, zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG - und
entspricht der neuen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen bei Streitigkeiten um eine Fahrerlaubnis in einem vorläufigen
Rechtsschutzverfahren, vgl. Beschluss vom 4. Mai 2009 - 16 E 550/09 -, nrwe.de.
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