Urteil des VG Freiburg vom 17.05.2013

studienordnung, universität, bad, biologie

VG Freiburg Beschluß vom 17.5.2013, NC 6 K 538/13
Außerkapazitäre Zulassung zu einem höheren Fachsemester; Humanmedizin;
Universität Freiburg
Leitsätze
1. Auch für eine außerkapazitäre Zulassung zu einem höheren Fachsemester gelten
die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen des § 19 Abs. 1 HVVO, wonach der
Bewerber über die für das angestrebte Fachsemester erforderlichen Studienzeiten
und einen entsprechender Ausbildungsstand verfügen muss.
2. Welcher Ausbildungsstand vorhanden sein muss, bestimmt sich für die Universität
Freiburg nach ihrer Satzung über das "Auswahlverfahren für höhere Fachsemester
aufgrund bisher erbrachter Studienleistungen".
Hiernach ist für die Zulassung zum 2. Fachsemester im Studiengang Humanmedizin
der Nachweis von drei erfolgreich absolvierten Praktika (in Chemie, Physik, Biologie -
jeweils für Mediziner) erforderlich.
3. Dem steht die Tatbestands- und Bindungswirkung eines Anrechnungsbescheids
nach § 12 Abs. 1 und Abs. 2 ÄApprO nicht entgegen, durch den dem Bewerber seine
bisherigen an einer anderen Universität im Studiengang Humanmedizin erbrachten
Studienleistungen, welche diese drei Praktika gar nicht oder nur teilweise umfassten,
als ein erstes Fachsemester im Studiengang Humanmedizin angerechnet wurden.
4. Die Nachweise des erforderlichen Ausbildungsstandes sind für das
Sommersemester (2. Fachsemester im Studiengang Humanmedizin) innerhalb einer
Nachreichungsfrist bis spätestens 20. März vorzulegen. Dabei handelt es sich um
eine Ausschlussfrist. Diese gilt auch für Anträge auf außerkapazitäre Zulassung.
5. Eine Zulassung zum 1. Fachsemester im Studiengang Humanmedizin zum
Sommersemester ist an der Universität Freiburg nach ihrer Zulassungs- und
Immatrikulationsordnung und auch nach ihrer Studienordnung für den Studiengang
Humanmedizin nicht möglich.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller / Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt.
Gründe
1 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Antragsgegnerin
verpflichtet werden soll, eine vorläufige Zulassung zum Studium der Medizin im 2.
Fachsemester zu erteilen, ist nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im
Übrigen zulässig, aber unbegründet. Denn ein Anordnungsanspruch ist nicht
glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
2 1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung zum zweiten Fachsemester sind
nämlich im vorliegenden Fall schon nicht erfüllt, so dass es auf die Frage der
Zulassungskapazität der Antragsgegnerin gar nicht ankommt.
3 a) Voraussetzung für die Zulassung im zweiten oder einem höheren Fachsemester
ist gem. § 19 Abs. 1 Hochschulvergabeverordnung (HVVO) vom 13.1.2003 (GBl.
2003, S. 63; letzte Änderungsfassung v. 3.12.2012 - GBl. 2012, S. 670), dass der
Bewerber die für das angestrebte Fachsemester erforderlichen Studienzeiten
nachweist und über einen entsprechenden Ausbildungsstand verfügt.
4 Die Anforderungen des § 19 Abs. 1 HVVO gelten auch für Studienbewerber, die
einen Anspruch auf einen außerkapazitären Studienplatz geltend machen (VGH
Bad.-Württ., Beschluss vom 18.02.1987 - NC 9 S 1731/86 -; in diesem Sinne auch
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.9.2009 - OVG 5 NC 74.09 -, juris, und
OVG Hamburg, Beschluss vom 18.12.1995 - Bs III 56/95 -, juris).
5 Es begegnet - auch im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG - keinen rechtlichen
Bedenken, dass § 19 Abs. 1 HVVO die Zulassung im zweiten oder einem höheren
Fachsemester daran knüpft, dass der Bewerber einen entsprechenden
Ausbildungsstand hat. Denn durch die Normierung dieser
Anspruchsvoraussetzung wollte der Normgeber erreichen, dass die bisherigen
Ausbildungsleistungen des Bewerbers diesen befähigen müssen, sein Studium im
entsprechenden höheren Fachsemester sinnvoll und mit Erfolg fortzusetzen. Zu
einem höheren Semester kann eben nur zugelassen werden, wer den
Leistungsstand erreicht hat, der ihm die Fortsetzung seines Studiums in diesem
Fachsemester erlaubt (so schon VG Freiburg, Beschluss vom 6.5.2013 - NC 6 K
482/13; so auch VG Berlin, Beschluss vom 21.7.2011 – 30 L 327.11 –, juris unter
Bezugnahme auf OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.9.2009 - OVG 5 NC
74.09 -, juris). Die Vorschrift dient damit der reibungslosen Eingliederung des
Studienbewerbers in den Ausbildungsbetrieb der aufnehmenden Hochschule. Sie
ist auch geeignet und erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen, das seinerseits der
Aufrechterhaltung eines geordneten Studienbetriebs dient, der wiederum im
Interesse insbesondere auch der bereits zugelassenen Studierenden liegt (vgl.
VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.06.1988, - NC 9 S 869/87 -).
6 Das Erfordernis des entsprechenden Ausbildungsstandes stellt nach der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg eine
individuelle, an das Ausbildungsrecht anknüpfende Anspruchsvoraussetzung dar
(VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.06.1988 a.a.O. und Beschl. v. 18.02.1987, a.a.O.). Die
zu berücksichtigenden ausbildungsrechtlichen Anforderungen können sich aus
den jeweiligen Studien- und Prüfungsordnungen sowie den Plänen ergeben, die
die Studieninhalte und den Studienaufbau für das jeweilige Fach konkretisieren
(VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.06.1988, a.a.O.).
7 Maßgeblich ist hier die Satzung der Antragsgegnerin für das „Auswahlverfahren für
höhere Fachsemester aufgrund bisher erbrachter Studienleistungen“ vom
11.5.2010 (Amtliche Bekanntmachungen Jg. 41, Nr. 28, S. 174) i.d. F. der Dritten
Änderungssatzung vom 31.5.2012 (Amtliche Bekanntmachungen Jg. 43, Nr. 74, S.
271 ff). Nach § 4 Abs. 1 dieser Satzung ist der Nachweis des „Praktikums der
Biologie für Mediziner“ und des „Praktikums der Chemie für Mediziner“ und des
„Praktikums der Physik für Mediziner“ Voraussetzung für die Zulassung zum
zweiten Fachsemester im Studiengang Humanmedizin Vorklinik. Das entspricht
auch § 4 Abs. 2 und Anlage 1 der Studienordnung der Antragsgegnerin für den
Studiengang Humanmedizin vom 22.12.2012 (Amtliche Bekanntmachungen Jg.
43, Nr. 6, S. 19), wonach diese Praktika für das erste Fachsemester des
vorklinischen Studienabschnitts vorgesehen sind.
8 Diesem zusätzlichen Erfordernis eines entsprechenden Ausbildungsstands, wie er
nach der Studienordnung der Antragsgegnerin für eine Zulassung zum 2.
Fachsemester erforderlich ist, steht die Bindungs- und Tatbestandswirkung des
Anrechnungsbescheids der Bezirksregierung Düsseldorf nicht entgegen. Denn der
Bescheid rechnet lediglich die geleisteten Studienzeiten als ein Semester eines
Studiums der Medizin an und anerkennt die erbrachten Leistungen. Er regelt aber
nicht, dass damit auch die nach der Studienordnung der Antragsgegnerin für eine
Zulassung im zweiten Fachsemester zu erbringenden Leistungen erbracht sind. Im
Gegenteil, der Bescheid enthält am Ende sogar einen ausdrücklichen Hinweis,
dass aus ihm kein Anspruch auf Zulassung zum Medizinstudium hergeleitet
werden kann, sondern er lediglich die Möglichkeit eröffnet, sich unmittelbar an
Hochschulen um einen Studienplatz zu bewerben. Eine Regelungswirkung
dahingehend, dass damit der Zugang zum 2. Fachsemester an einer beliebigen
Universität (ungeachtet der dort für dieses geltenden speziellen
Zulassungsvoraussetzungen) eröffnet wird, kann ihm im Übrigen auch schon
deshalb gar nicht zukommen, weil andernfalls Studierende der Humanmedizin, die
bisher an einer Universität studiert haben, bei der diese Praktika gar nicht oder
nicht in allen der oben genannten drei Fächern (Biologie, Chemie, Physik)
absolviert werden müssen, gegenüber denjenigen Studierenden ohne sachlichen
Grund und somit unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3
GG bessergestellt würden, die ihr erstes vorklinisches Fachsemester bei der
Antragsgegnerin absolviert haben und diese Praktika nachweisen müssen, wenn
sie nach der Studienordnung der Antragsgegnerin im 2. Fachsemester
weiterstudieren wollen (so schon VG Freiburg, Beschluss vom 8.9.2010 - NC 6 K
843/10 -).
9 Ein solcher gleichheitswidriger Privilegierungsanspruch ergibt sich auch nicht aus
dem Grundrecht auf Ausbildungs- und Berufswahlfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 S. 1
GG. Denn dieses Grundrecht gebietet lediglich, gegebenenfalls außerhalb der
festgesetzten Zulassungszahlen noch vorhandene Kapazitäten nicht ungenutzt zu
lassen, entbindet aber selbstverständlich auch Antragsteller, die einen Antrag auf
Zulassung außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl gestellt haben, nicht etwa
von den für eine Zulassung allgemein erforderlichen Voraussetzungen, wie etwa
von dem Nachweis einer Hochschulzulassungsberechtigung (in diesem Sinne
auch OVG Hamburg, Beschluss vom 18.12.1995 - Bs III 56/95 -, juris, Rdnr. 18).
10 Auch aus der dem Anrechnungsbescheid ausdrücklich zugrundegelegten
Vorschrift des § 12 Abs. 1 und Abs. 2 der ÄApprO (v. 27.6.2002 - BGBl. I, 2002, S.
2405, idF. v. 7.1.2013 - BGBl. I, 2013, S. 34) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Denn
sie besagt nur, dass Studienzeiten anzurechnen und Studienleistungen
anzuerkennen sind, besagt aber nicht, dass jemand, dem ein erstes Fachsemester
im Studiengang Humanmedizin angerechnet worden ist, deshalb ungeachtet der
bei der Antragsgegnerin geltenden Voraussetzungen, einen Anspruch auf
Zulassung zum zweiten Fachsemester hat.
11 b) Die mithin erforderlichen Scheine bzw. Nachweise über abgelegte Prüfungen,
hier also insbesondere der drei genannten Praktika, müssen gemäß § 9 S. 1 der
Auswahlsatzung innerhalb einer Nachreichungsfrist vorgelegt werden, die bei
Zulassungsanträgen für das Sommersemester am 20. März endet. Danach
eingehende und somit verspätet Nachweise werden gem. § 9 S. 3 der
Auswahlsatzung im Rahmen des Auffüllverfahrens nicht mehr berücksichtigt. Der
normierten Überschrift des § 9 zufolge handelt es sich dabei um eine
„Ausschlussfrist“, so dass eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist
ausgeschlossen ist.
12 Diese Vorschrift gilt auch für Anträge auf Zulassung außerhalb der festgesetzten
Zulassungszahl. Sie erstreckt sich nämlich ganz generell und ohne Differenzierung
zwischen inner- bzw. außerkapazitären Zulassungsanträge, auf alle „Bewerber“,
die sich um eine Zulassung in einem höheren Fachsemester bewerben. Auch § 19
Abs. 1 S. 1 HVVO, auf den § 1 S. 1 der Auswahlsatzung für höhere Fachsemester
ausdrücklich verweist und der den Nachweis der erforderlichen Studienleistungen
erfordert, gilt ganz generell für alle Bewerber für eine Zulassung zu einem höheren
Fachsemester und damit auch für außerkapazitäre Anträge (VGH Bad.-Württ.,
Beschluss vom 18.02.1987 - NC 9 S 1731/86 -; in diesem Sinne auch OVG Berlin-
Brandenburg, Beschluss vom 11.9.2009 - OVG 5 NC 74.09 -, juris, und OVG
Hamburg, Beschluss vom 18.12.1995 - Bs III 56/95 -, juris). Schließlich regeln auch
die §§ 1 Abs. 2 S. 2 und S. 3, 2 Abs. 3 S. 9 der Zulassungs- und
Immatrikulationsordnung der Antragsgegnerin (ZImmO v. 20.9.2007 [Amtliche
Bekanntmachungen Jg. 38, Nr. 53, S. 212] i.d.F. v. 27.7.2012 - [Amtliche
Bekanntmachungen Jg 43, Nr.88, S. 346]), dass ein außerkapazitärer
Zulassungsantrag zugleich mit einem gesonderten innerkapazitären
Zulassungsantrag einzureichen ist. Auch von daher ist also kein sachlicher Grund
dafür ersichtlich, dass die für innerkapazitäre Anträge hinsichtlich der dafür
einzureichenden erforderlichen Nachweise geltende Nachreichungsfrist (§ 9 S. 1
der Auswahlsatzung) nicht zugleich auch für außerkapazitäre Anträge gelten sollte.
Gegenteiliges ergibt sich insofern nicht aus dem bloßen Umstand, dass § 9 S. 1
der Auswahlsatzung die Regelung über die Nachreichungsfrist nicht ausdrücklich
auch auf außerkapazitäre Anträge erstreckt, wie dies etwa die gleichlautenden
Regelungen der §§ 3 Abs. 1 S. 2 HVVO bzw. § 2 Abs. 3 S. 8 ZImmO bezüglich der
(am 15.Januar endenden ) Frist für Bewerbungen zum Sommersemester tun.
13 Nach allem besteht im vorliegenden Fall kein Zulassungsanspruch.
14 Wie sich aus der Antragserwiderung der Antragsgegnerin ergibt, hat der
Antragsteller/die Antragstellerin nicht alle erforderlichen Praktika nachgewiesen
bzw. einen entsprechenden Nachweis erst nach Ablauf der Ausschlussfrist
vorgelegt, so dass schon deshalb - ungeachtet der Kapazitätsfrage - ein
Zulassungsanspruch nicht besteht.
15 2. Die Hilfsanträge bleiben ebenfalls ohne Erfolg:
16 Die hilfsweise begehrte Zulassung zum 1. Fachsemester im Studiengang
Humanmedizin zum Sommersemester ist nämlich schon deshalb gar nicht
möglich, weil nach den Rechtsvorschriften der Antragsgegnerin ein Studium der
Humanmedizin nur zum Wintersemester begonnen werden kann (§ 1 Abs. 4 i.V.m.
Anlage A. 1 der Zulassungs- und Immatrikulationsordnung [ZImmO] der
Antragsgegnerin vom 20.9.2007 [Amtliche Bekanntmachungen, Jg. 38, Nr. 53, S.
212] i.d.F. v.. 27.7.2012 [Amtliche Bekanntmachungen, Jg. 43, Nr. 88, S. 346];
siehe auch § 3 der Studienordnung der Antragsgegnerin für den Studiengang
Humanmedizin vom 22.12.2012 [Amtliche Bekanntmachungen Jg. 43, Nr. 6, S. 19]
).
17 Und die hilfsweise begehrte Teilzulassung zum 2. Fachsemester - beschränkt auf
den vorklinischen Teil des Studiums bis zum ersten Abschnitte der ärztlichen
Prüfung - kommt schon wegen des -nach dem oben Gesagten - nicht form- und
fristgerecht nachgewiesenen Ausbildungsstands nicht in Betracht.
18 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
19 Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG (vgl. VGH
Bad.-Württ., Beschl. v. 12.05.2009 - NC 9 S 240/09 -).