Urteil des VG Freiburg vom 19.02.2014

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VG Freiburg Urteil vom 19.2.2014, A 6 K 139/12
Widerruf einer Flüchtlingsanerkennung; Sikh; Babbar Khalsa;
Abschiebungshindernis
Leitsätze
1. Die Rechtskraft eines auch unter Berücksichtigung des Terrorismusvorbehalts zur
Asylanerkennung und positiven Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG (a.F.)
verpflichtenden Verwaltungsgerichtsurteils steht dem Widerruf der Feststellungen zu §
51 Abs. 1 AuslG (a.F.) nicht gem. § 121 Nr. 1 VwGO entgegen, wenn der Betroffene
nach Rechtskraft des Urteils seine Unterstützung für eine terroristische Organisation
deutlich intensiviert hat.
2. Dass Babbar Khalsa International den Separatismus der Sikhs und die
Bestrebungen nach einem unabhängigen Khalistan unter anderem auch mit
terroristischen Mitteln unterstützt, ergibt sich schon ungeachtet der Auflistung auch
dieser Organisation auf der EU-Terrorismusliste (Beschluss des Rates der
Europäischen Union v. 10.2.2014 - 2014/72/GASP) aus anderen Erkenntnisquellen,
so dass die Frage der Bindungswirkung dieser Liste dahinstehen kann.
3. Den Zielen der Vereinten Nationen handelt im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
AsylVfG zuwider, wer in herausgehobener Führungsposition propagandistisch, aber
auch durch eigene Geldspendensammlung in erheblichem Umfang und in einem
Einzelfall auch durch eigene gewalttätige Spendengeldeintreibung die Bestrebungen
der Babbar Khalsa International über viele Jahre hinweg unterstützt, sich mit den auch
Gewalteinsatz nicht ausschließenden Zielen identifiziert und sich nicht ernsthaft und
glaubwürdig von dieser Organisation distanziert.
Für eine solche Distanzierung genügt die bloße Austrittserklärung nicht, wenn die
sonstigen Umstände nichts für eine wirkliche innere Abkehr und einen grundlegenden
Gesinnungswandel hergeben.
4. Erlässt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vor diesem Hintergrund einen
Widerrufsbescheid, so ist es gem. § 73 Abs. 3 AsylVfG (in der Fassung der Novelle
vom 28.8.2013 - BGBl. I, S. 3474) verpflichtet, zugleich von Amts wegen das Vorliegen
von nationalen subsidiären Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7
AufenthG zu prüfen.
5. Einem in der oben genannten Weise aktiven Sikh, der seinerzeit schon in Indien
Vorverfolgung einschließlich schwerer Folterungen durch die indischen
Sicherheitskräfte erlitten hat, droht im Falle seiner Rückkehr nach Indien mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr erneuter Folter, so dass er Anspruch auf
den Abschiebungsschutz des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK hat, der ihm
absoluten, von seinen terroristischen Aktivitäten unabhängigen Schutz gewährt.
Tenor
Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass hinsichtlich einer Abschiebung des
Klägers nach Indien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3
EMRK vorliegt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger und die Beklagte tragen jeweils die Hälfte der Kosten des
gerichtskostenfreien Verfahrens.
Tatbestand
1 Der Kläger, ein indischer Staatsangehöriger, der der Gemeinschaft der Sikh
angehört, reiste 1993 ins Bundesgebiet ein. Mit Bescheid vom 22.06.1993 lehnte
das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge seinen Antrag auf
Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass die
Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG (alte Fassung) nicht vorliegen.
Zugleich wurde ihm die Abschiebung nach Indien angedroht.
2 Dieser Ablehnungsbescheid wurde vom Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil
vom 18.08.1995 aufgehoben. Das Bundesamt wurde verpflichtet, den Kläger als
Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des
§ 51 Abs. 1 AuslG beim Kläger vorliegen. In der Urteilsbegründung wurde im
Wesentlichen ausgeführt, aufgrund von ärztlichen Attesten und der Angaben des
Klägers stehe fest, dass er seinerzeit vor der Ausreise in Indien als Mitglied der
Organisation Babbar Khalsa, der er seit 1985 angehöre, von den indischen
Sicherheitsbehörden schwer gefoltert worden sei. Hier im Exil sei er auch
Generalsekretär der Babbar Khalsa Exilorganisation für das Bundesland Bayern.
Mit der Anwendung der Folter als Verfolgungsmittel habe der indische Staat die
Grenzen einer der reinen Terrorismusabwehr und Kriminalverfolgung dienenden
einfachen Kriminalverfolgung überschritten und, weil Folter gegenüber militanten
Sikhs besonders hart angewandt werde, infolge dieses sogenannten Politmalus
die Grenzen zur politischen Verfolgung überschritten. Aufgrund dieses
Hintergrunds und auch vor dem Hintergrund der exilpolitischen Aktivitäten des
Klägers drohe ihm im Falle einer Rückkehr nach Indien dort erneut Folter und
entsprechende Verfolgung. Der Kläger sei Leiter der Propagandaarbeit der
Organisation Babbar Khalsa im Bundesgebiet und seit 1995 auch Generalsekretär
der Babbar Khalsa International für die Zone Bayern. Der Asylausschlussgrund
des Terrorismus könne ihm nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts nicht entgegen gehalten werden. Glaubhaften
Angaben zufolge habe er selbst nie Gewalt angewendet oder terroristische
Aktionen unterstützt. Sowohl im Heimatland als auch in Deutschland sei er lediglich
in ideologisch-propagandistischer Weise für die Belange der Sikhs und einen
eigenständigen Staat „Khalistan“ eingetreten. Die bloße Bekundung von
Sympathie, einseitige Parteinahme, das Werben um Verständnis für die politischen
Ziele oder vergleichbare, auf die Beeinflussung der öffentlichen Meinung
ausgerichteten Verhaltensweisen seien aber nicht geeignet, den Asylanspruch
auszuschließen. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 22.06.1993
sei daher rechtswidrig, verletze den Kläger in seinen Rechten und sei daher
aufzuheben.
3 Aufgrund dieses rechtskräftig gewordenen Urteils erkannte das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 21.09.1995 den Kläger
als Asylberechtigten an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
AuslG vorliegen.
4 Aufgrund einer Prüfanfrage des Innenministeriums Baden-Württemberg leitete das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 01.02.2008 die Prüfung eines
Widerrufsverfahrens wegen Vorliegen von Ausschlussgründen nach § 3 Abs. 2 Nr.
3 AsylVfG ein. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach sei der Kläger
Generalsekretär der Babbar Khalsa für Bayern gewesen. Nach den nun
vorliegenden Informationen sei er aber zwischen 1998 und 2003 nunmehr auch
der Propagandasekretär auf Bundesebene der Babbar Khalsa International
geworden und aktiv gewesen. Bei dieser Organisation handele es sich nach der
Liste der Europäischen Union zur Bekämpfung des Terrorismus, die aufgrund des
Beschlusses des Rates der Europäischen Union vom 29. Mai 2006 aufgestellt
worden sei, um eine terroristische Organisation. Nach dem Gutachten des
Südasieninstituts vom 26.04.2004 sei die Babbar Khalsa International eine
Auslandsorganisation, die Propaganda für die Organisation treibe, Gelder für
Babbar Khalsa einwerbe und dieser auch durch Erpressung und Anwerbung neuer
Rekruten diene. Es handele sich somit um eine aktive Unterstützung terroristischer
Aktivitäten. Der Kläger agiere damit i.S. von § 60 Abs. 8 Satz 2 3.Altern. AufenthG
i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG im Rahmen einer Organisation gegen die Ziele und
Grundsätze der Vereinten Nationen. Gründe nach § 73 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG seien
nicht ersichtlich. Im Widerrufsverfahren teilte das Bundesamt für
Verfassungsschutz dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 01.08.2007
(BAS 8 ff) mit, in welcher Form der Kläger nach offiziellen Meldungen,
Verlautbarungen und Berichterstattungen im Bundesgebiet für Babbar Khalsa in
Erscheinung getreten sei. Ferner findet sich ein Schreiben des
Landeskriminalamts Baden-Württemberg an das Innenministerium in der Akte vom
14.06.2006, wonach der Kläger vom Amtsgericht Lörrach wegen einer gefährlichen
Körperverletzung, die er am 14.11.2002 begangen hatte, zu einer Freiheitsstrafe
von sieben Monaten auf Bewährung mit einer zweijährigen Bewährungsfrist
verurteilt worden war. Ferner fand am 30.01.2007 in... . am Wohnsitz des Klägers
ein mehrstündiges Sicherheitsgespräch mit dem Kläger statt, in dem er unter
Beteiligung der Ausländerbehörde..., der Polizeidirektion..., des
Regierungspräsidiums..., des Landesamts für Verfassungsschutz umfassend zu
seinen Aktivitäten für Babbar Khalsa und seinen Einstellungen zu den Zielen und
Methoden der Organisation befragt wurde (BAS 15-75).
5 Mit Schreiben vom 07.02.2008 wurde der Kläger zu dem beabsichtigten Widerruf
der Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
angehört. Dabei wurde auf das Gutachten des Südasieninstituts von 2004 über die
Ziele und Methoden der Organisation Babbar Khalsa International Bezug
genommen sowie darauf, dass der Kläger als Generalsekretär von Babbar Khalsa
International in Bayern und Propagandasekretär auf Bundesebene aktiv sei, sowie
auf das Sicherheitsgespräch vom 30.01.2007. Aus all dem ergebe sich, dass er
aktiv terroristische Aktivitäten unterstütze und mithin den Ausschlussgrund der
Zuwiderhandlung gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen
verwirkliche. Nach Aktenlage könne er die Rückkehr in das Heimatland auch nicht
aus zwingenden Gründen, die auf früheren Verfolgungen beruhten, ablehnen.
Dem Kläger-Vertreter, der sich seinerzeit im Februar 2008 für den Kläger im
Widerrufsverfahren meldete, wurde Akteneinsicht gewährt. Der Kläger-Vertreter
wies darauf hin, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Indien dort akute
Lebensgefahr drohe (BAS 84). In seiner Stellungnahme vom 28.04.2008 (BAS 86)
wies der Kläger-Vertreter darauf hin, der Kläger habe im Sicherheitsgespräch vom
30.01.2007 wiederholt klargestellt, dass er jede Gewalt ablehne und sich nicht an
gewalttätigen Auseinandersetzungen beteilige. Er sei mithin kein Unterstützer des
Terrorismus. Im Inland begehe die Babbar Khalsa auch keine Straftaten oder
terroristische Straftaten. Es sei auch bis zum heutigen Tage unklar, weshalb die
Babbar Khalsa-Organisation von der EU auf die Terrorismusliste gesetzt worden
sei. Andere Organisationen, wie etwa die Hisbollah im Libanon befänden sich
hingegen nicht auf der Liste, obwohl sie vielfältig durch Terrorakte in Erscheinung
getreten seien. Soweit im Schreiben des Bundesamts für Verfassungsschutz u.a.
eine Nachricht wiedergegeben wurde, wonach der Kläger persönlich als
Drahtzieher eines Sprengstoffanschlags auf zwei Kinos in Neu Delhi im Mai 2005
verantwortlich gemacht werde, handele es sich offenbar um eine gezielte
Fehlinformation seitens des indischen Geheimdienstes. Bezeichnend sei, dass ein
Rechtshilfeersuchen der indischen Justiz gleichwohl bisher nicht gestellt worden
sei. Im Falle seiner Rückkehr drohe ihm in Indien Folter und Tod. Deswegen
müsse zumindest für den Kläger der Abschiebungsschutz nach § 60 AufenthG
weiterhin aufrecht erhalten werden. Im Übrigen wies der Kläger-Vertreter, der seit
vielen Jahren hochrangige Mitglieder der Sikh-Exilszene in Deutschland vertritt, auf
eine lange Liste von Anerkennungsbescheiden bezüglich dieses Personenkreises
und darauf hin, dass bislang von diesen keiner seiner Asylanerkennung bzw.
Flüchtlingsanerkennung widerrufen bekommen habe. Der Kläger-Vertreter legte
insoweit ein Schreiben der Shiromani Akali Dal aus Amritsar vom 11.04.2008 (BAS
101) vor, mit dem diese Organisation an den Bundeskanzler der Bundesrepublik
Deutschland schreibt, dass der Kläger von indischen Behörden fälschlicherweise
der Beteiligung an einem Bombenattentat auf ein Kino in Delhi bezichtigt werde.
Die Organisation verwies ferner darauf, dass ein Sikh, der 1995 von Deutschland
nach Indien abgeschoben worden sei, trotz einer Zusage Indiens, dessen Leben
nicht zu gefährden, nachträglich zum Tode verurteilt und in die Todeszelle
geschickt worden sei. Der Bruder des Klägers sei im Übrigen gefoltert und
eingesperrt worden, weil er eben der Bruder des Klägers sei. Dies zeige, dass der
Kläger gefährdet sei.
6 Das Auswärtige Amt nahm in einem Schreiben vom 02.10.2008 an das
Bundesamt dazu Stellung (BAS 102 ff) und führte aus, dass der Kläger des
Bombenanschlags auf ein Kino in Neu Delhi im Mai 2005 von den indischen
Behörden bezichtigt werde und diese deshalb gegen ihn ermittelten.
Gerichtsverwertbare Beweise für seine Teilnahme lägen jedoch derzeit nicht vor.
Die vom Bundesamt im Bezugsschreiben vom 31.03.2008 dargestellten
Erkenntnisse zu den Familienverhältnissen des Klägers in Bezug auf einen
gewissen ...Singh, dem Anführer der Organisation Babbar Khalsa, der sich
vermutlich in Pakistan aufhalte, könnten bestätigt werden. Die Babbar Khalsa sei
nach einem Beschluss des Rates der EU eine terroristische Organisation und sei
auch in Indien als solche verboten. Sippenhaft sei in der indischen Rechtsordnung
nicht bekannt. Indien sei ein strategischer Partner der Bundesrepublik und werde
grundsätzlich als Demokratie- und auch als Rechtsstaat betrachtet, gleichwohl
kämen Menschenrechtsverletzungen bedingt durch Tradition, Größe und
Entwicklungsstand des Landes immer wieder vor, gerade in ländlichen Gebieten.
Indien gehe, da die Terrorgefahr hier seit Langem Alltag sei, gegen Terroristen und
Unterstützer von Terroristen mit großer Entschiedenheit vor. Eine
menschenrechtswidrige Behandlung folge allerdings notwendig weder aus einem
rein politischen Engagement für die Babbar Khalsa International, noch aus dem
weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens gegen den Betroffenen.
7 Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 12.05.2010 wurde der
Kläger gestützt auf § 54 Nr. 5 AufenthG wegen Unterstützung einer terroristischen
Vereinigung ausgewiesen. Der gegen die Ausweisungsverfügung, die für sofort
vollziehbar erklärt worden war, vom Kläger gestellte Antrag auf Wiederherstellung
der aufschiebenden Wirkung wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom
22.07.2010 (5 K 977/10 - siehe beigezogene Gerichtsakte) abgelehnt. Der Kläger
sei nicht nur einfaches Mitglied der Babbar Khalsa International, sondern seit
Jahren auch im Bundesvorstand in der Position des Propagandasekretärs und des
Pressesprechers tätig. Die terroristischen Aktivitäten der Organisation habe er im
Sicherheitsgespräch gebilligt und auch eingeräumt, dass er in Deutschland
Spendengelder für die Organisation vereinnahme. Zudem habe er sich in den
letzten Jahren mindestens sechs Mal für längere Zeit in Pakistan aufgehalten. Die
Befugnis zur Ausweisung sei auch nicht verwirkt. Zwar sei dem Kläger nach
Abschluss des Asylverfahrens eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt
worden, obwohl er schon im Asylverfahren eine mindestens zweijährige Tätigkeit
im Exil als Leiter der Propagandaabteilung von Babbar Khalsa angegeben habe,
er habe dann aber in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre seine
Unterstützungshandlungen für die Babbar Khalsa erheblich intensiviert und
nachhaltig Spenden eingetrieben. In diesem Zusammenhang sei er sogar wegen
gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf
Bewährung verurteilt worden.
8 Die dagegen vom Kläger erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof
Baden-Württemberg mit Beschluss vom 21.09.2010 - 11 S 1906/10 - zurück. Mit
den Erwägungen des Verwaltungsgerichts habe sich die Beschwerdebegründung
in keiner Weise substantiiert auseinandergesetzt. Soweit der Antragsteller sich
darauf berufe, er habe klargestellt, dass er nicht gegen die deutschen Gesetze
handeln wolle, sei zu beachten, dass bloße unverbindliche Erklärungen für sich
allein genommen nicht geeignet seien, eine festgestellte Unterstützung
terroristischer Bestrebungen zu relativieren. Vor dem Hintergrund der vom
Verwaltungsgericht in Bezug genommenen jahrelangen führenden Aktivitäten des
Klägers für Babbar Khalsa im Exil, also für eine militante Sikh-Organisation, die bis
in die jüngste Vergangenheit hinein für zahlreiche schwere Attentate in Indien
verantwortlich gemacht werde, genüge es nicht, wenn der Kläger lediglich vortrage,
er wolle nicht gegen deutsche Gesetze handeln, sondern nur im Einklang mit ihnen
für seine politische Überzeugung eintreten. Im Übrigen lasse sich der mit der
Beschwerdebegründung vorgelegten persönlichen Erklärung des Antragstellers
und auch seinen Äußerungen in dem Sicherheitsgespräch inhaltlich eine klare
Absage an die Anwendung von Gewalt nicht entnehmen. Seine Äußerungen
deuteten vielmehr darauf hin, dass er meine, die Sikhs befänden sich gegenüber
den Hindus in einer allgemeinen Notwehrsituation, welche generell, also auch
außerhalb einer konkreten Selbstverteidigungslage. jegliche Gewaltanwendung
rechtfertige. Auch soweit der Kläger darauf Bezug nehme, dass Babbar Khalsa
keine Gewalttaten in Europa begehe und es deshalb an einer Gefahr für deutsche
Interessen fehle, sei dem nicht zu folgen. Er übersehe, dass es für die Anwendung
des § 54 Nr. 5 AufenthG unbeachtlich sei, ob eine Terrororganisation Anschläge in
Deutschland oder im Ausland begehe, denn der international organisierte
Terrorismus stelle immer auch eine latente Bedrohung der Bundesrepublik dar.
9 Aufgrund der persönlichen Anhörung des Klägers im Termin zur mündlichen
Verhandlung vom 11.02.2011 wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom selben
Tage im Verfahren 5 K 976/10 (siehe beigezogene Gerichtsakten) die Klage des
Klägers gegen die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Freiburg ab.
Aufgrund der Äußerungen und Stellungnahmen des Klägers und auch seiner
Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung (siehe dazu das
Sitzungsprotokoll Gas 87-97 der beigezogenen Gerichtsakte 5 K 976/10) sei nicht
davon auszugehen, dass der Kläger den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5
nicht verwirklicht habe. Im Gegenteil, er versuche bis heute seine langjährige
Unterstützung für Babbar Khalsa zu verharmlosen und herunterzuspielen. Ein
nachhaltiges Abwenden von seiner über 20 Jahre dauernden
Unterstützungstätigkeit sei nicht dargetan. Selbst die rechtskräftig festgestellte
Straftat (Gewaltanwendung bei Spendeneintreibung), deretwegen das Amtsgericht
Lörrach den Kläger verurteilt habe, habe dieser schlichtweg bestritten. Er habe
immer erst auf nachhaltigen Vorhalt seine Tätigkeiten für die Babbar Khalsa im
Einzelnen eingeräumt. Der herunterspielende Vortrag des Klägers gipfle
schließlich in der Angabe, er wisse gar nicht, was Babbar Khalsa mache. Das sei
angesichts seiner Vorgeschichte abwegig. Sein Vortrag, er sei grundsätzlich
gegen Gewalt, sei als Lippenbekenntnis anzusehen. Das Urteil wurde dem Kläger-
Vertreter am 11.02.2011 zugestellt und, nach dem Kläger keinen Antrag auf
Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil gestellt hatte, am 19.03.2011
rechtskräftig.
10 Bezugnehmend auf dieses Urteil des Verwaltungsgerichts zur Ausweisung teilte
das Bundesamt mit Schreiben vom 07.10.2011 dem Kläger-Vertreter mit, es
komme nunmehr auch ein Widerruf gestützt auf § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG in
Betracht. Der Klägervertreter nahm dazu mit Schreiben vom 18.10.2011 Stellung
(BAS 119) und führte aus, § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG sei nicht einschlägig. Der
Kläger habe sich jahrzehntelang im Bundesgebiet aufgehalten ohne eine Gefahr
für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Bundesrepublik darzustellen. Die
Anschuldigungen des indischen Geheimdienstes entbehrten jeder Grundlage. Es
wäre im Übrigen mehr als paradox, wenn die Aktivitäten des Klägers, die seinerzeit
zur Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter durch das VG Ansbach geführt
hätten, nunmehr als Begründung für einen Ausschluss von der Asylanerkennung
dienen sollten. An alldem änderten auch die Ausführungen des VG Freiburg im
Ausweisungsverfahren nichts. Denn § 54 Nr. 5 AufenthG habe einen ganz
anderen Schutzbereich als § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG. Der Kläger habe sich
während all der Jahre im Bundesgebiet einwandfrei geführt. Im Übrigen drohe ihm
bei Abschiebung nach Indien Foltergefahr. Das Bundesamt möge diesbezüglich
Auskünfte von amnesty international oder dem Auswärtigen Amt einholen, wenn
es daran Zweifel. Es dürfe keinen Menschen sehenden Auges einer solchen
Gefahr aussetzen, denn das sei rechtstaatswidrig.
11 Nach ihm gewährte Akteneinsicht teilte der Klägervertreter ferner am 09.11.2011
mit, er habe seiner Stellungnahme vom 18.10.2011 nichts weiter hinzu zu fügen.
12 Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 29.12.2012 widerrief das Bundesamt
die mit Bescheid vom 21.9.1995 getroffene Feststellung, dass die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (a.F.) vorliegen (Ziff. 1 des Bescheids)
und stellte zugleich fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der
Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (Ziff. 2 des Bescheids).
13 Zur Begründung verwies es auf § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG, wonach die Feststellung
zu § 51 Abs. 1 AuslG unverzüglich zu widerrufen sei, wenn die Voraussetzungen
nicht mehr vorlägen, wofür es auch genüge, wenn nachträglich Ausschlussgründe
eingetreten seien. Hier lägen Ausschlussgründe nach § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG
aber auch nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG vor. Der Kläger sei aus schwerwiegenden
Gründen als Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen. Nach dem
Urteil des VG Freiburg sei die Babbar Khalsa eine militante Sikh-Organisation, die
unabhängig von ihrer Auflistung auf der EU-Terrorismusliste bis in jüngste Zeit für
zahlreiche schwere Attentate in Indien verantwortlich sei. Gewaltanschläge oder
Drohungen ausländischer Terrororganisationen gefährdeten aber auch die inneres
Sicherheit der Bundesrepublik. Der Kläger habe im Sicherheitsgespräch zu
erkennen gegeben, dass er Gewalt als gerechtfertigt ansehen. Sein Hinweis auf
Wohlverhalten im Bundesgebiet könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass
Babbar Khalsa die Bundesrepublik als Ruhe- und Rückzugsraum nutze und er
sich deshalb nur aus Organisationsdisziplin als ungefährlich darstelle. Auch wenn
§ 54 Nr. 5 AufenthG und § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG unterschiedliche
Anwendungsbereich hätten, stehe doch nach dem Urteil des VG Freiburg fest,
dass der Kläger seine Rolle zu verharmlosen suche, obwohl er mit hohen
Geldbeträgen diese unterstützt habe und deshalb als latente Gefahr für die
Bundesrepublik anzusehen sei. Der Hinweis auf langjähriges Wohlverhalten greife
nicht, denn dieses beruhe auf lediglich taktischem Kalkül. Er habe sich aber nach
wie vor nicht von der Terrororganisation distanziert, wie seine Angeben beim VG
Freiburg im Ausweisungsverfahren zeigten. Wegen seiner fortdauernden
Einbindung in die Organisation sei auch die nach § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG
erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben.
14 Zudem habe er den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen
zuwidergehandelt und damit den Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG
verwirklicht. Nach dem Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz 2010 und
einem Gutachten des Südasien Instituts für das VG Gelsenkirchen vom
26.04.2004 sei die Babbar Kahlsa International eine militante Sikh-Organisation,
die Gelder unter anderem durch Erpressung eintreibe und neue Rekruten
anwerbe. Für diese Organisation, die ein selbständiges Khalistan auch mit
terroristischen Mitteln anstrebe sei der Kläger langjährig als hoher Funktionär tätig
gewesen und habe sie auch mit erheblichen Geldzuwendungen unterstützt und
damit terroristische Aktionen unterstützt. Auf das Vorliegen einer
Widerholungsgefahr komme es hier nach der Rechtsprechung des EuGH (v.
9.11.2010 - C 57/09) nicht an.
15 Nach § 30 Abs. 4 AsylVfG sei ein Asylantrag, der auch die Flüchtlingseigenschaft
umfasse, als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn - wie im vorliegenden
Fall - Ausschlussgründe vorlägen. Nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes
sei wegen der teilweisen Erweiterung des Schutzumfangs des früheren § 51 Abs.
1 AuslG a.F. durch den diesen ablösenden § 60 Abs. 1 AufenthG im
Widerrufsverfahren erstmalig über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu entscheiden. Die Ermächtigung dazu ergebe sich
aus einer analogen Anwendung der §§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 2 S. 1, 31 Abs. 3 S. 1,
32, 39 Abs. 2 und 73 Abs. 1 - 3 AsylVfG. Im vorliegenden Fall komme es auf einen
erweiterten Schutzumfang des § 60 Abs. 1 AufenthG aber gar nicht an, weil ja
Ausschlussgründe vorlägen.
16 Am 27.01.2012 hat der Kläger dagegen Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg
erhoben.
17 Er legt zur Begründung eine Meldung der Media Punjab -German News vom
20.03.2011 nebst deutschsprachiger Übersetzung vor, wonach der Kläger am
18.03.2011 von seinen Ämtern bei Babbar Khalsa International Deutschland
zurückgetreten sei und seit dem Jahr 2011 kein Verbindungen mehr mit der Partei
habe und alle Pressagenturen bitte, seinen Namen nicht zu erwähnen (GAS 11 -
15). Diese. Zusätzlich legte er ein von ihm unterzeichnete, in deutscher Sprache
abgefasstes und vom 18.03.2011 datierendes Schreiben an den Präsidenten von
Babbar Khalsa International Deutschland vor, in dem er diesen um Bestätigung der
fristgerechten Kündigung seiner Mitgliedschaft und seiner Vorstandstätigkeit mit
Wirkung zum 18.03.2011 bittet (GAS 67). Dazu legte er ferner ein in deutscher
Sprache abgefasstes, vom Präsidenten der Vereinigung stammendes und
unterzeichnetes, vom 20.03.2011 datierendes Schreiben vor, in dem ihm dieser
die Kündigung bestätigt, für die langjährige Mitarbeit dankt und alles Gute wünscht
(GAS 69).
18 Der Kläger beantragt,
19 den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29.12.2011
aufzuheben,
und - hilfsweise - die Beklagte zu verpflichten, dass ein Abschiebungsverbot nach
§ 60 Abs. 5 AufenthG oder Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegt.
20 Die Beklagte beantragt,
21 die Klage abzuweisen.
22 Sie nimmt Bezug auf die Begründung des angefochtenen Bescheids.
23 Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger vom Gericht zu den Gründen
seines Austritts aus der Organisation und zur Begründung seiner Klage angehört
worden. Auf die hierzu angefertigte Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
24 Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der
Gerichtsakte (1 Heft), der Akten der Beklagten (1 Heft), sowie der beigezogenen
Akten des Gerichts (VG Freiburg, 5 K 977/10 und 5 K 976/10) Bezug genommen,
die ebenso zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, wie
die Gerichts- und Behördenakten zum zeitgleich verhandelten Parallelverfahren (A
6 K 900/12 - betr. Widerruf der Asylanerkennung), hier insbesondere die Akten der
Beklagten zur ursprünglichen Asylanerkennung des Klägers im damaligen
Verfahren von 1995.
Entscheidungsgründe
25 Die zulässige Klage ist in dem im Tenor genannten Umfang begründet. Insoweit ist
der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen
Rechten, da er Anspruch auf eine positive Feststellung der Beklagten zum
Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat (§ 113 Abs.
5 VwGO).
26 Im Übrigen ist die Klage unbegründet und insoweit abzuweisen. Der Widerruf der
im damaligen Anerkennungsbescheid vom 21.09.1995 enthaltenen positiven
Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (a.F.)
ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1
VwGO).
27 1. Widerruf der Feststellung zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 AuslG
28 Nach § 73 Abs. 1 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (bzw.
vormals die positive Feststellung zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG a.F.) unter anderem dann zwingend zu widerrufen, wenn der
Betroffene nach der Anerkennung Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
AsylVfG verwirklicht hat (BVerwG, U. v. 31.03.2011 - 10 C 2/10 -, juris, Rd.Nrn. 20
und 43). Das setzt im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 09.11.2010 - Rs. C-
57/09 -, NVwZ 2011, 285) eine gegenwärtige Gefahr für die Sicherheit der
Bundesrepublik Deutschland oder die Allgemeinheit ebenso wenig voraus, wie
eine auf den Einzelfall bezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung. Insofern nämlich
genügt es bei diesem Ausschlussgrund, dass der Betreffende gegen die Ziele und
Grundsätze der Vereinten Nationen gehandelt „hat“, weil er sich bereits damit des
Flüchtlingsschutzes als „unwürdig“ erwiesen hat. Terroristische Aktivitäten laufen
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider. Der
Ausschlussgrund kann auch von Personen begangen werden, die keine
Machtposition in einem ihrer Mitgliedsstaaten innehaben. Entscheidend ist aber,
dass ihnen eine individuelle Verantwortung für solches Handeln zugerechnet
werden kann (BVerwG, U. v. 07.07.2011 - 10 C 26/10). Die individuelle
Zurechnung von Terrorakten ist dabei nicht erforderlich. Für das Zuwiderhandeln
gegen Ziele der Vereinten Nationen ist außerdem nicht erforderlich, dass der
Betreffende eine räumlich-organisatorische Nähe innerhalb der Organisation zur
Ausführung terroristischer Taten oder ihrer Rechtfertigung in der Öffentlichkeit hat.
Vielmehr genügen für den Ausschluss als asylunwürdig vom Status des „bona fide
refugee“ gewichtige ideologische und propagandistische Aktivitäten, da auch
„Schreibtischtäter“ und „Propagandisten“ nach dem Normzweck des
Ausschlussgrundes nicht privilegiert werden sollen. Werben, ideologisch Schulen,
aber auch Kulturaktivitäten, die den ideologischen Zusammenhalt fördern,
genügen für einen Ausschluss (so zuletzt BVerwG, Urt. v. 19.11.2013 - 10 C 26/12
-, juris, Rd.Nrn. 16 ff).
29 Diese Voraussetzungen für den Widerruf der Feststellung der Voraussetzungen
des § 51 Abs. 1 AuslG sind im Fall des Klägers hier erfüllt.
30 Dabei steht die Rechtskraft des Urteils des VG Ansbach, mit dem die Beklagte
seinerzeit zur positiven Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG verpflichtet wurde, im vorliegenden Fall der Widerrufsentscheidung
nicht nach § 121 Nr. 1 VwGO entgegen. Insoweit haben sich hier nämlich nach
dem Urteil des VG Ansbach vom 18.8.1995 die dafür entscheidungserheblichen
Sachverhalte nachträglich maßgeblich verändert (zur Zulässigkeit des Widerrufs
trotz rechtskräftigen Verpflichtungsurteils in diesem Fall BVerwG, U. v. 22.11.2011 -
10 C 29/10 -, juris, Rd.Nrn. 16, 17).
31 Hier hatte der Kläger zwar schon zum Zeitpunkt der Entscheidung des VG
Ansbach eine Funktionärsposition für die Babbar Khalsa International Deutschland
inne. Damals beschränkten sich aber seine Aktivitäten nach den Feststellungen
des VG Ansbach auf propagandistische Handlungen, einseitige
Sympathiebekundungen, und ähnliche Handlungen, die nach dem Urteil dieses
Verwaltungsgerichts noch nicht die Schwelle zum Asylausschlussgrund des von
der Rechtsprechung zu Art. 16 a Abs. 1 GG entwickelten „Terrorismusvorbehalts“
überschritten.
32 Wie aber bereits die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts und auch der
Verwaltungsgerichtshof in der entsprechenden Beschwerdeentscheidung im
Ausweisungsverfahren festgestellt haben, hat der Kläger „seit Mitte der 1990er
Jahre seine Aktivitäten demgegenüber deutlich intensiviert und gesteigert“. Von
daher kann er nicht geltend machen, ihm würden nunmehr paradoxerweise
Aktivitäten als Grundlage für einen Ausschluss von der gewährten
Flüchtlingsanerkennung angelastet, die er so auch schon seinerzeit an den Tag
gelegt habe ohne dass dies seiner damaligen Anerkennung entgegengestanden
habe. Denn er war seither nicht nur nunmehr auch auf Bundesebene
Vorstandsmitglieder der Babbar Khalsa International, also in einer führenden
Funktion tätig, sondern hat in dieser Funktion auch Geldspenden für die
Organisation in beachtlichem Ausmaß beschafft und sich insbesondere dabei
selbst gewalttätig verhalten, als er einen Landsmann zusammen mit drei anderen
Sikhs in diesem Zusammenhang wegen Geldspenden mit gefährlicher
Körperverletzung, Drohung und Nötigung drangsaliert, wofür er rechtskräftig
verurteilt wurde. Schon deshalb kann im Übrigen keine Rede davon sein, er habe
sich in der Bundesrepublik jahrelang „wohlverhalten“. Seine Aktivitäten waren als
hochrangig, langandauernd (über eine Jahrzehnt hinweg mindestens bis 2011)
und selbst unter anderem auch zumindest einmal nachgewiesenermaßen
gewalttätig. Außerdem hat der sowohl in dem Sicherheitsgespräch als auch in der
mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im Ausweisungsverfahren
noch bis Februar 2011 erkennen lassen, dass er durchaus separatistische
Gewalthandlungen seiner Organisation billigt und für gerechtfertigt hält, wenn sie
der gerechten Sache der Sikhs und einem freien Khalistan dienen. Die Babbar
Khalsa International steht zudem - nach wie vor - auf der Terrorismusliste der EU
(Beschl. des Rats der Europäischen Union v. 10.02.2014 - „014/72/GASP - ABl. L
40/56). Das ist - auch wenn dieser Liste im vorliegenden Fall keine
Bindungswirkung für die Beklagte und ihre Entscheidung zukommen dürfte -
zumindest ein Indiz dafür, dass es sich um eine terroristische Organisation handelt,
zumal mittlerweile auch Möglichkeiten für solche Organisationen existieren, sich
mit Rechtsmitteln vor dem EuGH gegen die Aufnahme auf einer solchen Liste zur
Wehr zu setzen (vgl. dazu GK-AufenthG, Rd.Nr. 277, 278 zu § 60 AufenthG), von
denen aber die Babbar Khalsa International bislang keinen Gebrauch gemacht hat.
Die terroristischen Umtriebe der Babbar Khalsa ergeben sich zudem nicht allein
aus ihrer Auflistung auf der Terrorismusliste, sondern schon unabhängig davon
aus den vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid genannten
Erkenntnismitteln (Südasieninstitut, Bundesamt für Verfassungsschutz). Im
Übrigen wird auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und des
Verwaltungsgerichtshofs im Ausweisungsverfahren mit den entsprechenden
Feststellungen zum terroristischen Charakter dieser Organisation verwiesen, sowie
auf die ausführliche Entscheidung des VGH Bad.-Württ. (U. v. 21.04.2010 - 11 S
200/10 - juris) zu der mit Babbar Khalsa kooperierenden International Sikh Youth
Federation (ISYF). Auch in der übrigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte
wird Babbar Khalsa entsprechend als terroristische militante Sikh Organisation
eingestuft (vgl. VG Gelsenkirchen, U. v. 07.09.2004 - 14 K 79/03.A -, juris; VG
Mainz, U. v. 27.04.2005 - 7 K 755/04. MZ-, juris; VG Darmstadt, U. v. 23.01.2009 -
5 K 386/08.-DA -, juris; alle diese Entscheidungen enthalten ausführliche
Darstellungen der Erkenntnisquellen zu Babbar Khalsa).
33 All das genügt an sich bereits für die Verwirklichung des Ausschlussgrundes nach
§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AsylVfG.
34 Auf eine Wiederholungsgefahr als solche kommt es nach dem oben Gesagten
dabei nicht an. Von daher könnte an sich sogar völlig offenbleiben, ob der Kläger
seit seinem Austritt aus der Organisation im März 2011 bis heute überhaupt jemals
wieder aktiv war oder Kontakt mit dieser Organisation hatte. Auf die von ihm
angeregte Einholung einer aktuellen Auskunft des Landeskriminalamtes und des
Landesamtes für Verfassungsschutz kommt es deshalb gar nicht an, wie sie die
Ausländerbehörde im Rahmen der Prüfung seines Antrags auf nachträglich
Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung Ende 2013 wohl in die Wege geleitet
hat.
35 Der Widerruf wäre hier aber selbst dann rechtmäßig, wenn man auf eine
Wiederholungsgefahr abstellen wollte, wie sie in dem insoweit strengeren
Ausweisungsrecht gefordert wird, bzw. selbst wenn man der Ansicht wäre, dass
eine einschränkende Auslegung des Ausschlussgrundes des § 3 Abs. 2 S. 2 Nr. 3
AsylVfG dann angezeigt sein kann, wenn es sich bei der Terrorismusunterstützung
um sehr lange zurückliegende Taten oder gar „Jugendsünden“ handelt bzw. ein
Minimum an Aktualität der Taten fordert. Denn selbst dann wäre in jedem Fall ein
glaubwürdige und ernsthafte deutliche aktuelle Distanzierung von diesen
Unterstützungshandlungen deshalb notwendig, weil nur dann keine
Wiederholungsgefahr mehr angenommen werden kann bzw. dann von einer
aktuell fortbestehenden Asylunwürdigkeit wegen eines den Vereinten Nationen
und ihren Grundsätzen zuwiderlaufenden Verhaltens womöglich keine Rede mehr
sein könnte (siehe zu einer solchen womöglich einschränkenden Anwendung
dieses Ausschlussgrundes VGH Bad.-Württ., Urt. v. 21.04.2010 - 11 S 200/10 -
juris, Rd.Nr. 68, 69; siehe im Übrigen ausführlich zu solchen den Ausschlussgrund
einschränkenden Erwägungen GK AufenthG, Rd.Nrn. 260 - 262 m.w.N.).
36 Dafür aber ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich. Es kann dahin gestellt
bleiben, ob der Kläger tatsächlich drei Jahre lang keinerlei Aktivitäten mehr für die
Babbar Khalsa International an den Tag gelegt hat. Denn selbst wenn dies so
zuträfe, würde dies an seiner Asylunwürdigkeit, die er durch das Zuwiderhandeln
gegen die Ziele der vereinten Nationen begründet hat, nichts ändern. Das Gericht
ist nämlich nach ausführlicher Anhörung des Klägers in der mündlichen
Verhandlung insbesondere zu den Gründen und Motiven seines Austritts aus
dieser Vereinigung nicht der Überzeugung, dass dem ein ernsthafter
Gesinnungswandel oder gar eine ernsthafte innere Abkehr von den Zielen dieser
Vereinigung und eine glaubwürdige Distanzierung von den
Unterstützungshandlungen des Klägers zugrunde liegt.
37 Schon die vom Kläger erstmals mit der Klagebegründung vom 26.01.2012
vorgelegte Meldung der Media Punjab - German News vom 20.03.2011 (GAS 11)
beinhaltet lediglich, dass der Kläger am 18.03.2011 noch in seiner Funktion als
Pressesprecher und Amtssekretär der Babbar Khalsa International Deutschland
die Medien informierte und erklärte, dass er „seit 2011“ von seinen beiden Ämtern
zurück tritt. Seit diesem Jahr bestehe keine Verbindung zwischen ihm und der
Partei und deren Aktivitäten. Er bitte deshalb alle Presseagenturen, seinen Namen
von Parteiaktivitäten und Meldungen darüber auszuschließen. Er habe seit diesem
Jahr keinerlei Beziehungen mehr, weder eine Position noch sonst etwas. Und sein
Name solle in keiner Form benutzt werden.
38 Bereits der Inhalt dieser Meldung zeigt, dass der Kläger hier jedenfalls noch bis zur
Abgabe dieser Erklärung offenbar das Amt als Pressesprecher und Amtssekretär
inne hatte. Soweit er darin angibt, „seit 2011“, nämlich seit dem Jahr 2011 keinerlei
Beziehungen mehr zur Partei zu haben und seine Ämter niedergelegt zu haben,
widerspricht dies sogar auch seinen Angaben, die er in der mündlichen
Verhandlung bezüglich seiner Ausweisung vor dem Verwaltungsgericht Freiburg
am 11.02.2011, also nur wenige Wochen zuvor, eindeutig gemacht hat. Dort hat er
nämlich klar angegeben, er sei zur Zeit noch Office Secretary der Vereinigung. Der
Schwerpunkt seiner Tätigkeit liege darin, Mitglieder in Deutschland anzurufen und
Kundgebungen oder Programme zu organisieren (siehe GAS 83 ff der
beigezogenen Gerichtsakten 5 K 976/10). Es kann also schon nicht davon die
Rede sein, dass der Kläger „im Jahr 2011“ gar keine Aktivitäten oder Funktionen
mehr für die Babbar Khalsa International in Deutschland ausgeübt habe. Denn
wenige Wochen zuvor hat er genau das Gegenteil erklärt.
39 Im Übrigen fällt auf, dass die Meldung über den Austritt des Klägers aus der Partei
offenbar allein darauf abzielt, ihn aus dem Fokus internationalen Interesses oder
indischer Strafverfolgungsbehörden oder sonstiger Strafverfolgungsbehörden zu
rücken. Denn auffälligerweise wird mehrfach erwähnt, man möge seinen Namen
nicht mehr erwähnen. Irgendwelche Gründe für seinen Parteiaustritt hat er
ausweislich dieser Meldung auch nicht dargelegt oder angegeben. Für eine innere
Abkehr und einen Gesinnungswandel ist jedenfalls dieser Meldung nichts zu
entnehmen.
40 Soweit der Kläger dann mit Schreiben vom 14.02.2012 im vorliegenden Verfahren
erklärt hat, er habe bereits vor fast einem Jahr seine Mitgliedschaft und Aktivität
aufgegeben, also weit vor Erlass der streitgegenständlichen Widerrufsverfügung
eingestellt, fällt auf, dass der Kläger davon bisher erstaunlicherweise während des
gesamten Widerrufsverfahren mit keinem Wort etwas erwähnt hat. Obwohl er sogar
im vorliegenden Widerrufsverfahren ausdrücklich noch einmal von der
Beklagtenseite mit Schreiben vom 07.10.2011 an den Kläger-Vertreter unter
Hinweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg im Ausweisungsverfahren
Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt bekam, hat er seinerzeit dazu nichts
ausgeführt und insbesondere seine bereits im März 2011 angeblich vollständige
Beendigung aller Kontakte und Aktivitäten für Babbar Khalsa mit keinem Wort
erwähnt. In seiner Stellungnahme vom 18.10.2011 hat er nichts dazu geäußert und
auch in der späteren Stellungnahme vom 09.11.2011 hat er dieser Stellungnahme
erklärtermaßen nichts hinzuzufügen gehabt. Wäre er aber bereits ein halbes Jahr
zuvor, wie nunmehr vorgetragen, eindeutig und unwiderruflich von allen Ämtern bei
Babbar Khalsa zurückgetreten und hätte einen deutlichen Gesinnungswandel an
den Tag gelegt, so hätte nichts näher gelegen, als speziell darauf bezogen diese
Austrittserklärung bzw. den Umstand dieses Austritts und die entsprechenden
Pressemeldungen dazu dem Bundesamt im Widerrufsverfahren vorzulegen, um
darauf gestützt die Einstufung als asylunwürdig zu erschüttern und zu versuchen,
einen Widerruf abzuwenden. Das hätte umso näher gelegen, als der Kläger vom
Verwaltungsgericht im Urteil zu seiner Ausweisung sogar ausdrücklich bescheinigt
bekommen hatte, seine angeblich gewandelte Einstellung zur Gewalt sei ein
bloßes Lippenbekenntnis. Gegen dieses Urteil ist er aber nicht mit Rechtsmitteln
vorgegangen, obwohl er in der noch laufenden Rechtsmittelfrist gerade seinen
angeblichen vollständigen Austritt und den Abbruch aller Beziehungen zu Babbar
Khalsa bewerkstelligt hatte, worauf gestützt er ohne weiteres hätte versuchen
können, einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil beim
Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung einzureichen, er habe nun deutlich
gemacht, dass es sich nicht um ein bloßes Lippenbekenntnis handele, und dass er
es ernst meine und deshalb aus allen Ämtern ausgeschieden sei. Obwohl ihn der
Kläger-Vertreter seinerzeit innerhalb der laufenden Rechtsmittelfrist ausdrücklich
darauf hingewiesen hatte, dass er die Möglichkeit eines Rechtsmittels habe und
darum gebeten hatte, dem Kläger-Vertreter mitzuteilen, ob dagegen Rechtsmittel
eingelegt werden solle, hat der Kläger seinem Kläger-Vertreter offenbar überhaupt
nichts von dem damals ganz aktuellen Austritt bei Babbar Khalsa mitgeteilt, was
nahegelegen hätte und sei es nur, um dem Kläger-Vertreter die Prüfung zu
ermöglichen, ob darauf gestützt die Berufung gegen das die Ausweisung
bestätigende Urteil des Verwaltungsgerichts nicht hätte versucht werden können.
41 Auffällig ist auch, dass die vom Kläger vorgelegte Kündigung und deren
Bestätigung (Schreiben vom 18.03.2011 des Klägers an die Babbar Khalsa
Organisation und deren Präsidenten bzw. Antwort des Präsidenten der
Organisation vom 20.03.2011, GAS 67 u. 69) in deutscher Sprache abgefasst sind,
obwohl kaum anzunehmen ist, dass der Kläger und der Präsident in dieser ihnen
wohl kaum wirklich ausreichend geläufigen Sprache miteinander kommunizieren.
Hier hätte vielmehr näher gelegen, dass er in seiner Muttersprache eine solche
Erklärung abgibt und empfängt. Als Übersetzung muttersprachlicher Schreiben
sind jedenfalls diese beiden vorgelegten Schriftstücke nicht bezeichnet worden
und entsprechende muttersprachliche Originale sind auch nicht vorgelegt worden.
Dieser Umstand aber zeigt, dass hier eine lediglich zur Kenntnisnahme durch die
deutschen Behörden und Gerichte bestimmte Erklärung demonstrativ, nämlich
allein zum Zweck des Vorzeigens bestimmt, produziert wurde.
42 Schließlich enthält die Erklärung auch keinerlei Begründung, wies es etwa nahe
gelegen hätte, wenn der Kläger tatsächlich, so wie er es nunmehr in der
mündlichen Verhandlung behauptet hat, aus familiären Gründen und um sich
weiteren Streit mit Behörden und Gerichten zu ersparen, nach Jahrzehnten aktiver
umfassender und hochrangiger Unterstützung für die Organisation auf einmal alle
seine Ämter niedergelegt hätte. Dazu findet sich aber in der Erklärung nichts.
43 Zudem spricht auch das gesamte Verhalten des Klägers in der mündlichen
Verhandlung in keiner Weise dafür, dass er hier eine deutliche innere Abkehr von
seinem bisherigen Verhalten an den Tag gelegt hat. Irgendeine nachvollziehbare
Motivation für einen angeblichen fundamentalen Gesinnungswandel war dem
Kläger trotz mehrfacher gezielter Nachfragen nicht zu entlocken. Er hat hier sehr
einsilbig und ganz stereotyp immer wieder nur darauf Bezug genommen, er habe
mehr Zeit für seine Familie gebraucht, ohne dass er allerdings dann konkret
darlegen konnte, weshalb er in den letzten Jahren etwa infolge seiner
Berufstätigkeit oder Tätigkeit für die Organisation nur wenig bis gar keine Zeit für
seine Familie gehabt haben sollte. Dass er als Feldarbeiter in ...rund um die Uhr
beruflich eingespannt ist und allenfalls am Sonntag mal Zeit hat, ist schon nicht
recht nachvollziehbar. Auch dass er jede freie Minute für Parteitätigkeiten
aufgewendet hätte und deshalb hätte seine Familie vernachlässigen müssen, lässt
sich dem gesamten Akteninhalt nicht nachvollziehbar entnehmen. Er selbst hat
beim Verwaltungsgericht im Verfahren bezüglich seiner Ausweisung aber auch im
vorliegenden Verfahren eher abschwächend darauf verwiesen, seine Presse- und
Propagandasekretärstätigkeit sei relativ unbedeutend gewesen und habe deutlich
im Umfang abgenommen, und er habe lediglich ein paar wenige Male im Jahre an
bestimmten Veranstaltungen teilgenommen. Zu einem Konflikt mit seinem
Familienleben konnte es insofern also gar nicht ernsthaft gekommen sein. Dieser
Grund kann also letzten Endes nicht wirklich ausschlaggebend für den Abbruch
seiner Beziehungen zur Babbar Khalsa-Organisation gewesen sein, wie er ihn
nunmehr in den Vordergrund stellt.
44 Auch soweit er darauf Bezug nimmt, er habe sich „Stress mit Behörden und
Gerichten“ ersparen wollen und seine Ruhe haben wollen, zeigt dies lediglich,
dass er sich die mit den Widerrufs- und Ausweisungsverfahren verbundenen
Nachteile und insbesondere auch die mit der wöchentlichen Meldepflicht, wie er sie
nach der rechtskräftigen Ausweisungsverfügung zu befolgen hat, verbundenen
Nachteile und Erschwernisse schlichtweg ersparen bzw. vom Hals schaffen
möchte. Einen inneren Einstellungswandel und eine Abkehr von seinen früheren
Zielen und Tätigkeiten stellt dies indessen gerade nicht dar. Wer lediglich Nachteile
vermeiden möchte, der agiert ganz offensichtlich allein taktisch, ohne dass dem ein
sonstiger Einstellungswandel zugrunde liegt. Ein wirklich anerkennungswürdiges
Motiv für einen Austritt könnte insoweit allenfalls dann vorliegen, wenn der Kläger
sich ernsthaft mit seinem bisherigen Verhalten beschäftigt hat, erkannt hat, was
daran falsch ist, und glaubhaft darlegt, weshalb er nun mehr der Ansicht ist, dass
er diesen Weg nicht weitergehen möchte. Wer hierzu lediglich vorträgt, die mit dem
Verhalten verbundenen Nachteile bei Behörden und Gerichten seien ihm lästig
und bereiteten ihm Stress, lässt einen solchen Einstellungswandel nicht erkennen.
Von Einsicht kann insoweit nicht die Rede sein, sondern allenfalls davon, sich
damit einem Druck zu beugen. Das aber genügt nicht für eine glaubhaft
Distanzierung, um die durch die bisherigen Handlungen dokumentierte
Unwürdigkeit „aus der Welt zu schaffen“.
45 Dass der Kläger mit seinen Parteifreunden und langjährigen Parteikollegen
überhaupt nicht über die Gründe seines Austritt gesprochen haben will, dass ihn
niemand dazu befragt hat und dass es insoweit auch keine Kritik daran oder einen
Rechtfertigungsdruck gegeben hat, wie der Kläger es nunmehr in der mündlichen
Verhandlung darzustellen versuchte, vermag ihm das Gericht nicht abzunehmen.
Wer jahrzehntelang in der Weise aktiv für eine Organisation war und sich ihr
vollständig verschrieben hat und dafür in Indien sogar Folter erleiden musste, wie
dies der Kläger ganz offenkundig getan hat, der tritt nicht einfach von heute auf
morgen ohne Angabe von Gründen aus und wird von seinen Parteifreunden auch
nicht ohne jede Kritik oder Frage nach den Motiven einfach gehen gelassen. In
solchen Organisationen dürfte vielmehr der Regelfall sein, dass einem solchen
Menschen, gerade weil er jahrzehntelang auch Insider-Kenntnisse gesammelt hat,
womöglich gar Verrat vorgeworfen und Konsequenzen angedroht worden. Dafür
war dem gesamten Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung
überhaupt nichts zu entnehmen.
46 Vollends unglaubwürdig werden die Aussagen und das Verhalten des Klägers,
wenn man seine Antworten zu dem Inhalt des Parteiemblems berücksichtigt.
Obwohl die Babbar Khalsa International-Germany offenbar schon seit Jahrzehnten
in ihrem Logo an auffälliger exponierter Stelle zwei gekreuzte Sturmgewehre oder
Langwaffen aufweist, (siehe GAS 69, siehe aber auch schon Bundesamtsakte aus
dem Asylanerkennungsverfahren von 1993 - dort AS 135) gab der Kläger in der
mündlichen Verhandlung auf Vorhalt allen Ernstes an, er wisse nicht, was das
bedeute, er könne dazu nichts sagen, er habe dazu keinerlei Meinung und sich
auch noch nie mit seinen Parteikollegen darüber unterhalten. Vor dem Hintergrund,
dass er im Sicherheitsgespräch ganz offenkundig keine Probleme damit hatte,
dass die Sikhs sich gegenüber vermeintlichem Unrecht, das ihnen durch die
indischen Behörden zugefügt wird, für berechtigt halten, auch gewaltsam
zurückzuschlagen, erscheint es aber nur stimmig, dass im Emblem der Partei an
exponierter Stelle auch zwei gekreuzte Gewehre dargestellt werden, die ganz
symbolhaft eindeutig und sinnbildlich in den Vordergrund rücken, dass man sich
hier auch einem bewaffneten Kampf verpflichtet sieht. Dafür verspricht auch die
militärische Terminologie, mit der die Babbar Khalsa International ihre
Führungsspitze selbst bezeichnet („High Command“; „Oberkommando“; siehe
dazu BAS 145 bei der Erstanhörung des Klägers durch das Bundesamt am
23.03.1995, wo er selbst ausführt, er sei in Deutschland im „High Command“
Propagandasekretär, und siehe BAS. 136 aus dem Asylanerkennungsverfahren,
wo auch dieser Begriff in einer Punjabi-sprachigen Zeitschrift Punjab Times
International vom 22.02.1995 bezogen auf die Führungsspitze der Babbar Khalsa
mehrfach verwendet wird).
47 Wenn der Kläger sich dann aber in der mündlichen Verhandlung auf eine derart
klare Frage zur Verwendung eines aggressive Gewaltbereitschaft betonenden
Parteilogos schlichtweg „dumm stellt“, dann kann von einem Einstellungswandel
gegenüber solcher Gewalt nicht abgeneigten Tätigkeit dieser Organisation keine
Rede sein. Im Gegenteil, es zeigt vielmehr, dass der Kläger, indem er sich
möglichst bedeckt hält und einsilbige Antworten gibt, gerade seine inneren
Beweggründe zu verschleiern sucht.
48 Nach allem nützt es nichts, dass der Kläger hier betont, sein Austritt aus der Partei,
den er förmlich vollzogen haben mag, und seine bislang dreijährige Untätigkeit für
die Partei belege, dass er sich die mit dem Ausweisungs- und Widerrufsverfahren
verbundenen Nachteile gewissermaßen habe „zur Warnung dienen lassen“.
49 Zum Fehlen glaubwürdiger Distanzierung in Fällen von Ausländern, die einer
terroristischen Bestrebung Vorschub leisteten, hat auch die
Verwaltungsrechtsprechung ähnliche Ausführungen gemacht (siehe etwa VG
Düsseldorf, Urt. v. 07.12.2010 - 22 K 3115/09 - juris, Rd.Nr. 31, wonach eine
wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage und den Konsequenzen
oder eine Distanzierung von den Zielsetzungen und Aktivitäten erforderlich ist;
siehe insoweit auch BVerwG, Urt. v. 26.10.2010 - 1 C 19/09 -, juris, Rd.Nr. 24, 28,
wonach selbst dann, wenn der Kläger seit fünf Jahren keine Bezüge und
Verbindungen mehr zu einer Organisation hat, eine widerlegliche Vermutung dafür
spricht, dass das bloß verbale Bestreiten eines Bezugs zu dieser Organisation für
die glaubhafte Distanzierung von der Organisation und ihren terroristischen Zielen
nicht genügt, insbesondere dann, wenn dies womöglich nur unter dem Druck eines
anhängigen Widerrufs oder Ausweisungsverfahrens geschieht; vgl. ferner VG
Darmstadt, Urt. v. 23.01.2009 - 5 K 386/08 - DA (3) - juris, Rd.Nr. 42 u. Rd.Nr. 70,
wonach ein früheres Vorstandsmitglied der deutschen Sektion von Babbar Khalsa
International ohne nachvollziehbar Distanzierung von den Zielen der Vereinigung
nicht eingebürgert werden kann und der bloße Austritt aus dieser Vereinigung für
eine solche Distanzierung nicht ausreicht. Insbesondere reichte ein Austritt nicht
aus, wenn der Betreffende kurz vor seinem Austritt noch ein Funktionärsamt
ausgeübt hatte. Außerdem müssen für eine Umorientierung und eine Art innerer
Umkehr tatsächlich nachvollziehbare Schlüsselerlebnisse und Anlässe geschildert
werden. Bloß vorgeschobene Erklärungen genügen insofern nicht. Es bedarf eine
inneren Prozesses der Abkehr. Die Erklärung darf nicht einfach als taktisches
Manöver zu werten sein; siehe schließlich VG Stuttgart, Urt. v. 06.06.2005 - A 4 K
10512/05 - juris).
50 Der Widerrufsentscheidung des Bundesamtes und ihrer Rechtmäßigkeit steht hier
auch nicht entgegen, dass der Kläger seinerzeit vor der Ausreise bereits massive
Foltermaßnahmen seitens der indischen Sicherheitskräfte erlitten hat.
Insbesondere ergibt sich hieraus nicht eine Anwendbarkeit der Vorschrift des § 73
Abs. 1 Satz 3 AsylVfG. Danach kann einem Ausländer der Wegfall der
verfolgungsbegründenden Umstände dann nicht als Widerrufsgrund entgegen
gehalten werden, wenn er sich auf zwingende, auf frühere Verfolgungen
beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in den Staat abzulehnen.
Diese Vorschrift gilt aber nur bezüglich des § 73 Abs. 1 Satz 2. Dieser regelt, dass
ein Widerruf insbesondere dann erfolgen kann, wenn die Voraussetzungen für die
Anerkennung als Flüchtling bzw. Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft „nicht
mehr vorliegen“ und dass dies insbesondere dann der Fall ist, wenn der Ausländer
nach Wegfall der verfolgungsbegründenden Umstände es nicht mehr ablehnen
kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen
Staatsangehörigkeit er besitzt. Gemeint sind hier also Widerrufsfälle, die allein
darauf gründen, dass nun nach neuer aktueller Sachlage keine
Verfolgungsgefahren mehr bei Rückkehr in den Heimatstaat drohen, wie sie
ursprünglich der Anerkennung als Flüchtling bzw. Asylanerkennung noch
zugrunde gelegen haben. Im vorliegenden Fall aber stützt sich der Widerruf nicht
auf eine solche Konstellation. Vielmehr gründet er allein darauf, dass trotz noch
fortbestehender Verfolgungsgefahr in Indien für den Kläger nachträglich nach
seiner Anerkennung Ausschlussgründe wegen Asylunwürdigkeit bzw.
flüchtlingsrechtlicher Unwürdigkeit aufgetreten sind, die zumindest dem Widerruf
des Flüchtlingsstatus und Asylstatus rechtfertigen. In einem solchen Fall aber ist
damit noch nichts über ein Abschiebungsverbot und drohende Verfolgungsgefahr
als solche gesagt. Den besonderen Schutz des § 73 Abs. 1 Satz 3 bedarf nämlich
nur jemand, der zwar in sein Heimatland zurück abgeschoben werden könnte, weil
er dort nun wirklich nicht mehr objektiv einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist, dem
aber eine Rückkehr dorthin schlichtweg deswegen psychisch nicht mehr zumutbar
ist, weil er infolge früherer Verfolgungen, die er erlitten hat, schwerst traumatisiert
ist. Ein Beispiel dafür wäre etwa ein Jude, der ein deutsches KZ überlebt hat, und
dem eine Rückkehr nach Deutschland aus einem Exilland wegen der ihn
belastenden Erinnerungen und Traumatisierung nicht zumutbar wäre, auch wenn
er heute in Deutschland keinerlei Verfolgung mehr ausgesetzt wäre. Um einen
solchen Fall geht es hier aber nicht.
51 2. Feststellungen des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5
AufenthG.
52 Der angefochtene Widerrufsbescheid ist aber rechtswidrig und verletzt den Kläger
insoweit in seinen Rechten, als er keine positive Feststellung zum Vorliegen des
Abschiebungsverbots des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bezüglich
einer Abschiebung des Klägers nach Indien enthält.
53 Das Bundesamt hätte im Zusammenhang mit der Widerrufsentscheidung von Amts
wegen darüber befinden müssen, ob dem Kläger, nachdem ihm die positive
Feststellung zum Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG
a.F. entzogen worden ist, zumindest ein von Ausschlussgründen unabhängiger
Abschiebungsschutz wegen ihm in Indien bei Rückkehr dorthin drohender
Foltergefahr zu gewähren ist. Nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses
des Widerrufsbescheides ergab sich dies zwar nicht unmittelbar aus dem
Asylverfahrensgesetz, jedoch eindeutig aus der damaligen Rechtsprechung, die
analog zu den sonstigen Vorschriften im Asylverfahrensgesetz, die bei
Rücknahme oder Verzicht auf einen Asylantrag eine Einstellungsentscheidung des
Bundesamtes gekoppelt mit einer Prüfung solch eines Abschiebungsverbots
regelt, auch für den Fall des Widerrufs eine solche von Amts wegen zu treffende
Prüfung von Abschiebungsverboten vorsah (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 20.04.1999
- 9 C 29/98 -, juris, unter Verweis auf Urt. v. 27.02.1996 - 9 C 145.95 -, juris). Das
Bundesverwaltungsgericht begründete eine entsprechende Verpflichtung aus
einer Rechtsanalogie zu den Regelungen in §§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 2 Satz 1, 31
Abs. 3 Satz 1 und 32 sowie 39 Abs. 2 AsylVfG. Diesen Vorschriften lasse sich als
gemeinsamer Leitgedanke entnehmen, dass in Verfahren der Schutzgewährung
für Ausländer, die politische Verfolgung geltend machten, eine umfassende
Entscheidung ergehen solle, die alle Arten des Schutzes vor zielstaatsbezogenen
Gefahren einbezieht. Namentlich nach Beendigung eines Asylverfahrens solle
nicht offen bleiben, ob und in welcher Form dem Ausländer Abschiebungsschutz
zu gewähren sei. Auch der hessische Verwaltungsgerichtshof hat in jüngster Zeit
in diesem Sinne entschieden, dass im Falle des Widerrufs einer Asylanerkennung
wie auch des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (vormals
§ 51 Abs. 1 AuslG a.F.) das Bundesamt nach § 60 Abs. 2 - 5 und Abs. 7 AufenthG
über das Vorliegen von Abschiebungsverboten entscheiden muss (Hess. VGH,
Urt. v. 10.08.2011 - 6 A 95/10.a - juris, Rd.Nr. 24).
54 Nach heutiger Rechtslage (siehe AsylVfG i.d.F. der Novellierung vom 28.08.2013 -
BGBl. I S. 3474, gültig ab 01.12.2013), die im maßgeblichen Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung (77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) zu beachten ist, wird das
Bundesamt durch § 73 Abs. 3 in seiner neuen Fassung nunmehr sogar
ausdrücklich verpflichtet, bei Widerruf oder Rücknahme der Anerkennung als
Asylberechtigter oder der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu entscheiden,
ob die Voraussetzungen für den subsidiären Schutz oder die Voraussetzungen
des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen.
55 Eine solche Entscheidung hat das Bundesamt hier nicht getroffen, obwohl der
Kläger-Vertreter im Widerrufsverfahren sogar mehrfach darauf hingewiesen hat,
dass dem Kläger auf jeden Fall ein Abschiebungsverbot wegen ihm in Indien nach
Rückkehr dort auch aktuell noch drohender Folter und Lebensgefahr zur Seite
stehe.
56 Da das Bundesamt auch im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz der
entsprechenden Antragstellung und Erweiterung des bisher auf die Anfechtung der
Widerrufsentscheidung beschränkten Klageantrags (zur Zulässigkeit einer solcher
Klageerweiterung bei Einwilligung der Beteiligten siehe § 91 VwGO den Kläger
nicht etwa durch eine positive Entscheidung zum Vorliegen des
Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 AufenthG klaglos gestellt hat, besteht
auch ein Rechtsschutzinteresse für eine entsprechende Verpflichtungsklage auf
positive Feststellung.
57 Der Sache nach hat der Kläger auch einen Anspruch auf eine solche Feststellung
durch das Bundesamt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
58 Die drohende Foltergefahr ergibt sich für den Kläger im vorliegenden Fall schon
daraus, dass er, wie das Verwaltungsgericht Ansbach im ursprünglichen
Anerkennungsverfahren eindeutig aufgrund ärztlicher Atteste festgestellt hat, vor
seiner Ausreise aus Indien nach Deutschland schwerste Foltermaßnahmen durch
die indischen Sicherheitsbehörden erlitten hat. In einem solchen Fall kommt ihm
bezüglich des nationalen Abschiebungsverbots, wie es in § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3
EMRK formuliert ist, bei der Gefahrenprognose zwar nicht die lediglich für die
Gefährdungen nach § 4 AsylVfG und die dort verankerten europarechtlichen
Abhebungshindernisse geltende Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der EU-
Qualifikationsrichtlinie (zul. i.d.F. v. 13.12.2011 - Richtlinie 2011/95/EU -) zugute,
dass eine Verfolgungswiederholung schon dann anzunehmen ist, wenn das
Bundesamt nicht mit stichhaltigen Gründen beweisen kann, dass der Betreffende
vor einer erneuten Verfolgungshandlung sicher ist. Auch ein sogenannter
herabgestufter Gefahrenmaßstab, wie er sonst im Asylrecht für Vorverfolgte
entwickelt wurde, mag in solchen Fällen nicht direkt anwendbar sein (siehe zur
entsprechenden Rechtsprechung GK-Ausländerrecht, Ktr., Stand Dezember 2000,
§ 93 ff zu § 53 AuslG a.F.). Gleichwohl ist in jedem Fall die vom Kläger bereits in
der Vergangenheit seitens indischer Sicherheitskräfte erlittene Folter bei der
Prognose einer Wiederholungsgefahr ein nicht zu vernachlässigender Umstand.
Denn dies zeigt, dass der Kläger nicht nur den indischen Sicherheitsbehörden
einmal in ganz handgreiflicher Weise bekannt geworden und zum Opfer gefallen
ist, sondern auch, dass er von dortiger Seite keine Gnade zu erwarten hat. Da der
Kläger ausweislich der Medienmeldungen über ihn im Internet, wie sie im Termin
zur mündlichen Verhandlung aber auch sonst in den entsprechenden Medien
dargelegt wurden, mehrfach namentlich benannt wurde und als führender Kopf der
Babbar Khalsa International-Bewegung in Deutschland in seiner Rolle als
Propagandasekretär auch dem Interesse der indischen Sicherheitsbehörden nicht
entgangen sein kann, ist sogar mit Sicherheit anzunehmen, dass er im Falle einer
Rückkehr nach Indien dort erneut unter Folter zu seinen Exilaktivitäten und seine
Verwicklungen in die Tätigkeiten dieser terroristischen Organisation „befragt“
werden wird. Das gilt schon deshalb, weil auch nach den aktuellen Lageberichten
des Auswärtigen Amtes Folter in indischen Polizeigefängnissen „an der
Tagesordnung ist“. Indien hat zwar die Antifolterkonvention der UN unterzeichnet,
aber niemals ratifiziert und unternimmt nur hier und da halbherzige Schritte, diese
abzuschaffen. Im Alltag ist Folter aber in Indien weit verbreitet, ohne dass
Polizisten deswegen befürchten müssten, belangt zu werden (siehe Lagebericht
des Auswärtigen Amtes v. 13.08.2012, dort S. 21). Nach diesem Lagebericht wird
nach zuverlässigen Angaben der Asia Pazific Youth Federation Folter
systematisch von der Polizei als Mittel der Befragung eingesetzt oder auch zur
summarischen Bestrafung vermeintlicher Täter angewendet. Das geht bis hin zu
Todesfällen von Häftlingen. Insbesondere in den Bundesstaaten Jammu und
Kaschmir, aber auch sonst in Krisengebieten, zu denen der Punjab zweifellos
zählt, besteht eine systematische Folterpraxis.
59 Vor diesem Hintergrund hat die Rechtsprechung der deutschen
Verwaltungsgerichte nahezu einhellig in Fällen, wie dem des Klägers, nämlich bei
exilpolitisch aktiven Funktionären der Khalistan-Bewegung für den Fall der
Rückkehr nach Indien eine konkret drohende Foltergefahr bejaht bzw. ist dies
bereits vom Bundesamt in solchen Fällen entsprechend festgestellt worden (vgl.
VGH Bad.-Württ., Urt. v. 21.04.2010 - 11 S 290/10 - Rd.Nr. 5, wonach das
Verwaltungsgericht Sigmaringen mit Urteil vom 26.05.2006 - A 1 K 10241/05 - eine
Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2
AufenhtG bezüglich einer Abschiebung nach Indien für einen
Vorstandsangehörigen der Untergrundorganisation International Sikh-Youth-
Feteration - ISYF - feststellte; siehe ferner zu einem ISYF-Mitglied auch VG
Ansbach, Urt. v. 01.04.2010 - A N 5 K 09.01429 - juris zu einer entsprechenden
Feststellung des Bundesamtes zum Vorliegen des Abschiebungsverbotes nach §
60 Abs. 2 AufenthG - juris Rd.Nr. 20; siehe ferner BVerfG, Beschl. v. 04.02.2008 - 2
BvR 214/08, wonach sich aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eine
Pflicht zur sorgfältigen Prüfung einer Mitgliedern von Babbar Khalsa im Falle einer
Abschiebung nach Indien als Terrorverdächtigen dort drohenden Foltergefahr
ergibt; siehe VG Gelsenkirchen, Urt. v. 07.09.2004 - 14 AK 19 K 79/03.A -, juris,
Rd.Nr. 22, wonach Mitgliedern von Babbar Khalsa International aufgrund des
hochrangigen Aktivitätsprofils im Ausland im Falle der Rückkehr Verhaftungen und
mit hinreichender Verfolgungswahrscheinlichkeit auch Folter als gängige
Polizeipraxis in Indien droht, siehe auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.08.1996 - A 12
S 2456/94 -, juris, wonach einem besonders exponiert exilpolitisch tätigen Mitglied
der ISYF wegen seines publizistischen Einsatzes für die Khalistan-Bewegung bei
Rückkehr nach Indien Folter droht und dort im Rahmen der
Terrorismusbekämpfung mit intensiven Verhören und Foltern in verschärfter Form
gerechnet werden muss; siehe VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 -,
juris, zu einer positiven Verpflichtung des Bundesamtes zu einer Feststellung des
Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 AufenthG, welche im
entschiedenen Fall bereits mit Bescheid des Bundesamts vom 19.07.2006
festgestellt worden war; siehe schließlich VG Mainz, Urt. v. 27.04.2005 - 7 K
755/04.MZ - juris, wonach ein Sikh, der sich in Deutschland der Babbar Khalsa
International angeschlossen hat und als stellvertretender Generalsekretär der
Gruppe West ein Funktionärsamt inne hatte, im Falle der Abschiebung nach Indien
mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft, der Folter unterworfen zu werden -
juris, Rd.Nr. 31).
60 Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1. Da der Kläger teils verliert,
teils obsiegt, sind die Kosten des Verfahrens zwischen den Beteiligten zu
halbieren. Das Abschiebungsverbot, das dem Kläger zumindest mit dem Status
eines Geduldeten einen weiteren Aufenthalt in Deutschland ermöglicht, ist im
vorliegenden Fall für ihn genauso bedeutsam, wie die Beibehaltung des
Flüchtlingsstatus.
61 Das Verfahren ist gem. §§ 83 b AsylVfG gerichtskostenfrei.