Urteil des VG Freiburg vom 07.03.2014

ungarn, mitgliedstaat, asylbewerber, genfer flüchtlingskonvention

VG Freiburg Beschluß vom 7.3.2014, A 5 K 93/14
Keine Abschiebung nach Ungarn wegen systemischer Mängel -
Ermittlungspflicht des Bundesamtes
Leitsätze
Haben in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union das Asylverfahren und die
Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in der Vergangenheit systemische Mängel
aufgewiesen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen
Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinn von Art. 4 GrCh implizierten, kommt
eine Überstellung von Asylbewerbern nach den Dublin-Regeln in diesen Mitgliedstaat
nur in Betracht, wenn festgestellt werden kann, dass diese Mängel behoben sind.
Für eine solche Feststellung reicht es nicht aus, dass die aktuelle Erkenntnismittellage
weniger eindeutig ist als in der Vergangenheit.
Jedenfalls in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes obliegt es dem Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge, die von ihm angenommene Verbesserung der rechtlichen
und tatsächlichen Verhältnisse im Aufnahmestaat substantiiert zu belegen und dabei
neben eigenen aktuellen Erkenntnissen (z.B. gewonnen durch Verbindungsbeamte)
auch die aktuellen Erkenntnisse von UNHCR und insbesondere auch der
Europäischen Kommission vorzutragen.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge vom 09.01.2014 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
Gründe
1 Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende als Einzelrichter (§ 76 Abs. 4 Satz 1
VwGO).
2 Der Antrag ist statthaft (§ 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 AsylVfG in der
Fassung von Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Umsetzung der unionsrechtlichen
Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013 ) und auch sonst zulässig.
3 Er ist auch begründet. Das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der
sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheids überwiegt nicht das
Interesse des Antragstellers, hiervon vorläufig, bis zu einer Entscheidung über
seine Klage, verschont zu bleiben. Denn die Entscheidung des Bundesamts für
Migration und Flüchtlinge, den Asylantrags des Antragstellers gemäß § 27a
AsylVfG für unzulässig zu erklären und gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG seine
Abschiebung nach Ungarn anzuordnen, könnte rechtswidrig sein und den Kläger
in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Klärung kann insoweit
nur das Hauptsacheverfahren bringen. Bis zu dessen rechtskräftigen Abschluss ist
es dem Antragsteller wegen der in Ungarn wohl gegebenen Lebensbedingungen
für Flüchtlinge, auch für sogenannte Dublin-Rückkehrer, nicht zuzumuten, sich
vorerst dorthin überstellen zu lassen.
4 Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 AsylVfG. Nach
Satz 1 dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen
sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens
zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen
Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Der Antragsteller
soll in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a
AsylVfG) abgeschoben werden. Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig,
wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen
Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des
Asylverfahrens zuständig ist. Ungarn, das Zielstaat der vorliegenden
Abschiebungsanordnung ist, ist nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des
Rates vom 18.02.2003 (Dublin II-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens des
Antragstellers zuständig; es hat dem Überstellungsersuchen des Bundesamts
auch stattgegeben.
5 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist
grundsätzlich von der Vermutung auszugehen, dass die Behandlung der
Flüchtlinge in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der
Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen
Menschenrechtskonvention steht. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden,
dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem
Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass
Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise
behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist. Falls ernsthaft zu
befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für
Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die
eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat
überstellten Asylbewerber im Sinn von Art. 4 GrCh implizierten, so ist die
Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar. Art. 4 GrCh ist dahin auszulegen,
dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen
Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Dublin II-VO
zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen
Mängel des Asylverfahrens und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in
diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die
Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer
unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung
ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/19 u.a. - juris, Rdnr. 86,
bestätigt durch EuGH, Urt. v. 10.12.2013 - C-394/12 - , NVwZ 2014,
208; EGMR, Entsch. v. 02.04.2013 - Nr. 27725/10 -
Niederland und Italien>).
6 Zum Schutzbereich von Art. 4 GrCh gehören insbesondere beklagenswerte
Haftbedingungen für Asylbewerber sowie eine erniedrigende Behandlung in der
Weise, dass Asylbewerber in extremer Armut leben müssen, sich nicht ernähren
und waschen können, obdachlos sind, in der ständigen Furcht leben, angegriffen
oder bestohlen zu werden, und das ohne jede Aussicht auf Verbesserung ihrer
Lage (EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - Nr. 30696/09 - , NVwZ
2011, 413 Rdnr. 254).
7 Ist die Überstellung eines Antragstellers an einen anderen Mitgliedstaat nach
alledem nicht möglich, so hat der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen
müsste, vorbehaltlich der Befugnis, den Antrag im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-
VO selbst zu prüfen (Selbsteintrittsrecht), die Prüfung der Kriterien des genannten
Kapitels fortzuführen, um festzustellen, ob anhand eines der weiteren Kriterien ein
anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt
werden könne. Davon wird nun auch für die Dublin III-VO ausgegangen (vgl.
Erwägungsgrund 8 sowie Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO; vgl. auch Art. 33,
wo ein Mechanismus zur Frühwarnung, Vorsorge und Krisenbewältigung bei
Überforderung eines Aufnahmestaates geregelt wird).
8 Für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist von solchen systemischen
Mängeln in Ungarn bei der Aufnahme von Asylbewerbern einschließlich der
Aufnahme von Personen, die aufgrund der Dublin-Regeln dorthin rücküberstellt
werden, auszugehen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
9 In zahlreichen Erkenntnismitteln wurde in den Jahren 2011 und 2012 umfassend
dargelegt, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn
systemische Mängel aufweisen und damit eine unmenschliche oder erniedrigende
Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCh und Art. 3 EMRK darstellen.
10 Zu diesen Erkenntnismitteln gehören insbesondere UNHCR, „Ungarn als Asylland,
April 2012“, S. 26 ff., auch unter Hinweis auf einen Bericht des Parlamentarischen
Menschenrechtsbeauftragen vom August 2011, sowie pro asyl und
bordermonitoring.eu, „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit,
Bericht einer einjährigen Recherche bis Februar 2012“, S. 27 ff., auch mit
zahlreichen Hinweisen auf ungarische Nichtregierungsorganisationen. Dass die
dort angeführten Tatsachen und Bewertungen für systemische Mängel zum
damaligen Zeitpunkt sprachen, wird von der Antragsgegnerin nicht substantiiert in
Zweifel gezogen. Hinweise darauf enthält selbst der Bericht des
Verbindungsbeamten beim Ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und
Einwanderung vom 13.12.2012, den das Bundesamt der Kammer in der
Zwischenzeit in einem anderen Verfahren vorgelegt hat.
11 Diese und weitere Umstände haben die Kammer schon Anfang des Jahres 2013
bewogen, eine Rücküberstellung nach Ungarn nach dem Dublin II Verfahren
vorläufig für unzulässig zu halten (VG Freiburg, Beschl. v. 25.03.2013 - 5 K 345/13
- m.w.N.). Aus den gleichen Gründen hält die Kammer jedenfalls im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes eine Rücküberstellung von in Ungarn anerkannten
Flüchtlingen nach Ungarn gegenwärtig für nicht möglich (Beschl. v. 28.08.2013 - A
5 K 1406/13 -; Beschl. v. 11.10.2013 - A 5 K 1863/13 -; Beschl. v. 19.12.2013 - A 5
K 2329/13 -; Beschl. v. 13.01.2014 - A 5 K 2552/13 -).
12 Dass die Erkenntnismittellage in jüngerer Zeit möglicherweise weniger eindeutig
erscheint, geht nicht zu Lasten des Antragstellers.
13 Allein schon in dem begründeten (und letztlich unwidersprochenen) Vortrag, dass
in der jüngeren Vergangenheit systemische Mängel in dem oben genannten Sinn
vorlagen, liegen ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe dafür, dass
dieser Zustand andauert. Daraus folgt in rechtlicher Hinsicht:
14 Haben in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union das Asylverfahren und die
Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in der Vergangenheit systemische
Mängel aufgewiesen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der
an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinn von Art. 4 GrCh
implizierten, kommt eine Überstellung von Asylbewerbern nach den Dublin-Regeln
in diesen Mitgliedstaat nur in Betracht, wenn festgestellt werden kann, dass diese
Mängel behoben sind. Für eine solche Feststellung reicht es nicht aus, dass die
aktuelle Erkenntnismittellage weniger eindeutig ist als in der Vergangenheit.
Jedenfalls in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes obliegt es dem
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die von ihm angenommene
Verbesserung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Aufnahmestaat
substantiiert zu belegen und dabei neben eigenen aktuellen Erkenntnissen (z.B.
gewonnen durch Verbindungsbeamte) auch die aktuellen Erkenntnisse von
UNHCR und insbesondere auch der Europäischen Kommission vorzutragen.
15 Soweit in der Rechtsprechung insoweit von einer anderen Beweislastverteilung
ausgegangen wird, folgt die Kammer dem jedenfalls im Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes nicht (vgl. aber VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 06.08.2013 - 12 S
675/13 - m.w.N. und die dort zitierte jüngere Rechtsprechung des Österreichischen
Asylgerichtshofs; vgl. auch dessen Entscheidung vom 14.08.2013 - S 21 410.909-
2/2013 -, nachgewiesen im Rechtsinformationssystem des Österreichischen
Bundeskanzleramts).
16 Die Vermutung, dass die mit einiger Wahrscheinlichkeit jedenfalls noch im Jahr
2011 bestehenden systemischen Mängel in Ungarn weiter fortbestehen, hat die
Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren nicht entkräftet. Ihre Behauptung,
Ungarn erfülle nunmehr die international geforderten Kriterien und Standards für
die Durchführung von Asylverfahren und Rückkehrer, insbesondere solche
afghanischer Staatsangehörigkeit hätten dort nicht erniedrigende Behandlung im
Sinne von Art. 4 GrCH und Art. 3 EMRK zu erwarten, hat sie nicht hinreichend
belegt.
17 Die Antragsgegnerin hat zwar in diesem Verfahren wie auch in weiteren
gleichgelagerten Verfahren umfassend dazu vorgetragen, dass die von Ungarn für
die Aufnahme von Asylbewerbern geschaffenen gesetzlichen Regelungen den
Vorwurf systemischer Mängel nicht begründeten, einschließlich der
Gesetzesänderung zum 01.07.2013, die vom UNHCR und von
Nichtregierungsorganisationen nicht beanstandet worden sei.
18 Die Antragsgegnerin befasst sich aber nicht hinreichend mit der Frage, ob diese
Regelungen in der Wirklichkeit so umgesetzt werden, dass die zuvor mit einiger
Wahrscheinlichkeit gegebenen systemischen Mängel nunmehr im Wesentlichen
ausgeschlossen sind. Es ist nach wie vor unbekannt, ob insoweit eine Evaluation
durch die Kommission der Europäischen Union oder auch durch das Europäische
Unterstützungsbüro (EASO; vgl. VO Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 19.05.2010) überhaupt erfolgt oder ob jedenfalls eine
hinreichend substantiierte, auf Beobachtungen in Ungarn gründende Bewertung
durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge selbst vorliegt. Insoweit hat die
Antragsgegnerin zwar in der Zwischenzeit der Kammer in einem anderen
Verfahren die Stellungnahme seines Verbindungsbeamten beim Ungarischen Amt
für Staatsbürgerschaft und Einwanderung vom 13.12.2012 vorgelegt. Diese
Stellungnahme umfasst aber im Wesentlichen nur eine Auswertung von jüngeren
Gesetzesänderungen, trägt aber wenig zu der Frage bei, inwieweit diese in der
Praxis auch umgesetzt werden; die aktuellen Berichte des Verbindungsbeamten
liegen der Kammer überdies nicht vor.
19 Der Antragsteller selbst hat beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
vorgetragen, dass er während seiner vorübergehenden Festnahme in Ungarn
geschlagen und dass ihm während der Haft ein Medikament gegen Asthma
vorenthalten worden sei.
20 Dass die Zustände in Ungarn für Asylbewerber und für an Ungarn nach den
Dublin-Regeln überstellte Personen keineswegs nach den oben genannten
Maßstaben nunmehr als systemisch mängelfrei zu beurteilen sind, legt etwa der
jüngste einschlägige Bericht vom Oktober 2013 von pro asyl und
bordermonitoring.eu, „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit,
Aktualisierung und Ergänzung des Berichts vom März 2012“ nahe.
21 Insbesondere die Gefahr willkürlicher Verhaftung von Asylbewerbern und an
Ungarn nach den Regeln der Dublin-II Verordnung überstellte Personen erscheint
nach wie vor beachtlich (VG München, Beschl. v. 28.10.2013 - M 23 S 13.31082 -
InfAuslR 2014, 33; VG Freiburg, Beschl. v. 29.01.2014 - A 3 K 2631/13 - juris,
jeweils unter Hinweis auf weitere aktuelle Erkenntnismittel, u.a. eines Berichts einer
UNHCR-Arbeitsgruppe im Anschluss an einen Ungarn-Besuch vom 23.09. bis
02.10.2013). Dass auch aus ungarischer Sicht bei der Inhaftierung von
Asylbewerbern immer noch Einiges im Argen liegt, wird auch daraus deutlich, dass
sich das Oberste Ungarische Gericht (Kurie) im Anschluss an die diesbezügliche
Kritik des UNHCR (unverbindlich) Änderungen der Gerichtspraxis angemahnt
haben soll (vgl. Pester Lloyd, online-Ausgabe vom 14.10.2013).
22 Dass der UNHCR selbst in jüngerer Zeit systemische Mängel für Ungarn im Sinne
der oben genannten Rechtsprechung ansonsten nicht mehr umfassend
ausdrücklich beanstandet hat, belegt noch nicht, dass sie nunmehr im
Wesentlichen ausgeräumt sind. Im Übrigen heißt es in seinem jüngsten
zusammenfassenden Bericht für Nord-, West-, Zentral- und Südeuropa: „However,
discrepances in implementation persist, leading to protection gaps in some
countries and posing challenges to he functioning oft he CEAS.“ Damit dürfte nicht
nur die Flüchtlingsaufnahme in Griechenland angesprochen sein, sondern auch
die in einigen weiteren Mitgliedstaaten, neben Bulgarien insbesondere auch
Ungarn.
23 Entsprechende substantiierte Bewertungen insbesondere der Europäischen
Kommission müssten sich auch mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit das in
Ungarn nach vielen Presseberichten herrschende politische Klima insbesondere
hinsichtlich des Umgangs mit Ausländern und Obdachlosen einer effektiven
Umsetzung der gesetzlichen Regelungen zur Aufnahme von Asylbewerbern und
zu ihrem weiteren Verbleib in Ungarn (etwa im Falle einer Ablehnung des
Asylantrags wie beim Antragsteller) im Wege steht. Auch müssten sie sich mit der
Frage befassen, ob die ggf. zwischenzeitlich in Ungarn geschaffenen Strukturen
hinreichen, um der im letzten Jahr stark gestiegenen Zahl von Asylbewerbern in
Ungarn (2012: 2.157 Asylanträge; 2013: ca. 15.000 Asylanträge) ohne
systemische Mängel gerecht zu werden. Eine entsprechende Kontrolle und
Information obliegt in erster Linie der Europäischen Union selbst und kann nicht
Nichtregierungsorganisationen mit ihren beschränkten personellen und sachlichen
Kapazitäten und ihrem beschränkten Instrumentarium überantwortet werden. Es
geht nicht an, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte durch eine Zurückhaltung von
Informationen daran gehindert werden, das Vorliegen systemischer Mängel der
Flüchtlingsaufnahme in anderen Mitgliedstaaten zu prüfen.
24 Soweit die Antragsgegnerin nunmehr (in anderen Verfahren) auch darauf verweist,
dass das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 31.05.2013 (OVG 4 L 169/12)
bestätigt habe, in der systemische Mängel für Ungarn verneint worden sind,
übersieht sie, dass das Bundesverwaltungsgericht insoweit nicht etwa die
Verhältnisse in Ungarn selbst beurteilt, sondern gemäß seiner Aufgabe als
Revisionsgericht lediglich die in jenem Verfahren vorgebrachte Grundsatzrüge zur
Frage des vom Oberverwaltungsgerichts angewandten
Wahrscheinlichkeitsmaßstabs geprüft hat (BVerwG, Beschl. v. 11.09.2013 - 10 B
17.13 -).
25 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Der
Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).