Urteil des VG Freiburg vom 30.06.2014

politische verfolgung, serbien, ausreise, staat

VG Freiburg Urteil vom 30.6.2014, A 3 K 2238/12
Keine Gruppenverfolgung von Roma in Serbien
Leitsätze
Roma sind in Serbien keiner staatlichen oder nichtstaatlichen Gruppenverfolgung
ausgesetzt, auch nicht im Hinblick auf Beschränkungen der Ausreisefreiheit.
Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens je zur Hälfte.
Tatbestand
1 Der am … 1990 geborene Kläger Ziff. 1 ist serbischer Staatsangehöriger und
gehört dem Volk der Roma an. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin (Klägerin
im Verfahren A 3 K 2240/12) und seinem am … 2010 geborenen Sohn, dem
Kläger Ziff. 2, reiste er eigenen Angaben zufolge im März 2012 in die
Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 05.04.2012 einen Asylantrag für sich
und seinen Sohn stellte.
2 Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge -
Bundesamt - am 08.05.2012 gab der Kläger Ziff. 1 im Wesentlichen an: Er sei
Roma orthodoxen Glaubens. Bis zur Ausreise habe er sich in V. aufgehalten. Mit
seiner Lebensgefährtin sei er nach Roma-Tradition verheiratet. Sie hätten zwei
Kinder, den Kläger Ziff. 2 und die vor zwei Wochen geborene Tochter S. L. Sie
liege noch im Krankenhaus, weil sie gesundheitliche Probleme habe. Es habe sich
um eine Frühgeburt gehandelt. Die Ärzte machten ihnen allerdings Hoffnung, dass
sie wieder gesund werde. Sein Vater halte sich ebenfalls als Asylbewerber
gemeinsam mit dem Bruder - des Klägers Ziff. 1 - Anton in Deutschland auf. Seine
Mutter habe wieder geheiratet und lebe in der Nähe von V.. Dort lebten auch noch
weitere Verwandte. Er habe als Maler gearbeitet, außerdem auch als Holzfäller.
Am 04.03.2012 hätten sie V. verlassen und seien noch am selben Tag nach
Deutschland eingereist. Sie seien wegen des Klägers Ziff. 2 nach Deutschland
gekommen. Sie hätten nicht die Möglichkeit gehabt, ihn entsprechend behandeln
zu lassen. Zwei Monate nach der Geburt habe man ihm gesagt, dass die Niere
schrumpfe. Ein Arzt in N. habe gesagt, dass die Niere fehle. Sie hätten eine
Überweisung nach Belgrad erhalten, seien aber nicht dorthin gefahren, da sie es
sich nicht hätten leisten können. Man brauche Geld für die Fahrkarten. Nur seine
Frau hätte die Fahrkarte erhalten. Er habe sie aber nicht alleine nach Belgrad
reisen lassen können. Auf Vorhalt, dass er 200,-- EUR für die Ausreise
ausgegeben habe: Sie seien nicht dorthin gegangen, weil sie sowieso erneut die
Diagnose erhalten hätten, dass die Niere aufgrund des hohen Fiebers schrumpfe.
Die Ursache dafür, dass er immer so hohes Fieber habe, würden die Ärzte nicht
kennen. Der Arzt in Deutschland habe bestätigt, dass eine Niere fehle. Jetzt
müssten sie sich erst mal um ihre Tochter kümmern. Wenn es ihr wieder gut gehe,
könnten sie sich auch um den Kläger Ziff. 2 kümmern. (Der Kläger Ziff. 1 legte
ärztliche Bescheinigungen zur Behandlung in Serbien vor, wonach der Kläger Ziff.
2 mehrfach stationär behandelt wurde, zuletzt im März 2011.) Nach März 2011 sei
der Kläger Ziff. 2 nicht erneut behandelt worden. Wenn er wieder Fieber gehabt
habe, hätten sie ihn zum Arzt gebracht. Er habe immer ein Sirup bekommen, wenn
er hohes Fieber gehabt habe. Auf Frage, ob er außer Fieber weitere Beschwerden
habe: So wie jedes Kind, manchmal Bauchweh, aber sonst eigentlich nichts. In der
Heimat verdienten sie zu wenig. Sie lebten in schlechten wirtschaftlichen
Verhältnissen. Der Kläger Ziff. 2 könne dort auch nicht behandelt werden. Außer
dem Sirup gebe es vielleicht noch eine bessere Behandlung. Die Albaner drückten
dem Arzt Geld in die Hand und sofort bekämen sie eine bessere Behandlung als
die Roma. Albaner lebten in der Nähe in Bujanovac. Er habe keine Arbeit und
könne seine Familie nicht ernähren. Im Winter sei es sehr hart. Es sei sehr kalt und
sie hätten nicht immer Holz gehabt. Es könne sein, dass sie sogar für den
Gesundheitszustand des Klägers Ziff. 2 verantwortlich seien. Nach einer Rückkehr
nach Serbien würden sie wahrscheinlich vor Hunger sterben. Die
Familienstrukturen seien nicht mehr so wie früher. Er habe in Serbien nichts. Das
Haus gehöre nicht ihm. Er habe keinen Strom im Haus und außerdem Schulden
beim Vermieter. Dieser habe ihm trotzdem geholfen, da er nicht habe zusehen
können, wie das Kind hungere.
3 Mit Bescheid vom 05.11.2012 lehnte das Bundesamt die Anträge auf
Anerkennung als Asylberechtigte als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest,
dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
offensichtlich nicht vorlägen. Gleichzeitig stellte es fest, dass Abschiebungsverbote
nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen, forderte die Kläger zur Ausreise
innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung auf und drohte ihnen
für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung nach Serbien oder in
einen anderen Staat an, in den sie einreisen dürften oder der zu ihrer
Rückübernahme verpflichtet sei. - Einem Aktenvermerk des Bundesamts zufolge
wurde der Bescheid als Einschreiben am 08.11.2012 zur Post gegeben.
4 Die Kläger haben am 15.11.2012 Klage erhoben und um die Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung führen sie aus, der
Kläger Ziff. 2 sei nierenkrank und werde in der Kinderklinik der Universität Freiburg
betreut. Dies bestätige die behandelnde Ärztin in einer Stellungnahme vom
20.11.2012.
5 Der Kläger beantragen,
6
den Bescheid des Bundesamtes vom 05.11.2012 aufzuheben und die Beklagte
zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihnen die
Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
7
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihnen den subsidiären Schutzstatus nach
§ 4 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen,
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weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
9 Die Beklagte beantragt,
10 die Klage abzuweisen.
11 Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid.
12 Dem Gericht liegen die Akte des Bundesamtes, die Gerichtsakte betreffend das
Verfahren der Lebensgefährtin des Klägers Ziff. 1 bzw. der Mutter des Klägers Ziff.
2 sowie die dazu beigezogene Akte des Bundesamtes, die Gerichtsakte des
Eilverfahrens (A 3 K 2239/12) und die den Klägern mit der Ladung zur mündlichen
Verhandlung mitgeteilten Erkenntnismittel vor. Sämtliche Unterlagen waren
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
13 Der Berichterstatter konnte - im Einverständnis der Beteiligten anstelle der Kammer
(§ 87a Abs. 3, Abs. 2 VwGO) - verhandeln und entscheiden, obwohl nicht
sämtliche Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen sind.
Denn auf diese Möglichkeit ist in den ordnungsgemäß bewirkten Ladungen
hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
14 Die zulässigen Klagen sind nicht begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom
05.11.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die
Kläger können weder ihre Anerkennung als Asylberechtigte noch die Zuerkennung
der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG, §§ 3 ff. AsylVfG
beanspruchen; es liegen auch nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung des
subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylVfG oder für die Feststellung eines
Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor;
Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind rechtmäßig (§ 113 Abs. 1
Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
15 Die Kläger haben keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte oder auf
Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ein Anspruch auf Zuerkennung der
Flüchtlingseigenschaft setzt gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG voraus, dass sich der
Asylbewerber aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse,
Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer
bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine
Verfolgung kann gem. § 3 c AsylVfG ausgehen vom Staat (Nr. 1), von Parteien
oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets
beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nr. 1 und 2
genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen
nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der landesweit drohenden
Verfolgung zu bieten. Dies gilt unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche
Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind im
vorliegenden Fall nicht erfüllt.
16 Auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu der Gruppe der Roma oder aus sonstigen
individuellen Gründen haben die Kläger Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von Art.
16 a GG oder § 60 Abs. 1 AufenthG bei einer Rückkehr nach Serbien nicht zu
befürchten. Im Einklang mit der einhelligen verwaltungsgerichtlichen
Rechtsprechung (vgl. nur Sächs. OVG, Urteil vom 17.05.2011 - A 4 A 510/10 -,
juris; OVG NRW, Beschluss vom 14.12.2009 - 5 A 2716/09.A -, juris; VG Saarlouis,
Beschluss vom 21.11.2011 - 10 L 1777/01 -, juris; VG Oldenburg, Urteil vom
28.07.2010 - 11 A 2779/09 -, juris; VG München, Urteil vom 02.06.2010 - M 17 K
09.50481 -, juris; jew. m.w.N.; VG Freiburg, Urt. v. 13.05.2013 - A 3 K 734/11 - juris)
geht die Kammer davon aus, dass Angehörige der Volksgruppe der Roma in
Serbien keiner Gruppenverfolgung im Sinne des Art. 16 a GG und § 60 Abs. 1
AufenthG durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind.
17 Gruppenverfolgung setzt - unabhängig davon, ob sie durch staatliche oder nicht
staatliche Akteure erfolgt - voraus, dass jedes im Verfolgungsgebiet lebende
Gruppenmitglied wegen der Gruppenzugehörigkeit von Verfolgung betroffen ist. Es
müssen Verfolgungshandlungen gegen die Gruppe vorliegen, die so intensiv und
zahlreich sind, dass jedes Mitglied der Gruppe die aktuelle Gefahr eigener
Betroffenheit ableiten kann (vgl. dazu BVerwG, Urteil v. 01.02.2007 - 1 C 24.06 -,
NVwZ 2007, 590). Eine solche Verfolgungsdichte lässt sich für Angehörige der
Roma in Serbien nicht feststellen. Nach dem aktuellen Lagebericht des
Auswärtigen Amtes (Republik Serbien, Bericht vom 18.10.2013) gibt es keine
Anzeichen für systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber
Roma, auch wenn in der serbischen Öffentlichkeit Vorbehalte und Vorurteile gegen
Minderheitenangehörige nach wie vor weit verbreitet sind. Die serbische Regierung
bemüht sich vielmehr, die Lage der Roma durch eine aktive Minderheitenpolitik wie
auch entsprechende Strukturen (Ministerium für Menschen- und
Minderheitenrechte, Ombudsmann etc.) zu verbessern. Zwar geht die Polizei nicht
in allen Fällen mit der gebotenen Konsequenz gegen Übergriffe auf Minderheiten
(vor allem Roma) vor. Anzeigen von Roma wegen Körperverletzungen führen aber
in der Praxis zu Gerichtsprozessen. Im Übrigen haben Angehörige von
diskriminierten Minderheiten Ausweichmöglichkeiten innerhalb Serbiens, wobei
Belgrad als „Auffangbecken“ gilt. 12 % der Einwohner Belgrads gehören
Minderheiten an.
18 Es fehlt ferner an Anhaltspunkten dafür, die - unbestritten immer wieder
vorkommenden - verbalen und physischen Übergriffe auf Angehörige der Roma
durch Private hätten ein Ausmaß erreicht, dass für jeden Gruppenangehörigen
ohne weiteres eine aktuelle Gefährdung eigener Betroffenheit besteht; dies gilt
umso mehr, als sich in Serbien nach Schätzungen von Roma-Verbänden 700.000
bis 800.000 Roma aufhalten. Die tatsächliche Zahl dürfte laut OSZE zwischen
300.000 und 500.000 liegen (vgl. Lagebericht des AA vom 18.10.2013). Pro
Asyl/Dr. Karin Waringo (Bericht vom April 2014: Serbien, Mazedonien und Bosnien
und Herzegowina: Zur faktischen und rechtlichen Bewertung des
Gesetzgebungsvorhabens der Großen Koalition zur Einstufung von
Westbalkanstaaten als „sichere Herkunftsstaaten“, S. 70 ff.) berichtet anhand von
Zeitungsberichten bezogen auf das Jahr 2013 von mehreren romafeindlichen
Übergriffen. Auch wenn nicht alle Übergriffe zur Anzeige gebracht bzw. bekannt
werden dürften, so sind jedoch angesichts der großen Zahl von Roma in Serbien
keinesfalls die quantitativen und qualitativen Anforderungen an die Annahme einer
Gruppenverfolgung erfüllt. Zwar werden die staatlichen Bemühungen zur
Prävention bzw. Ermittlung und Strafverfolgung bei (drohenden) Angriffen Dritter
gegenüber Roma bisweilen als unzureichend bewertet. Es liegen aber keine
Erkenntnisse vor, dass der Staat derartigen Übergriffen Vorschub leistet; allein die
Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung oder eine im Einzelfall
von den Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche lässt die staatliche
Schutzbereitschaft oder -fähigkeit nicht entfallen (VG Frankfurt, Urteil vom
15.12.2011 - 8 K 1947/11.F.A. -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 18.11.2009 - A 7
K 1605/09 -, juris).
19 Eine andere Beurteilung ist auch im Fall der Kläger nicht geboten. Die Gefahr von
Übergriffen aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit hat der Kläger Ziff. 1 weder in der
Anhörung beim Bundesamt noch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht.
20 Die Kläger sind auch nicht als Roma aufgrund der Stellung eines Asylantrags im
Ausland oder aufgrund einer drohenden Beschränkung ihrer Ausreisefreiheit (vgl.
Art. 2 Abs. 2 des Vierten Zusatzprotokolls zur EMRK) durch Strafvorschriften bzw.
die Verwaltungspraxis in Serbien von politischer Verfolgung bedroht (vgl. VG
Sigmaringen, Urt. v. 28.05.2014 - 1 K 234/14 - , zit. nach juris; VG Freiburg, Beschl.
v. 03.06.2014 - A 4 K 1238/14 -; a. A. VG Stuttgart, Urt. 25.03.2014 - A 11 K
5036/13 -).
21 Sanktionen wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland gibt es nach dem
aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013 (S. 23) weder de
iure noch de facto. Sofern den Klägern eine Sanktion aufgrund der Verletzung
melderechtlicher Vorschriften drohen mag (vgl. dazu Pro Asyl/Dr. Waringo, a.a.O.,
S. 83), liegt hierin weder eine gezielte Sanktionierung der Stellung eines
Asylantrags im Ausland noch ein gezielter Eingriff in die Ausreisefreiheit. Auch fehlt
es bei den möglicherweise drohenden melderechtlichen Sanktionen (in Form einer
Geldstrafe von 87,-- EUR bis 435,-- EUR, vgl. Pro Asyl/Dr. Waringo, a.a.O., S. 83)
an der für eine politische Verfolgung erforderlichen Intensität. Für die behauptete
selektive Anwendung des Gesetzes auf Roma lässt sich den dem Gericht
vorliegenden Erkenntnismitteln kein Datenmaterial entnehmen, welches diese
Behauptung stützen würde (z.B. Fälle, in denen bei Verstößen durch andere
serbische Staatsangehörige als Roma das Gesetz keine Anwendung gefunden
hätte). Vielmehr ist davon auszugehen, dass bei Roma Verstöße besonders häufig
vorkommen, weil sie aufgrund der Visumsfreiheit verstärkt ins (EU-)europäische
Ausland reisen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch in deutschen
Meldegesetzen ähnliche Meldepflichten enthalten sind (vgl. auch VG Regensburg,
Urt. v. 07.05.2014 - RO 6 K 14.30326 - juris). So bestimmt § 15 Abs. 2 des baden-
württembergischen Meldegesetzes (MG), dass, wer aus einer Wohnung auszieht
und keine neue Wohnung im Inland bezieht, sich innerhalb einer Woche bei der
Meldebehörde abzumelden hat. Die schuldhafte Nichtbeachtung dieser
Meldepflicht stellt nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 MG eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit
einer Geldbuße bis zu 500,-- EUR geahndet werden kann (§ 36 Abs. 3 MG).
22 Auch im Hinblick auf die Vorschrift des § 350a des serbischen Strafgesetzbuchs
vermag das Gericht keine den Klägern drohende politische Verfolgung
festzustellen. Der Wortlaut des Gesetzes (auszugsweise wiedergegeben auf S. 84
des Berichts von Pro Asyl/Dr. Waringo a.a.O.) bezieht sich nicht auf
Asylantragsteller selbst, sondern auf Dritte, die Beihilfehandlungen zur
missbräuchlichen Asylantragstellung leisten. So wird die Vorschrift auch vom
Auswärtigen Amt im aktuellen Lagebericht vom 18.10.2013 (S. 23 f.) verstanden.
Für die vom VG Stuttgart (a.a.O.) angenommene weite Auslegung gibt es in den
dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln keine Stütze, insbesondere sind keine
Präzedenzfälle bekannt, in denen Asylantragsteller nach ihrer Rückkehr nach
Serbien aufgrund dieser Vorschrift bestraft worden wären. Soweit Dr. Waringo
(a.a.O., S. 84) Fälle anführt, in denen Strafverfahren betrieben worden seien, ist
keine Rede davon, dass sich der strafrechtliche Vorwurf auf die Stellung des
Asylantrages im Ausland bezog. Vielmehr wird von Strafverfahren gegen Personen
berichtet, die serbischen Bürgern geholfen haben sollen, Asyl im Ausland zu
beantragen.
23 Soweit es faktische Beschränkungen der Ausreisefreiheit der Roma in Serbien
geben mag (z. B. Forderung des Nachweises des Reisezwecks und
ausreichender finanzieller Mittel bei der Ausreise zur Verhinderung des
Asylmissbrauchs in Staaten des Schengenraums; vgl. Pro Asyl/Dr. Waringo a.a.O.,
S. 78 ff.), stellen diese Maßnahmen keinen Eingriff in den Kernbereich des Rechts
auf Freizügigkeit in Form der Ausreisefreiheit dar, da sie den betroffenen Personen
nicht generell die Ausreise aus Serbien (etwa in benachbarte Nicht-EU-Staaten)
unmöglich machen, sondern (nur) Einschränkungen bei einer Ausreise ins EU-
Ausland darstellen. Diese Einschränkungen erreichen nicht die für eine politische
Verfolgung erforderliche Intensität (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 28.05.2014 a.a.O.;
VG Freiburg, Beschl. v. 03.06.2014 a.a.O.; zur Situation in Mazedonien vgl. VG
München, Urt. v. 25.03.2013 - M 24 K 12.30893 -, juris). Deshalb kann offen
bleiben, ob und inwieweit Beschränkungen der Ausreisefreiheit grundsätzlich
politische Verfolgung darstellen. Weiter kann offen bleiben, ob die Kläger
überhaupt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Beschränkungen ihrer
Ausreisefreiheit zu rechnen haben. Allerdings sind dem Gericht aufgrund anderer
Asylverfahren mehrere Beispiele - auch aus jüngster Zeit - bekannt, in denen
serbische Roma - auch nach früherer Ablehnung eines Asylantrags - aus Serbien
ausreisen konnten.
24 Den Klägern ist auch nicht gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG subsidiärer Schutz
zuzuerkennen. Subsidiär schutzberechtigt ist nach dieser Vorschrift, wer
stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, ihm drohe in seinem
Herkunftsland ein ernsthafter Schaden. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die
Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche
oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte
individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson
infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen
bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die vorgenannten Gefahren müssen dabei gemäß §
4 Abs. 3 AsylVfG i. V. m. § 3c AsylVfG in der Regel von dem in Rede stehenden
Staat oder den ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen ausgehen. Die
Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure kann hingegen nur dann zu subsidiärem
Schutz führen, wenn der betreffende Staat selbst nicht willens oder nicht in der
Lage ist, Schutz zu gewähren. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass den
Klägern bei ihrer Rückkehr nach Serbien ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4
Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylVfG droht. Sie haben auch keinen Anspruch auf die
Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG, denn
die tatbestandliche Voraussetzung eines internationalen oder innerstaatlichen
bewaffneten Konfliktes ist in Serbien nicht gegeben.
25 Auch die Voraussetzungen eines (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsverbots
nach § 60 Abs. 5 AufenthG vermag das Gericht nicht festzustellen. Die
Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG
ist ebenfalls nicht gerechtfertigt. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, BVerwGE 140,
319) kann die gesetzlich angeordnete Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3
AufenthG bei allgemeinen Gefahren nur dann im Wege einer
verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den
Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht. Im
Hinblick auf die Lebensbedingungen, die die Kläger in Serbien erwarten,
insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die
damit zusammenhängende Versorgungslage und Wohnsituation, können sie
Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn sie bei einer Rückkehr auf
Grund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen
Gefahrenlage ausgesetzt wären. Dies ist indessen nicht der Fall. Trotz der nach
wie vor schlechten wirtschaftlichen Lage Serbiens ist die Versorgung mit
Lebensmitteln gesichert. Die Rolle internationaler Organisationen bei der
Versorgung sozial schwacher Bevölkerungsgruppen, vor allem von alten Leuten,
Kindern, Flüchtlingen sowie im Lande Vertriebener hat zwar insgesamt
abgenommen, ist aber vor allem im ländlichen Bereich weiterhin wichtig. Nach
Angaben der serbischen Regierung lebten 2010 9,2% der Bevölkerung Serbiens
(rund 700.000 Personen) unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Nach EU-
Standards gebe es 1 Mio. Arme in Serbien, d.h. jeder siebte Bürger. Flüchtlinge,
bestimmte Minderheiten (namentlich Roma) und Rückkehrer sind stärker von
Armut betroffen als die serbische Durchschnittsbevölkerung. Vielen Bürgern
Serbiens gelingt es nur durch Schwarzarbeit, ihre Existenz zu sichern. Roma
arbeiten in Serbien vorwiegend als ungelernte Arbeiter in Fabriken, als
Wertstoffsammler (Glas, Altpapier), Straßenreiniger oder üben ähnliche gering
qualifizierte Arbeiten aus. Insbesondere Roma haben wegen häufig niedrigen
beruflichen Qualifikationsniveaus und sozialer Vorurteile nur schwer Zugang zum
Arbeitsmarkt und gehen daher zu einem großen Teil Schwarzarbeit nach.
Rückkehrer erhalten nach Abschluss der Registrierung bei den Wohnortbehörden
und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw. Anmeldung als Arbeitssuchende
kostenfreien Zugang zur Gesundheits- und Sozialversorgung. Die Registrierung
erfolgt nicht automatisch von Amts wegen, sondern muss von den Betreffenden
selbst unter Vorlage der erforderlichen Dokumente beantragt werden. Diese
Dokumente werden - soweit nicht ohnehin vorhanden - im Regelfall bereits im
Rahmen der Rückführung serbischer Staatsangehöriger von Deutschland nach
Serbien beschafft. Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürger, die
arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Das
staatliche Gesundheitssystem steht auch Minderheitenangehörigen offen (vgl.
Lagebericht d. AA a.a.O.). Nach alledem stellt sich die wirtschaftliche Lage der
Roma in Serbien zwar als schwierig dar, ungewöhnlich schlechte humanitäre
Bedingungen, die der Abschiebung „zwingend“ entgegenstehen, sind aber nicht
feststellbar. Dies hat der Berichterstatter bereits im Beschluss vom 19.12.2012 - A
3 K 2239/12 - ausgeführt. Die Kläger haben auch in der mündlichen Verhandlung
keine Umstände vorgetragen, die eine andere Beurteilung gebieten könnten.
26 Der Kläger Ziff. 2 kann auch im Hinblick auf seine gesundheitlichen Probleme nicht
die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG
beanspruchen. Auch insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den
Beschluss vom 19.12.2012 (a.a.O.) verwiesen, zumal die Kläger in der mündlichen
Verhandlung weder behauptet haben, dass der Kläger Ziff. 2 zur Zeit dringend
behandlungsbedürftig wäre, noch aktuelle ärztliche Atteste zu seinem
Gesundheitszustand vorgelegt haben.
27 Auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sind nicht zu
beanstanden. Sie entsprechen den Maßgaben der §§ 34, 36 AsylVfG.
28 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, 100 Abs. 1
ZPO. Das Verfahren ist nach § 83b Abs. 1 AsylVfG gerichtskostenfrei.