Urteil des VG Freiburg vom 28.08.2015

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VG Freiburg Urteil vom 28.8.2015, A 1 K 2078/14
Feststellung der Unzulässigkeit eines Asylantrags - keine zeitnahe Überstellung
in anderen Mitgliedstaat möglich
Leitsätze
1. Wenn die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO
ausschließlich zuständig geworden ist und eine Überstellung in den anderen Mitglied-
oder Vertragsstaat (hier: Italien) nicht mehr zeitnah möglich ist, liegen die
Voraussetzungen für die Ablehnung eines Antrags als unzulässig nicht mehr vor (im
Anschluss an VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.04.2015 - A 11 S 121/15 -).
2. In diesem Fall besteht ein Anspruch auf die Durchführung des Asylverfahren durch
die Bundesrepublik Deutschland.
Tenor
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 02.09.2014 wird
aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
Tatbestand
1 Der Kläger reiste am 26. oder 27.05.2014 nach Aufenthalten in Italien, der Schweiz
und Norwegen ins Bundesgebiet ein, wo er um Asyl nachsuchte. Dabei gab er an,
aus Nigeria zu stammen; Identitätspapiere legte er nicht vor. Am 17.06.2014
beantragte er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) seine
Anerkennung als Asylberechtigter.
2 Ein am 19.07.2014 an Italien gerichtetes Übernahmeersuchen ist nicht beantwortet
worden. Nach einem Vermerk in den Bundesamtsakten vom 02.09.2014 ist der
Zuständigkeitsübergang auf Italien am 13.08.2014 erfolgt; die Überstellungsfrist
ende am 13.02.2015.
3 Mit Bescheid vom 02.09.2014 stellt das Bundesamt fest, dass der Asylantrag
unzulässig sei (Nr. 1), und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an
(Nr. 2). Der Bescheid wurde dem Kläger am 05.09.2014 zugestellt.
4 Der Kläger hat am 11.09.2014 Klage erhoben und einen Antrag auf vorläufigen
Rechtsschutz gestellt, den das Gericht mit Beschluss vom 30.12.2014 abgelehnt
hat (A 1 K 2079/14). Er beruft sich zuletzt darauf, dass die Überstellungsfrist
abgelaufen und daher eine Abschiebung nach Italien nicht mehr durchführbar sei.
5 Der Kläger beantragt,
6
den Bescheid des Bundesamts Migration und Flüchtlinge vom 02.09.2014
aufzuheben.
7 Die Beklagte beantragt,
8
die Klage abzuweisen.
9 Sie hat auf Aufforderungen des Gerichts, im Einzelnen darzulegen, ob der Kläger
tatsächlich noch nach Italien überstellt werden könne, obwohl die Überstellungsfrist
abgelaufen sei, weder behauptet, eine Abschiebung sei noch möglich, noch hat
sie Umstände vorgetragen, die für das Fortbestehen einer
Überstellungsmöglichkeit sprechen könnten. Sie meint, die Voraussetzungen der
§§ 71 Abs. 1 bzw. 71a Abs. 1 AsylVfG lägen nicht vor, sodass der Asylantrag
jedenfalls unzulässig (Zweitantrag, keine Wiederaufgreifensgründe) und der
angefochtene Bescheid gemäß § 47 VwVfG umzudeuten sei.
10 Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat mitgeteilt, dass der Kläger nicht
untergetaucht und auch kein Abschiebeversuch unternommen worden sei.
11 Dem Gericht liegen ein Heft Akten des Bundesamts und die Gerichtsakten des
Verfahrens A 1 K 2079/14 vor. Der Inhalt dieser Akten und die im laufenden
Verfahren gewechselten Schriftsatze samt Anlagen sind Gegenstand der
Entscheidung. Hierauf wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
12 Der Vorsitzende entscheidet im Einverständnis der Beteiligten als Berichterstatter
und ohne mündliche Verhandlung (§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO).
13 Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom
16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293; OVG NRW, Urteil vom
07.03.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl 2014, 790) und A 1 K 484/14begründet. Die
Feststellung, dass der Asylantrag unzulässig ist, ist rechtswidrig und verletzt den
Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Daher kann auch die auf §
34a Abs. 1 AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung keinen Bestand haben.
14 1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags
des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Vorordnung (EU) Nr. 604/2013 vom
26.06.2013 (Dublin III-VO). Nach Art. 49 Dublin III-VO ist diese Vorordnung für
Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt
werden. Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller seinen Asylantrag im
Bundesgebiet am 17.06.2014 gestellt.
15 a) Nach § 29 Abs. 1 Dublin III-Verordnung erfolgt die Überstellung eines
Asylantragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedstaat (hier Deutschland) in den
zuständigen Mitgliedstaat (hier Italien) gemäß innerstaatlichen Rechtsvorschriften
des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten,
sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs
Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch
den anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen
Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-
Verordnung aufschiebende Wirkung hat. Gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-
Verordnung ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder
Wiederaufnahme der betreffenden Personen verpflichtet, wenn die Überstellung
nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird; die Zuständigkeit
geht in diesem Fall auf den ersuchenden Mitgliedstaat über.
16 b) Im vorliegenden Fall hat der Kläger einen Antrag auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den angefochtenen Bescheid
gestellt, der jedoch erfolglos geblieben ist. Ein Rechtsbehelf mit einer
aufschiebenden Wirkung im Sinne des Art. 27 Abs. 3 Dublin III-Verordnung lag
somit nicht vor. Andererseits war es im Hinblick auf den gebotenen effektiven
Rechtsschutz sowohl nach Verfassungsrecht als auch nach einfachem
Gesetzesrecht bis zur unanfechtbaren Entscheidung im Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes unmöglich, die Überstellung durchzuführen. Es ist daher davon
auszugehen, dass eine Regelungslücke in der Dublin III-Verordnung vorliegt, denn
auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom
29.01.2009 - C-19/08 - InfAuslR 2009,139) wird ausdrücklich akzeptiert, dass für
den ersuchenden Mitgliedstaat bestehende rechtliche Hindernisse berücksichtigt
werden müssen, um nicht zu untragbaren Ergebnissen zu kommen. Diese
Regelungslücke ist in der Weise zu schließen, dass während des
vorübergehenden Vollstreckungshindernisses von der Zustellung des Bescheids
bis zur Zustellung der negativen Entscheidung des Verwaltungsgerichts im
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Ablaufhemmung angenommen
wird, mit der Folge, dass sich die Frist entsprechend verlängert. Allerdings ist
dieser Sicht der Dinge immanent, dass der ersuchende Mitgliedstaat nach der
Zustimmung durch den ersuchten Mitgliedstaat die Überstellungsentscheidung
unverzüglich erlassen muss, um nach einer negativen Gerichtsentscheidung noch
ausreichend Zeit für die Durchführung der Überstellung zur Verfügung zu haben
(VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - NVwZ 2015, 92).
17 c) Hier war nach der zum 13.08.2014 gemäß § 25 Abs. 2 Dublin III-VO fingierten
Aufnahmebereitschaft Italiens die angefochtene Entscheidung am 02.09.2014 und
somit unverzüglich ergangen. Die Zustellung des Bescheids erfolgte am
05.09.2014. Der auf den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ergangene
ablehnende Beschluss vom 30.12.2014 wurde noch am selben Tag formlos an die
Beteiligten übersandt. Die formlose Mitteilung war auch ausreichend, da der
Beschluss unanfechtbar ist und keine Frist in Lauf gesetzt wird (vgl. § 56 Abs. 1
VwGO, § 329 Abs. 2 ZPO); er wurde demzufolge mit der ersten Bekanntgabe an
einen der Beteiligten wirksam (vgl. Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll,
VwGO, 6. Aufl. 2014, § 6 Rn. 12). Die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin
III-Verordnung, die zunächst am 13.08.2014 zu laufen begonnen hatte, war somit
vom 15.09.2014 bis zur Übermittlung des Beschlusses vom 30.12.2014 gehemmt.
Sie ist damit Ende Mai/Anfang Juni 2015 abgelaufen. Selbst wenn in der
Verwaltungspraxis eine von den ersuchten Mitgliedstaaten allgemein akzeptierte
Übung bestehen sollte, wonach die Überstellungsfrist erst durch die negative
gerichtliche Entscheidung (erneut) in Lauf gesetzt wird (hierzu: VGH Bad.-Württ.,
Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - InfAuslR 2014, 452, juris-Rn. 59), ist sie
spätestens Ende Juni/Anfang Juli 2015 abgelaufen.
18 Die Zuständigkeit für das Asylverfahren ist somit nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-
Verordnung auf Deutschland übergegangen, da hier keiner der Fälle des Art. 29
Abs. 2 Satz 2 Dublin III-Verordnung vorliegt, in denen die Überstellungsfrist
verlängert werden kann.
19 d) Sowohl der Übergang der Zuständigkeit auf Deutschland als auch der Ablauf
der Überstellungsfrist dienen jedoch nicht dem Schutz des Asylsuchenden (vgl.
VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.08.2013 - 12 S 675/13 - InfAuslR 2014, 29;
Urteil vom 16.04.2014, aaO.). Die Dublin III-Verordnung räumt dem Einzelnen kein
subjektives Recht darauf ein, dass sein Asylantrag in einem bestimmten
Mitgliedstaat geprüft wird. Die dort niedergelegten Zuständigkeitsregeln sind an die
Mitgliedstaaten adressiert und sehen Rechte und Pflichten für diese vor. Ein
Asylsuchender kann den Zuständigkeitsübergang daher nicht mit Erfolg
einwenden, solange die Überstellung an den bisher zuständigen Mitgliedstaat
noch zeitnah möglich ist.
20 2. Im vorliegenden Fall steht indes zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine
zeitnahe Überstellung nach Italien nicht mehr durchführbar ist. Damit verletzt der
anfangs rechtmäßige angefochtene Bescheid nunmehr das subjektive Recht des
Klägers auf zeitnahe inhaltliche Prüfung eines Asylgesuchs.
21 a) Wenn die Bundesrepublik Deutschland wie hier nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1
Dublin III-VO ausschließlich zuständig geworden ist und eine Überstellung in den
anderen Mitglied- oder Vertragsstaat Italien nicht (mehr) zeitnah möglich ist, liegen
in rechtlicher Hinsicht die Voraussetzungen für die Ablehnung eines Antrags als
unzulässig im Sinne des § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG nicht mehr vor (hierzu
und zum Folgenden: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.04.2015 - A 11 S 121/15 -
juris). In diesem Fall besteht ein Anspruch auf die Durchführung des Asylverfahren
durch die Bundesrepublik Deutschland. Dabei kann eine rein theoretische
Überstellungsmöglichkeit, die nicht durch konkrete aussagekräftige und auch eine
überschaubare zeitliche Dimension der Überstellung umfassende Fakten
untermauert wird, nicht genügen, da andernfalls das dem Dublinsystem immanente
Beschleunigungsgebot (vgl. EuGH Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S.
u.a. - NVwZ 2012, 417, Rn. 79, und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ
2014, 208, Rn. 53) verletzt wird. Dieses Beschleunigungsgebot gilt im Übrigen
unabhängig davon, ob bereits ein erster Asylantrag negativ beschieden worden ist,
solange noch die Entscheidung über einen - ggf. als Zweitantrag zu behandelnden
- Asylantrag aussteht. Dem Zuständigkeitssystem liegt zugrunde, dass
Asylantragsteller ein durchsetzbares Recht haben müssen, dass ihr Antrag von
einem Mitglied- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft wird. Dies ergibt sich
unmissverständlich aus Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO (vgl. auch den 5.
Erwägungsgrund). Eine andere Sichtweise würde dem Grundanliegen des
gemeinsamen europäischen Asylsystems widersprechen. Dieses darf um seiner
Effektivität willen nicht so ausgelegt und angewandt werden, dass die betroffenen
Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung ihres Schutzgesuchs erhalten können.
Es liegt weder im privaten noch im öffentlichen Interesse, wenn die Betroffenen
monate- oder gar jahrelang in einer „Warteschleife“ verbleiben, ohne dass eine
inhaltliche Entscheidung über ihr Asylgesuch erfolgt.
22 b) Im vorliegenden Fall ist in tatsächlicher Hinsicht nicht davon auszugehen, dass
eine zeitnahe Überstellung nach Italien noch möglich ist.
23 Im Falle Italiens stellt sich schon die Frage, ob das Dublin-Regime faktisch
überhaupt eine zeitnahe inhaltliche Entscheidung über Asylgesuche gewährleisten
kann, da es in der Praxis weitgehend leerzulaufen scheint. Nach den vom
Bundesamt veröffentlichten Statistiken sind im Jahr 2014 insgesamt 9.102
Übernahmeersuchen an Italien gestellt, aber nur 782 Überstellungen tatsächlich
durchgeführt worden (Das Bundesamt in Zahlen 2014, S. 39 f.). Dies entspricht
einer Quote von lediglich ca. 8,6%. Auch wenn zu berücksichtigen ist, dass nicht
jedes Übernahmeersuchen erfolgreich gewesen ist, lässt sich aus diesen Zahlen
unschwer folgern, dass schon im Normalfall - also vor Ablauf der Überstellungsfrist
- offenbar nur ein geringer Teil der rechtlich möglichen Überstellungen tatsächlich
durchgeführt wird. Erst recht spricht bei dieser Ausgangslage bei lebensnaher
Betrachtungsweise nichts dafür, dass Überstellungen auch noch nach einem
deutlichen - und nach jeder Betrachtungsweise gegebenen - Ablauf der
Überstellungsfrist erfolgen könnten. In ganz besonderer Weise muss dies dann
gelten, wenn die Übernahmebereitschaft des ersuchten Mitgliedstaates wie hier
nicht ausdrücklich erklärt, sondern nur wegen des Ablaufs der Frist des § 25 Abs. 1
Dublin III-VO gemäß § 25 Abs. 2 Dublin III-VO fingiert worden ist.
24 Der Anspruch auf zeitnahe Entscheidung über ein Asylgesuch ist bei dieser
Ausgangslage demzufolge im vorliegenden Fall verletzt, weil die Überstellungsfrist
seit langem abgelaufen ist und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen,
dass eine baldige Überstellung noch erfolgen kann. Es wäre Sache des
Bundesamts gewesen, konkret darzulegen und ggf. nachzuweisen, weshalb trotz
eines deutlichen Ablaufs der Überstellungsfrist im Einzelfall dennoch eine
Überstellung nach Italien möglich sein soll (vgl. BayVGH, Beschluss vom
03.06.2015 - 11 ZB 15.50114 - juris-Rn. 9; VG Würzburg, Beschluss vom
09.04.2015 - W 3 S 15.50067 - juris-Rn. 40). Das Bundesamt hat auf
entsprechende ausdrückliche Nachfragen des Gerichts jedoch nichts vorgetragen,
was eine baldige Überstellung nach Italien als realistisch erscheinen lassen
könnte. Mangels konkreter Anhaltspunkte für eine weiterhin bestehende
Übernahmebereitschaft Italiens ist deshalb im vorliegenden Fall davon
auszugehen, dass eine zeitnahe Überstellung nicht mehr möglich ist.
25 3. Auch wenn - wovon wohl auszugehen ist - der Kläger bereits in einem (oder
mehreren) anderen Mitglied- oder Vertragsstaat ein Asylgesuch gestellt haben
sollte, das dort abgelehnt worden ist, ist eine Umdeutung des angefochtenen
Bescheids in die Ablehnung eines unzulässigen Zweitantrags gemäß § 47 Abs. 1
VwVfG nicht möglich. Insoweit fehlt es bereits an der Voraussetzung des § 47 Abs.
1 VwVfG, wonach der andere Verwaltungsakt auf das gleiche Ziel gerichtet sein
muss. Die Entscheidung der Beklagten war im vorliegenden Fall ausdrücklich auf
die Unzulässigkeit im Sinne des § 27a AsylVfG gerichtet und darauf, die
zwingende Rechtsfolge des § 34a Abs. 1 AsylVfG herbeizuführen. Hingegen wird
mit der Entscheidung zu § 71a AsylVfG die Durchführung eines weiteren
Asylverfahrens abgelehnt, die dann in erster Linie die Rechtsfolge des § 71a Abs.
4 i.V.m. § 34 bzw. § 36 AsylVfG, d.h. eine Abschiebungsandrohung in den
Herkunftsstaat, auslöst und damit eine völlig andere Qualität hat als eine
Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (VGH Bad.-Württ.,
Beschluss vom 19.01.2015 - A 11 S 2508/14 - InfAuslR 2015, 168 sowie Urteil vom
29.04.2015 - A 11 S 121/15 - NVwZ 2015, 1155).
26 Unabhängig davon dürfte es an dem weiteren Erfordernis des § 47 Abs. 1 VwVfG
fehlen, dass der Verwaltungsakt, in den die Umdeutung erfolgen soll, von der
Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte
erlassen werden können. Denn erst durch die Aufhebung der Ziff. 1 des
angefochtenen Bescheides, mit der sich Deutschland als unzuständig für die
Durchführung des Asylverfahrens erklärt hat, würden die Weichen für die
erstmalige Durchführung eines Zweitverfahrens mit den dort maßgeblichen
Verfahrensgarantien und Verfahrensanforderungen gestellt. So wäre dann eine
umfassende Anhörung nach § 71a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 AsylVfG
geboten, von der nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 71a Abs. 2
Satz 2 AsylVfG abgesehen werden kann, während die Anhörung im Dublin-
Verfahren bereits grundsätzlich nach Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Dublin III-
Verordnung beschränkt ist. Des Weiteren besteht bei einer Entscheidung über
einen Zweitantrag die Verpflichtung zur Prüfung nationaler Abschiebungsverbote
nach § 71a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 24 Abs. 2 AsylVfG (vgl. VGH Bad.-Württ., aaO.).
27 Diese für das Zweitverfahren geltenden Anforderungen wurden hier nicht gewahrt.
Insbesondere hat lediglich eine Anhörung des Klägers über den Reiseweg und
nicht zu möglichen Flucht- oder Wiederaufgreifensgründen stattgefunden. Der
Kläger hatte im vorliegenden Verfahren im Übrigen auch keinerlei Anlass, zu
möglichen Flucht- oder Wiederaufgreifensgründen Stellung zu nehmen. Ein
entsprechender Vortrag kann von einem Asylantragsteller, der hierzu im
Verwaltungsverfahren nicht angehört worden war und dessen Asylantrag allein
wegen der angenommen Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates als
unzulässig abgelehnt worden ist, nicht erwartet werden.
28 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist
gerichtskostenfrei (§ 83b AsylVfG).