Urteil des VG Freiburg vom 16.03.2016

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VG Freiburg Urteil vom 16.3.2016, 7 K 843/14
Leitsätze
1. Der mittelbare Besitzer i. S. v. § 868 BGB ist regelmäßig nicht Inhaber der
tatsächlichen Gewalt.
2. Wer zivilrechtlich einem anderen Kostenersatzpflichtigen zur Freistellung
verpflichtet ist oder für Schäden, die von der Feuerwehr verhütet worden sind, zum
Ersatz verpflichtet gewesen wäre, ist gem. § 34 Abs. 3 Nr. 3 FwG a. F. zum
Kostenersatz verpflichtet.
3. Ein pauschaler Verwaltungskostenzuschlag von 10 % der
Wiederbeschaffungskosten findet im FwG keine Stütze.
4. Die Inanspruchnahme mehrerer Kostenersatzpflichtiger als Gesamtschuldner
bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die das FwG nicht enthält.
5. Naheliegende Möglichkeiten, einen weiteren Kostenersatzpflichtigen (hier: den
Eigentümer eines Gefahrgutcontainers) zu ermitteln, müssen ausgeschöpft werden.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 13.03.2013 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 28.02.2014 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1 Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Feuerwehrkosten.
2 Am 18.01.2013 kam es auf dem Umschlagbahnhof Basel – Weil am Rhein zu
einem Einsatz der Feuerwehr der Beklagten, weil aus dem Tankcontainer GPLU
XXX ein Gefahrstoff austrat. Wie sich im Laufe des Einsatzes herausstellte,
handelte es sich um Epichlorhydrin. Dieser krebserregende Stoff ist giftig (bei
Einatmen, Verschlucken und Berührung mit der Haut) und entzündlich (H- und R-
Sätzen nach VO (EG) 1272/2008, Index-Nrn. 603-026-00-6 und 603-026-00-6). Er
ist ferner wassergefährdend (Anhang 2 der Verwaltungsvorschrift
wassergefährdender Stoffe i. d. F. vom 27.07.2005, Kennnummer 866, WGK 3).
Die von der D. beauftragte Spedition B. hatte den leeren Tankcontainer nach
Tavaux, Frankreich, verbracht, wo er am 17.01.2013 durch die Firma S. befüllt
worden war. Anschließend fuhr ein Mitarbeiter der Spedition B. den beladenen
Tankcontainer per LKW nach Weil am Rhein, wo er auf ihrem Betriebsgelände
zwischengelagert wurde. Am Folgetag, dem 18.01.2013, übergab die Spedition B.
den Tankcontainer im Umschlagbahnhof Basel – Weil am Rhein an deren
Betreiberin, die DU. Dabei legitimierte sich die Spedition B. mittels eines durch die
Klägerin erstellten Anlieferscheins. Grundlage hierfür war der zwischen der
Klägerin und der DU. geschlossene Terminal-Nutzungsvertrag. Die Übergabe des
Tankcontainers erfolgte dergestalt, dass dieser durch die DU. auf einen
Eisenbahnwaggon verladen wurde. Dieser war Teil eines Zuges, der von der S.
Cargo zum Bestimmungsort gefahren werden sollte. Die Klägerin führte den
Transport des Tankcontainers auf der Schiene, einschließlich des Be- und
Entladens, als (Sub-) Spedition für die Firma B. durch. Hierfür bediente die Klägerin
sich ihrerseits der DU. und der S. Cargo.
3 Der Wagenmeister der S. Cargo bemerkte gegen 18:40 Uhr beim Abschreiten des
Zuges die Leckage und lehnte die Übernahme des Waggons von der DU. ab.
Zugleich wurde die Freiwillige Feuerwehr der Beklagten alarmiert. Diese
veranlasste eine Sperrung des Gefahrenbereichs und nahm
Schadstoffmessungen unter Vollschutz vor, die während der Dauer des Einsatzes
wiederholt wurden. Grund der Leckage war ein undichtes Ablassventil. Da auch
der äußerste Verschlussdeckel verkantet aufgeschraubt worden und daher
undicht war, konnte der Gefahrstoff austreten. Der Versuch, den Verschlussdeckel
mit mechanischen Werkzeugen zu öffnen, schlug fehl, weshalb der Tankcontainer
auf den Havarieplatz des Bahnhofs umgesetzt wurde, wo der Verschlussdeckel
mittels eines hydraulischen Spreizers geöffnet werden konnte. Anschließend
wurde der Tankcontainer mittels Hanf abgedichtet und provisorisch verschlossen.
Am folgenden Morgen wurde das Ventil durch einen Mitarbeiter der Firma G.
instandgesetzt. Sodann wurde der Tankcontainer abgefertigt.
4 Im Anschluss an den Einsatz trat die Freiwillige Feuerwehr der Beklagten an die
Firmen D. Safety AG & Co. KGaA und D. Anlagengesellschaft mbH heran und
erfragte, ob die durch den Gefahrstoff kontaminierten Gerätschaften gereinigt
werden könnten. Dies wurde übereinstimmend verneint und zu einem Austausch
geraten. Die Beklagte verfuhr entsprechend.
5 Am 13.03.2013 erließ die Beklagte drei – bis auf die Adressaten – gleichlautende
Abgabenbescheide unter demselben Kassenzeichen, mit dem sie die Klägerin, die
Spedition B. und die DU. gesamtschuldnerisch für die Kosten des
Feuerwehreinsatzes in Anspruch nahm. Diese bezifferte die Beklagte auf
54.501,69 EUR.
6 Auf den am 04.04.2013 eingelegten Widerspruch der Klägerin änderte die
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2014, der Klägerin zugestellt am
04.03.2014, den Abgabenbescheid insoweit ab, als der festgesetzte Betrag
47.042,47 EUR überstieg. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Im
Bescheid wurden nunmehr folgende Rechnungsposten geltend gemacht: Einsatz
und Vorhalt von Personal und Maschinen i. H. v. 2.593,41 EUR (Rechnungsposten
10 bis 110), Verbrauchsmaterial und Ersatzbeschaffungen i. H. v. 37.300,24 EUR
(Rechnungsposten 120 bis 350) sowie Entsorgung des kontaminierten Materials
durch eine Drittfirma i. H. v. 3.108 EUR (Rechnungsposten 360). Mit
Rechnungsposten 370 wurde zudem ein Verwaltungskostenzuschlag erhoben,
der mit 10 Prozent der Rechnungsposten 120 bis 360, mithin 4.040,82 EUR
bemessen wurde. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin habe, wie
die anderen in Anspruch Genommenen auch, im Rahmen des Transports Umgang
mit dem Gefahrstoff gehabt und sei daher gemäß § 34 Abs. 3 FwG zum
Kostenersatz verpflichtet. Die Klägerin habe als Spediteurin Einfluss nehmen
können. Vor diesem Hintergrund sei es nicht unbillig, alle am Transport beteiligten
Unternehmen als Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen. Dieses Vorgehen
ermögliche es den Beteiligten zudem, die Frage der Verantwortlichkeit
untereinander zu klären. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Möglichkeiten der
Aufklärung für die Beklagte begrenzt seien und die Anforderungen an sie nicht
überspannt werden dürften. Der Umfang des Einsatzes sei im Brand- und
Hilfeleistungsbericht der Freiwilligen Feuerwehr dokumentiert. Die dort
bezeichneten Maßnahmen seien bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung
erforderlich gewesen. Die Posten 10 bis 110 beruhten auf einer Kalkulation der
Personal- und Fahrzeugkosten, die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen
erstellt worden sei. Anders als die dem Ausgangsbescheid zu Grunde gelegten
Pauschalsätze bedürfe es nach § 34 Abs. 5 FwG keiner Festlegung durch eine
Satzung. Die Kosten der erforderlichen Ersatzbeschaffungen seien durch
Rechnungen der Lieferanten belegt. Die Notwendigkeit des Austauschs des mit
dem Gefahrgut in Kontakt gekommenen Materials ergebe sich aus einer Auskunft
der Fa. D. Anlagengesellschaft. Der Ansatz der Verwaltungskosten hinsichtlich der
Ersatzbeschaffungen in Höhe von 10 Prozent der Ersatzbeschaffungskosten halte
sich im Rahmen des Üblichen und sei angemessen.
7 Am 11.11.2013 gab die Klägerin gegenüber der DU. eine Erklärung ab, der zufolge
sie – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – bis sechs Monate nach
Bestandskraft des Abgabenbescheides auf die Einrede der Verjährung verzichte
und die DU. mit Eintritt der Bestandskraft des Abgabenbescheides von allen
Kosten bezüglich des Gefahrgutunfalls vom 18.01.2013 freistelle.
8 Am 04.04.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor, dass sie nicht als
Inhaberin der tatsächlichen Gewalt in Anspruch genommen werde könne. Sie
habe den Transport des Gefahrstoffs lediglich als Spediteurin „vom Schreibtisch
aus“ durch verschiedene erfahrene und sachkundige Fachfirmen veranlasst, auf
deren ordnungsgemäße Tätigkeit sie habe vertrauen dürfen. Sie habe zu keinem
Zeitpunkt auf den Zustand des Tankcontainers einwirken können, weil sie weder
Einfluss auf dessen Auswahl gehabt, noch am Transportvorgang mit eigenen
Leuten mitgewirkt habe. Hinsichtlich der geltend gemachten Kosten sei zu
beanstanden, dass die Beklagte angefangene Stunden zum vollen Stundensatz
ansetze, was gegen den Gleichheitssatz verstoße. Außerdem sei der Einsatz
personell überdimensioniert gewesen. Jedenfalls nachdem das überschaubare
Ausmaß der Leckage festgestellt gewesen sei, hätte die Zahl der Einsatzkräfte
und Fahrzeuge deutlich reduziert werden können. Auch sei die Menge der
eingesetzten und ausgetauschten Materialien unverständlich, insbesondere sei
der Einsatz von zehn Chemieschutzanzügen angesichts der überschaubaren
Menge des ausgetretenen Gefahrguts überzogen gewesen. Vor dem Hintergrund
des überdimensionierten Einsatzes habe schließlich eine Reduzierung der
festgesetzten Kosten wegen unbilliger Härte nach § 34 Abs. 4 FwG erwogen
werden müssen.
9 Die Klägerin beantragt,
10 den Bescheid der Beklagten vom 13.03.2013 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 28.02.2014 aufzuheben.
11 Die Beklagte beantragt,
12 die Klage abzuweisen.
13 Zur Begründung wird geltend gemacht, dass bei einer Vielzahl von Beteiligten die
Anforderungen, den Kreis der potentiell Kostenpflichtigen zu ermitteln, nicht
überspannt werden dürften. So seien im Zuge des Verfahrens immer mehr
Beteiligte erkennbar geworden, deren vertragliche Beziehungen untereinander der
Beklagten jedoch unbekannt blieben. Sie habe die Klägerin zunächst für die
Eigentümerin des Tankcontainers gehalten. Dass dies nicht der Fall sei, bestreite
sie weiter mit Nichtwissen. Die Klägerin habe es überdies versäumt darzulegen,
wer die mit dem Transport im Einzelnen beauftragten Firmen seien. Es werde
daher ferner mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin ihre Verantwortung auf
diese Firmen übertragen habe. Ihr könne nicht zugemutet werden, weitergehende
Ermittlungen anzustellen, zumal sich die wechselseitigen vertraglichen
Verpflichtungen der beteiligten Unternehmen als kompliziert darstellten. Vor
diesem Hintergrund sei es nicht unbillig, alle am Transport beteiligten
Unternehmen als Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen. Ob die Klägerin
gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 2 FwG kostenersatzpflichtig sei, könne dahinstehen, weil
die Leistung der Feuerwehr im Interesse der Klägerin erbracht worden sei, so dass
diese nach § 34 Abs. 3 Nr. 3 FwG zum Ersatz der Kosten verpflichtet sei. Denn
zum einen träfen die Klägerin als Beförderer nach den einschlägigen
internationalen eisenbahnrechtlichen Vorschriften (RID) gewisse Prüfungspflichten,
insbesondere eine Pflicht zur Sichtprüfung auf Undichtigkeiten. Zum anderen habe
die Klägerin gegenüber der DU. eine Erklärung abgegeben, wonach sie diese von
allen mit dem Gefahrgutunfall zusammenhängenden Kosten freistelle. Auch die
Höhe der festgesetzten Kosten sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe nicht
einfach angefangene Stunden voll abgerechnet. Bereits Rechnungsposten 80
erweise das Gegenteil. Im Übrigen seien volle Stunden angefallen, da der Einsatz
von 19:03 bis 01:00 Uhr gedauert habe. Der Einsatz sei auch nicht
überdimensioniert gewesen. Immerhin habe es sich bei Epichlorhydrin um einen
Gefahrstoff gehandelt, von dem erhebliche Gefahren für Mensch und Umwelt
ausgingen, weshalb auch eine entsprechende Eigensicherung der Feuerwehrleute
erforderlich gewesen sei. Die Zahl der eingesetzten Schutzanzüge erkläre sich
dadurch, dass Feuerwehrleute unter Atemschutz nur 30 Minuten eingesetzt
werden könnten, ehe sie abgelöst werden müssten. Der Austausch des
eingesetzten Materials sei erforderlich geworden, weil dieses nach Kontamination
mit Epichlorhydrin nicht mehr habe gereinigt werden können. Schließlich könne
von einer unbilligen Härte für die Klägerin nicht gesprochen werden. Diese sei eine
100-prozentige Tochter der H. AG, welche ausweislich ihres Geschäftsberichts
über einen Jahresgewinn von ca. 5,3 Mio. EUR verfüge, und betreibe
gewerbsmäßig den Transport von Gefahrstoffen. Dass sie die sich aus diesem
Geschäft ergebenden Risiken und Kosten eines Gefahrgutunfalls tragen müsse,
sei nicht unbillig.
14 Auf Anfrage des Gerichts hat die Beklagte am 29.09.2015 eine Berechnung des
tatsächlichen Verwaltungsaufwands für die Entsorgung des kontaminierten
Materials und der Ersatzbeschaffungen vorgelegt, wonach nach der Erinnerung
des Sachbearbeiters von einem Aufwand von insgesamt 21 Stunden auszugehen
sei, was Lohnkosten i. H. v. 807,66 EUR entspreche.
15 Der Kammer liegen die Verwaltungsakten vor (ein Band). Der Inhalt dieser Akten
sowie der Gerichtsakten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen;
hierauf und auf die gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
16 Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Kostenbescheid in der Gestalt,
die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, ist rechtswidrig und verletzt
die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
17 Der auf § 34 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 und Abs. 6 Satz 1 FwG in der während
des Feuerwehreinsatzes bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides geltenden
und hier maßgeblichen Fassung vom 02.03.2010 (im Folgenden: a. F.) gestützte
Kostenbescheid ist rechtswidrig. Zwar liegt ein Feuerwehreinsatz vor, für den die
Beklagte nach § 34 Abs. 1 Satz 2 FwG a. F. gehalten ist, Kostenersatz zu
verlangen (I.), die Klägerin gehört zum Kreis der Kostenersatzpflichtigen nach § 34
Abs. 3 FwG a. F. (II.) und die geltend gemachten Kosten sind auch im
Wesentlichen ansatzfähig (III.). Es fehlt aber für die Inanspruchnahme der Klägerin
als Gesamtschuldnerin an der erforderlichen Rechtsgrundlage (IV.). Unabhängig
davon hat die Beklagte ihr Ermessen hinsichtlich der Auswahl unter den potentiell
Kostenersatzpflichtigen jedenfalls auch deshalb fehlerhaft i. S. d. § 114 Satz 1
VwGO ausgeübt, weil sie von der Ermittlung und Inanspruchnahme des
Eigentümers des Tankcontainers ohne hinreichende Erwägungen Abstand
genommen hat (V.).
18 I. Der Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr der Beklagten am 18.01.2013 unterfällt
insgesamt § 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 FwG a. F. Der Austritt von Epichlorhydrin stellt
einen öffentlichen Notstand i. S. v. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 i. V. m. Satz 2 FwG
a. F. dar, weil dieser krebserregende Stoff giftig, entzündlich und
wassergefährdend ist. Die Gefahr ist beim Umgang mit diesem Gefahrstoff
entstanden. Zum Umgang zählt auch die Beförderung. Die Gefährdung hatte ihre
Ursache gerade in der Beförderung mit einem nicht richtig verschlossenem
Tankcontainer, stand also in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beförderung
(vgl. hierzu Surwald/Ernst, FwG, 8. Aufl. 2011, § 34 Rn. 21). Die Beförderung
erfolgte ferner durch Beteiligte, die zu gewerblichen Zwecken handelten.
19 II. Die Klägerin gehört auch zum Kreis derjenigen, die grundsätzlich zum
Kostenersatz herangezogen werden können. Sie ist zwar weder als Verhaltens-
(1.), noch als Zustandsverantwortliche heranzuziehen (2.), der Einsatz lag aber in
ihrem Interesse (3.).
20 1. Die Klägerin ist nicht nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 FwG a. F. zum Kostenersatz
verpflichtet, denn sie hat die Leistung der Feuerwehr nicht durch ihr Verhalten
erforderlich gemacht. Wie nicht zuletzt der Verweis auf § 6 Abs. 2 und 3 PolG zeigt,
können zur näheren Bestimmung der Verhaltensverantwortlichkeit die für den
Handlungsstörer nach § 6 Abs. 1 PolG entwickelten Kriterien herangezogen
werden (Surwald/Ernst, FwG, 8. Aufl. 2011, § 34 Rn. 35). Als Handlungsstörer
verantwortlich ist danach nur, wessen Verhalten die eingetretene Störung
unmittelbar verursacht, also selbst im konkreten Fall die polizeiliche
Gefahrengrenze überschreitet (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30.06.2002 - 10 S
2153/01 -, juris, Rn. 108 m. w. N. [zu § 6 PolG]).
21 Es sind keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass
die Klägerin durch aktives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen einen Beitrag zum
Eintritt der Gefahr gesetzt hat. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin
eine Überprüfung des Tankcontainers hätte veranlassen müssen. Die für den
Transport einschlägige Verordnung über die innerstaatliche und
grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, mit
Eisenbahnen und Binnengewässern (GGVSEB) sieht eine Prüfungspflicht nur für
den Befüller (§ 23 Abs. 1 Nrn. 3 und 6 GGVSEB) vor, nicht aber für den Absender
(§ 18 GGVSEB). Die Klägerin ist allenfalls Absenderin (vgl. § 2 Nr. 1 GGVSEB).
22 2. Die Klägerin ist auch nicht nach § 34 Abs. 3 Nr. 2 FwG kostenersatzpflichtig, da
sie im maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrgutaustritts weder Eigentümerin des
Tankcontainers war (a), noch die tatsächliche Gewalt über diesen innehatte (b).
23 a) Wer Eigentümer des Tankcontainers war, konnte auch in der mündlichen
Verhandlung nicht mit letzter Sicherheit geklärt werden. Vieles spricht dafür, dass
die M. C. & M., Genf, auf die der Tankcontainer beim Bureau International des
Containers et du Transport Intermodal (BIC) registriert ist, auch Eigentümerin ist.
Andererseits hat die Klägerin erklärt, sie gehe davon aus, dass es sich um den
Tankcontainer ihrer Vertragspartnerin, der B., handele. Jedenfalls fehlen jegliche
Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin Eigentümerin des Tankcontainers ist.
24 b) Die Klägerin war auch nicht Inhaberin der tatsächlichen Gewalt über den
Tankcontainer i. S. v. § 34 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 2 FwG a. F. Inhaber der tatsächlichen
Gewalt ist, wer nach der Verkehrsanschauung eine Sachherrschaft ausübt, die
eine gewisse Dauer und Festigkeit aufweist und ihn befähigt, jederzeit auf die
Sache einwirken zu können (Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-
Württemberg, 7. Aufl. 2014, § 7 Rn. 14).
25 Der Umstand, dass die Klägerin den Transport des Tankcontainers auf der
Schiene beauftragt hat, genügt nicht, um die erforderliche tatsächliche
Einwirkungsmöglichkeit der Klägerin zu begründen. Aufgrund des mit der DU.
geschlossenen Vertrages war die Klägerin zwar mittelbare Besitzerin des
Tankcontainers. Sie hatte jedoch keine tatsächliche Gewalt im vorstehend
erläuterten Sinne über ihn. Mit dem Kriterium der tatsächlichen Gewalt hat der
Gesetzgeber die Umschreibung des § 854 Abs. 1 BGB für den zivilrechtlichen
unmittelbaren Besitz aufgegriffen. Zwar verbietet sich eine schlichte Übertragung
der zivilrechtlichen Maßstäbe, wie insbesondere der Fall des Besitzdieners (§ 855
BGB) zeigt, der zwar zivilrechtlich gerade nicht Besitzer, polizeirechtlich aber sehr
wohl tauglicher Adressat sein soll (vgl. Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch
des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Kap. D Rn. 111). Umgekehrt kann jedoch der
mittelbare Besitzer (§ 868 BGB), wenn er nicht zugleich Eigentümer ist, nicht zum
Kreis der Zustandsverantwortlichen gezählt werden. Ihm kommt allein eine
(schuld-)rechtlich vermittelte, nicht jedoch zwangsläufig auch ohne weiteres
aktualisierbare Möglichkeit der Einflussnahme zu. Diese einzubeziehen, hieße,
den Begriff der tatsächlichen Gewalt unzulässig zu „vergeistigen“. Neben dem
Wortlaut spricht auch der Gesetzeszweck für diese Auslegung: Die verschuldens-
und verursachungsunabhängige Gefährdungshaftung des Zustandsstörers wird im
Rahmen des § 34 Abs. 3 FwG a. F. dadurch legitimiert, dass der Eigentümer bzw.
der Inhaber der Sachherrschaft vermittels seiner rechtlichen und/oder faktischen
Einwirkungsmöglichkeiten – zumindest typischerweise – vor Eintritt der Gefahr
oder Störung in der Lage gewesen ist, den öffentlichen Notstand zu verhindern
(vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30.06.2002 - 10 S 2153/01 -, juris, Rn. 135 m. w. N.
[zu § 7 PolG]). Beim Eigentümer kann ergänzend darauf abgestellt werden, dass
die Verantwortlichkeit mit der ihm zugewiesenen Möglichkeit, die Sache
privatnützig zu verwenden, korrespondiert (vgl. VGH Bad.-Württ., a. a. O.). Weil er
selbst bestimmen konnte, wem er die tatsächliche Sachherrschaft überlässt, kann
er sich grundsätzlich nicht auf die fehlende Fähigkeit zur Einflussnahme berufen.
Nur wenn ein Dritter die tatsächliche Gewalt gegen seinen Willen ausübt und der
Eigentümer daher nicht mehr auf die Sache einwirken kann, darf er nicht als
Zustandsverantwortlicher in Anspruch genommen werden (VGH Bad.-Württ., Urt. v.
30.04.1996 - 10 S 2163/95 -, juris, Rn. 28 m. w. N. [zu § 7 PolG]).
26 3. Die Klägerin gehört allerdings nach § 34 Abs. 3 Nr. 3 FwG a. F. zu den prinzipiell
zum Kostenersatz Verpflichteten.
27 § 34 Abs. 3 Nr. 3 FwG a. F. bildet die zentrale Voraussetzung des
Kostenerstattungsanspruchs des Geschäftsführers ohne Auftrag nach § 683 BGB
ab, weshalb für die Begründung der Verpflichtung erforderlich, aber auch
ausreichend ist, dass die Maßnahme für den in Anspruch Genommenen objektiv
nützlich war (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.09.2013 - 1 S 1077/13 -, juris, Rn. 22
m. w. N.). Das ist jedoch nicht schon dann der Fall, wenn einem nicht bereits nach
§ 34 Abs. 3 Nr. 1 und 2 FwG a. F. zum Kostenersatz Verpflichteten ein irgendwie
gearteter Vorteil als Reflex einer Feuerwehrleistung erwächst. Dies würde den
Kreis der Kostenersatzpflichtigen uferlos ausdehnen und etwa alle diejenigen
erfassen, die durch einen öffentlichen Notstand in ihrer Erwerbstätigkeit
beeinträchtigt sind und deshalb von der raschen Beseitigung desselben
wirtschaftlich profitieren. Die Abschöpfung eines solchen Vorteils ist ersichtlich
nicht Zielrichtung der Vorschrift. Vielmehr muss der Einsatz unmittelbar zu Gunsten
des Kostenersatzpflichtigen erbracht worden sein (VGH Bad.-Württ., Urt. v.
09.09.2013 - 1 S 1077/13 -, juris, Rn. 22). Unmittelbarkeit bedeutet, dass eine
qualifizierte Beziehung zur abgewendeten Gefahr bzw. zur beseitigten Störung
bestanden haben muss, etwa weil der zum Kostenersatz Herangezogene zur
Herbeiführung des durch die Feuerwehr bewirkten Erfolges verpflichtet war (VGH
Bad.-Württ., Urt. v. 17.05.2010 - 1 S 2441/09 -, juris, Rn. 16: Transport eines
schwer Übergewichtigen nützlich für die Krankenkasse) oder dazu verpflichtet
gewesen wäre, den abgewendeten Schaden zu verhindern bzw. zu ersetzen
(VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.09.2013 - 1 S 1077/13 -, juris, Rn. 22: Beseitigung
einer Ölspur nützlich für den Straßenverkehrssicherungspflichtigen).
28 Aufgrund der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der DU., die spezifisch auf
den Fall eines Gefahrgutunfalls bezogen waren, stand die Klägerin in einer
solchen qualifizierten Beziehung zum Feuerwehreinsatz. Denn sie hatte (als sog.
Zugangsberechtigte) mit der DU. einen Vertrag über die Nutzung des
Umschlagebahnhofs geschlossen (Terminalnutzungsvertrag), der in § 1 die
Nutzungsbedingungen für Serviceeinrichtungen der DU. (NBS-DU.) einbezieht.
Aus Ziff. 9.1 des Allgemeinen Teils der NBS-DU. folgt die Verpflichtung der
Klägerin gegenüber der DU., im Falle eines Gefahrgutunfalls „alle zur Beseitigung
der freigesetzten umweltgefährdenden Stoffe notwendigen Maßnahmen
durch[zuführen], wenn sie bei seiner Verkehrsleistung – auch unverschuldet –
aufgetreten sind“. Ziff. 9.2. besagt, dass der Zugangsberechtigte bei einem Unfall
die der DU. entstehenden Kosten zu tragen bzw. diese von sämtlichen Kosten
freizustellen habe, falls diese „ausschließlich als Zustandsstörerin zur Beseitigung
von Umweltschäden verpflichtet“ ist bzw. „aufgrund von Verunreinigungen
öffentlich-rechtlich und/oder privatrechtlich in Anspruch genommen wird“. Nach Ziff.
10.1.4 des Besonderen Teils der NBS-DU. haftet die Klägerin der DU. schließlich
für alle Schäden, die dieser durch den nicht ordnungsgemäßen bzw. unsicheren
Zustand einer Intermodalen Ladeeinheit entstehen. Die Klägerin hat gegenüber
der DU. folgerichtig am 11.11.2013 eine Erklärung abgegeben, wonach sie diese
nach Bestandskraft des Kostenbescheids von allen Kosten des Gefahrgutunfalls
freistelle. Die Bekämpfung der Leckage erfolgte daher (auch) im Interesse der
Klägerin, weil diese – von der bereits eingetretenen Kontamination abgesehen –
auch wegen der noch umfangreicheren Verunreinigung des Erdreichs der DU.
gegenüber zivilrechtlich zum Schadensersatz bzw. zur Freistellung verpflichtet
gewesen wäre, zu der es ohne Eingreifen der Feuerwehr gekommen wäre.
Gleiches gilt für die Sperrung des Umschlagbahnhofs, die erst nach Eingreifen der
Feuerwehr aufgehoben werden konnte.
29 III. Die von der Beklagten angesetzten Kosten begegnen im Wesentlichen keinen
rechtlichen Bedenken (1.). Allerdings hat die Beklagte die Kosten für den
Verwaltungsaufwand im Zuge der Ersatzbeschaffung und Entsorgung des
kontaminierten Materials zu Unrecht mit einem Aufschlag von 10 Prozent der
diesbezüglichen Kosten bemessen und den konkreten zeitlichen Aufwand nicht
hinreichend genau und zeitnah dokumentiert (2.).
30 1. Mit ihren Einwendungen gegen den Umfang des Einsatzes vermag die Klägerin
nicht durchzudringen. Dieser war nicht unverhältnismäßig. Entstandene
Feuerwehrkosten sind nur insoweit mit Blick auf den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit außer Ansatz zu lassen, als der Einsatz auf Grundlage der
Informationen, die der Einsatzleitung in der konkreten Einsatzsituation zur
Verfügung standen, auch unter Berücksichtigung des Primats effektiver
Gefahrenabwehr offensichtlich überdimensioniert eingeleitet bzw. fortgeführt
worden ist (vgl. Surwald/Ernst, a. a. O., § 34 Rn. 57). Für eine solche grobe
Fehleinschätzung ist indes nichts ersichtlich. Die Beklagte hat vielmehr
überzeugend dargelegt, warum mehrere Feuerwehrleute unter Vollschutz arbeiten
mussten und warum (deshalb) eine größere Anzahl von Gegenständen,
insbesondere auch mehrere Schutzanzüge, kontaminiert wurden und ersetzt
werden mussten.
31 Wegen der erheblichen Gesundheitsgefahren, die von Epichlorhydrin ausgehen,
ist es nicht zu beanstanden, dass die Feuerwehrleute nur unter Atemschutz und in
Schutzanzügen eingesetzt worden sind. Dabei spielt die Menge des
ausgetretenen Stoffes für die Notwendigkeit dieser Schutzvorkehrungen keine
Rolle. Ferner hat die Beklagte überzeugend dargelegt, dass sich unter Atemschutz
arbeitende Feuerwehrleute jede halbe Stunde abwechseln müssen und dass der
einmal abgelegte Vollschutz zumindest beim selben Einsatz nicht wieder getragen
werden kann. Es leuchtet daher ein, wie es zur Kontamination einer Vielzahl von
Schutzanzügen und anderen Teilen der persönlichen Schutzausrüstung
gekommen ist. Schließlich hat die Beklagte im Nachgang eingehende
Nachforschungen zu der Frage angestellt, ob die Materialien gereinigt werden
können. Aufgrund der gleichlautenden und nachvollziehbar begründeten
Auskünfte der Firma D. Safety – einer Fachfirma für Sicherheitsausstattung – und
der Firma D. – einem großen Chemieunternehmen – durfte die Beklagte von einem
Reinigungsversuch absehen und eine Neubeschaffung veranlassen. Schließlich
hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass der Einsatz um 19:01 Uhr
begann und gegen 1 Uhr endete, weshalb der Ansatz der Einsatzzeit mit 6
Stunden die tatsächliche Einsatzzeit wiedergibt und keine (unzulässige)
Abrechnung nach angefangenen Stunden bedeutet.
32 2. Mit Recht wendet sich die Klägerin jedoch gegen den Ansatz des
Verwaltungsaufwandes für die Ersatzbeschaffung und Entsorgung der
kontaminierten Materialien. Zwar zählt dieser Aufwand gemäß § 34 Abs. 5 Satz 2
FwG a. F. dem Grunde nach zu den ansatzfähigen Kosten. Wenn die Beklagte mit
dem ursprünglichen Rechnungsposten 370 einen Verwaltungskostenzuschlag von
10 Prozent des Ersatzbeschaffungs- und Entsorgungsaufwandes
(Rechnungsposten 120 bis 360) geltend macht, verkennt sie jedoch, dass § 34
Abs. 5 Satz 2 FwG a. F. lediglich zum Zwecke der Klarstellung die
Verwaltungskosten einschließlich der dem konkreten Einsatz nicht zuzuordnenden
Gemeinkosten ausdrücklich zu den ansatzfähigen Kosten zählt. Aus § 34 Abs. 5
Satz 5 FwG folgt wie auch hinsichtlich aller anderen Kostenarten, dass
Pauschalierungen nur auf Grundlage einer Satzung zulässig sind (vgl. auch
Surwald/Ernst, a. a. O., § 34 Rn. 48 a. E.). Ist eine solche – wie vorliegend – nicht
erlassen worden, verbleibt es dabei, dass nur die tatsächlich angefallenen Kosten
der Feuerwehr geltend gemacht werden können. Dies mag auf Grundlage einer
betriebswirtschaftlichen Kalkulation geschehen, da es sich bei den hier in Rede
stehenden Kosten für Personal und Arbeitsmittel der Verwaltung – zumindest
regelmäßig – um Vorhaltekosten handelt, weil Verwaltungspersonal nicht erst in
Ansehung eines konkreten Feuerwehreinsatzes beschäftigt wird. Die Maßstäbe für
die Geltendmachung der Verwaltungskosten unterscheiden sich also nicht von
den vorliegend mit den Rechnungsposten 10 bis 110 geltend gemachten
Vorhaltekosten für Feuerwehrleute und Material. Ein vom tatsächlichen Aufwand
losgelöster prozentualer Zuschlag genügt diesen Anforderungen indes nicht, weil
er nicht nur in Ausnahmefällen zu Ergebnissen führen kann, die mit dem
tatsächlichen Verwaltungsaufwand nicht korrespondieren (vgl. VG Freiburg, Urt. v.
19.06.2012 - 3 K 1339/10 -, juris, Rn. 31). Es entspricht der Lebenserfahrung, dass
sich Beschaffungsaufwand und -kosten nicht notwendig proportional zu einander
verhalten. Der vorliegende Feuerwehreinsatz bestätigt dies eindrücklich.
33 Die Beklagte kann auch nicht den mit Schriftsatz vom 29.09.2015 geltend
gemachten Aufwand i. H. v. 807,66 EUR ersetzt verlangen. Während bezüglich
des Verwaltungsaufwands, der unter den Bedingungen eines Einsatzes anfällt,
wegen des Vorrangs effektiver Gefahrenabwehr sicherlich geringere
Anforderungen an die Genauigkeit und die zeitlicher Nähe einer Dokumentation zu
stellen sind, ist es der Feuerwehrbehörde durchaus zumutbar, den im Nachgang
eines Einsatzes anfallenden Verwaltungsaufwands zeitnah und genau zu
dokumentieren (vgl. zum Erfordernis einer substantiierten Dokumentation
allgemein VG Gießen, Urt. v. 31.05.2012 - 8 K 5860/10.GI -, juris, Rn. 22), etwa in
dem anfallende Arbeitszeiten in der jeweiligen Verwaltungsakte festgehalten
werden. Dies ist deshalb besonders naheliegend, weil es in dieser Phase ohnehin
darum geht, Kostenersatz für einen bestimmten Verwaltungsaufwand zu erlangen.
34 IV. Allerdings durfte die Beklagte keinen Bescheid erlassen, mit dem mehrere
potentielle Kostenersatzpflichtige als Gesamtschuldner zum Kostenersatz
heranzogen werden.
35 Eine gesamtschuldnerische Inanspruchnahme bedeutet im Vergleich zu einer am
jeweiligen Verursachungsbeitrag ausgerichteten und die individuellen Verhältnisse
berücksichtigenden anteiligen Inanspruchnahme eine weitergehende
Beeinträchtigung, weil das Insolvenz- und Prozessrisiko hinsichtlich eines
möglichen Regresses bei den anderen Gesamtschuldnern auf denjenigen
überwälzt wird, der tatsächlich auf den Bescheid leistet. Für einen solchen
(vertiefenden) Eingriff ist – jedenfalls jenseits der womöglich gewohnheitsrechtlich
anerkannten Gesamtschuld im Falle kollaborativer Gefahrverursachung (vgl.
hierzu Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, 8. Aufl. 2015, Rn. 258 m. w. N.) –
eine gesonderte Ermächtigungsgrundlage erforderlich (Würtenberger/Heckmann,
Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rn. 512). Es muss also durch
Gesetz ein Gesamtschuldverhältnis begründet sein oder zumindest die
Begründung durch Verwaltungsakt ermöglicht werden (vgl. auch BGH, Urt. v.
18.02.2010 - III ZR 295/09 -, juris, Rn. 32 m. w. N.). Dabei ist zu beachten, dass es
bei der Geltendmachung von Feuerwehrkosten nicht zu der – unter dem
Gesichtspunkt der Lastengerechtigkeit zu Recht problematisierten – Konstellation
kommen kann, dass ein auf der Primärebene unmittelbar zur Gefahrenabwehr in
Anspruch Genommener ohne Anerkennung eines Gesamtschuldverhältnisses
keinen Ersatz für seine Aufwendungen vom „eigentlichen“ Gefahrverursacher
verlangen kann und auch die Behörde keinen Ausgleich herbeizuführen vermag,
weil sie gerade keine Kosten geltend zu machen hat (vgl. hierzu Denninger, in:
Lisken/Denninger, a. a. O., Kap. D Rn. 134 m. w. N.; Schenke, Polizeirecht, 6. Aufl.
2009, Rn. 289). Wird eine Gefahr durch den Einsatz der Feuerwehr abgewendet,
findet eine Inanspruchnahme auf Primärebene hingegen nicht statt. Auf der
Sekundärebene kann die Behörde der Frage der gerechten Lastenverteilung mit
allen zur Verfügung stehenden Mitteln des Verwaltungsverfahrensrechts
nachgehen, ohne dass im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr eine rasche
Entscheidung getroffen werden müsste. Die Kosten dieser Ermittlungen zählen im
Übrigen zu den gemäß § 34 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 FwG a. F. ansatzfähigen
Verwaltungskosten (vgl. Surwald/Ernst, a. a. O., § 34 Rn. 51).
36 Eine diesen Anforderungen genügende Anordnung der gesamtschuldnerischen
Haftung für die Feuerwehrkosten haben andere Bundesländer teilweise
ausdrücklich (z. B. Art. 28 Abs. 3 Satz 2 BayFwG), teilweise mittelbar (z. B. § 29
nds. Brandschutzgesetz i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b nds.
Kommunalabgabengesetz i. V. m. § 44 AO – vgl. hierzu BGH, Urt. v. 10.07.2014 -
III ZR 441/13 -, juris, Rn. 18) getroffen. Auch bezogen auf andere öffentlichen
Leistungen im Bereich der Gefahrenabwehr finden sich entsprechende
Regelungen (z. B. § 19 Abs. 2 Satz 2 BPolG). Für die gesamtschuldnerische
Inanspruchnahme mehrerer dem Grunde nach gemäß § 34 FwG a. F. zum
Kostenersatz Verpflichteter fehlt es hingegen im baden-württembergischen
Landesrecht an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Insbesondere
verweist § 34 Abs. 6 Satz 2 FwG a. F. allein auf § 3 Abs. 1 Nr. 5 KAG, weshalb §
44 AO – anders als etwa in Niedersachsen – nicht zur Anwendung gelangen kann.
37 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 15.11.2007 (1 S 1471/07), in dem für den Fall von
gemäß § 31 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Bestattungsgesetz
gleichrangig zur Bestattung verpflichteter Geschwister ein Gesamtschuldverhältnis
bezüglich des bei unmittelbarer Ausführung gemäß § 31 Abs. 2 Bestattungsgesetz
begründeten Kostenersatzanspruchs auch ohne ausdrückliche gesetzliche
Anordnung angenommen worden ist. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat in
dieser Entscheidung zwar grundsätzliche Zweifel an der Haltung des
Bundesgerichtshofs geäußert, demzufolge ohne gesetzliche Anordnung keine
Gesamtschuld zwischen mehreren Störern bestehe, die Annahme eines
Regressanspruchs aus § 426 Abs. 1 BGB im spezifischen Fall jedoch auf den
Umstand gestützt, dass es sich bei den potentiell Kostenpflichtigen nicht – wie in
den vom Bundesgerichtshof bislang zu entscheidenden Fällen – um mehrere
(Zustands-)Störer handelt, deren Verursachungsbeiträge im Einzelfall nach dem
Grundsatz gerechter Lastenverteilung durch die Behörde zu bemessen seien,
sondern durch § 31 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Bestattungsgesetz
eine gleichrangige Haftung von Verwandten desselben Grades (hier: von
Geschwistern) bereits durch das Gesetz angeordnet sei (VGH Bad.-Württ., Urt. v.
15.11.2007 - 1 S 1471/07 -, juris, Rn. 24). Ein solcher Ausnahmefall, in dem sich
unmittelbar aus dem Gesetz eine Bewertung der Verhältnisse mehrerer
Kostenpflichtiger ergibt, liegt hier nicht vor. Vielmehr handelt es sich bei der
Auswahl der Kostenpflichtigen nach § 34 Abs. 3 FwG a. F. um die „übliche“
Situation, in der das Gebot gerechter Lastenverteilung im Grundsatz eine konkrete
Ermittlung der individuellen Verursachungsbeiträge erforderlich macht.
38 V. Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine gesamtschuldnerische
Inanspruchnahme mehrerer Kostenersatzpflichtiger nach § 34 Abs. 3 FwG a. F.
möglich ist, erweist sich der angefochtene Bescheid als ermessensfehlerhaft.
39 Gemäß § 114 Satz 1 VwGO überprüft das Verwaltungsgericht eine behördliche
Entscheidung auch daraufhin, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder
Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen
des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck
der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Der
angefochtene Bescheid ist wegen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig.
40 Sind mehrere Kostenpflichtige vorhanden, steht es im pflichtgemäßen Ermessen
der Behörde, wen sie in welcher Höhe zum Kostenersatz heranzieht
(Surwald/Ernst, FwG, 8. Aufl. 2011, § 34 Rn. 42 m. w. N.). Eine solche Mehrheit
von Kostenersatzpflichtigen besteht in diesem Fall: Wie die Kammer in einem Urteil
vom heutigen Tage (7 K 822/14) dargelegt hat, ist neben der Klägerin auch die DU.
– als Inhaberin der tatsächlichen Gewalt über den Tankcontainer gemäß § 34 Abs.
3 Nr. 2 Alt. 2 FwG a. F. – dem Grunde nach Ersatz der Feuerwehrkosten
verpflichtet. Darüber hinaus zählt auch der Eigentümer des Tankcontainers gemäß
§ 34 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 1 FwG a. F. zum Kreis der dem Grunde nach
Kostenersatzpflichtigen.
41 Die Ausübung des Ermessens ist – vorbehaltlich anderweitiger Regelungen –
streng an das Gebot gerechter Lastenverteilung gebunden. Aus Art. 3 Abs. 1 GG
folgt das Verbot, die Heranziehung zur Kostentragung (allein) am
Verwaltungsaufwand zu orientieren oder gar mit einer gewissen Beliebigkeit zu
verfahren. Vielmehr ist die Behörde gehalten, die Entscheidung an den jeweiligen
Verursachungsbeiträgen oder anderen vergleichbaren Sachgründen auszurichten
(VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.01.2012 - 10 S 1476/11 -, juris, Rn. 25 ff.).
42 Gemessen an diesen Vorgaben könnte die Heranziehung der Klägerin schon
deshalb als ermessensfehlerhaft anzusehen sein, weil die Beklagte mit der
Spedition B. einen nicht zum Kostenersatz Verpflichteten in den Kreis der
Gesamtschuldner aufgenommen hat (1.); jedenfalls leidet der Bescheid an einem
Ermessensfehler, weil die Beklagte von der Ermittlung und Inanspruchnahme des
Eigentümers des Tankcontainers ohne hinreichende Gründe Abstand genommen
hat (2.).
43 1. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat ausgeführt, dass ein
Verstoß gegen den Grundsatz der gerechten Lastenverteilung vorliegt, wenn von
der Behörde angenommene Regressmöglichkeiten realiter nicht bestehen (VGH
Bad.-Württ., a. a. O., Rn. 29).
44 Bei Inanspruchnahme mehrerer als Gesamtschuldner könnte dies dazu führen,
dass dieses Vorgehen insgesamt ermessensfehlerhaft und rechtswidrig ist, wenn
der Kreis der der zu Recht als Gesamtschuldner in Anspruch Genommenen
kleiner ist als die Beklagte ihren Erwägungen zu Grunde gelegt hat. Ein solcher
Fall ist hier gegeben: Wie die Kammer mit Urteil vom heutigen Tage (7 K 821/14)
entschieden hat, ist die Spedition B. unter keinem der in § 34 Abs. 3 FwG a. F.
abschließend aufgezählten Anknüpfungspunkte kostenersatzpflichtig, weshalb der
ihr gegenüber ergangene Bescheid aufzuheben war. Insbesondere hat sie bei
Eintritt des öffentlichen Notstandes nicht mehr die tatsächlichen Gewalt über den
Tankcontainer innegehabt.
45 Allerdings spricht aus Sicht der Kammer Überwiegendes dafür, dass der „Ausfall“
eines von mehreren Gesamtschuldnern nicht zwangsläufig einen Ermessensfehler
zum Nachteil der übrigen Gesamtschuldner begründet. Denn anders als im vom
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu entscheidenden Fall, in dem
jeglicher Regress gegenüber den anderen Kostenpflichtigen wegen der
entgegenstehenden zivilgerichtlichen Rechtsprechung ausgeschlossen war und
daher der Kläger eine ungerechte Belastung hätte tragen müssen, steht in einer
Fallkonstellation wie der vorliegenden nicht von vornherein fest, dass es – im
Ergebnis – zu einer ungerechten Lastenverteilung kommt. Eine rechtserhebliche
Beeinträchtigung der anderen Gesamtschuldner ist mit einer gerichtlichen
Aufhebung der Verpflichtung eines Gesamtschuldners nämlich nur dann
verbunden, wenn gegenüber diesem „ausgefallenen“ Gesamtschuldner bei
Bestandskraft des Bescheides ein Regressanspruch tatsächlich bestanden hätte
(d. h. dieser nicht ohnehin entsprechend § 426 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BGB von
jeder Haftung freizustellen war) und der Umfang der Mehrbelastung der
verbliebenen Gesamtschuldner im Verhältnis zu dem von der Behörde
angenommenen Endzustand nach Durchführung des Gesamtschuldnerausgleichs
die Verhältnismäßigkeit ihrer Inanspruchnahme in Frage zu stellen geeignet ist.
Tritt eine solche Mehrbelastung nicht ein oder erweist sie sich als vergleichsweise
geringfügig, dürfte sich der Mangel der Entscheidungsgrundlage auf das nach
Ausscheiden des einen Gesamtschuldners aus dem Haftungsverbund
verbleibende Ergebnis nicht auswirken und daher ein Ermessensfehler nicht
vorliegen (vgl. zur Unbeachtlichkeit ergebnisirrelevanter Ermessensfehler
Kopp/Schenk, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 114 Rn. 28b m. w. N.). Denn es spricht
alles dafür, dass die Behörde in Kenntnis der Rechtslage bezüglich des zu
Unrecht in Anspruch Genommenen die anderen Kostenersatzpflichtigen als
Gesamtschuldner in unveränderter Höhe herangezogen hätte.
46 2. Diese Frage kann jedoch offen bleiben, weil sich der Bescheid bereits aus
anderen Gründen als ermessensfehlerhaft erweist. Die Beklagte hat nämlich ohne
hinreichende Begründung davon Abstand genommen, den Eigentümer des
Tankcontainers zu ermitteln und (gegebenenfalls) zum Kostenersatz
heranzuziehen. Weitergehende Ermittlungen lagen hier deshalb nahe, weil der
konkrete Zustand des Tankcontainers – die Undichtigkeit des Ventils – den
Gefahrstoffaustritt erst ermöglicht hat und die DU. bereits im
Widerspruchsverfahren der Beklagten mitgeteilt hat, dass sich der Eigentümer des
Tankcontainers – wenn auch mit Aufwand – recherchieren ließe (VAS 251). Die
Kammer verkennt – auch unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlung, in der
zur Frage der Eigentümerstellung von Seiten der Klägerin und der DU.
unterschiedliche Angaben gemacht wurden – nicht, dass die Möglichkeiten der
Aufklärung wegen der besonderen Verhältnisse des internationalen
Speditionsgeschäfts beschränkt sind. Es wäre der Beklagten aber zumindest
zumutbar gewesen, auf das Angebot der DU., den Eigentümer des Tankcontainers
(mit Hilfe des BIC) zu recherchieren, einzugehen und sich an den so Benannten
(sowie die von der Klägerin benannte B.) mit der Bitte zu wenden, sich zur Frage
des Eigentums am Tankcontainer und einer (Mit-)Haftung für die Feuerwehrkosten
zu erklären. Anschließend hätte die Beklagte – auch unter Berücksichtigung der
Erfolgsaussichten einer sich abzeichnenden Vollstreckung – entscheiden können,
ob und, wenn ja, in welchem Umfang ein so ermittelter Eigentümer in Anspruch
genommen wird.
47 Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass die S. Cargo – anders als
die Klägerin meint – nicht zum Kreis der potentiell zum Kostenersatz Verpflichteten
zählt. Denn ihr Wagenmeister hat die Übernahme des Waggons, auf dem der
undichte Tankcontainer stand, gerade abgelehnt. Damit hat sie keine tatsächliche
Gewalt i. S. v. § 34 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 2 FwG a. F. über diesen erlangt.
48 VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer sieht
gemäß § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, die Entscheidung hinsichtlich der Kosten für
vorläufig vollstreckbar zu erklären.
49 Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO, aus denen die Berufung vom
Verwaltungsgericht zuzulassen wäre, sind nicht gegeben.