Urteil des VG Freiburg vom 12.04.2016

jugendhilfe, erfüllung, gemeinde, eltern

VG Freiburg Beschluß vom 12.4.2016, 4 K 338/16
Leitsätze
Für die Erfüllung eines Rechtsanspruchs aus § 24 SGB VIII auf Zuweisung eines
Platzes in einer Kindertageseinrichtung sind in Baden-Württemberg die örtlichen
Träger öffentlicher Jugendhilfe und nicht die Gemeinden zuständig.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Gründe
1 Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz durch Erlass einer
einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Nach dieser Vorschrift
kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines
vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn
diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung
drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend
gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und der Grund, weshalb es des
Erlasses einer einstweiligen Anordnung bedarf, (Anordnungsgrund) sind dabei
glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ob eine
Regelungsanordnung nötig erscheint, beurteilt sich nach den Erfolgsaussichten in
der Hauptsache. Danach kommt eine Regelungsanordnung nur in Betracht, wenn
ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit zu erwarten wäre und auch ein Zuwarten auf die
Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar wäre.
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1.
Soweit der Antragsteller wörtlich beantragt hat, die Antragsgegnerin im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, seiner Betreuung im Kindergarten der
Beigeladenen „...“ (genauer: „…“) ab dem 01.05.2016 ihre Zustimmung zu erteilen,
ist dieser Antrag bereits unzulässig, weil dem Antragsteller, worauf die
Antragsgegnerin zu Recht hingewiesen hat, ohne dass der Antragsteller darauf
erwidert hätte, für ein solches Begehren (im Wortsinne) die Antragsbefugnis fehlt.
Die Frage der Zustimmung der Antragsgegnerin zur Aufnahme eines Kindes in
einen Kindergarten (in der Trägerschaft) der Beigeladenen hat ihre Grundlage
allein in einer (Finanzierungs-)Vereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und
der Beigeladenen (genau: „Vertrag über die kommunale Finanzierung von
Kindertageseinrichtungen in …“) sowie in der offenbar nicht schriftlich fixierten,
zwischen den Vertragsparteien einvernehmlich geübten Praxis einer erforderlichen
Zustimmung der Antragsgegnerin zur Bezuschussung der durch Kinder mit
auswärtigem Wohnsitz erzeugten Betriebskosten. Sie betrifft damit allein das
Innenverhältnis zwischen den Partnern dieser Vereinbarung. Diese
Vereinbarungen bzw. Abreden dienen allein der Finanzierung der von der
Beigeladenen (auch im Interesse der Antragsgegnerin) unterhaltenen
Einrichtung(en); sie enthalten ersichtlich keine Regelung, die die Beigeladene darin
hinderte, auswärtige Kinder ohne Zustimmung der Antragsgegnerin in ihren
Einrichtungen aufzunehmen; in diesem Fall müsste die Beigeladene lediglich die
Kosten der Betreuung umfassend tragen. Der genannten Vereinbarung zwischen
der Antragsgegnerin und der Beigeladenen sowie den in Ausführung dieser
Vereinbarung erfolgten Abreden ist nicht zu entnehmen, dass die Vertragspartner
durch sie in irgendeiner Weise Rechte Dritter (im Sinne eines Vertrags zugunsten
Dritter), vor allem auch von Kindern oder Eltern, begründen wollten. Insoweit
kommt einer Zustimmung der Antragsgegnerin zur Aufnahme eines Kindes in
einen Kindergarten der Beigeladenen keine unmittelbare Rechtswirkung für den
Antragsteller zu, sie hat lediglich (faktischen) Einfluss auf die Willensbildung der
Beigeladenen. Selbst wenn die Beigeladene ihre Entscheidung über die Aufnahme
des Antragstellers ausschließlich von der Zustimmung, das heißt von einer
Finanzierungszusage, der Antragsgegnerin abhängig machte, was zwischen den
Beteiligten streitig ist, müsste der Antragsteller sein Aufnahmebegehren allein
gegenüber der Beigeladenen verfolgen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch
nicht aus dem Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom
21.06.2013 - 1 B 336/13 - (juris). Denn nach dem jenem Fall zugrunde liegenden
Sachverhalt war der Antragsgegner - anders als im vorliegenden Fall - offenbar
berechtigt, dem Träger der Kindertageseinrichtung die Aufnahme eines
ortsfremden Kindes zu untersagen, und der Antragsgegner jenes Verfahrens war
außerdem nach dem dort maßgeblichen Landesrecht aufgrund seiner Eigenschaft
als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet, den Anspruch auf
Besuch eines Kindergartens zu erfüllen.
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2.
Danach könnte der Antrag des Antragstellers nur dann Erfolg haben, wenn er
gegenüber der Antragsgegnerin aus einem anderen Rechtsgrund als nach der
zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen getroffenen Vereinbarung
einen Anspruch auf Verschaffung oder Zuweisung eines Platzes in der
Kindertageseinrichtung „...“ der Beigeladenen hätte. Aber hierfür hat der
Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, weil der
Antragsgegnerin für einen solchen Anspruch die Passivlegitimation fehlt.
4 Der Anspruch des Antragstellers auf frühkindliche Förderung in einer (Kinder-
)Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege beruht auf § 24 Abs. 2 SGB VIII.
Dieser Rechtsanspruch richtet sich gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII gegen den
Träger der öffentlichen Jugendhilfe (siehe u. a. Bayer. VGH, Beschluss vom
17.11.2015 - 12 ZB 15.1191 -, juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.11.2014 - 7 K
3274/14 -, juris; Struck, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 24 RdNr. 18). Wer
Träger öffentlicher Jugendhilfe ist, richtet sich gemäß § 69 Abs. 1 SGB VIII nach
Landesrecht.
5 In Baden-Württemberg hat der Landesgesetzgeber durch das Kinder- und
Jugendhilfegesetz für Baden-Württemberg (in der Fassung vom 17.12.2015, GBl.,
1234) - LKJHG - den Träger öffentlicher Jugendhilfe bestimmt. Nach § 1 Abs. 1
LKJHG sind die Land- und Stadtkreise örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe.
Nach den §§ 1 Abs. 1 und 5 Abs. 1 LKJHG können auch Gemeinden vom
Sozialministerium mit Zustimmung des Landkreises zum örtlichen Träger der
Jugendhilfe bestimmt werden und nach § 6 LKJHG können Landkreise durch
öffentlich-rechtlichen Vertrag mit kreisangehörigen Gemeinden, die nicht örtliche
Träger der Jugendhilfe sind, vereinbaren, dass diese einzelne Aufgaben der
Jugendhilfe eigenständig durchführen. Die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall
ist eine kreisangehörige Gemeinde, die nach dem insoweit unstreitigen Vortrag der
Beteiligten vom Sozialministerium nicht zum örtlichen Träger der Jugendhilfe
bestimmt wurde. Auch für den Abschluss eines Vertrags mit dem Landkreis über
die Berechtigung zur Durchführung einzelner Aufgaben der Jugendhilfe gibt es
keine Anhaltspunkte. Damit ergibt sich aus dem Kinder- und Jugendhilfegesetz für
Baden-Württemberg keine Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Erfüllung des
vom Antragsteller geltend gemachten Rechtsanspruchs.
6 Etwas Anderes gilt auch nicht für den Bereich der Förderung von Kindern in
Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege. Insbesondere das (Landes-)Gesetz
über die Betreuung und Förderung von Kindern in Kindergärten, anderen
Tageseinrichtungen und der Kindertagespflege (in der Fassung vom 01.12.2015,
GBl., 1040) - KiTaG - enthält keine Regelungen zu der Frage, gegen wen sich der
Rechtsanspruch auf Zuweisung eines Platzes in einer Tageseinrichtung richtet.
Diese Frage beantwortet sich allein nach den zuvor genannten Vorschriften des
Kinder- und Jugendhilfegesetzes für Baden-Württemberg. Soweit in § 3 KiTaG
Verpflichtungen für Gemeinden begründet sind, betreffen diese nur die
Bedarfsplanung und die (objektiv-rechtlichen) Verantwortlichkeiten der Gemeinden
im (Innen-)Verhältnis zu den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe (und
ggf. auch den freien Trägern der Jugendhilfe). Danach ist die Antragsgegnerin im
vorliegenden Verfahren für den Anspruch des Antragstellers nicht passivlegitimiert.
7 Dafür spricht bereits der Wortlaut der Regelungen in § 3 KiTaG, wo von einem
„Heranziehen“ der Gemeinden bei der Durchführung von Aufgaben der Förderung
von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (§ 3 Abs. 1 Satz 1
KiTaG) sowie auf ein „Hinwirken“ der Gemeinden bei der Zurverfügungstellung von
Plätzen in einer Tageseinrichtung und in Kindertagespflege die Rede ist (§ 3 Abs.
1 Satz 2 und 3 und Abs. 2 Satz 1 und 2 KiTaG). Schon diese aus früheren
Gesetzesfassungen übernommenen Begriffe sprechen gegen eine Verpflichtung
der Gemeinden zur Erfüllung subjektiv-rechtlicher Ansprüche. Insoweit hat sich die
Rechtslage seit dem 16.12.2008 nicht geändert. Damals (bis zum 15.12.2008) war
noch in § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII bundesrechtlich bestimmt, dass die Kreise und
kreisfreien Städte örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe waren, und schon
damals sahen § 69 Abs. 5 und 6 SGB VIII vor, dass Landesrecht bestimmen
konnte, dass kreisangehörige Gemeinden, die nicht örtliche Träger sind, zur
Durchführung von Aufgaben der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen
und in Kindertagespflege herangezogen werden sowie für den örtlichen Bereich in
Abstimmung mit dem örtlichen Träger Aufgaben der Jugendhilfe wahrnehmen
konnten. Nach allgemeiner Auffassung änderten weder diese bundesrechtlichen
Bestimmungen in § 69 Abs. 5 und 6 SGB VIII noch die landesrechtliche Regelung
in § 3 des Kindertagesbetreuungsgesetzes in der bis zum 17.02.2006 geltenden
Fassung - danach hatten die Gemeinden unbeschadet der Verpflichtung des
örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe darauf hinzuwirken, dass für alle
Kinder vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt ein
Kindergartenplatz oder ein Platz in einer Tageseinrichtung mit altersgemischten
Gruppen zur Verfügung stand - etwas daran, dass im Außenverhältnis allein der
Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Gesamtverantwortung behielt und für die
Erfüllung des Rechtsanspruchs aus § 24 SGB VIII zuständig war (siehe hierzu
Münder, in: Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 5. Aufl. 2006, § 24 RdNrn. 10 f.
und § 69 RdNrn. 27 und 33; Struck, in: Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 24
RdNrn. 30 f. sowie § 69 RdNrn. 48 f.; Vondung, in: LPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2006, §
24 RdNr. 14 sowie § 69 RdNrn. 10a f. und 11 ff.; jew. m.w.N. auch zur insoweit
einheitlichen verw.-ger. Rspr. in verschiedenen Bundesländern; ebenso auch
Fridrich/Lieber, VBlBW 2008, 81 <82>, die die gesetzlich geregelte alleinige
Zuständigkeit der Land- und Stadtkreise jedoch wegen der größeren Orts- und
Sachnähe der Kommunen [gemeint ist wohl der Gemeinden] für unbefriedigend
und praxisfremd halten).
8 An dieser Konzeption hat die zum 16.12.2008 in Kraft getretene Änderung von §
69 SGB VIII, nach der (nicht mehr durch Bundesrecht, sondern) durch Landesrecht
zu bestimmen ist, wer Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist, nichts geändert und
auch der Landesgesetzgeber hat in Baden-Württemberg an der bisherigen (vor
dem 18.02.2006 geltenden) Regelungskonzeption festgehalten.
9 So wurden durch (Landes-)Gesetz vom 14.02.2006 (GBl., 30) in § 3 Abs. 1 KiTaG
im Wesentlichen die Sätze 1 und 3 eingefügt, wonach die Gemeinden zur
Durchführung von Aufgaben der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen
und in Kindertagespflege nach § 69 Abs. 5 SGB VIII herangezogen wurden und
sie darauf hinzuwirken hatten, dass für die Kinder vom vollendeten dritten
Lebensjahr bis zum Schuleintritt ein bedarfsgerechtes Angebot an
Ganztagsplätzen oder ergänzend Förderung in Kindertagespflege zur Verfügung
stand. Außerdem wurde Absatz 2 eingefügt, wonach die Gemeinden gemäß § 69
Abs. 5 SGB VIII auf ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen in
Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege für Kinder unter drei Jahren nach
§ 24 Abs. 3 SGB VIII hinzuwirken hatten.
10 Durch das (nach der Änderung von § 69 SGB VIII und der damit erstmals
zulässigen Bestimmung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe durch die Länder)
erlassene (Landes-)Gesetz zur Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes
und des Finanzausgleichsgesetzes vom 03.03.2009 (GBl., 83) - KiTa- und FA-
ÄndG - wurde § 3 KiTaG im Wesentlichen insoweit geändert, als ihm Absatz 2a
hinzugefügt wurde, in dem bestimmt ist, dass die erziehungsberechtigten
Personen die Gemeinde und bei einer gewünschten Betreuung durch eine
Tagespflegeperson den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe mindestens
sechs Monate vor der beabsichtigten Inanspruchnahme einer Leistung nach § 3
Abs. 2 KiTaG in Kenntnis zu setzen haben und dass die Gemeinde und der
örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe dabei im Rahmen ihrer Planung zu
berücksichtigen haben, dass auch ein Bedarf gedeckt werden kann, der aus
einem vom Personensorgeberechtigten nicht zu vertretenden Grund kurzfristig
entsteht. Außerdem wurde Absatz 3 neu gefasst, wonach die Gemeinden die nach
§ 75 SGB VIII anerkannten Träger der freien Jugendhilfe und die privat-
gewerblichen Träger, die die rechtlichen und fachlichen Voraussetzungen für den
Betrieb der Einrichtung erfüllen, rechtzeitig an ihrer Bedarfsplanung beteiligen und
diese dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe anzuzeigen ist. Schließlich
enthielt das Gesetz vom 03.03.2009 bereits eine Änderung von § 3 Abs. 2 KiTaG,
die allerdings (nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 KiTa- und FA-ÄndG) erst am 01.08.2013 in
Kraft trat. Danach erhielt § 3 Abs. 2 KiTaG folgende (die am 01.08.2013 in Kraft
tretende Änderung des § 24 Abs. 2 SGB VIII im Sinne eines Rechtsanspruchs auf
einen KiTa-Platz für unter Dreijährige antizipierende) Fassung: „Die Gemeinden
haben unbeschadet der Verpflichtung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe auf
ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen in Tageseinrichtungen und in der
Kindertagespflege für Kinder, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
nach § 24 Abs. 1 SGB VIII hinzuwirken. Sie haben ferner darauf hinzuwirken, dass
für Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahres bis zur Vollendung des dritten
Lebensjahres für deren frühkindliche Förderung ein Platz in einer Tageseinrichtung
oder in der Kindertagespflege nach § 24 Abs. 2 SGB VIII zur Verfügung steht.“
11 All diesen Änderungen des Kindertagesbetreuungsgesetzes ist jedoch
gemeinsam, dass sich im Außenverhältnis zwischen dem Inhaber eines
Rechtsanspruchs aus § 24 SGB VIII (für Kinder unter oder über drei Jahre) und
dem Anspruchsverpflichteten nichts geändert hat. Dieser Anspruch ist nach wie
vor allein gegenüber dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe geltend zu
machen. In Baden-Württemberg ist für die Bestimmung des
Anspruchsverpflichteten weiterhin allein das Kinder- und Jugendhilfegesetz für
Baden-Württemberg maßgeblich. Danach sind grundsätzlich allein die Land- und
Stadtkreise und nicht die Gemeinden zur Erfüllung von Ansprüchen aus dem
Achten Buch Sozialgesetzbuch zuständig. Von den dort, in den §§ 5 und 6
LKJHG, vorgesehenen abweichenden Möglichkeiten ist im Fall der
Antragsgegnerin ersichtlich kein Gebrauch gemacht worden (siehe oben). Die
zahlreichen Novellierungen des Kindertagesbetreuungsgesetzes haben im
Hinblick auf eine Einbeziehung der Gemeinden daran festgehalten, dass diese nur
zur Aufgabenerfüllung heranzuziehen sind bzw. dass sie auf die Erreichung
bestimmter Ziele hinzuwirken haben. Diese Begriffe der „Heranziehung“ und der
„Hinwirkung“ prägten bereits die Rechtslage vor 2006 (vgl. u. a. §§ 24 Abs. 1 und
69 Abs. 5 SGB VIII i.d.F. vom 08.09.2005 [BGBl. I, 2729] sowie § 3 Abs. 1 KiTaG
i.d.F. vom 09.04.2003 [GBl., 164]), als es gerade wegen der damals noch
geltenden bundesrechtlichen Bestimmung der Zuständigkeiten für die
Aufgabenerfüllung nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch und der insoweit
noch fehlenden Gesetzgebungskompetenz der Länder noch keinen Zweifel an der
fehlenden Zuständigkeit von Gemeinden im Außenverhältnis gab (siehe oben).
Wenn der Landesgesetzgeber eine Abkehr von dieser Konzeption gewollt hätte,
hätte dies in der betreffenden Neufassung des Kindertagesbetreuungsgesetzes
deutlich Ausdruck finden müssen, was der Gesetzgeber trotz zahlreicher
rechtspolitischer Forderungen von verschiedenen Seiten gerade nicht getan hat.
12 Gegen dieses Ergebnis spricht - entgegen der Auffassung des Antragstellers -
auch nicht der in § 3 KiTaG (Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 1) mehrfach
verwendete Passus, wonach die Heranziehungs- und Hinwirkungsverpflichtung
der Gemeinden unbeschadet der Verpflichtung des örtlichen Trägers der
öffentlichen Jugendhilfe gilt. Einen solchen Passus gab es ebenfalls schon in den
früheren Fassungen dieser Vorschrift (siehe u. a. § 3 Abs. 1 KiTaG i.d.F. vom
09.04.2003 [a.a.O.]). Hiermit wird seit jeher gerade auf die vorrangige, im
Außenverhältnis allein gegebene Zuständigkeit des Trägers der Jugendhilfe und
nicht auf eine daneben begründete weitere Zuständigkeit der Gemeinden
hingewiesen, ein Verständnis, das, anders als der Antragsteller meint, durchaus
auch mit dem Wortlaut dieses Passus‘ zu vereinbaren ist.
13 Das im vorstehenden Absatz Ausgeführte gilt im Ergebnis auch im Hinblick auf das
Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten nach § 5 SGB VIII. Dieses
Recht besteht uneingeschränkt gegenüber dem gesetzlichen Anspruchsgegner,
hier gegenüber dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, und wird durch
die fehlende Zuständigkeit der Gemeinden für die rechtsverbindliche Zuweisung
von Kindern in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege nicht geschmälert.
Auch insoweit hat sich die aktuelle Rechtslage gegenüber der früheren nicht
geändert. Das wird auch deutlich durch einen Blick in § 69 Abs. 5 SGB VIII in der
vor dem 16.12.2008 geltenden Fassung, als noch durch Bundesrecht bestimmt
war, dass nur die Kreise Träger der Jugendhilfe waren; bereits dort war in Satz 2
ausdrücklich bestimmt, dass das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern nach § 5 SGB
VIII unberührt blieb.
14 Für die weitere alleinige Zuständigkeit der Land- und Stadtkreise als Träger der
Jugendhilfe im Außenverhältnis zum leistungsberechtigten sprechen auch weitere
systematische Gründe. So sind im Fall zulässiger Selbstbeschaffung nach § 36a
Abs. 3 SGB VIII, die auch im Bereich der Förderung von Kindern in
Tageseinrichtungen und Kindertagespflege nach den §§ 22 ff. SGB VIII rechtlich
möglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.09.2013, NJW 2014, 1256; VG Stuttgart,
Urteil vom 28.11.2014, a.a.O.), nach ausdrücklicher bundesrechtlicher Regelung
(in § 36a Abs. 3 SGB VIII) nur der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, nicht aber
die Gemeinden, zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen verpflichtet; das
wäre, wenn die Zuweisung von Plätzen in diesen Einrichtungen den Gemeinden
obläge, ein unverständliches, systemfremdes Ergebnis.
15 Gegen die Auslegung des § 3 KiTaG (in seiner aktuellen Fassung) in dem Sinn,
dass dadurch keine direkten Leistungsverpflichtungen der Gemeinden gegenüber
den Inhabern eines Rechtsanspruchs nach § 24 SGB VIII begründet werden,
sprechen - entgegen der Meinung des Antragstellers - auch die
Gesetzgebungsmaterialien nicht. Soweit dort u. a. in der Begründung des
Gesetzentwurfs vom 25.11.2005 (LT-Drs. 13/4869, 11) die Rede ist von einer
Klarstellung der Zuständigkeiten der Gemeinden für die in § 24 Abs. 1 bis 3 SGB
VIII geregelten Aufgaben, sind damit ersichtlich die Aufgaben der Gemeinden in
der Bedarfsplanung gemeint. Das wird weiter klargestellt in der Begründung des
Gesetzentwurfs zur Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes und des
Finanzausgleichsgesetzes vom 25.11.2008, in der ausdrücklich ausgeführt ist, die
Träger der öffentlichen Jugendhilfe - und auch die Gemeinden im Rahmen ihrer
Bedarfsplanung - müssten die Auswahlentscheidungen der Eltern grundsätzlich
akzeptieren, und weiter, die Änderung von § 3 Abs. 2 KiTaG betreffe die objektiv-
rechtliche Verpflichtung der Kommunen für den Rechtsanspruch nach § 24 Abs. 2
SGB VIII auf frühkindliche Förderung (LT-Drs. 14/3659, 16). Sowohl der
erläuternde Hinweis auf die Bedarfsplanung der Gemeinden als auch die
ausdrückliche Betonung des objektiv-rechtlichen Charakters der Verpflichtung der
Gemeinden belegen, dass die Gemeinden nicht Verpflichtete eines subjektiv-
rechtlichen Anspruchs aus § 24 SGB VIII sein sollen, sondern dass ihre
Verpflichtung im Innenverhältnis gegenüber den örtlichen Trägern der öffentlichen
Jugendhilfe besteht, bei denen die Gesamtverantwortung und Verpflichtung zur
Gewährleistung der Rechtsansprüche aus § 24 SGB VIII verbleiben (im Erg.
ebenso Dürr, Kindergartenrecht Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2011, § 3, S. 58 bis
60; so auch, gerade unter besonderer Berücksichtigung des aktuellen baden-
württembergischen Landesrechts, Vondung, in: LPK-SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 69
RdNr. 22, m.w.N.).
16 Dem widerspricht auch nicht die Regelung in § 3 Abs. 2a KiTaG, wonach die
Erziehungsberechtigten die Gemeinde mindestens sechs Monate vor der
Inanspruchnahme über einen Betreuungswunsch in einer Kindertageseinrichtung
in Kenntnis zu setzen haben. Diese Regelung soll die Gemeinden gerade bei ihrer
Bedarfsplanung unterstützen und ihnen eine rechtzeitige Reaktion zur Erfüllung
ihrer gegenüber dem Jugendhilfeträger bestehenden Verpflichtung zur
Bereitstellung von Betreuungsplätzen ermöglichen. Dass diese Anmeldung bei
einer gewünschten Betreuung in der Tagespflege nicht gegenüber der Gemeinde,
sondern gegenüber dem Träger der Jugendhilfe zu erfolgen hat, hat seinen Grund
darin, dass für den Bereich der Kindestagespflege nach § 8b KiTaG die Träger der
Jugendhilfe noch weitgehender zuständig sind als bei der Förderung in
Tageseinrichtungen und dass die Gemeinden insoweit auch im Hinblick auf die
Bedarfsplanung keine Zuständigkeiten besitzen.
17 Angesichts der hiernach fehlenden Passivlegitimation der Antragsgegnerin für den
vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch können die weiteren zwischen den
Beteiligten ausgiebig erörterten Streitfragen hier dahingestellt bleiben.
18 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und 3 sowie 162 Abs. 3
VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben (§ 188
Satz 2 VwGO).