Urteil des VG Freiburg vom 29.01.2015

aufenthaltserlaubnis, vorläufiger rechtsschutz, abschiebung, aussetzung

VG Freiburg Beschluß vom 29.1.2015, 4 K 2645/14
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne vorheriges Verfahren auf Erteilung
eines Visums
Leitsätze
Hier: Vorläufiger Rechtsschutz zur Sicherung eines möglichen Anspruchs auf
fehlerfreie Ausübung des Ermessens für Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 123
VwGO.
Wenn die unteren Ausländerbehörden zur Entgegennahme von Anträgen ermächtigt
sind, muss die für die Entscheidung über solche Anträge zuständige höhere
Ausländerbehörde die Antragstellung bei der unteren Ausländerbehörde auch gegen
sich gelten lassen.
Ist ein Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig und ist ihm die Abschiebung angedroht
worden und die ihm gesetzte Ausreisefrist abgelaufen, hat er grundsätzlich einen
Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung, die Abschiebung vorläufig
auszusetzen.
Hier: Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs bei unterbliebener bzw.
fehlerhafter Ausübung des nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG erforderlichen Ermessens
über das Absehen von der Nachholung des Visumverfahrens.
Tenor
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, die
Abschiebung der Antragstellerin vorläufig, längstens bis zu einer unanfechtbaren
Entscheidung der Ausländerbehörden über den Antrag der Antragstellerin vom
03.09.2014 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, auszusetzen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
1
1.
Der von der Antragstellerin gestellte Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist
statthaft. Denn der bei der unteren Ausländerbehörde am 03.09.2014 gestellte
Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat keine der in
§ 81 Abs. 3 und 4 AufenthG an sich geregelten Rechtsfolgen (in Form einer so
gen. Erlaubnis- oder Fortgeltungsfiktion) ausgelöst. Die Antragstellerin war im
Zeitpunkt dieser Antragstellung nur im Besitz eines Schengen-Visums im Sinne
von § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, bei dem eine solche Fiktionswirkung nicht eintritt
(vgl. § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG). In diesem Fall kommt vorläufiger Rechtsschutz
zur Sicherung eines möglichen Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nur
nach § 123 VwGO in Betracht (vgl. hierzu u. a. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom
14.09.2011, InfAuslR 2011, 443).
2
2.
Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Dem steht insbesondere nicht
entgegen, dass die Antragstellerin es unterlassen hätte, vor Anrufung des Gerichts
bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Aussetzung der Abschiebung zu stellen.
Denn tatsächlich hat sie einen solchen Antrag (hilfsweise) gleichzeitig mit ihrem
Antrag vom 03.09.2014 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei der damals
zuständigen unteren Ausländerbehörde, der Stadt L., gestellt. Diese Behörde ist im
Fall der Antragstellerin spätestens nach Ablauf der Geltungsdauer ihres Visums
zwar für die Entscheidung über einen solchen Antrag nicht (mehr) zuständig
gewesen; vielmehr ist insoweit gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 1 AAZuVO
die Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Karlsruhe gegeben. Doch sind die
unteren Ausländerbehörden in Einklang mit § 10 AAZuVO zur Entgegennahme
von Anträgen ermächtigt mit der Folge, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe
eine solche Antragstellung gegen sich geltend lassen muss.
3
3.
Der Antrag ist auch gegen den richtigen Antragsgegner gerichtet. Zwar hat der
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 14.09.2011
(a.a.O.) entschieden, dass im Fall eines statthaften Antrags auf Gewährung
vorläufigen Eilrechtsschutzes nach § 123 VwGO für das auf Aussetzung der
Abschiebung zur Sicherung des Verfahrens auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis gerichtete Begehren die untere Ausländerbehörde selbst
dann, wenn die Abschiebung von der (Mittel-)Behörde eines anderen
Rechtsträgers in eigener Zuständigkeit durchgeführt wird, passiv legitimiert ist.
Doch hat diese Entscheidung - unabhängig von der Frage, ob die beschließende
Kammer ihr in diesem Punkt zu folgen vermag - für den vorliegenden Fall keine
Bedeutung, weil hier sowohl die untere Ausländerbehörde, das Landratsamt L.,
das den Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
abgelehnt hat, als auch das Regierungspräsidium Karlsruhe Behörden desselben
Rechtsträgers, des Antragsgegners, sind.
4
4.
Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann
das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den
Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung
des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers
vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind
auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden
Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende
Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1
Satz 2 VwGO). Der Antragsteller muss also die Gefährdung eines eigenen
Individualinteresses an der Eilentscheidung (Anordnungsgrund) und das Bestehen
eines Rechts oder rechtlich geschützten Interesses (Anordnungsanspruch)
geltend und außerdem die dafür zur Begründung erforderlichen Tatsachen
glaubhaft machen (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO). Die Antragstellerin
sowohl einen hiernach erforderlichen Anordnungsgrund als auch einen
Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
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4.1
Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin seit dem
Ablauf der Geltungsdauer ihres Visums vollziehbar ausreisepflichtig ist (siehe §§
50 Abs. 1 und 2, 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG) und,
nachdem ihr bereits im Bescheid des Landratsamts Lörrach vom 27.10.2014 die
Abschiebung angedroht worden und die ihr (bis zum 07.11.2014) gesetzte
Ausreisefrist abgelaufen ist, jederzeit mit ihrer Abschiebung rechnen muss. Dass
die Abschiebung ihrer Person derzeit konkret nicht betrieben wird, weil das
Landratsamt L. ihren Fall dem für die Abschiebung zuständigen
Regierungspräsidium Karlsruhe noch nicht vorgelegt habe, wie der Antragsgegner
vorträgt, beruht auf internen Verwaltungsvorgängen, deren Kenntnis
Außenstehenden verborgen bleibt und die sich, für den Ausländer nicht erkennbar,
jederzeit ändern können. Ob dann etwas anderes gölte, wenn der Antragsgegner
verbindlich zugesagt hätte, die Antragstellerin innerhalb eines konkret
bezeichneten Zeitraums nicht abzuschieben, kann dahingestellt bleiben, weil eine
solche Zusage nicht gemacht wurde. Der Antragstellerin kommt auch nicht die
Vorschrift des § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG zugute, wonach die Abschiebung
mindestens einen Monat vorher anzukündigen ist, weil diese Vorschrift nur für
Ausländer gilt, deren Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt ist.
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4.2
Der Anordnungsanspruch ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin bei der
im vorliegenden Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und
Rechtslage möglicherweise einen Anspruch auf Erteilung der von ihr beantragten
Aufenthaltserlaubnis oder zumindest einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des
Erteilungsermessens hat und eine hiernach von den Ausländerbehörden noch zu
treffende Ermessensentscheidung die Erteilung der von ihr beantragten
Aufenthaltserlaubnis zur Folge haben kann. Die Verwirklichung dieses Rechts
würde im Fall einer Abschiebung vereitelt oder zumindest wesentlich erschwert
(zur Sicherung des Verfahrens auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch
Aussetzung der Abschiebung im Wege von § 123 VwGO siehe u. a. VGH Bad.-
Württ., Beschlüsse vom 14.09.2011, a.a.O., und vom 04.08.2010 - 11 S 1376/10 -,
juris; siehe allgemein zur Sicherung eines Anspruchs im Wege von § 123 VwGO
Bostedt, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2013, Teil 2, § 123
RdNrn. 67 ff., m.w.N.).
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4.2.1
Der Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
ergibt sich aufgrund ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft mit einem deutschen
Staatsangehörigen, an deren Bestehen niemand Zweifel geäußert hat, aus § 28
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Zumindest seit die Antragstellerin ein Zertifikat über
eine am 19.11.2014 mit „gut“ bestandene Prüfung für „Start Deutsch 1“ vorgelegt
hat, erfüllt sie auch unstreitig die Anforderungen aus den §§ 28 Abs. 1 Satz 5 und
30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, wonach sie sich zumindest auf einfache Art in
deutscher Sprache verständigen können muss (zu [weit verbreiteten] Zweifeln an
der Europarechtskonformität dieser Anforderung siehe u. a. VG Berlin, Beschluss
vom 23.10.2014 - 28 K 456.12V -, juris, und VG Kassel, Beschluss vom
28.01.2013 - 4 L 1602/12.KS -, juris, m.w.N.). Es spricht auch alles dafür, dass die
Antragstellerin die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1
AufenthG erfüllt. Für die Annahme, dass der Lebensunterhalt der Antragstellerin
(und ihres deutschen Ehepartners) nicht im Sinne der §§ 2 Abs. 3 und 5 Abs. 1 Nr.
1 AufenthG gesichert sein könnte, fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten.
Abgesehen davon kann ein Anspruch aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nur in
Ausnahmefällen wegen fehlender Sicherung des Lebensunterhalts abgelehnt
werden (siehe § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Nach dem Sachverhalt, wie er sich
aus den der Kammer vorliegenden Unterlagen ergibt, fehlt es auch an
hinreichenden Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Ausweisungsgrunds
(gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Zwar hat die Antragstellerin bei der deutschen
Botschaft in Kiew nur ein so gen. Schengen-Visum zu Besuchszwecken beantragt
und erhalten, das für eine Einreise zu dem von ihr nun erstrebten Daueraufenthalt
im Bundesgebiet nicht ausreichend ist. Doch ist damit nicht gesagt, dass sie
hierdurch auch einen Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 a) AufenthG erfüllt
hat. Denn es ist zumindest offen, ob die Antragstellerin bei der Stellung ihres
Antrags auf Erteilung eines Visums am 17.01.2014 falsche oder unvollständige
Angaben über ihren wahren Aufenthaltszweck gemacht hat. Vielmehr ist es
durchaus möglich, dass sie damals - wie bereits zuvor im Jahr 2011 schon einmal -
wirklich nur einen Besuch (oder mehrere) bei ihrem in Deutschland lebenden Vater
beabsichtigt hatte und dass der Entschluss zur Heirat erst später gefallen ist. Der
lange Zeitraum, der zwischen der Erteilung des Visums am 22.01.2014 und der
Eheschließung am 29.08.2014 verstrichen ist, obwohl die Heirat in Dänemark
keinen größeren zeitlichen Vorlauf erfordert (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ.,
Beschluss vom 30.03.2006, InfAuslR 2006, 323), sowie der Umstand, dass die
Antragstellerin, wie aus den Ein- und Ausreisestempeln in ihrem Pass hervorgeht,
nach Erteilung des Visums mehrmals (erlaubterweise) in den so gen.
Schengenraum ein- und wieder aus ihm ausgereist ist, sprechen eher dafür als
dagegen, dass die Eheschließung und der damit verbundene veränderte
Aufenthaltszweck erst auf einem später gefassten Entschluss beruhten. Solange
es jedenfalls, wie nach gegenwärtigem Sachstand, an jeglichem Hinweis darauf
fehlt, dass die Antragstellerin schon bei Beantragung ihres Visums einen
Daueraufenthalt angestrebt hatte, wird man nicht vom Vorliegen eines
Ausweisungsgrunds ausgehen können, von dem die Behörde im Übrigen nach §
27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auch nach Ermessen absehen könnte.
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4.2.2
Damit steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis allein § 5 Abs. 2 Satz 1
AufenthG entgegen, weil die Antragstellerin nicht mit dem für den jetzt erstrebten
Aufenthaltszweck erforderlichen Visum eingereist ist, worauf es für die Frage,
welches Visum im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderlich ist, allein
ankommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.01.2011, NVwZ 2011, 871). Von diesem
Visumserfordernis kann auch, wie das Regierungspräsidium Freiburg in seinem
(noch nicht bestandskräftigen) Widerspruchsbescheid vom 27.01.2015 zu Recht
ausgeführt hat, nicht deshalb abgesehen werden, weil die Antragstellerin nach den
Regelungen in den §§ 39 ff. AufenthV ausnahmsweise vom Visumserfordernis
befreit wäre. Auf die hier insoweit allein in Betracht kommende Vorschrift des § 39
Nr. 3 AufenthV kann die Antragstellerin sich nicht berufen, da diese Vorschrift nur
zur Anwendung kommt, wenn die Eheschließung nach der Einreise in Deutschland
und nicht vor der letzten Einreise im Schengenraum (außerhalb des
Bundesgebiets), hier in Dänemark, stattgefunden hat (siehe BVerwG, Urteil vom
11.01.2011, a.a.O.).
9 Von dem Erfordernis eines Visumsverfahrens als Voraussetzung für die Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis kann jedoch gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG
abgesehen werden, wenn (ansonsten) die Voraussetzungen eines Anspruchs auf
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorliegen. Das danach erforderliche Ermessen
ist hier von den Ausländerbehörden aber nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden
und zwar weder vom Landratsamt L. noch vom Regierungspräsidium Freiburg.
Laut Bescheid des Landratsamts L. vom 27.10.2014 beruhte die
Versagungsentscheidung allein auf Rechtsgründen, zum einen auf dem (damals
noch) fehlenden Sprachnachweis und zum anderen auf dem Vorliegen eines
Ausweisungsgrunds nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 a) AufenthG sowie aus dem daraus
folgenden fehlenden Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne
von § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, eine Auffassung, der die beschließende Kammer
nach den vorstehenden Ausführungen (unter 4.2.1) nicht folgt. Auch dem
Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 27.01.2015 ist
eine solche nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG erforderliche Ermessensbetätigung
nicht zu entnehmen. Vielmehr wird dort zunächst auf die Gründe des
Ausgangsbescheids Bezug genommen und es werden im Folgenden lediglich
noch ergänzende „Hinweise“ gegeben. Aber unabhängig davon, ob reine
„Hinweise“ als substantielle Ausübung des Ermessens verstanden werden
können, enthalten diese „Hinweise“ auch in der Sache keine den Anforderungen
und dem Gesetzeszweck von § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gerecht werdenden
Ermessenserwägungen. So wird darin (zusammengefasst) ausgeführt: § 5 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 AufenthG stehe der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegen und
es lägen keine Gründe für das Absehen von der Nachholung des
Visumsverfahrens vor, weil ein Aufenthaltszweckwechsel zum Ehegattennachzug
bei fehlendem Nachweis der erforderlichen Sprachkenntnisse nicht gestattet
werden könne. Die mit der Nachholung des Visumsverfahrens verbundene
vorübergehende Trennung der Eheleute stelle keine unzumutbare Härte dar und
auf § 39 Nr. 3 AufenthV könne die Antragstellerin sich nicht berufen. Mit diesen
Ausführungen wird jedoch ersichtlich vor allem das Nichtvorliegen der
tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
begründet, jedenfalls enthalten sie keine vom Gesetz geforderten Erwägungen
dazu, ob es Gründe gibt, die entweder dafür oder dagegen sprechen, dem
(immerhin wohl zu bejahenden [siehe oben 4.2.1]) Anspruch der Antragstellerin auf
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis den Vor- oder Nachrang gegenüber der
grundsätzlich erforderlichen Nachholung eines Visumsverfahrens zu geben. Damit
fehlt es an einer nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG erforderlichen
Ermessensausübung der Ausländerbehörden.
10 Dieser Ermessensfehler führt unter Beachtung des Gebots der Gewährung
effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) hier zu einem Anspruch auf Erlass
der beantragten einstweiligen Anordnung, weil die Antragstellerin sonst Gefahr
liefe, vor einer fehlerfreien Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis in einem Hauptsacheverfahren, in ihren Heimatstaat
abgeschoben zu werden, und ihr damit die Chance genommen würde, ohne
vorherige Rückkehr in den Heimatstaat in den Genuss einer gesetzlich zulässigen,
für sie günstigen Ermessensentscheidung (nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) und
damit in den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zu kommen.
11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
12 Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 52
Abs. 1 GKG in Verbindung mit den Empfehlungen des Streitwertkatalogs 2014 für
die Verwaltungsgerichtsbarkeit (siehe dort Nr. 8.3).