Urteil des VG Freiburg vom 15.04.2016

öffentliche sicherheit, erlass, freiheit der person, schwere des grundrechtseingriffs

VG Freiburg Urteil vom 15.4.2016, 4 K 143/15
Meldeauflage, Betretungs- und Aufenthaltverbot im Zusammenhang mit Fußballspielen gegen
Angehörigen der sog. "Ultraszene"
Leitsätze
Gegen einen einer gewaltbereiten Fangruppierung nahestehenden Fußballfan kann ein Betretungs- und
Aufenthaltsverbot im Einzelfall auch dann erlassen werden, wenn dem Betroffenen eine konkrete Tatbegehung
oder die Zugehörigkeit zum Kernbereich der Gruppierung nicht nachgewiesen werden kann, er sich jedoch auch
in Konfliktsituationen wiederholt im Umfeld der Gruppierung aufhält und sich an der körperlichen Austragung
von Konflikten mit gegnerischen Fans aktiv beteiligt.
Bei der Dreimonatsfrist des § 27a Abs. 2 Satz 3 PolG handelt es sich um eine maximale Zeitobergrenze, die
nicht durch Erlass einer auf dieselben Tatsachen gestützten Folgeverfügung überschritten werden darf. Die
Dreimonatsfrist ist kalendermäßig zu bestimmen, so dass es für ihren Ablauf nicht darauf ankommt, ob das
Betretungs- und Aufenthaltsverbot ununterbrochen oder nur für jeweils zeitlich eng begrenzte Zeiträume gilt.
Eine Meldeauflage kann (derzeit noch) auf §§ 1, 3 PolG gestützt werden. Zuständig für ihren Erlass ist (auch)
diejenige Polizeibehörde, in deren Bezirk der Betreffende seinen Wohnsitz hat.
Tenor
Die Gebührenfestsetzung unter Nr. IV. im Bescheid der Beklagten vom 19.09.2014 wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass das Betretungs- und Aufenthaltsverbot unter Nr. I.1. in den Bescheiden der Beklagten
vom 19.09.2014 und vom 06.10.2014 rechtswidrig war, soweit dieses Verbot auch für den Zeitraum nach dem
01.11.2014 galt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt 2/3, die Beklagte 1/3 der Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1 Der Kläger wendet sich gegen Meldeauflagen sowie Betretungs- und Aufenthaltsverbote im Zusammenhang
mit Fußballbegegnungen.
2 Das Polizeipräsidium F., Polizeirevier F.-Süd, stellte unter dem 23.07.2014 bei der Beklagten den Antrag auf
Erlass einer Meldeauflage und eines näher bezeichneten Aufenthalts- und Betretungsverbots gegenüber
dem Kläger bezüglich Fußballpartien unter Beteiligung der Bundesliga- und der Regionalligamannschaften
des SC F. und begründete dies unter Auflistung bestimmter Vorfälle damit, dass der Kläger seit mehreren
Jahren in der F.er Ultraszene aktiv und in der Vergangenheit wiederholt im direkten sachlichen und
zeitlichen Zusammenhang mit Spielen des SC F. mit gewalttätigem bzw. gewaltbereitem Verhalten
polizeilich in Erscheinung getreten sei.
3 Mit Bescheid vom 30.07.2014 erließ die Beklagte unter Anordnung des Sofortvollzugs (Nr. II.) gegenüber
dem Kläger ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot; dieses Verbot galt für im Einzelnen aufgeführte Spieltage
einer Mannschaft des SC F. für Termine zwischen dem 02.08.2014 und dem 20.09.2014 jeweils für den
Zeitraum von10.00 Uhr bis 22.00 Uhr für im Bescheid näher konkretisierte Bereiche im Umfeld des SC-
Stadions, des X-Stadions, der Z-straße sowie von Teilen der Innenstadt und des Stadtteils Y (Nr. I.1.). Ferner
wurde dem Kläger aufgegeben, sich an bestimmten Spieltagen des SC F. zu bestimmten Zeiten beim
Polizeirevier F.-Nord zu melden (Nr. I.2.). Unter Nr. III wurde dem Kläger für den Fall, dass er der Anordnung
nach Nr. I.1. nicht nachkomme, die Anwendung von unmittelbarem Zwang und für jeden Verstoß gegen die
Meldeverpflichtung (Nr. I.2.) ein Zwangsgeld von je 500,-- EUR angedroht. Ferner wurde für den Bescheid
eine Gebühr i.H.v. 150,-- EUR festgesetzt (Nr. IV.).
4 Mit Bescheid vom 06.08.2014 wurde der Bescheid vom 30.07.2014 unter Ziff. I.2. hinsichtlich dreier Daten
dahingehend abgeändert, dass er sich beim Polizeirevier F.-Süd zu melden habe. Der Bescheid vom
30.07.2014, in dem, so die Beklagte, irrtümlich einzelne Spieltage falsch benannt worden seien, wurde mit
Ausnahme der unter IV. erfolgten Gebührenfestsetzung i.H.v. 150,-- EUR, welche bestehen blieb, ferner
durch Bescheid der Beklagten vom 19.08.2014 ersetzt. Die Änderungen im Tenor des Bescheides bezogen
sich auf Terminkorrekturen.
5 Der Kläger legte am 27.08.2014 Widerspruch gegen die Betretungs- und Aufenthaltsverbote vom
30.07.2014 und 19.08.2014 ein, den er mit Schreiben vom 03.09.2014 auf den Bescheid vom 06.08.2014
erstreckte.
6 Mit Schreiben vom 10.09.2014 gewährte die Beklagte dem Kläger rechtliches Gehör zu Maßnahmen
(Meldeauflagen und Betretungs- und Aufenthaltsverbot) für den Zeitraum zwischen dem 21.09. und
20.12.2014.
7 Mit Bescheid vom 19.09.2014 erließ die Beklagte unter Anordnung des Sofortvollzugs (Nr. II.) gegenüber
dem Kläger ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot; dieses Verbot galt für im Einzelnen aufgeführte Spieltage
der Bundes- und Regionalligamannschaften des SC F. für Termine zwischen dem 27.09.2014 und dem
19.12.2014 jeweils für den Zeitraum von 10.00 Uhr bis 22.00 Uhr für im Bescheid näher konkretisierte
Bereiche im Umfeld des SC-Stadions, des X-Stadions, der Z-straße sowie von Teilen der Innenstadt und des
Stadtteils Y (Nr. I.1.). Ferner wurde dem Kläger aufgegeben, sich an bestimmten Spieltagen des SC F. zu
bestimmten Zeiten beim Polizeirevier F.-Süd zu melden (Nr. I.2.). Unter Nr. III wurde dem Kläger für den Fall,
dass er der Anordnung nach Nr. I.1. nicht nachkomme, die Anwendung von unmittelbarem Zwang und für
jeden Verstoß gegen die Meldeverpflichtung (Nr. I.2.) ein Zwangsgeld von je 500,-- EUR angedroht. Ferner
wurde für den Bescheid eine Gebühr i.H.v. 150,-- EUR festgesetzt (Nr. IV.). Zur Begründung wurde
ausgeführt, der Kläger sei dem Personenkreis „Gewalttäter Sport“ und dem gewaltbereiten Spektrum der
F.er Fußballszene zuzuordnen. Er sei derzeit in der Gruppierung „C“ aktiv, davor bei „W F.“. Er sei
wiederholt im direkten sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den Spielen des SC F. mit
gewalttätigem bzw. gewaltbereitem Verhalten polizeilich in Erscheinung getreten. Wegen eines Vorfalls vom
30.12.2009, bei dem sich der Kläger in einer Gruppe F.er Ultras befunden habe, welche nach dem
Eishockeyspiel EHC F. - AB auf die abwandernden AB Fans gestürmt sei, sei ein Ermittlungsverfahren
eingeleitet und zwischenzeitlich von der Staatsanwaltschaft F. gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
Am 04.08.2012 sei es in der Z-straße in F. zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen mehreren
F.er und T.er Ultras gekommen. Er habe einen T.er Ultra geschlagen und getreten. Das Verfahren wegen
Körperverletzung sei gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Das aufgrund des Vorfalls vom
01.12.2013 - Beleidigung eines Polizeibeamten mit den Worten „Halt die Fresse du Wichser“ eingeleitete
Verfahren sei noch nicht abgeschlossen. Am 21.03.2014 habe der Kläger mit mehreren F.er Ultras nach
einem Bundesligaspiel im Stadion einer Person mit der Faust ins Gesicht geschlagen; das Verfahren sei
gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden. Am 29.03.2014 sei es am Fanprojekt F. zu einer
Massenschlägerei zwischen einer Vielzahl von Ultras aus N. und F. gekommen; Videoaufnahmen zeigten den
Kläger, wie er mehrfach auf N.er Fans einschlage. Für den Kläger bestehe ein bundesweites Stadionverbot
bis zum 21.03.2017. Die Polizei habe nach §§ 1, 3 PolG diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die ihr nach
pflichtgemäßem Ermessen zur Abwendung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung
erforderlich erschienen. Aufgrund von § 27a Abs. 2 PolG könne einer Person ein Aufenthaltsverbot bis zu
drei Monaten für ein bestimmtes Gebiet erteilt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass
diese Person dort eine Straftat begehen oder zu deren Begehung beitragen werde. Um weitere Straftaten
des Klägers im Umfeld des SC-F.-Stadions, in der Innenstadt und in Teilen des Stadtteils Y zu verhindern,
werde dem Kläger das Betreten und der Aufenthalt in dem unter Ziff. I.1. näher definierten Bereich zu den
dort genannten Zeiten untersagt. Dieser Bereich beschränke sich auf das Gebiet des üblichen Aufenthalts
von Gästefans sowie auf die erfahrungsgemäß genutzten Haltestellen des öffentlichen Personenverkehrs
durch diese. Der zeitliche Geltungsbereich dieser Verfügung sei aufgrund der üblichen Aufenthaltszeiten von
Gästefans bei Spielen des SC F. festgelegt. Der von dieser Verfügung umfasste Bereich von F. beherberge
eine Vielzahl an Gaststätten, die durch die Fans der Gastmannschaften während der vergangenen Spiele in
F. ausgesucht worden seien. Die Anordnung des Aufenthaltsverbots sei hinsichtlich der jeweiligen Dauer
unter Abwägung der zu schützenden Rechtsgüter der Allgemeinheit und der Bewegungsfreiheit des Klägers
erforderlich und angemessen. Durch das Aufenthaltsverbot werde der Kläger nicht erheblich in seiner
Bewegungsfreiheit eingeschränkt, weil er weder im Geltungsbereich dieses Aufenthaltsverbots wohne noch
dort eine Einrichtung ersichtlich sei, die er zu den Geltungszeiten des Verbots aufsuchen müsse. Das
Aufenthaltsverbot sei ein geeignetes Mittel, um den Kläger vom näher definierten Bereich fernzuhalten.
Durch sein Verhalten habe der Kläger gezeigt, dass er sich nicht an geltende Gesetze (z.B. Strafgesetze)
halte. Es sei nicht davon auszugehen, dass er ohne weitere Maßnahmen künftig von seinem gewalttätigen
und ordnungsstörenden Verhalten ablasse. Die körperliche Unversehrtheit anderer, ein besonders
schützenswertes Rechtsgut, habe der Kläger durch sein Verhalten immer wieder bedroht. Es könne nicht
hingenommen werden, dass durch das Verhalten Einzelner Gefahren für die Allgemeinheit entstünden. Eine
andere, den Kläger weniger beeinträchtigende Maßnahme, die den gleichen Zweck erfülle, sei nicht
ersichtlich. Aus diesen Gründen sei auch angeordnet worden, dass sich der Kläger zu den unter Ziff. I.2.
genannten Zeiten beim Polizeirevier F.-Nord bzw. -Süd melde. Nur so werde verhindert, dass der Kläger bei
Auswärtsspielen des SC F. an hooligantypischen Auseinandersetzungen teilnehme oder in anderer Weise
Straftaten begehe, die im Zusammenhang mit der jeweiligen Fußballpartie stünden. Die Maßnahme sei
geeignet, den Kläger von einer Anreise zum Auswärtsspielort abzuhalten. Sie sei auch angemessen und
beeinträchtige den Kläger nicht in unzumutbarer Weise in seiner Bewegungsfreiheit, zumal bei wichtigen
Gründen eine Ausnahmemöglichkeit eingeräumt werde. Sie sei auch erforderlich im Hinblick auf die oben
geschilderten Gefahren für Leib und Leben Dritter. Eine mildere Maßnahme sei nicht ersichtlich. Zur
Durchsetzung der Ziff. I.1. sei die Androhung unmittelbaren Zwangs erforderlich, da die verfügte Maßnahme
im Falle der Nichtbeachtung nur auf diese Weise sofort umgesetzt werden könne. Die förmliche Festsetzung
eines Zwangsgeldes sei untunlich. Auch zur Durchsetzung der Meldeauflage sei die Androhung eines
Zwangsmittels erforderlich. Das Zwangsgeld stelle das mildeste geeignete Mittel dar. Die Höhe des
Zwangsgelds sei angemessen.
8 Unter dem 06.10.2014 erließ die Beklagte einen mit „Ergänzungsverfügung“ überschriebenen weiteren
Bescheid, durch den der Bescheid vom 19.09.2014 hinsichtlich der am 19.09.2014 noch nicht bekannten
konkreten Zeitpunkte dreier Fußballbegegnungen konkretisiert, insbesondere um eine am 21.12.2014
stattfindende Begegnung ergänzt wurde. Der Erlass dieses Bescheides war bereits im Bescheid vom
19.09.2014 angekündigt worden. Der Bescheid vom 06.10.2014 enthält keine Gebührenfestsetzung.
9 Der Kläger legte mit Schreiben vom 20.10.2014 gegen die Bescheide vom 19.09.2014 und vom 06.10.2014
Widerspruch ein.
10 Mit Schreiben vom 03.11.2014 wies das Regierungspräsidium F. den Kläger darauf hin, dass sich der
Widerspruch vom 27.08.2014 durch Zeitablauf erledigt habe.
11 Mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2014, zugestellt am 22.12.2014, wies das Regierungspräsidium F. den
Widerspruch gegen die Bescheide der Stadt F. vom 19.09.2014 und 06.10.2014 zurück. Es sei zwar zulässig
Widerspruch erhoben worden, dieser sei aber unbegründet, da die angefochtenen Verfügungen rechtmäßig
seien. Die von der Stadt F. getroffene, auf den konkreten polizeilichen Erkenntnissen und Ermittlungen
beruhende, aktuell bei Verfügungserlass vorgenommene Gefahrenprognose sei nicht zu beanstanden. Es
gebe ausreichende und hinreichend sicher festgestellte Tatsachen und Anhaltspunkte, die eine vom Kläger
ausgehende polizeirechtliche Gefahr auch aktuell begründen könnten. Dass die Beklagte neben neueren
auch ältere Vorfälle in die Gefahrenprognose einbezogen habe, sei nicht zu beanstanden. Ebenso wenig sei
zu beanstanden, dass neben einem konkreten gefahrenabwehrrechtlich relevanten Verhalten auch der
Umstand, dass der Kläger zum Personenkreis Gewalttäter Sport zähle, berücksichtigt worden sei. Nicht von
Bedeutung sei, dass es nicht in allen Fällen zu einer strafrechtlichen Verurteilung des Klägers gekommen sei.
Auch die Berücksichtigung der zulässigen Höchstdauer eines Aufenthalts- und Betretungsverbots führe nicht
zu einem anderen Ergebnis. Denn die getroffenen Aufenthaltsverbote beträfen nur eine auf die Spieltage
beschränkte Mehrzahl von Tagen. Da eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt
bestanden habe, habe auch nach Ablauf einer Anordnung für die Dauer von drei Monaten eine erneute
Anordnung ergehen können. Für den Widerspruch gegen Gebührenbescheide sei das Regierungspräsidium F.
nicht zuständig.
12 Der Kläger hat am 22.01.2015 Klage erhoben. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass er ein
berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte habe,
da Wiederholungsgefahr vorliege. Der Kläger beabsichtige, auch in Zukunft Spiele des SC F. in der
Bundesliga und auch Spiele der zweiten Mannschaft zu besuchen. Der Bescheid vom 19.09.2014 sei, was
die Mannschaft des SC F. II angehe, unbestimmt, weil die in diesem Bescheid angekündigten Änderungen nie
erfolgt seien. Es würden von der Beklagten auch Vorfälle herangezogen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des
Bescheides mehr als ein Jahr zurückgelegen hätten. Dies reiche, wie der VGH Baden-Württemberg
entschieden habe, für eine Gefährdungsprognose nicht aus, denn diese müsse hinreichend aktuell sein. Dies
gelte hier für angebliche Ereignisse vom 30.12.2009 und vom 04.08.2012 nicht. Die Ausführungen im
Ursprungsbescheid unter Ziff. 5 seien nur allgemeiner Natur und könnten für eine Gefahrenprognose,
bezogen auf den Kläger, nicht herangezogen werden. Allgemeine, floskelhafte Begründungen oder gar
vorformulierte Textbausteine reichten gerade nicht aus, um eine Gefahrenprognose zu erstellen. Auch der
bloße Umstand früherer Ermittlungsverfahren genüge nicht. Ein Strafverfahren sei gemäß § 170 Abs. 2 StPO
eingestellt worden. Hinsichtlich der Beleidigung sei der Kläger zwar in der Tat verurteilt worden, aber es
entspreche nicht den Tatsachen, dass der Kläger deshalb eine Gefahr für Leib und Leben anderer und für
Sachwerte darstelle. Das von der Beklagten unter Ziff. 4 des angefochtenen Bescheids angeführte Verfahren
sei eingestellt worden. Der Kläger verwehre sich dagegen, dass behauptet werde, er habe sich im Rahmen
der Ereignisse vom 21. und 29.03.2014 an körperlichen Auseinandersetzungen beteiligt und dabei andere
Personen geschlagen. Auch was die angebliche Wiederholungsgefahr angehe, beschränke sich die Beklagte
auf allgemeine Floskeln und Allgemeinausführungen. Es fehle in den angefochtenen Bescheiden an einer
sorgfältigen, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichteten, am Einzelfall orientierten
kriminalistisch-prognostischen Erfassung und Bewertung der konkreten Tatumstände wie auch der
Täterpersönlichkeit.
13 Der Kläger beantragt,
14 die Gebührenfestsetzung unter Nr. IV. im Bescheid der Beklagten vom 19.09.2014 aufzuheben sowie
festzustellen, dass das Betretungs- und Aufenthaltsverbot und die Meldeverpflichtung unter den Nummern
I.1. und I.2. in den Bescheiden der Beklagten vom 19.09.2014 und vom 06.10.2014 rechtswidrig waren.
15 Die Beklagte beantragt,
16 die Klage abzuweisen.
17 Die Klage sei bereits unzulässig. Denn es bestehe kein für die Erhebung einer Fortsetzungsfeststellungsklage
erforderliches Feststellungsinteresse. Insbesondere bestehe keine Wiederholungsgefahr. Auch Art. 19 Abs. 4
GG begründe hier kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, denn eine typischerweise kurzfristige Erledigung
liege in der vorliegenden Konstellation erkennbar nicht vor. Die Klage sei auch unbegründet. Die
tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Aufenthaltsverbot nach § 27a Abs. 2 PolG lägen vor. Jedenfalls die
Zugehörigkeit zur Hooligan-Szene könne als Gefahr für die öffentliche Sicherheit angesehen werden, selbst
wenn der Betreffende bislang nicht einschlägig vorbestraft sei. Die vom Betreffenden ausgehende Gefahr
bestehe bereits darin, dass er durch die zum Ausdruck gebrachte Zugehörigkeit zu der entsprechenden
Szene die Gewaltbereitschaft dieser Personen fördere und für diejenigen, die persönlich Gewalt
anwendeten, zumindest eine psychologische Stütze darstelle. Eines eigenen Tatbeitrags bedürfe es insoweit
nicht. Daher sei die Beklagte auch beim Kläger zu Recht von einer entsprechend vorliegenden Gefahr und
somit von der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 27a Abs. 2 PolG ausgegangen. In der
Folge wiederholt und vertieft die Beklagte die bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Erkenntnisse
und trägt ergänzend vor, dass die Maßnahmen geeignet seien, Gewalttaten zu unterbinden oder das Risiko
solcher zu minimieren, was eindrücklich die aktuelle Statistik der Hinrunde 2014/15 ergeben habe, in der es
lediglich drei Straftaten, begangen von Angehörigen der Ultraszene, gegeben habe. Die szenekundigen
Beamten hätten feststellen können, dass sich durch die Abwesenheit der wichtigsten Führungspersonen der
Ultragruppierungen die Stimmung bei den Ultras und auch deren Verhalten, was die Gewaltbereitschaft
angehe, deutlich beruhigt habe.
18 Der Kammer haben die einschlägigen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Widerspruchsakten des
Regierungspräsidiums F. (jew. 1 Heft) vorgelegen. Ferner haben die Strafakten in den genannten Verfahren
vorgelegen, deren wesentliche Inhalte kopiert und der Gerichtsakte beigefügt wurden. Hierauf sowie auf die
Gerichtsakte wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
19 Die im Wege objektiver Klagehäufung (§ 44 VwGO) erhobene Klage ist zulässig.
20
1.
Soweit sich der Kläger gegen die Gebührenfestsetzung in den Bescheiden vom 19.09.2014 (dort unter Nr.
IV.) wendet, ist die Klage als Anfechtungsklage in Form der Untätigkeitsklage gemäß §§ 40, 42, 75 VwGO
zulässig, nachdem die Beklagte, die insoweit selbst Widerspruchsbehörde gewesen wäre, keinen
Widerspruchsbescheid erlassen hat.
21
2.
Der Antrag des Klägers, festzustellen, dass das Betretungs- und Aufenthaltsverbot und die
Meldeverpflichtung (im Folgenden gemäß dem üblichen Sprachgebrauch bezeichnet als „Meldeauflage“)
unter den Nummern I.1. und I.2. in den Bescheiden der Beklagten vom 19.09.2014 und vom 06.10.2014
rechtswidrig waren, ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.
22
2.1
Die hier streitgegenständlichen Regelungen (Betretens- und Aufenthaltsverbote bzw. Meldeauflagen)
bezogen sich auf das Jahr 2014 und haben sich daher zwischenzeitlich durch Zeitablauf erledigt (§ 43 Abs. 2
LVwVfG). Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht, wenn sich ein Verwaltungsakt vorher (nach
Klagerhebung, aber vor gerichtlicher Entscheidung) durch Rücknahme oder auf andere Weise, etwa durch
Zeitablauf, erledigt hat, wie es beim Bescheid vom 19.09.2014 der Fall ist, auf Antrag durch Urteil aus, dass
der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser
Feststellung hat.
23
2.2
Der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklagen steht nicht der Ablauf von Rechtsmittelfristen
entgegen. Denn im Hinblick auf die Bescheide der Beklagten vom 19.09.2014 und 06.10.2014 wurde der
fristgerecht eingelegte Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums F. vom
18.12.2014, zugestellt am 22.12.2014, zurückgewiesen. Erledigung trat am 21.12.2014, 22:00 Uhr ein,
somit während der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO. Da die Klage am 22.01.2015 und damit
binnen Monatsfrist erhoben wurde, bestehen keine Bedenken an der Zulässigkeit der Klage als
Fortsetzungsfeststellungsklage.
24
2.3
Der Kläger kann ferner bezüglich beider mit der Fortsetzungsfeststellungsklage angegriffenen
Verwaltungsakte ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse für sich reklamieren.
25 Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO
ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter
Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt
verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der
Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen
Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat.
26
2.3.1
Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich vorliegend ungeachtet der Frage, inwieweit ein
Betretungs- und Aufenthaltsverbot den grundrechtsrelevanten Bereich der Freiheit der Person nach Art. 2
Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. VG Frankfurt, Urteil vom 24.09.2014 - 5 K 659/14.F -, juris; a.A. Bayer. VGH,
Beschluss vom 09.06.2006 - 24 CS 06.1521 -, juris) bzw. das Recht auf Freizügigkeit nach Art. 11 GG (VG
Hamburg, Urteil vom 02.10.2012 - 5 K 1236/11 -, juris; Stephan/Deger, PolG BW, 7. Aufl., § 27a Rn. 10;
Siegel, NJW 2013, 1035) berührt und deshalb einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff begründet, bereits
aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG. Denn das polizeirechtliche, auf § 27a Abs. 2
PolG gestützte Betretungs- und Aufenthaltsverbot, das zeitlich auf den zur Verhütung der Straftat
erforderlichen Umfang zu beschränken ist und die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten darf (vgl. §
27a Abs. 2 Sätze 2, 3 PolG) und dessen gerichtlicher Überprüfung zudem ein Widerspruchsverfahren
vorgeschaltet ist, gehört zu den sich typischerweise vor der Möglichkeit der Erlangung
verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes im Hauptsacheverfahren erledigenden Maßnahmen. In diesen
Fällen gebietet Art. 19 Abs. 4 GG die Annahme eines von der Schwere des Grundrechtseingriffs
unabhängigen Fortsetzungsfeststellungsinteresses (vgl. dazu ausführlich VG Freiburg, Urteil vom
25.09.2015 - 4 K 35/15 -, juris; so auch Sächs. OVG, Urteil vom 27.01.2015 - 4 A 533/13 -, juris; ebenso
Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 113 Rn. 145, m.w.N.; Fehling/Kastner/Störmer, VerwR, § 113 VwGO Rn.
110; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 113 Rn. 282 f.).
27
2.3.2
Dahinstehen kann vor diesem Hintergrund, ob ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse daneben wegen
eines Rehabilitierungsinteresses des Klägers zu bejahen ist.
28 Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen
Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit
oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch
in der Gegenwart andauern (BVerwG, Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 20/12 -, juris).
29 Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten beruhen vom maßgebenden Empfängerhorizont aus auf
dem Vorwurf, der Kläger gehöre zum Personenkreis „Gewalttäter Sport“ und sei gewalttätiges Mitglied der
Ultra-Vereinigung „C“. Es spricht einiges dafür, dass dieser Vorwurf der Beklagten und die daraus
resultierende Stigmatisierung des Klägers als einem für seine Umwelt in bestimmten Situationen
gefährlichen, sich in strafwürdiger Weise gewalttätig verhaltenden Menschen, der sich aufgrund seines
Verhaltens an einer relevanten Zahl von Wochenenden über Stunden hinweg nicht im Innenstadtbereich
seines Wohnorts aufhalten darf, sich als gegenüber dem Kläger diskriminierend und seinen grundrechtlichen
Ehrschutz aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG beeinträchtigend darstellt (so etwa VG Stuttgart, Urteil
vom 14.09.2009 - 5 K 2929/08 -, juris). Dies kann jedoch im Ergebnis offen bleiben.
II.
30 Die danach zulässige Klage ist jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen
ist das unter Nr. I.1. in den Bescheiden der Beklagten vom 19.09.2014 und vom 06.10.2014 verhängte
Betretungs- und Aufenthaltsverbot rechtmäßig gewesen. Auch die unter Nr. I.2. verhängte Meldeauflage ist
rechtlich nicht zu beanstanden.
31
1.
Die Bescheide vom 19.09.2014 und 06.10.2014 sind formell rechtmäßig zustande gekommen.
32
1.1
Insbesondere wurde der Kläger im Vorfeld des Erlasses des Bescheids vom 19.09.2014 angehört (vgl.
Schreiben vom 10.09.2014), wobei die recht kurze Frist zur Stellungnahme umso weniger Bedenken
aufwirft, als es sich hierbei inhaltlich lediglich um die Verlängerung bereits bestehender Verbote bzw.
Verpflichtungen handelt, gegen die der Prozessbevollmächtigte des Klägers bereits Widerspruch eingelegt
und in diesem Zusammenhang Akteneinsicht erhalten hat (vgl. Schreiben der Beklagten vom 29.08.2014).
Zwar wurde der Kläger vor Erlass des Bescheides vom 06.10.2014 nicht separat angehört; bereits mit
Schreiben vom 10.09.2014 war der Kläger aber allgemein zum Erlass von Betretungs- und
Aufenthaltsverboten sowie Meldeauflagen für den Zeitpunkt 21.09.2014 bis zum 20.12.2014 unter Verweis
auf die Begründung im Bescheid vom 19.08.2014 angehört worden. Gegenstand der Anhörung waren
folglich der Sache nach auch die mit Bescheid vom 06.10.2014 verhängten Maßnahmen.
33
1.2
Der Bescheid vom 19.09.2014 in seiner durch Bescheid vom 06.10.2014 ge-fundenen Gestalt erfüllt
ferner die Anforderungen an die in § 39 Abs. 1 LVwVfG geregelte Begründungspflicht. Ein schriftlicher oder
elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung
zu versehen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG). In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und
rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (§ 39 Abs. 1 Satz 2
LVwVfG). Darauf, ob die Begründung auch inhaltlich Überlegungen enthält, die die angefochtene
Entscheidung tragen können, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, weil § 39 LVwVfG nur die
formelle Begründungspflicht regelt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.08.2014 - 9 S 1722/13 -, juris; OVG
NRW, Beschluss vom 12.10.2012 - 2 B 1135/12 -, juris; OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 25.01.2010 - 3 L
89/06 -, juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 39 Rn. 2).
34 Die Beklagte hat die angefochtene Verfügung u.a. damit begründet, dass es anläss-lich von
Fußballbegegnungen der ersten beiden Mannschaften des SC F. in letzter Zeit vermehrt zu Gewaltdelikten
und anderen Straftaten durch Problemfans des SC F.s und gegnerischer Problemfans gekommen sei, die nicht
nur im Bereich des Stadions, sondern auch in der Innenstadt und im angrenzenden Stadtteil Y stattgefunden
hätten. Der Kläger sei dem Personenkreis „Gewalttäter Sport“ und dem gewaltbereiten Spektrum der F.er
Fußballszene zuzuordnen; beispielhaft werden mehrere Vorfälle angeführt, die nach Auffassung der
Beklagten für das gewalttätige Verhalten des Klägers sprechen. Anschließend hat die Beklagte den sich für
sie ergebenden Sachverhalt unter die Tatbestandsvoraussetzungen des § 27a Abs. 2 PolG subsumiert. Dass
die Beklagte sich hierbei allgemein verwendeter Textbausteine bediente, ist unschädlich, da sie immer
wieder den Bezug zum konkreten Fall des Klägers herstellte. Auch hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der
Verbote wurde auf die konkrete Situation des Klägers eingegangen. Die Begründung ist daher im Lichte von
§ 39 LVwVfG nicht zu beanstanden.
35
2.
Das mit Bescheid vom 19.09.2014 unter Nr. I. gegen den Kläger verhängte Aufenthalts- und
Betretungsverbot betreffend näher bestimmte Bereiche F.s an einzelnen Tagen im Zeitraum vom 27.09.2014
bis zum 21.12.2014, konkretisiert durch Bescheid vom 06.10.2014, entspricht zwar vollumfänglich den
Voraussetzungen des § 27a Abs. 2 Sätze 1, 2 PolG, ist jedoch teilweise wegen Verstoßes gegen § 27a Abs. 2
Satz 3 PolG rechtswidrig.
36
2.1
Nach § 27a Abs. 2 Satz 1 PolG kann die Polizei einer Person verbieten, einen bestimmten Ort, ein
bestimmtes Gebiet innerhalb einer Gemeinde oder ein Gemeindegebiet zu betreten oder sich dort
aufzuhalten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person dort eine Straftat begehen oder
zu ihrer Begehung beitragen wird (Aufenthaltsverbot).
37 Die Beklagte ist im Herbst 2014 zurecht davon ausgegangen, es bestünden hinreichende Anhaltspunkte
dafür, dass der Kläger gerade in den vom Aufenthaltsverbot betroffenen Bereichen Straftaten begehen oder
zu ihrer Begehung beitragen werde.
38 Sie stützt die gegen den Kläger verhängten Aufenthalts- und Betretungsverbote auf Erkenntnisse der
Polizei. Danach sei der Kläger mindestens im Zeitraum 30.12.2009 bis 21.03.2014 Mitglied der F.er
Ultragruppierung „C“ gewesen. Die Gruppierung „C“ sei als äußerst gewalttätig einzustufen. Darüber
hinaus gebe es konkrete polizeiliche Erkenntnisse über den Kläger. So habe sich der Kläger am 30.12.2009,
als ein Zusammentreffen zwischen F.er Ultras und B.er Fans nur durch Polizeieinsatz habe verhindert
werden können, unweit des Eisstadions zusammen mit anderen Mitgliedern der Ultras angetroffen werden
können. Am 04.08.2012 sei es in der Z-straße in F. zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen
mehreren F.er und T.er Ultras gekommen, wobei der Kläger einen T.er Fan geschlagen und getreten habe.
Am 01.12.2013 habe der Kläger einen Polizeibeamten im Rahmen des Bundesligaspiels B. gegen den SC F.
mit den Worten „Halt die Fresse du Wichser“ beleidigt. Am 21.03.2014 habe der Kläger mit mehreren F.er
Ultras nach dem Bundesligaspiel SC F. gegen W. im Stadion auf den Geschädigten eingeschlagen. Am
29.03.2014 sei es am Fanprojekt F. zu einer Massenschlägerei zwischen einer Vielzahl von Ultras aus N. und
F. gekommen; Videoaufnahmen zeigten den Kläger, wie er mit weiteren F.ern mehrfach auf N.er Ultras
eingeschlagen habe.
39 Die Beklagte hatte keinen Grund, an der Richtigkeit der schriftlich vorgelegten Erkenntnisse der
szenekundigen Polizeibeamten zu zweifeln. Durch jahrelange Beobachtung der Hooligan- und Ultraszene
sowie durch die Sachbearbeitung aller Delikte rund um Fußballspiele verfügen szenekundige Beamte über
eine umfassende Personenkenntnis und sind in der Lage, Problemfans differenziert zu beurteilen; dies wurde
auch deutlich anhand der Zeugenaussagen des szenekundigen Beamten R., der der Kammer genaue
Beobachtungen schildern konnte. Für ihre Informationsgewinnung greifen sie auf die Zentrale
Informationsstelle Sportveranstaltungen zurück, bei welcher sämtliche Hinweise aus allen
Bundesligastandorten zentral gebündelt und von dort wieder an die einzelnen Dienststellen und hier an die
szenekundigen Beamten weitergegeben werden. Außerdem stehen sie untereinander in ständigem Kontakt
und beobachten die Hooligan- und Ultraszene anlässlich von Fußballspielen. Aus der Bündelung dieser
Informationen wird das Erkenntnismaterial gewonnen, das zur Beurteilung der Gefahrenprognose bei
präventiven Maßnahmen zu Grunde gelegt wird (VG Minden, Urteil vom 29.06.2005 - 11 K 2952/04 -, juris;
VG Braunschweig, Beschluss vom 08.06.2006 - 5 B 173/06 -, juris; VG München, Urteil vom 25.02.2010 - M
22 K 08.203 -, juris; VG Meiningen, Urteil vom 08.02.2011 - 2 K 453/09 Me -, juris).
40 Diese polizeiliche Auswertung der Sachlage und Gefahreneinschätzung rechtfertigte ein Betretungs- und
Aufenthaltsverbot gegen den Kläger für Bereiche der Innenstadt bzw. um das Stadion herum. Denn die
Kammer ist auf Grundlage der beigezogenen Strafakten sowie der in der mündlichen Verhandlung erfolgten
informatorischen Anhörung des Klägers und der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass im
Herbst 2014 hinreichende Tatsachen vorgelegen haben, die die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger im
Sinne des § 27a Abs. 2 Satz 1 PolG in den genannten Bereichen eine Straftat begehen oder zu ihrer
Begehung beitragen werde.
41 Die Rechtsprechung stellt im Zusammenhang mit der Frage, wann gegen ein Mitglied einer gewaltbereiten
Fangruppierung bzw. einer Hooligangruppe ein Aufenthalts- und Betretungsverbot erlassen werden kann,
weil Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person in dem vom Aufenthaltsverbot erfassten
Bereich eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird, keine allzu strengen Anforderungen.
So wird zu Recht nicht verlangt, dass dem Betroffenen im Einzelnen eine konkrete Tatbegehung
nachgewiesen werden kann (VG Minden, Beschluss vom 02.10.2014 - 11 L 763/14 -, juris; VG Köln,
Beschluss vom 21.08.2015 - 20 L 2023/15 -, juris; VG Arnsberg, Beschluss vom 01.07.2009 - 3 L 345/09 -,
juris; VG Aachen, Beschluss vom 26.04.2013 - 6 L 170/13 -, juris; VG Hannover, Beschluss vom 21.07.2011
- 10 B 2096/11 -, juris); selbst der Nachweis der Zugehörigkeit zum Kernbereich der gewalttätigen Fan- bzw.
Hooliganszene wird als nicht erforderlich erachtet (VG Braunschweig, Beschluss vom 08.06.2006 - 5 B
173/06 -, juris). Begründet wird dies in den genannten Entscheidungen überzeugend damit, dass eine von
einem Mitglied einer gewaltbereiten Gruppierung ausgehende Gefahr schon darin besteht, dass dieser durch
seine zum Ausdruck gebrachte Zugehörigkeit zu dieser Gruppe die Gewaltbereitschaft fördert und für
diejenigen, die persönlich Gewalt anwenden, eine zumindest psychologische Stütze darstellt. Die von
Hooligans oder anderen gewaltbereiten Fans etwa einer Ultra-Gruppierung begangenen Straftaten haben
ein typisches Erscheinungsbild und stellen sich als Deliktstyp dar, der aus der homogenen Gruppe heraus
initiiert und gesteigert wird. Die gewaltbereite Szene benötigt ein unterstützendes Umfeld; schon die bloße
Anwesenheit von Gleichgesinnten trägt zur Gewaltbereitschaft derjenigen bei, die ihrem Kernbereich
zuzurechnen sind und aus der Anonymität der Gruppe heraus agieren. Andererseits lassen sich Maßnahmen
auf Grundlage des § 27a Abs. 2 PolG nicht auf reine Vermutungen stützen; vielmehr müssen
aussagekräftige, tatsächliche Hinweise dafür vorliegen, dass der Betreffende nicht nur allgemein, sondern
gerade dort, wo das Aufenthaltsverbot gelten soll, eine Straftat verüben wird (VG Stuttgart, Beschluss vom
08.06.2006 - 5 K 2106/06 -, juris; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 15.07.2014 - 5 K 996/13.NW -, juris;
Stephan/Deger, PolG BW, 7. Aufl., § 27a Rn. 11; Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, PolG BW, 8. Aufl., § 27a Rn.
10; Siegel, NJW 2013, 1035).
42 Vorliegend steht für die Kammer nach erfolgter informatorischer Anhörung und der Zeugeneinvernahme
fest, dass der Kläger seit mehreren Jahren in der F.er Ultra-Szene fest verankert ist; in diese Richtung
äußerten sich nicht nur der szenekundige Beamte R. und der Sozialarbeiter M., vielmehr ergibt sich auch aus
den Aussagen des Klägers selbst, dass er in der Fanszene sehr aktiv ist. Weitergehend hat sich die Kammer
davon überzeugen können, dass er den „C“ zumindest nahesteht. Der Kläger selbst gab in der mündlichen
Verhandlung an, seit dem Sommer 2009 bis zu ihrer Auflösung im Herbst 2012 Mitglied der Fangruppe „W
F.“ gewesen zu sein; dies deckt sich mit den Erkenntnissen der Polizei. Nachdem sich diese Gruppierung
aufgelöst hatte, gründeten sich im Frühjahr 2013 die „C“. Nach Angaben des szenekundigen Beamten R.
wechselten viele der ehemaligen „W F.“ zu den „C“. Der Kläger bestritt in der mündlichen Verhandlung
zwar, selbst ein Mitglied der „C“ zu sein; er sei in organisatorische Dinge nicht eingebunden und kleide sich
auch nicht wie ein „C“. Gleichzeitig gab er aber an, mit einigen Mitgliedern aus dieser Fangruppierung
befreundet zu sein, sich bei ihnen aufzuhalten und mit ihnen zu den Spielen zu fahren; auch während der
Spiele stehe er unter den Leuten, die sich den „C“ zurechneten. Dass der Kläger sich innerhalb der F.er
Fanszene durchaus den „C“ bzw. einzelnen seiner Mitglieder verbunden fühlt, zeigt beispielhaft der Vorfall
am 21.03.2014. Dort kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen einigen „C“ und Mitgliedern der Ultra-
Gruppierung „R“; der Kläger, der sich bei den „C“ befand, hat nach eigenen Angaben zunächst ein Mitglied
von „R“ „mit der Hand genommen und aus der Gruppe weggeschoben“ und später einem anderen Mitglied
von „R“ einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, um ein Mitglied der „C“ aus dem Schwitzkasten eines „R“-
Mitglieds zu befreien. Sowohl der Umstand, dass der Kläger, der selbst nicht angegriffen wurde, sich durch
Wegdrängen eines „R“-Mitglieds in den Konflikt einschaltete, als auch die Schilderung des Sozialarbeiters M.,
wonach es dem Kläger im Anschluss an diese Eskalation des Konflikts bei der Fahrt zum nächsten
Auswärtsspiel gelungen ist, deeskalierend auf die Konfliktparteien einzuwirken, zeigen, dass er in der
Ultraszene verankert ist und dort Respekt genießt bzw. dort zumindest einen gewissen Einfluss hat. Die
Kammer nimmt dem Kläger ab, dass er sich nicht dem inneren Kreis der „C“ zugehörig fühlt, welcher
organisatorisch-planerische Aufgaben wahrnimmt und die Gruppierung nach außen vertritt, und dass er sich
auch in seiner Kleidung jedenfalls in jüngerer Zeit eine gewisse Eigenständigkeit und Unabhängigkeit
bewahrt. Indem der Kläger sich im Umfeld von Fußballbegegnungen aber bei seinen Freunden, die aktive „C“
sind, aufhält, mit ihnen und in ihrer Mitte die Spiele besucht und für sie - wie etwa der Vorfall vom
21.03.2014 zeigt - auch in die Bresche springt, ist er gerade Teil des von der Rechtsprechung beschriebenen
unterstützenden Umfelds derjenigen, die aus der Gruppe heraus Straftaten begehen, unabhängig davon, ob
er selbst seine Position als eine - wie auch immer zu dokumentierende, jedenfalls nicht durch eine förmliche
Aufnahme in die Gruppierung nach außen tretende - „Mitgliedschaft“ begreift. Dass aus dem Kreis der „C“ in
der Vergangenheit immer wieder im Zusammenhang mit Fußballbegegnungen der ersten oder zweiten
Mannschaft des SC F. Straftaten verübt worden sind, ergibt sich aus der von der Polizei erstellten „Vita
Ultragruppierung ‚C‘“ vom 03.09.2014, aber auch aus den Aussagen des szenekundigen Beamten R. in der
mündlichen Verhandlung etwa im Zusammenhang mit pyrotechnischen Vorfällen bei Auswärtsspielen des SC
F..
43 Aus den polizeilichen Erkenntnissen ergibt sich darüber hinaus, dass auch der Kläger selbst wiederholt an
körperlichen Auseinandersetzungen insbesondere mit gegnerischen Fans aktiv beteiligt war. Die Kammer
nimmt den Vorfall vom 30.12.2009 hier ausdrücklich aus, weil hier bereits eine Anwesenheit des Klägers bei
dem Vorfall, erst recht aber eine aktive Teilnahme nicht nachgewiesen werden konnte. Anders ist es jedoch
nicht nur bei der bereits erwähnten Eskalation des Konflikts mit Mitgliedern von „R“ vom 21.03.2014,
sondern auch bei den weiteren Vorfällen vom 04.08.2012 und 29.03.2014, bei denen der Kläger nicht nur
physisch anwesend, sondern selbst aktiv beteiligt war. Auch wenn der Kläger strafrechtlich deswegen nicht
belangt wurde, machen diese polizeilichen Erkenntnisse doch deutlich, dass sich der Kläger im
Zusammenhang mit Fußballbegegnungen wiederholt in einem gewaltbereiten Umfeld aufgehalten hat und
nicht nur der gewaltsamen Auseinandersetzung nicht aus dem Weg gegangen ist, sondern sich im Gegenteil
aktiv an der körperlichen Austragung von Konflikten mit gegnerischen Fans - wenn auch möglicherweise
nicht an vorderster Front - beteiligt und in diesem Zusammenhang zumindest den Tatbestand einer
Körperverletzung verwirklicht hat. Auch wenn am 29.03.2014, als es zu einer Massenschlägerei zwischen
Anhängern des SC F. und Fans des 1. FC N. vor dem Fanprojekt des SC F. gekommen ist, die Aggression vor
allem von den N.er Fans ausgegangen sein sollte, zeigt doch das in den Strafakten befindliche, in der
mündlichen Verhandlung in Augenschein genommene Bildmaterial, dass der Kläger sich nicht rein defensiv
verhalten und von der Auseinandersetzung distanziert hat; vielmehr war er einer der nach Aussagen des
szenekundigem Beamten R. etwa zehn bis 15 Fans, die - von etwa 80 bis 100 anwesenden F.er Fans - auf
F.er Seite aktiv an der Schlägerei teilgenommen haben.
44 Die Beklagte hatte entgegen der Ansicht des Klägers auch keine Veranlassung, Vorfälle, die zum Zeitpunkt
des Erlasses des Betretungs- und Aufenthaltsverbots im Herbst 2014 bereits länger als ein Jahr zurücklagen,
von vornherein aus ihrer Prognoseentscheidung auszublenden. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht
aus dem vom Klägervertreter zitierten Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 07.12.2014 (1 S 2218/03,
juris). Denn der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem, § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG betreffenden Verfahren
ausgeführt, dass diese Regelung - obwohl dort, anders als vorliegend, die Gesetzesbegründung eine
Beschränkung auf Vorfälle der letzten zwölf Monate nahe legen könnte - nicht etwa dahingehend
auszulegen sei, dass in die Gefährdungsprognose im Sinne einer zeitlich starren Grenze nur Vorfälle
innerhalb der letzten zwölf Monate einfließen dürften; allerdings bedürfe es einer hinreichend aktuellen
Gefährdungslage und damit im Regelfall der Feststellung von Vorfällen (auch) aus jüngerer Zeit, um die
Gefährdungsprognose zu begründen. Selbst wenn man diese zu § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ergangene, schon
allein mit Blick auf die dortige Gesetzesbegründung nicht uneingeschränkt auf § 27a Abs. 2 PolG
übertragbare Rechtsprechung hier anwenden wollte, wäre die Beklagte daher nicht daran gehindert, auch
auf ältere Vorfälle zu rekurrieren, wenn sie für die Begründung einer aktuell bestehenden Gefährdungslage
daneben, was hier der Fall ist, auch Vorfälle aus jüngerer Zeit heranziehen konnte.
45 Das aktive Auftreten des Klägers in der F.er Ultra-Szene in Zusammenschau mit den drei strafrechtlich
relevanten Vorkommnissen im Zusammenhang mit Fußballbegegnungen in den Jahren 2012 und 2014
waren im Herbst 2014 hinreichend konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger werde auch künftig
im Zusammenhang mit Fußballbegegnungen in den vom Aufenthaltsverbot erfassten Bereichen Straftaten
begehen oder zu ihrer Begehung beitragen.
46
2.2
Die Beklagte hat ferner ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Sie hat die angefochtene Verfügung
damit begründet, es sei zu verhindern, dass der Kläger weiterhin das Leben und die Gesundheit anderer
gefährde, indem er weitere Körperverletzungsdelikte und andere Straftaten begehe. Der vom
Aufenthaltsverbot betroffene Bereich beschränke sich auf das Gebiet des üblichen Aufenthalts von Gästefans
einschließlich der üblicherweise aufgesuchten Gaststätten sowie auf die erfahrungsgemäß durch diese
benutzten Haltestellen; es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger während der Geltungszeiten des Verbotes
eine Einrichtung dort besuchen müsse.
47 Hiergegen ist nichts zu einzuwenden. Insbesondere hat die Beklagte das Aufenthaltsverbot auf die Spieltage
und auch insoweit lediglich auf einen überschaubaren, aus Sicht der Polizei bei Fanausschreitungen aber
regelmäßig relevanten Zeitraum und auch örtlich auf den relevanten Bereich beschränkt. Das Verbot stellt
zwar einen nicht unerheblichen Eingriff in Rechte des Klägers dar; mildere Handlungsalternativen standen
mit Blick auf den bezweckten Erfolg der effektiven Unterbindung von Fanausschreitungen im
Zusammenhang mit den Heimspielen der ersten oder zweiten Mannschaft des SC F. aber nicht zur
Verfügung. Damit erwies sich das Aufenthaltsverbot insbesondere als verhältnismäßig.
48
2.3
Die Kammer sieht ferner keine Unbestimmtheit des Bescheides vom 19.09.2014 in Bezug auf, wie der
Kläger meint, Spiele der zweiten Mannschaft, weil, so die Begründung, der insoweit angekündigte
Änderungsbescheid nicht ergangen sei. Der angefochtene Bescheid ist vielmehr hinreichend bestimmt, weil
er klar und eindeutig wie auch in sich schlüssig regelt, an welchen Tagen zu welchen Uhrzeiten während
welcher Fußballbegegnungen unter Beteiligung der ersten oder zweiten Mannschaft des SC F. der Kläger
sich in welchem Bereich F.s nicht aufhalten darf. Dass die Beklagte (nur) für den Fall, dass „die Termine der
Mannschaft SC F. II ... je nach Feinterminierung der ersten drei Fußball-Ligen noch geändert werden“ sollten,
den Erlass eines Änderungsbescheides angekündigt hat, solche die Änderung des Bescheides erfordernde
Terminsänderungen aber offensichtlich nicht erfolgt sind - jedenfalls behauptet dies auch der Kläger nicht -
mit der Folge, dass ein Änderungsbescheid insoweit nicht ergangen ist, kann schwerlich Einfluss auf die
Bestimmtheit des angefochtenen Bescheides vom 19.09.2014 in der Fassung des Bescheides vom
06.10.2014 haben.
49 Auch im Übrigen ist der angegriffene Bescheid im Hinblick auf das unter Nr. I.1. ausgesprochene Aufenthalts-
und Betretungsverbot hinreichend bestimmt, insbesondere kann der Kläger den exakten Geltungsbereich
des Aufenthaltsverbots den beigefügten Plankarten und der textlichen Beschreibung entnehmen.
50
2.4
Das Betretungs- und Aufenthaltsverbot erweist sich jedoch aufgrund Verstoßes gegen § 27a Abs. 2 Satz
3 PolG als rechtswidrig, soweit es auch Spieltage nach dem 01.11.2014 erfasst.
51 Gemäß § 27a Abs. 2 Satz 3 PolG darf ein Aufenthaltsverbot die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten.
52 Dieser zeitlichen Begrenzung genügt das von der Beklagten ausgesprochene Aufenthalts- und
Betretungsverbot nicht. Zwar hält das durch den angegriffenen Bescheid vom 19.09.2014 in der Fassung
des Änderungsbescheids vom 06.10.2014 festgesetzte Aufenthalts- und Betretungsverbot mit seinem
Geltungszeitraum vom 27.09.2014 bis zum 21.12.2014 für sich genommen den Dreimonatszeitraum ein.
Der angefochtene Bescheid steht jedoch nicht isoliert, sondern knüpft zeitlich unmittelbar an den Bescheid
vom 30.07.2014 in der Fassung des Abänderungsbescheids vom 19.08.2014 an, mit welchem gegenüber
dem Kläger ein aufgrund der gleichen Gefahrenprognose erstelltes Aufenthalts- und Betretungsverbot, gültig
für den Zeitraum vom 02.08.2014 bis zum 20.09.2014, erlassen worden war. Bei der Beschränkung des §
27a Abs. 2 Satz 3 PolG handelt es sich um eine maximale Zeitobergrenze, die auch dann nicht durch den
Erlass einer auf dieselben Tatsachen gestützten Folgeverfügung überschritten werden darf, wenn die
Gründe für das Aufenthaltsverbot nach Fristablauf erkennbar im Wesentlichen unverändert fortbestehen
(vgl. Ruder, Polizeirecht Bad.-Württ., 8. Aufl., Rn. 656; Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, PolG BW, 8. Aufl., §
27a Rn. 9; a.A. Stephan/Deger, PolG BW, 7. Aufl., § 27a Rn. 12).
53 Die Dreimonatsfrist für das gegen den Kläger verhängte Aufenthalts- und Betretungsverbot, das erstmals
am 02.08.2014 galt, endete damit am 01.11.2014. Soweit der Bescheid Tage nach dem 01.11.2014 erfasst,
ist das Aufenthalts- und Betretungsverbot damit wegen Überschreitens der Dreimonatsfrist des § 27a Abs. 2
Satz 3 PolG rechtswidrig gewesen.
54 Etwas anderes ergibt sich entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch nicht daraus, dass das
gegenüber dem Kläger verhängte Aufenthalts- und Betretungsverbot nicht durchgängig, sondern nur sehr
punktuell - im genannten Dreimonatszeitraum an (nur) zehn Tagen für jeweils zwölf Stunden - galt. Richtig
ist zwar, dass die Höchstfrist von drei Monaten die Verhältnismäßigkeit des Aufenthaltsverbots sicherstellen
soll (vgl. LT-Drs. 14/3165 S. 67). Auch wenn das Verhältnismäßigkeitsprinzip eine derartige Höchstfrist von
drei Monaten nicht gebietet - in der obergerichtlichen Rechtsprechung anderer Bundesländer wurden
vereinzelt wesentlich längere Aufenthaltsverbote als vom Verhältnismäßigkeitsprinzip gedeckt angesehen
(vgl. etwa Bayer. VGH, Beschluss vom 18.02.1999 - 24 CS 98.3198 -, juris [12 Monate]; OVG Nieders.,
Beschluss vom 12.05.2009 - 11 ME 190/09 -, juris [6 Monate]; OVG Bremen, Urteil vom 24.03.1999 - 1 BA
27/97 -, juris [6 Monate]) -, steht es dem Gesetzgeber frei, aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten eine
entsprechende rein formale Obergrenze von drei Monaten einzuführen. Richtig ist auch, dass es unter dem
Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit einen gewichtigen Unterschied macht, ob ein Aufenthaltsverbot
ununterbrochen für drei Monate oder jeweils nur für einzelne Tage oder gar Stunden innerhalb dieses
Zeitraums ausgesprochen wird. Dass es neben Aufenthaltsverboten, die typischerweise ununterbrochen für
einen längeren Zeitraum ausgesprochen werden - etwa zur Bekämpfung einer offenen Drogenszene - auch
solche gibt, die nur einen kürzeren Zeitraum betreffen, war dem Gesetzgeber jedoch offensichtlich bewusst;
denn als ein Beispiel für den Erlass eines Aufenthaltsverbots nennt er den „Schutz von Veranstaltungen vor
gewaltbereiten Personen“ (LT-Drs. 14/3165 S. 66). Trotzdem hat er bei Formulierung der Frist die Worte „Es
darf die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten“ gewählt. Dies legt eine kalendermäßig bestimmte Frist
nahe. Hätte er stattdessen auf die Zeitspanne abstellen wollen, während derer das Aufenthaltsverbot
gegenüber dem Betroffenen Geltung entfaltet, und so eine Addition der Zeiträume verschiedener, jeweils
zeitlich eng befristeter Aufenthaltsverbote ermöglichen wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass er etwa
eine Dauer von „insgesamt 90 Tagen“ zur Obergrenze macht; dies umso mehr, als die Wortwahl „drei
Monate“ zwar auf Grundlage von § 188 Abs. 2 BGB mühelos ein kalendermäßig bestimmtes Ende, nicht aber
eine exakte Bestimmung der Anzahl der hierunter zu fassenden Tage ermöglicht. Dies steht einer Auslegung
von § 27a Abs. 2 Satz 3 PolG entgegen, nach der eine Zerlegung der Dreimonatsfrist in die entsprechende
Zahl von Tagen oder gar Stunden und deren Verteilung auf einen weit über drei Monate hinausgehenden
Zeitraum zulässig wäre. Nach Auffassung der Kammer ist daher die formale Frist des § 27a Abs. 2 Satz 3
PolG als kalendermäßig zu bestimmende Frist auszulegen, ohne dass es darauf ankäme, innerhalb welchen
Zeitraums innerhalb dieser Frist das Aufenthaltsverbot Geltung entfaltet.
55
3.
Die in Nr. I.2. des angefochtenen Bescheids verhängte Meldeauflage war rechtlich nicht zu beanstanden.
56 Gemäß §§ 1, 3 PolG hat die Polizei u.a. die Aufgabe, von dem einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren
abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit bedroht wird, zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen
Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen.
57
3.1
Eine Meldeauflage zielt darauf, dass die betreffende Person sich bei einer bestimmten polizeilichen
Dienststelle zu einem bestimmten Zeitpunkt „melden“ muss. Im Gegensatz zu einem Aufenthalts- und
Betretungsverbot regelt sie unmittelbar nicht das „Wegbleiben“ vom einem bestimmten Ort, sondern das
„Hinkommen“ zu einer Polizeidienststelle (Siegel, NJW 2013, 1035). Sofern es, wie im baden-
württembergischen Recht, an einer spezialgesetzlichen Grundlage für den Erlass einer Meldeauflage fehlt,
wird in der Rechtsprechung die Anwendung der polizeilichen Generalklausel als Grundlage für eine
Meldeauflage ausdrücklich für zulässig erachtet (BVerwG, Urteil vom 25.07.2007 - 6 C 39/06 -, juris; VGH
Bad.-Württ., Beschluss vom 15.06.2000 - 1 S 1271/00 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 05.03.2015 - 10
CS 14.2244 u.a. -, juris; OVG Bremen, Urteil vom 02.09.2008 - 1 A 161/06 -, juris; OVG Nieders., Beschluss
vom 14.06.2006 - 11 ME 172/06 -, juris; OVG Berl.-Brandenbg., Urteil vom 21.03.2006 - 1 B 7.04 -, juris;
vgl. dazu sowie zu den mitunter kritischeren Stimmen in der Literatur Schlucht, NVwZ 2011, 709). Dem
schließt sich die Kammer für den hier vorliegenden Fall an, auch wenn aus ihrer Sicht eine spezialgesetzliche
Regelung etwa mit Blick auf die Frage der materiellen Voraussetzungen für ihren Erlass, der Bestimmung
einer möglichen zeitlichen Höchstfrist derartiger Maßnahmen (wie etwa in § 27a Abs. 2 Satz 3 PolG erfolgt)
oder der ausdrücklichen Festlegung der örtlichen Zuständigkeit für den Erlass der Meldeauflage durchaus
wünschenswert wäre oder bei einer weiteren Verfestigung der Meldeauflage als polizeiliche
Standardmaßnahme gar geboten sein könnte (vgl. zu dem früher ebenfalls auf §§ 1, 3 PolG gestützten
Platzverweis etwa VG Stuttgart, Beschluss vom 17.05.2001 - 5 K 1912/01 -, juris, oder zu der so gen.
offenen Observation u.a. Urteil der Kammer vom 14.02.2013 - 4 K 1115/12 -, juris).
58
3.2
Die Meldeauflage ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen.
59
3.2.1
Die Beklagte war für den Erlass der Meldeauflage örtlich zuständig. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 ist
diejenige Polizeibehörde örtlich zuständig, in deren Bezirk die polizeiliche Aufgabe wahrzunehmen ist (§ 68
Abs. 1 PolG), wo also die Notwendigkeit für ein polizeiliches Einschreiten besteht. Dies ist der Ort, an dem
der Eintritt des Schadens für ein polizeiliches Schutzgut droht oder an dem sich die Gefahrenquelle befindet
(Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, PolG BW, 8. Aufl., § 68 Rn. 4). Die Zuständigkeit der Wohnortbehörde für
den Erlass von Meldeauflagen ist für die Rechtsprechung offenbar so selbstverständlich, dass sie mit keinem
Wort erwähnt, geschweige denn erörtert, sondern stillschweigend voraussetzt wird (so etwa VGH Bad.-
Württ., Beschluss vom 14.06.2000 - 1 S 1271/00 -, juris; Sächs. OVG, Beschluss vom 26.05.2010 - 3 A
244/09 -, juris; OVG Bremen, Urteil vom 02.09.2008 - A 161/06 -, juris; OVG Berl.-Brandenbg., Urteil vom
21.03.2006 - 1 B 7.04 -, juris). Gerade vor dem Hintergrund, dass die Regeln über die örtliche Zuständigkeit
speziell im Gefahrenabwehrrecht stark vom Effizienzgedanken geprägt sind (vgl. Denninger/Rachor,
Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., C Rn. 32, m.w.N.), geht auch die Kammer davon aus, dass die örtliche
Zuständigkeit der Beklagten für die Meldeauflage auf Grundlage des § 68 Abs. 1 Satz 1 PolG hier nicht
verneint werden kann. Dies gilt bereits deshalb, weil sich die Gefahr der Begehung von bzw. der Beteiligung
an Straftaten durch Ultras im Falle von Auswärtsspielen nicht erst am Ort des Auswärtsspiels, sondern
bereits auf dem Weg dorthin - etwa bei gemeinsamer Anreise in der Bahn - verwirklichen kann. Ungeachtet
dessen ist F. als der Ort, an dem der Kläger wohnt, derjenige, an dem die Gefahr, dass der Kläger sich zu
Auswärtsspielen begibt und in diesem Zusammenhang strafbare Handlungen begeht, am effektivsten
bekämpft werden kann (in diesem Sinne VG Frankfurt, Urteil vom 07.03.2002 - 5 E 3789/00 -, juris).
60
3.2.2
Der Kläger wurde vor Erlass der Meldeauflage ordnungsgemäß angehört (vgl. dazu oben 1.1); auch im
Hinblick auf das Begründungserfordernis bestehen keine rechtlichen Bedenken (vgl. dazu oben1.2).
61
3.3
Die Meldeauflage war schließlich materiell rechtmäßig.
62 Voraussetzung für den Erlass einer Meldeauflage ist danach das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die
öffentliche Sicherheit und Ordnung, wobei eine objektive ex-ante-Sicht maßgeblich ist. Für die
Gefahrenprognose ist eine wertende Abwägung vorzunehmen. Je größer und folgenschwerer der
möglicherweise eintretende Schaden wäre, je größer die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter ist, umso
geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden
können; so kann in Fällen, in denen besonders hochwertige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von
Menschen gefährdet sind, bereits eine relativ entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts
sicherheitsrechtliche Maßnahmen rechtfertigen.
63 Die Beklagte hat zu Recht eine hinreichend konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit angenommen, der
sie durch den Erlass der angefochtenen Meldeauflage begegnete. Auf der Grundlage der ihr von Seiten der
Polizei zur Verfügung gestellten konkreten und nachvollziehbaren Erkenntnisse durfte die Beklagte in
rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgehen, dass der Kläger als Mitglied der F.er Ultra-Szene
mit einer Nähe zu den „C“ auch an Auswärtsbegegnungen der ersten oder zweiten Mannschaft des SC F.
teilnimmt und dass es dort, wie bereits mehrfach im Bereich um das SC-Stadion herum, zu körperlichen
Auseinandersetzungen mit gegnerischen Fans kommt. Damit lagen zum Zeitpunkt des Erlasses des
angefochtenen Bescheids hinreichende Erkenntnisse vor, die aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht die
konkrete Gefahr der (erneuten) Teilnahme des Klägers an Auswärtsspielen einer F.er Mannschaft und damit
die Gefahr der Begehung strafbewehrter Rechtsverstöße und damit verbundener Gesundheitsgefahren
Dritter durch den Kläger begründeten (vgl. dazu OVG Nieders., Beschluss vom 14.06.2006 - 11 ME 172/06 -,
juris; BVerwG, Urteil vom 25.07.2007 - 6 C 39/06 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 15.06.2000 - 1 S
1271/00 -, juris, und Urteil vom 16.11.1999 - 1 S 1315/98 -, juris).
64 Die Beklagte war sich auch ihres Ermessensspielraums im Klaren und hat entsprechende - wenn auch kurze
- Ausführungen dazu gemacht.
65 Eine Meldeauflage war ferner dazu geeignet, dem Kläger die Anreise zu derartigen Auswärtsspielen
unmöglich zu machen. Es waren auch keine milderen Mittel ersichtlich. Schließlich erscheint die
Meldeauflage im Hinblick darauf, dass im angefochtenen Bescheid Ausnahmen von den Meldepflichten aus
wichtigem Grund vorgesehen waren, auch nicht als im engeren Sinne unverhältnismäßig. Auch der Kläger
hat weder im Rahmen der Anhörung noch im gerichtlichen Verfahren gewichtige Belange vorgetragen, die
einer Auferlegung der Meldeauflage entgegenstünden oder die Beklagte dazu hätten veranlassen müsse,
diese Auflage anderweitig zu gestalten.
66 Die Meldeauflage war schließlich auch über den 01.11.2014 hinaus rechtmäßig, da §§ 1, 3 PolG eine
zeitliche Befristung nicht vorsehen und eine solche aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten auch nicht
erforderlich ist.
67
4.
Erweist sich damit der Bescheid vom 19.09.2014 im Hinblick auf das Betretungs- und Aufenthaltsverbot
als teilweise rechtswidrig, so hat dies Auswirkungen auch auf die Rechtmäßigkeit der Gebührenfestsetzung.
Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid unter IV. die Gebühr nach §§ 1, 2, 4 der Satzung der Stadt F.
über die Erhebung von Verwaltungsgebühren auf 150,-- EUR festgesetzt. Die Festsetzung der konkreten
Höhe der Gebühr innerhalb des vorgegebenen Gebührenrahmens stand im Ermessen der Beklagten (vgl.
dazu VG Karlsruhe, Urteil vom 26.07.2011 - 6 K 2797/10 -, juris, m.w.N.). Die Beklagte ging bei Festsetzung
der Gebühr davon aus, neben der Meldeauflage ein weiteres Aufenthaltsverbot von drei Monaten erlassen
zu dürfen. Erweist sich diese Annahme als falsch, fehlt es damit auch ein einer tragfähigen Grundlage für die
Ermessensentscheidung betreffend die Höhe der Gebührenfestsetzung.
III.
68 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht sieht im Rahmen des ihm
eingeräumten Ermessens davon ab, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
69 Die Berufung wird gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung hat. Die grundsätzliche Bedeutung folgt hier daraus, dass die Frage, ob die Dreimonatsfrist des §
27a Abs. 2 Satz 3 PolG kalendermäßig zu bestimmen ist oder ob insoweit die Zeiträume verschiedener,
jeweils zeitlich eng befristeter Aufenthaltsverbote bis zu einer Gesamtdauer von drei Monaten zu addieren
sind, für eine Vielzahl von Aufenthaltsverboten von Bedeutung ist; zu dieser Frage fehlt es bislang
weitgehend an einschlägiger obergerichtlicher Rechtsprechung.